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Archiv "Arbeitsmedizin in Mittel- und Kleinbetrieben: Zwischen Verpflichtung und Freiwilligkeit" (22.08.1987)

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(1)

DEUTSCHES ARZTEBLATT

AKTUELLE MEDIZIN

Arbeitsmedizin in

Mittel- und Kleinbetrieben

Zwischen Verpflichtung und Freiwilligkeit

Hans Flick

D

ie Verpflichtungen al- ler Beteiligten inner- halb der Arbeitsmedi- zin sind durch gesetz- liche Regelungen de- finiert. Zwischen diesen Regelungen gibt es Freiräume, in denen die Part- ner bei der Erfüllung ihrer Aufga- ben ohne klar formulierte Geset- zeszwänge miteinander auskommen müssen. Hier bleiben für die einzel- nen Partner bei ihrer Beteiligung an Arbeitsschutzmaßnahmen Reste von Freiheit und Freiwilligkeit, de- ren sinnvolle Ausfüllung auf Ver- nunft, Einsicht und guten Willen an- gewiesen sind.

Auf der Betriebsarztseite sind die Verpflichtungen im Arbeitssi- cherheitsgesetz (besonders in § 3, Aufgaben der Betriebsärzte) relativ klar definiert. Im Gegensatz dazu steht es der Arbeitnehmerseite, für die das neue Gesetz gemacht wurde, in viel größerem Maße frei, arbeits- medizinische Maßnahmen anzuneh- men. Dabei wird davon ausgegan- gen, daß in letzter Konsequenz all das auf Freiwilligkeit beruht, wozu gesetzlich keine zwingende Ver- pflichtung besteht.

Viele Berührungspunkte zwi- schen der Arbeitsmedizin und den Beschäftigten ergeben sich bei ärzt- lichen Vorsorgeuntersuchungen von Arbeitnehmern. Ohne Zweifel ge- hört diese Untersuchungstätigkeit des Betriebsarztes zu den Berei- chen, wo sich Konflikte zwischen Verpflichtungen auf der einen Seite und Freiwilligkeit auf der anderen

Die Einbeziehung von Mit- tel- und Kleinbetrieben in die arbeitsmedizinische Versorgung stellt den Be- triebsarzt gelegentlich vor überaus schwierige Aufga- ben. Der Freiwilligkeit un- serer Partner steht der Ge- setzesauftrag gegenüber.

Seite häufig abspielen. Darum sollen an diesem Beispiel einmal die sich daraus ergebenden Probleme aufge- zeigt werden.

1. Verpflichtungen

Die gesetzlichen Grundlagen für die arbeitsmedizinischen Vorsorge- untersuchungen befinden sich im ASiG, in der VBG 100, der Gefah- renstoffverordnung und in einer Reihe von speziellen staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Verord- nungen und Vorschriften. Der Be- triebsarzt ist gesetzlich verpflichtet, arbeitsmedizinische Vorsorgeunter- suchungen durchzuführen. Das gilt Berufsgenossenschaftlicher Arbeitsmedi- zinischer Dienst Zentrum Freiburg (Leiten- der Arzt: Dr. med Hans Flick)

nicht nur für die vorgeschriebenen speziellen, sondern auch für die all- gemeinen Vorsorgeuntersuchungen.

Bei der Untersuchungsverpflichtung aller betriebsärztlich zu Betreuen- den gibt es keinen Ermessensraum (1). Die Arbeitnehmer haben alle der Arbeitssicherheit dienenden Maßnahmen zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, Weisungen zum Zweck der Unfallverhütung zu be- folgen, es sei denn, es handelt sich um Weisungen, die offensichtlich unbegründet sind (2). Was bedeutet das für die Praxis arbeitsmedizini- scher Vorsorgeuntersuchungen? In einer Tabelle sind die am häufigsten vorkommenden arbeitsmedizini- schen Vorsorgeuntersuchungen in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsstellung der Beschäftigten zu- sammengestellt.

2. Freiwilligkeit

Mit Ausnahme der Untersu- chungen nach der Strahlenschutz- verordnung besteht keine Rechts- pflicht zur Teilnahme und Duldung von arbeitsmedizinischen Vorsorge- untersuchungen (3). Wird die Teil- nahme von speziellen arbeitsmedizi- nischen Vorsorgeuntersuchungen al- lerdings verweigert, regeln sich die Rechtsfolgen im Rahmen des Ar- beitsrechts. Somit steht dem gesetz- lich

klar definierten Auftrag an

den Betriebsarzt, daß arbeitsmedi- zinische Vorsorgeuntersuchungen grundsätzlich durchzuführen sind, Dt. Ärztebl. 84, Heft 34/35, 22. August 1987 (31) A-2235

(2)

Tabelle: Rechtsstellung der Arbeitnehmer bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen

Untersuchungsarten Duldungs- pflicht

arbeits- rechtliche

Konse- quenzen

Art/Umfang der Untersuchung

gesetzlich geregelt?

frei- willig

1. Untersuchungen nach Strahlen- schutzverordnung 2. Untersuchungen nach VBG 100

3. Untersuchungen nach berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen ohne bindende Rechtsvorschriften

4. Allgemeine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen

ja nein

nein ja ja ja

nein nein

nein nein ja nein

bei der Mehrzahl der Untersuchun- gen eine Freiwilligkeit der Arbeit- nehmer gegenüber. „Die freiwillige Mitwirkung der Betroffenen (Ar- beitnehmer), für deren Schutz diese Bestimmungen (ASiG) gerade ge- schaffen wurden, wird als selbstver- ständlich vorausgesetzt" (4).

3. Konflikte

Diese Selbstverständlichkeit der freiwilligen Mitwirkung ist zwar ra- tional unbezweifelbar, entspricht aber trotzdem nicht immer der Rea- lität. Nicht vorgeschriebene allge- meine arbeitsmedizinische Vorsor- geuntersuchungen werden nicht sel- ten mit der ausdrücklichen Begrün- dung der Freiwilligkeit abgelehnt.

Dadurch kann der Betriebsarzt in ein Dilemma kommen, weil er seine arbeitsmedizinischen Aufgaben in einem Betrieb dann kaum sinnvoll wahrnehmen kann. Das wird beson- ders der Fall sein, wenn in einer Fir- ma gesetzlich vorgeschriebene Un- tersuchungen kaum anfallen.

Aus dieser Konfliktsituation heraus hat es Versuche gegeben, die Freiwilligkeit mit den verschieden- sten Argumenten in Frage zu stel- len. So hat man unter anderem ver- sucht, aus der Zuweisung bestimm- ter Aufgaben an den Betriebsarzt im ASiG abzuleiten, daß dadurch die Arbeitnehmer umgekehrt verpflich- tet sind, bei der Durchführung die- ser Aufgaben mitzuwirken. Diese Rechtsauffassung hat sich nicht durchsetzen lassen. Auch das BMA (5) verneint eine sich aus dem ASiG ergebende Verpflichtung zur Dul- dung von Untersuchungen für die Arbeitnehmer, wobei allerdings die ministerielle Äußerung insofern mehrdeutig ist, als dort von sich aus

„einzelnen Arbeitsschutzvorschrif- ten" ergebenden Verpflichtungen des Arbeitnehmers die Rede ist (6).

Ohne Zweifel würde der Aus- tausch der Freiwilligkeit bei den all- gemeinen arbeitsmedizinischen Vor- sorgeuntersuchungen durch mehr gesetzliche Zwänge die Aufgabener- füllung der Betriebsärzte in Teilbe- reichen erleichtern. Das würde aber dazu führen, daß auf der Arbeitneh- merseite erhebliche Einbußen an gu-

tem Willen, Vernunft, Einsicht und persönlichem Engagement in Kauf genommen werden müßten. „Alle arbeitsmedizinischen Bemühungen können nur dann von Erfolg sein, wenn die Arbeitnehmer selbst ihren Teil dazu beitragen, dies um so mehr, als die berufliche Belastung nur eine der Einflußgrößen für Ge- sundheit und Krankheit ist" (7). Wir Arbeitsmediziner müssen also wei- ter mit der Freiwilligkeit leben. Bei dieser Einsicht dürfte es zweckmä- ßig sein, darüber nachzudenken, was die Freiwilligkeit behindert.

Der Arbeitnehmer erwartet vom Betriebsarzt eine Verbesserung seiner Arbeitsbedingungen und Schutz gegen gesundheitliche Ge- fahren. Andererseits fürchtet er in der heutigen Zeit den möglichen Verlust seines Arbeitsplatzes als Folge betriebsärztlicher Aktivitäten.

Er hat Zweifel, ob auch in der Ar- beitsmedizin die ärztliche Schwei- gepflicht unverletzbar ist. Allgemei- ne Vorbehalte gegen jede Präven- tion (zum Beispiel Furcht vor dem Auffinden lebensbedrohender Er- krankungen) sind nicht zu unter- schätzen. Wir Ärzte sollten auch die Angst vor der Nadel bei der Blutent- nahme ernst nehmen.

Wie weit die teilweisen Dul- dungspflichten von arbeitsmedizini- schen Vorsorgeuntersuchungen und eine zwar grundsätzlich unbehinder- te, in der Praxis aber eingeschränkte

freie Arztwahl die Akzeptanz be- triebsärztlicher Tätigkeiten bela- sten, läßt sich schwer abschätzen.

Obwohl rein theoretisch eine freie Arztwahl besteht, hat der Proband in Wirklichkeit kaum Wahlmöglich- keiten. „Die sachgerechte Durch- führung arbeitsmedizinischer Prä- ventivmaßnahmen setzt voraus, daß der untersuchende Arzt mit den be- sonderen Arbeitsplatzverhältnissen vertraut sein muß und dadurch erst in die Lage versetzt wird, gezielte Empfehlungen, Auflagen und Be- dingungen zu erteilen" (8). Diese Voraussetzung trifft in der Regel nur für einen bestimmten Arzt zu. Die freie Arztwahl wird weiter dadurch behindert, daß der untersuchende Arzt spezielle Ermächtigungen be- nötigt und die Kosten für Untersu- chungen bei betriebsfremden Ärzten zum Teil vom Arbeitnehmer selbst bezahlt werden müssen.

Diese Gründe, die die Freiwil- ligkeit behindern, müssen wir ernst nehmen. Wir können sie nur beiseite räumen, wenn wir sie kennen und durch Information und Vertrauens- bildung entkräften.

4. Schlußfolgerung

Man würde es sich zu leicht ma- chen, wenn man die beschriebenen Konflikte zwischen Verpflichtung und Freiwilligkeit ausschließlich auf A-2238 (34) Dt. Ärztebl. 84, Heft 34/35, 22. August 1987

(3)

Immunsuppressive Primärtherapie des frisch-manifesten Typ-I-Diabetes

das Verhältnis Betriebsarzt-Arbeit- nehmer beschränken würde. Dazu zum Schluß noch ein Beispiel:

Es gehört zu den im ASiG be- schriebenen Aufgaben des Betriebs- arztes, den Arbeitgeber bei der Be- schaffung von technischen Arbeits- mitteln und der Einführung von Ar- beitsverfahren und Arbeitsstoffen zu beraten. Diese Aufgaben kann ein Betriebsarzt unbestreitbar nur dann erfüllen, wenn er früh genug, das heißt in der Planungsphase, über derartige Vorhaben informiert wird.

Für den Arbeitgeber besteht aber keine zwingende gesetzliche Ver- pflichtung zu einer zeitgerechten In- formation des Arbeitsmediziners.

Wenn sich nach der Einführung des ASiG Ärzte in Mittel- und Kleinbetrieben immer wieder bei ei- ner sinnvollen Durchführung der ge- setzlichen Bestimmungen schwer tun, sind Außenstehende unter Um- ständen schnell geneigt, dies im we- sentlichen auf ärztliches Fehlverhal- ten zurückzuführen. Die hier be- schriebenen Sachverhalte sollen un- ter anderem dazu beitragen, die Schwierigkeiten deutlich zu machen, die mit der Umsetzung des Arbeits- sicherheitsgesetzes in der Praxis der Mittel- und Kleinbetriebe verbun- den sind.

Literatur

1. Spinnarke/Schork, ASiR. 27 Lfg. Dezember 1984, ASiG-Kommentar zu § 3, S. 37 2. VBG. 1 „Allgemeine Vorschriften", § 14 3. Erläuterungen zur Durchführung arbeitsme-

dizinischer Vorsorgeuntersuchungen, Gent- ner Verlag Stuttgart, 4. Ergänzung August 1985, S. 17

4. Erläuterungen zur Durchführung arbeitsme- dizinischer Vorsorgeuntersuchungen, Gent- ner Verlag Stuttgart, 4. Ergänzung August 1985, S. 17

5. BG. 1976, S. 275

6. Spinnarke/Schork, ASiR., 32. Lfg. März 1986, Kommentar zum ASiG § 3, S. 40/6 a 7. Erläuterungen zur Durchführung arbeitsme- dizinischer Vorsorgeuntersuchungen, Gent- ner Verlag Stuttgart, 4. Ergänzung August 1985, S. 5

8. Erläuterungen zur Durchführung arbeitsme- dizinischer Vorsorgeuntersuchungen, Gent- ner Verlag Stuttgart, 4. Ergänzung August 1985, S. 18

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hans Flick Arzt für Arbeitsmedizin Berufsgenossenschaftlicher Arbeitsmedizinischer Dienst Hermann-Mitsch-Straße 36 a 7800 Freiburg

Zu dem Beitrag von Professor Dr.

med. Hubert Kolb in Heft 30 vom 23. Juli 1987:

In der Tabelle auf Seite A-2041 (B-1397, C-1260) ist bei der Herstel- lung die dritte Zwischenzeile „Cia- mexon" vor „Deutsch-Österreichi- sche Multicenter-Studie" verloren-

Cyclosporin A

1. Französische Multicenter-Studie Koordinator:

Prof. F.-J. Bach, Paris

2. Kanadisch-Europäische Diabetes-Studiengruppe Koordinatoren:

Prof. C. R. Stiller, London Prof. H. Kolb, Düsseldorf 3. US-Amerikanische

Multicenter-Studie Koordinator:

Dr. J. S. Skyler, Miami Azathioprin

( ± Glukokortikoide)

1. Gainesville-Studie (Florida, USA) Koordinator:

Dr. N. MacLaren, Gainesville

2. Melbourne-Studie (Australien) Koordinator:

Dr. L. Harrison, Melbourne Ciamexon

Deutsch-Österreichische Multicenter-Studie Koordinatoren:

Prof. K.-H. Usadel, Mannheim Dr. M. Herz, Mannheim

gegangen, was bei sämtlichen Kor- rekturgängen zu unserem Bedauern unbemerkt geblieben ist. Wir druk- ken diese Tabelle komplett in der berichtigten Form noch einmal und bitten, das Mißgeschick zu entschul- digen. MWR

Ergebnisse

Zwischenauswertung Juni 1986;

nach (6) 9 Monaten sind in Remis- sion:

Placebo: (11/59) 3/52 — 5,8%

Cyclosporin A:

(16/63) 13/54 — 24,1%

Zwischenauswertung ist im Gange

Noch keine Ergebnisse

Zwischenauswertung Juni 1986;

durchschnittlicher Insulin- bedarf in der mit Azathioprin + Glukokortikoid behandelten Gruppe nach 6-12 Monaten signifikant er- niedrigt gegenüber Kontrollgruppe (pro Gruppe 20 Patienten) Noch keine Ergebnisse

Noch keine Ergebnisse

Tabelle: Übersicht über kontrollierte Studien zur Immuntherapie des frisch-manifesten Typ-l-Diabetes

Neben diesen großen Studien werden an verschiedenen Orten Erprobungen von ande- ren Protokollen und Substanzen, meist in unkontrollierter Form, durchgeführt.

A-2240 (36) Dt. Ärztebl. 84, Heft 34/35, 22. August 1987

Referenzen

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