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Archiv "Interview mit EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg: „Wir sind nicht die Sklaven der Industrie“" (18.04.2014)

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A 678 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 16

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18. April 2014

„Wir sind nicht die Sklaven der Industrie“

Der Gesundheitskommissar spricht über den wachsenden Einfluss der Europäischen Union auf die Gesundheitspolitik, die Folgen der Wirtschaftskrise und den Vorwurf der zu großen Industrienähe.

Nach europäischem Recht sind in erster Linie die Mitgliedstaaten für die Gesundheitsversorgung ihrer Bürger verantwortlich. Warum braucht die EU trotzdem einen Gesundheitskommissar?

wartung und Verringerung der Säug- lingssterblichkeit annähern. Aber bei sozial schwachen Bevölkerungs- gruppen gibt es noch große Unter- schiede – und das in einer der reichs- ten Regionen der Welt.

Wie wirken sich die drastischen Sparmaßnahmen auf die Gesundheit der Bevölkerung in den Staaten aus, die von der Wirtschafts- und Finanz - krise am meisten betroffen sind?

Borg: Natürlich hat die Wirt- schaftskrise dort einen Effekt. Bei- spiel Griechenland: Dort steigt die Zahl der HIV-Infizierten, und zwar nicht, wie zunächst behauptet, weil die Zahl der Migranten wächst, sondern weil aufgrund der Spar- maßnahmen Rehabilitationspro- gramme für Drogenabhängige zu- rückgefahren wurden. Weniger Ab- hängige erhalten einen Therapie-

platz, sie teilen sich Spritzen, das Ansteckungsrisiko steigt. Aller- dings gibt es keine Studien, die be- legen, dass es wegen der Krise mehr Todesfälle gibt, weil die Men- schen medizinisch nicht versorgt werden.

Eines ist aber auch klar: Ohne Reformen wird kein Gesundheits- system in Europa zukunftsfähig sein. Das gilt auch für Deutsch- land. Wir müssen uns angesichts von Herausforderungen wie dem demografischen Wandel fragen, wie wir die vorhandenen Mittel ef- fektiver einsetzen. Nehmen Sie Griechenland: Dort hat die Krise dazu geführt, dass lange überfälli- ge Reformen auf den Weg gebracht wurden.

Der EU-Kommission wird ja häufig vorgeworfen, zu industriefreundlich zu sein . . .

Borg: Bei der Tabak-Richtlinie hat die Industrie bis zuletzt Widerstand geleistet. Das hat sie sicher nicht getan, weil ihr die Richtlinie so gut gefallen hat. Wir sind nicht die Sklaven der Industrie. Aber wir dä- monisieren sie auch nicht. Wir hö- ren sie ebenso an wie auch Nichtre- gierungsorganisationen. Wir müs- sen, wie im Fall der Medizinpro- dukte- oder der Pharmaindustrie, den Spagat schaffen, die Industrie zu fördern und zugleich die Sicher- heit der Patienten zu schützen.

Wird der Einfluss der EU auf die Ge- sundheitsversorgung weiter wachsen?

Borg: Ich glaube, langfristig wird die EU an Einfluss gewinnen. Aber ich bin Christdemokrat und deshalb ein Verfechter der Subsidiarität.

Was die Mitgliedstaaten besser selbst regeln können, sollte in ihrer Verantwortung bleiben. Wenn man bestimmte Ziele aber alleine nicht erreichen kann, sollte man sich nicht scheuen, Verantwortung an Brüssel abzugeben.

Das Interview führte Heike Korzilius.

INTERVIEW

mit EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg

Tonio Borg: Das ist tatsächlich ei- ne der Frustrationen in diesem Amt.

Aber wir versuchen, die wenigen Kompetenzen, die wir haben, zu nutzen. Wir haben beispielsweise geregelt, dass Patienten überall in Europa Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen können. Es gibt ein gemeinsames Vorgehen gegen grenzüberschreitende Gesundheits- gefahren wie die Vogelgrippe. Dem- nächst werden wir eine Vereinba- rung über die gemeinsame Beschaf- fung von Impfstoffen unterzeich- nen. Außerdem veröffentlichen wir vergleichende Gesundheitsberichte und investieren Millionen in Ge- sundheitsprogramme. Es gibt im- mer wieder neue Bereiche, in denen wir die Mitgliedstaaten unterstüt- zen können.

Was steht als Nächstes auf der gesundheitspolitischen Agenda?

Borg: Meine Amtszeit endet zwar am 31. Oktober. Meiner Ansicht nach haben aber zwei Themen Prio- rität: Die Zusammenarbeit bei grenz- überschreitenden Gesundheitsgefah- ren muss sich verbessern, und die Unterschiede beim Gesundheitszu- stand der Menschen in den verschie- denen Mitgliedstaaten müssen sich verringern. Wir haben vor kurzem einen Bericht veröffentlicht, wonach sich zwar Parameter wie Lebenser-

Seit zwei Jahren im Amt: Tonio Borg (56) löste Ende 2012 John Dalli als Gesundheitskom- missar ab, der we- gen Korruptionsvor- würfen zurücktreten musste. Er sei Christdemokrat quasi von Geburt an, sagt der Jurist aus Malta von sich selbst.

Foto: European Union 2013/EP

P O L I T I K

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