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FORUM-9-2015-Titelthema-Einstieg

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TITELTHEMA 6

K VB FORUM 9/2015

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er demografische Wandel ist eines der Themen, die regelmäßig genannt werden, wenn danach gefragt wird, was die großen Herausforderungen des Ge- sundheitswesens sind. In der Tat:

Bayern ist eine „Gesellschaft des langen Lebens“ geworden. Männer in Bayern haben eine Lebenserwar- tung von 78,3 Jahren, Frauen von 83,2 Jahren (Sterbetafel 2010/2012).

Damit ist die Lebenserwartung dop- pelt so hoch wie Ende des 19. Jahr- hunderts. Damals ging eine hohe

Wenn vom demografischen Wandel die Rede ist, darf der Blick auf die zukünfti- ge medizinische Versorgung nicht fehlen. Wie sehr wird die Inanspruchnahme ärztlicher Versorgungsleistungen zunehmen? Ist der ambulante Bereich genau- so betroffen wie der stationäre? Kann man überhaupt Aussagen zu den damit einhergehenden Krankheitskosten treffen? Unser Gastautor, Dr. Joseph Kuhn, Gesundheitsberichterstatter beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, gibt einen Überblick.

GESUNDHEIT UND GESUNDHEITS- VERSORGUNG IM ALTER

Geburtenhäufigkeit einher mit einer hohen Kindersterblichkeit – Anfang des 20. Jahrhunderts starb ein Drit- tel der Kinder in Bayern im ersten Lebensjahr. Die Zunahme der Le- benserwartung im 20. Jahrhundert war lange durch den Rückgang der Kindersterblichkeit bestimmt, heu- te kommt dagegen vor allem die Ver- längerung des Lebens in der zwei- ten Lebenshälfte zum Tragen. Im Alter von 65 Jahren haben Männer in Bayern inzwischen noch eine fer- nere Lebenserwartung von fast 18 Jahren, Frauen von fast 21 Jahren.

Selbst die 80-Jährigen haben noch eine fernere Lebenserwartung von fast zehn Jahren. Damit nimmt ins- besondere die Zahl der Hochaltri- gen in Bayern zu. Die Zahl der Men- schen im Alter von 80 Jahren und älter wird von derzeit zirka 650.000 auf etwa eine Million in 20 Jahren steigen (vergleiche Abbildung 1).

Der Anteil der Älteren nimmt aller- dings schon seit mehr als 100 Jah- ren zu und ein großer Teil des de- mografischen Wandels liegt inzwi- schen nicht mehr vor uns, sondern hinter uns. Im Jahr 1900 waren zir- ka fünf Prozent der Bevölkerung 65 Jahre und älter, heute sind es etwa 20 Prozent, im Jahr 2032 werden es knapp 27 Prozent sein (siehe Tabelle 1).

Ob die gewonnenen Lebensjahre im Alter eher gesund oder eher krank und pflegebedürftig verbracht wer- den, ist derzeit offen, aber vieles deutet darauf hin, dass die ältere Bevölkerung heute gesünder ist als früher und sich auch so wahrnimmt (Doblhammer 2014). Alter ist we- niger denn je gleichbedeutend mit Krankheit und Pflegebedürftigkeit.

Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die Häufigkeit gesundheitli- cher Beschwerden mit dem Alter zunimmt. Von der Arthrose über den Bluthochdruck bis zu den Rü- ckenschmerzen: Die Prävalenz vie- ler Beschwerden liegt in der Alters- gruppe „65 Jahre und mehr“ doppelt so hoch wie im mittleren Erwachse- nenalter, mit erheblichen Unter- schieden nach Sozialstatus (siehe Abbildung 2). Auch im Alter gilt: Je schlechter die soziale Lage, desto schlechter ist auch die Gesundheit.

Multimorbidität ist dabei im Alter die Regel, nicht die Ausnahme.

Mit dem Alter nimmt dementspre- chend auch die Inanspruchnahme medizinischer Versorgungsleistun- gen zu. Dies gilt für den ambulan- ten ebenso wie für den stationä- ren Bereich. Damit einhergehend steigen die Krankheitskosten, sie liegen in der Altersgruppe „85 und mehr Jahre“ zehnmal so hoch wie

Abbildung 1 Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik, München 2014

Altersaufbau der Bevölkerung in Bayern 2012 und 2032 nach Geschlecht

männlich weiblich

120 100 80 60 40 20 0 20 40 60 80 100 120 90

80 70

60 50 40 30

20 10

Altersjahre

Tausend Personen

2012 2032

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bei den Unter-15-Jährigen. Auch die Pflegeraten steigen erwartungsge- mäß mit dem Alter. In Bayern gab es 2013 ungefähr 330.000 Empfänger von Pflegeleistungen, davon waren gut 270.000 in der Altersgruppe

„65 Jahre und mehr“. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich durch den demografischen Wandel wei- ter erhöhen. Unter der Annahme konstanter altersspezifischer Pfle- geraten nimmt die Zahl der Pflege- bedürftigen im Alter „65 Jahre und mehr“ in Bayern bis 2020 um 25 Prozent zu, bis 2032 um 60 Pro- zent – es werden dann 440.000 Pflegefälle in dieser Altersgruppe sein. Die Pflegekapazitäten schei- nen bisher mit dieser Entwicklung

nicht Schritt zu halten. Eine Studie des Wirtschaftsinstituts Prognos hat für Deutschland insgesamt ein Defizit von 520.000 Vollzeitäqui- valenten im Pflegebereich bis 2030 errechnet (Prognos 2012).

Eine besondere Herausforderung ist mit der zunehmenden Zahl an Demenzerkrankungen verbunden.

In der Altersgruppe „65 Jahre und mehr“ hat jeder Zehnte Symptome einer Demenz, bei den Über-90- Jährigen jeder Dritte. In Bayern ist von derzeit zirka 220.000 demen- tiell Erkrankten auszugehen, 70 Pro- zent davon sind Frauen. In fünf Jahren liegt die Zahl der Demenz- kranken in Bayern voraussichtlich

bei etwa 270.000, in 15 Jahren bei 340.000 (LGL 2014). Neuerdings machen Studien aber auch beim Thema Demenz Hoffnung auf er- hebliche präventive Potenziale, zum Beispiel durch den Verzicht auf das Rauchen und ausreichend körper- liche Aktivität (Norton et al. 2014).

Angesichts dieser Entwicklung ist absehbar, dass die Bedürfnisse äl- terer Menschen in der Versorgung an Bedeutung gewinnen werden, angefangen von den heute bereits in die Bedarfsplanung integrierten altersbezogenen Anpassungsfak- toren über die stärkere Berücksich- tigung geriatrischer und geronto- psychiatrischer Aspekte in der Aus- und Weiterbildung aller Gesund- heitsberufe bis hin zur Struktur der ärztlichen Versorgung in den Heimen. Angemerkt sei dabei al- lerdings, dass sich nicht nur das Gesundheitswesen auf die demo- grafische Entwicklung einstellen muss. Für hochaltrige Menschen sind nicht nur der Hausarzt und die Apotheke in der Nähe unver- zichtbar, sondern auch Einkaufs- möglichkeiten und Orte des sozia- len Austausches. Die Kommunen stellen sich mit der Entwicklung seniorenpolitischer Gesamtkon- zepte zunehmend darauf ein. Die Gesellschaft insgesamt täte eben- so gut daran. Es gilt, sowohl die Ver- sorgung sicherzustellen, als auch tradierte Altersbilder zu überden- ken und das Potenzial des Alters auf individueller und gesellschaftli- cher Ebene in seiner Vielfalt wahr- zunehmen. Die „Gesellschaft des langen Lebens“ will in diesem Sinn vielfältig gestaltet werden und viel- leicht bekäme uns – quasi als Aus- gleich für diese Bemühungen – et- was mehr Altersgelassenheit auch gesamtgesellschaftlich gut.

Dr. Joseph Kuhn, Bayerisches Landesamt

für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Gesundheitliche Probleme: 1-Jahresprävalenzen, Bayern, 2012

60 %

50 %

40 %

30 %

20 %

10 %

18 bis 29 0

30 bis 44 45 bis 64 65 und älter

Arthrose Arthritis Erhöhte Blutfettwerte Bluthochdruck Adipositas Diabetes mellitus koronare Herzerkrankung Hörbeeinträchtigungen Sehbeeinträchtigungen Rückenschmerzen

Jahre

Abbildung 2 Quelle: RKI, GEDA 2012, Selbstauskünfte der Befragten Anteil der Altersgruppe 65 und älter an der Bevölkerung in Bayern, von 1900 bis 2032

1900 1925 1950 1970 1980 1990 2000 2010 2032

5,6% 5,8% 9,1% 12,9% 15,2% 15,1% 16,2% 19,5% 26,7%

Tabelle1 Quelle: Landesamt für Statistik, Statistisches Bundesamt, Berechnungen LGL

Das Literatur- verzeichnis zu diesem Artikel finden Sie unter www.kvb.de in der Rubrik Ser- vice/Mitglieder- Informationen/

KVB FORUM/

Literaturver- zeichnis.

Referenzen

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