HERAUSGEGEBEN VON
KULTURLANDSCHAFTSMANAGEMENT
PLANUNG - PERSPEKTIVE - VERMITTLUNG
UDO RECKER
KLAUS- DIETER KLEEFELD PETER BURGGRAAFF
Wiesbaden 2017
FUND BERICHTE AUS HESSEN
BEIHEFT 9 • 2017
LANDESAMT FÜR DENKMALPFLEGE HESSEN
hessenARCHÄOLOG IE
Selbstverlag des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen in Kommission bei Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn
Kulturlandschaftsmanagement. Fundberichte aus Hessen Seite Planung - Perspektive - Vermittlung Beiheft 9 (Wiesbaden 2017) 11-16
Einordnung der Ansätze des Projekts "Kulturlandschaftsschutz auf der kommunalen Ebene - KuLaKOMM" in den Forschungsstand
zum Thema Kulturlandschaft
Von Winfried Schenk
Kulturlandschaft' hat seit einigen Jahren in etlichen sozial-, kultur- und raumwissenschaftlich-planeri- sehen Disziplinen (wieder) Konjunktur. Dies liegt v. a. an Impulsen aus Diskursen um die Reforrnulie- rung des Begriffs .Iandscape" in der Nachfolge von J. B. Jackson (2005) in den USA (KÖRNER 2010), an ihrem hohen Stellenwert in der EU-Regionalpolitik seit dem EUREK von 1999 (zusammenfassend SCHENK/WEIZENEGGER2006) sowie an der European Landscape Convention (ELC) des Europarats (s.
LANDSCHAFTSVERBANDRHEINLAND 2006) aus dem Jahr 2000. Kulturlandschaft ist z.B. für den Natur- schutz, die Stadtplanung und die Landschaftsarchitektur (KÖRNER 2007), die Denkmalpflege (ERMI- SCHER2003), einige sozialwissenschaftliche Disziplinen (GAILING/LEIBENATH 2010) sowie für die Raum- ordnung, Regionalpolitik und Regionalentwicklung (GAILING/RöHRING 2009) und die Geografie (zusammenfassend SCHENK 2006a) relevant. Dies hat einen ausdifferenzierten jüngeren Forschungsstand zu Folge", der weit über die Kulturlandschaftsdiskurse namentlich der älteren geografischen Kulturland- schaftsforschung hinausgeht, welche Kulturlandschaften lange Zeit und wohl in der Mehrheit als Entitä- ten verstand. Nun wird Kulturlandschaft durchweg als soziale Konstruktion (GAILI G 2012; LEIBENATH
u.
A. 2013) mit aus der Sprach- und Kulturgeschichte heraus erklärbaren reichen Konnotationen (SCHENK u.A.2012) und/oder als Handlungsraum (FÜRST U.A. 2008) verstanden, ohne dass die materielle und historische Komponente von Kulturlandschaft verneint würde (SCHENK 2011; DERS. 2016b). In diesen Forschungsstand soll das in diesem Band beschriebene Projekt KuLaKOMM eingeordnet werden. Es thematisiert Kulturlandschaft auf der kommunalen Ebene zum einen methodisch mit Blick auf die Mög- lichkeiten inventarisierender Erfassungen und Regionalisierungen in unterschiedlich verstädterten Räu- men und zum anderen mit Blick auf die Vermittlung von Werten von Kulturlandschaft. Dies geschieht durch die modifizierte und durch Literaturangaben ergänzte Wiedergabe von thesenartig formulierten Beobachtungen zu Kulturlandschaft im skizzierten Sinne, wie ich sie im Rahmen der Abschlusstagung des Projekts in Osnabrück am 31.03.2011 - aber mit reichlichen Illustrationen - vorgetragen hatte.Beobachtungen zur alltagsweltlichen Relevanz von Kulturlandschaft:
• Kulturlandschaft ist lebensweltlich verankert und lässt daher nur wenige Menschen unberührt (dazu anregend HAHN 2012);
• Das Reden über Kulturlandschaft ist ein öffentliches Bedürfnis der Bürgergesellschaft und handelt von räumlichen Qualitäten der Alltagswelt und raumbezogenen Identitäten (GAILING 2010);
1Zur Ausdifferenzierung des Terminus und der damit verbundenen Zugänge auch außerhalb Deutschlands siehe BRUNS/KüHNE 2013.
2Prägnant in Typen von Kulrurlandschaftsverständnissen gegliedert von GAILING 2008.
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• Kommunen sind eine zentrale Ebene für die Wahrnehmung und Entwicklung von Kulturlandschaften, wobei die Übergänge von "städtisch" und "ländlich" im Zuge der aktuellen gesellschaftlichen Entwick- lungen immer fließender werden (BLÖDT u. A. 2006; VICE ZOTTI2011).
Beobachtungen zum Inhalt von Kulturlandschaft:
• Das Reden über Kulturlandschaft ist (auch) bestimmt von Ängsten um den Verlust lokaler Eigenart in einer globalisierten Welt (HAUSER 2006; LENZ1999);
• das Kulturelle Erbe ist in Verbindung mit dem Naturerbe durchweg ein zentraler Aspekt von Kultur- landschaft (BUNDESAMTFÜRNATURSCHUTZ 2007).
• Eine beständige Ausweitung des Kulturbegriffs in einer offenen und pluralen Gesellschaft (SOYEZ2003) wie der deutschen ist systemimmanent. Die damit einhergehende Zunahme der Unschärfe von Kultur- landschaft bis hin zur tendenziellen Unmöglichkeit, sie abschließend zu definieren (GAILING/LEIBE- NATH 2012), ist die unvermeidbare Konsequenz daraus (HOKEMA 2009) - aber man kann sich selbst- verständlich auf ein bestimmtes Verständnis für einen bestimmten Kontext einigen!
Beobachtungen zu methodischen Aspekten:
• Die Europäische Landschaftskonvention des Europarats wünscht explizit Diskurse über Kulturland- schaft. Darüber hinaus sind sie auf Bundesebene im Raumordnungsgesetz (RUNKEL 2010) rechtlich gefordert - dabei bestimmt die Raumordnung im Leitziel "Ressourcen schonen, Kulturlandschaften erhalten" (MKRO 2006) 100% der Fläche der Bundesrepublik Deutschland als Kulturlandschaft (SCHE K 2016).
• In Gesetzen und Verordnungen und auch in der Europäischen Kulturlandschaftskonvention geforderte methodische Schritte sind Erfassungen, Regionalisierungen und Bewertungen zur Ableitung von Maß- nahmen einer erhaltenden Weiterentwicklung von Kulturlandschaft (SCHENK 2006b; DERS. 2011, 98ff.).
• Der in der Europäischen Landschaftskonvention geforderte Einbezug der Bürgergesellschaft bei der Definition von Kulturlandschaft im Sinne einer Kulturlandschaftspolitik erfordert angemessene For- men regionaler Governance''.
Fazit
Das Konzept von KuLaKOMM entsprach in vollem Umfang dem Forschungsstand zur raumbezogenen Kulturlandschaftsforschung, denn
• Kommunen sind ein richtiger, da bisher defizitärer Ansatzpunkt der Kulturlandschaftsforschung gewe- sen - die Projektträger haben also eine Forschungslücke erkannt und durch differenzierte, anwen- dungsbezogene Forschung verkleinert;
• die Arbeiten zu dieser Thematik bezogen ihre Legitimation sowohl aus alltagsweltlichen Diskursen um räumliche Qualitäten und raumbezogene Identitäten - besonders deutlich in der Europäischen Land-
3Allgemein SINNING 2005; spezieller mit Blick auf Kulturlandschaft siehe MOSS/GAILING 2010.
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Zitierte und weiterführende Literatur:
schaftskonvention formuliert - als auch aus Gesetzen und Verordnungen des Bundes und der Bundes- länder sowie Vorgaben und Initiativen der EU;
• der starke Rekurs auf städtische Räume ist der notwendige Reflex auf aktuelle räumliche Entwicklun- gen und rechrliche Anforderungen in der Bundesrepublik Deutschland;
• darin stand zu Recht das Kulturelle Erbe in Form von Objekten und Strukturen im Mittelpunkt, da sie Ankerpunkte von Geschichrlichkeit und Identität sind und sich an ihnen wegen ihrer symbolischen Aufladung in räumlichen Planungen Konflikte festmachen;
• der in KuLaKOMM praktizierte Dreischritt aus Erfassung, Bewertung und Ableitung von Maßnah- men entspricht dem state-of-the-art-Konzept der Kulturlandschaftspflege (ScHENK/FEHN/DENEcKE
1997).
Als zentrales Desiderat verbleibt eine stärkere Einbindung aller Bürger in die Diskussionen um Kultur- landschaft und die Praxis der Kulturlandschaftspflege - auch wenn das Projekt KuLaKOMM bereits interessante Wege auf kommunaler Ebene aufgezeigt hat, Kulturlandschaft zu erfassen und zu vermitteln.
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