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Archiv "1945-1947: Ärztliche Selbstverwaltung in der frühen Nachkriegszeit" (05.05.1995)

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Thomas Gerst

THEMEN DER ZEIT

AUFSÄTZE

1945-1947

Arztliche Selbstverwaltung in der frühen Nachkriegszeit

Vielerorts wird in diesen Tagen des endgültigen Zusam- menbruchs der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedacht. Der Sieg der Alliierten markierte einen tiefen Ein- schnitt in der historischen Entwicklung Deutschlands, auch wenn heute mehr und mehr hinterfragt wird, ob es die viel- beschworene „Stunde Null" je gegeben hat. Elemente der

Kontinuität prägten sicherlich auch die Entwicklung ärztli- cher Selbstverwaltung in der frühen Nachkriegszeit.

Gleichzeitig erfolgten binnen kurzem die entscheidenden Weichenstellungen, die die Möglichkeiten und Grenzen ärztlicher Organisationsformen in den folgenden Jahr- zehnten für die beiden deutschen Staaten festlegten.

A

. 1. Mai 1945 bestätigte der Finanzbeauftragte der Reichs- ärztekammer und der Kas- senärztlichen Vereinigung Deutschlands, Johannes Hartmann in Leipzig, den Empfang der Bilanz der KVD-Reichsführung für das Jahr 1944: „Unter den heutigen Verhältnis- sen könnte man zweifelhaft sein, ob es überhaupt noch Zweck hat, dazu Stel- lung zu nehmen, denn nachdem das deutsche Vaterland in Trümmern und unser bestes Blut wieder nutzlos auf allen Schlachtfeldern Europas und Afrikas und denen der Weltmeere verströmt liegt, haben die ganzen Zah- lenreihen der Bilanz nur einen theore- tischen, ja vielleicht sogar nur einen wehmütigen Erinnerungswert. Aber da ich stets darauf gehalten habe, daß auch eine verlorene Sache wenigstens bis zu Ende anständig und gewissen- haft betreut und abgerechnet wird, kann ich es mir nicht versagen, meine Genugtuung über das, was in der Reichsführung der KVD in geldlicher Hinsicht getan und geschaffen worden ist, auszudrücken . . . und meiner tie- fen Trauer dahin Ausdruck zu geben, daß es ein Jammer ist, daß nun auch dieses große und uneigennützig durchgeführte Werk nutzlos und spur- los im Chaos des allgemeinen Zusam- menbruchs versinken wird." Wenige Tage später waren auch die letzten Reste einer deutschen Zentralverwal- tung endgültig zerschlagen. Die Reichsärztekammer wurde zwar in der Folge nicht auf Befehl der Besat- zungsmächte aufgelöst, doch war mit der Übernahme der Regierungsmacht

durch die Alliierten die Existenz einer ärztlichen Standesorganisation auf Reichsebene de facto beendet.

Während ehemalige Beamte des Reichsinnenministeriums seit Juli 1945 in einem hessischen Internie- rungslager noch mit Überlegungen beschäftigt waren, wie die Bestim- mungen der Reichsärzteordnung den neuen politischen Rahmenbedingun- gen angepaßt werden könnten, voll- zog sich auf regionaler Ebene der ra- sche Neuaufbau ärztlicher Selbstver- waltung. Zwar ging die 1935 erlassene Reichsärzteordnung in wesentlichen Bestandteilen auf Entwürfe zurück, die bereits vor 1933 in Abstimmung zwischen dem „Deutschen Ärztever- einsbund", dem „Hartmannbund"

Carl Oelemann, 1886-1960, seit 1946 Präsident der Ärztekammer Hessen, 1947-49 Vorsitzender der „Ar- beitsgemeinschaft der Westdeutschen Ärztekammern"

und dem Reichsministerium des In- nern erarbeitet worden waren, doch waren durch die Unterstellung unter das nationalsozialistische Führerprin- zip die Ärztekammern in den Reichs- teilen jeglicher Eigenständigkeit be- raubt und im Grunde zu reinen Ver- waltungsstellen der Reichsärzteführ- ung degradiert worden. Mit der Zer- schlagung der staatlichen Einheit Deutschlands war zunächst nur ein Wiederaufbau ärztlicher Selbstver- waltung innerhalb der von den Alliier- ten geschaffenen Ländergrenzen möglich; betrachtet man die Entwick- lung in den ersten Nachkriegsjahren, so gewinnt man den Eindruck, daß diese Beschränkung von der Ärzte- schaft gleichzeitig auch als Chance be- griffen wurde, an die jeweiligen regio- nalen Traditionen ärztlicher Selbst- verwaltung aus der Zeit vor 1933 an- zuknüpfen.

Entscheidend für den Fortbe- stand von Ärztekammern in der un- mittelbaren Nachkriegszeit war zunächst die Haltung der Militärregie- rungen in den Besatzungszonen. Da man ein Übergreifen von Epidemien auf die eigenen Truppen befürchtete, genoß die Sicherstellung der gesund- heitlichen Versorgung der Bevölke- rung höchste Priorität. Angesichts der vor allem in den Städten katastropha- len Lebensbedingungen, wo der Aus- bruch von Seuchen drohte, schien es vorerst nicht ratsam, tiefgreifende Veränderungen in der Struktur des als effizient beurteilten deutschen Ge- sundheitswesens vorzunehmen. Der Rückgriff auf bestehende Strukturen A-1296 (30) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 18, 5. Mai 1995

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THEMEN DER ZEIT

ärztlicher Selbstverwaltung schien so- wohl für die Militärregierungen als auch für die von ihnen eingesetzten deutschen Verwaltungen unverzicht- bar. In Vorschriften des Control Coun- cil für die US-Militärregierung vom September 1945 wurde den Ärzte- kammern auf Landesebene die Selbst- verwaltung ärztlicher Angelegenhei- ten unter Aufsicht der zuständigen Militärvertreter zugewiesen. Auch die Funktionsfähigkeit der Sozialversi- cherung und damit der kassenärztli- chen Versorgung sollte auf der Grund- lage der bestehenden Gesetze so schnell wie möglich wiederhergestellt werden.

Selbst in der sowjetischen Besat- zungszone schien es zunächst so, als könnten Kammern als ärztliche Selbstverwaltungseinrichtungen er- halten bleiben. In Sachsen-Anhalt wurde im August 1945 nach Rück- sprache mit der sowjetischen Militär- administration die Leitung der Ärzte- kammer durch die Provinzialverwal- tung bestimmt Bereits im Juli 1945 hatte die Bezirksstelle Halle-Merse- burg ihre Arbeit wieder aufgenom- men und in Abstimmung mit der Ge- sundheitsverwaltung die Organisation des Ärzteeinsatzes übernommen Auch von der sächsischen Landesver- waltung in Dresden wurden kurz nach Kriegsende ärztliche Standesvertreter mit der Fortführung der Geschäfte der Ärztekammer betraut. Eine Reihe von Bezirksstellen nahm dort ihre Tätigkeit auf; ärztliche Ehrengerichte wurden wieder konstituiert. Die An- weisung der sowjetischen Militärver- waltung Deutschlands, daß neben den Parteien, der Gewerkschaft, der Kir- che und dem Kulturbund keine unab- hängigen Organisationen mehr beste- hen dürften, glaubte man mit der Ein- richtung von Landes- und Bezirksärz- teausschüssen in der Rechtsnachfolge der Landesärztekammer, die den ent- sprechenden Ebenen der Gesund- heitsverwaltung zugeordnet wurden, umgehen zu können. Noch im Januar 1946 erklärte ein Vertreter der Lan- desverwaltung: „Die Landesverwal- tung regte die Bildung von Kammern an und rief diese auch ins Leben. Es wäre sehr schön, wenn es dabei blie- be." Auch von der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern wurde im Oktober 1945 der Erlaß einer Ärzte-

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ordnung und die Bildung einer ärztli- chen Standesvertretung ins Auge ge- faßt. Ende des Jahres 1945 wurde je- doch deutlich, daß diese Ansätze ärzt- licher Selbstverwaltung in der SBZ keinen Bestand haben würden. Auf einer Besprechung der Vertreter der Gesundheitsverwaltungen der Länder in Berlin im November 1945 stellte der Präsident der „Zentralverwaltung für das Gesundheitswesen", Paul Konit- zer, fest, „daß die Einrichtung einer Ärztevertretung beziehungsweise Ärztekammer wünschenswert, ihre Bildung aber vorläufig nicht gestattet"

sei. Seine Anregung zur Bildung von Ärzteausschüssen, die — angegliedert an die staatliche Gesundheitsverwal- tung — ehemals von den Kammern wahrgenommene Aufgaben überneh- men sollten, stellte offenbar nur den Versuch dar, den wachsenden Unmut innerhalb der Ärzteschaft zu besänfti- gen. In einem Schreiben der „Zentral- verwaltung für das Gesundheitswe- sen" an die sowjetische Militärregie- rung vom Januar 1946 wurde der künf- tige Kurs festgelegt. „Da die Ärzte- schaft z. Zt. nicht die politische Reife zur Bildung einer selbständigen Kam- mer besitzt", wurde vorgeschlagen, daß die Vertretung der Standesangele- genheiten an die Gesundheitsämter übergeht, während sich der FDGB um die Vertretung der wirtschaftlichen In- teressen kümmern sollte. Die Bildung einer ärztlichen Standesorganisation mit Selbstverwaltungsbefugnissen war somit ausgeschlossen. Hoffnungen der Ärzteschaft, zumindest im Rahmen der Fachgruppe Ärzte im FDGB Ein- fluß auf die künftige Regelung der ärztlichen Angelegenheiten nehmen zu können, zerschlugen sich bald. Ein ärztlicher Gewerkschaftsvertreter konnte im Juni 1947 nur noch resignie- rend feststellen: „Jetzt ist man soweit, daß der Ärzteschaft die Form einer Lösung letzten Endes völlig gleichgül- tig ist. Sie empfinden sie in jedem Fall als von oben diktiert und haben das Gefühl, daß sie sich fügen müssen, oh- ne daß man ihre Meinung akzeptiert.

. . .Der eine Teil ist so überlastet und gleichgültig gegen alle Fragen, daß er alles . . . kritiklos hinnimmt, der ande- re Teil erwägt die Abwanderung in den Westen."

Dort, in den drei Westzonen, war es Vertretern der Ärzteschaft bis Ende

des Jahres 1945 weitgehend gelungen, auf Länderebene den Erhalt von Kammern zu sichern. Militärregierun- gen und deutsche Verwaltungsstellen scheinen relativ bereitwillig diesbe- zügliche Initiativen aus der Ärzte- schäft, die ja gleichzeitig eine effektive Unterstützung bei der Bewältigung der gesundheitlichen Notlage in der Nachkriegszeit versprachen, aufge- nommen zu haben. Voraussetzung war allerdings, daß die mit der Leitung der Ärztekammern beauftragten Standesvertreter nicht durch die Mit- gliedschaft in einer NS-Organisation belastet waren. Gleichzeitig sollte möglichst rasch durch Wahlen eine de- mokratische Legitimation der Selbst- verwaltung gewährleistet werden.

So nahm zum Beispiel in Hanno- ver Ludwig Sievers, von 1920 bis 1943 Geschäftsführer der dortigen Ärzte-

Ludwig Sievers, 1891-1966, seit 1945 Präsident der Ärztekammer Niedersachsen, seit 1948 Vorstands- vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft der Landes- stellen der Kassenärztlichen Vereinigungen".

kammer, kurz nach der Besetzung der Stadt Kontakt zur britischen Militär- regierung auf. Bereits am 20. April wurde ein Einvernehmen darüber er- zielt, daß Sievers, der aufgrund seiner Nichtmitgliedschaft in der NSDAP unbelastet erschien, vorerst bis zur Abhaltung von Wahlen als Präsident mit der Reorganisation und Leitung der Ärztekammer Niedersachsen be- auftragt werden sollte. In der wenig später schriftlich fixierten Bestätigung wurde Sievers ermächtigt, Anordnun- gen zu treffen, „die geeignet sind, die Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 18, 5. Mai 1995 (31) A-1297

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gesetzlichen Aufgaben der Ärztekam- mer, insbesondere auch die Sicherstel- lung der ärztlichen Versorgung der durch die Krankenkassen Versicher- ten zu garantieren". Binnen kurzem stellte Sievers die Arbeitsfähigkeit der Ärztekammer Niedersachsen wieder her; bis August 1945 hatten sämtliche Bezirksstellen ihre Arbeit aufgenom- men. Eine im wesentlichen aus Vertre- tern der Bezirksstellen zusammenge- setzte Kammerversammlung bestätig- te Sievers in seinem Präsidentenamt und wählte zudem einen Vorstand. In ähnlicher Weise, zum Teil mit einer Verzögerung von einigen Monaten, vollzog sich der Wiederaufbau von Ärztekammern innerhalb der von den westlichen Alliierten geschaffenen Landesgrenzen, wobei eine solche Entwicklung sicherlich nicht möglich gewesen wäre ohne die sich parallel dazu entfaltenden ärztlichen Selbst- verwaltungsinitiativen auf lokaler Ebene.

Während es dort vor allem darauf ankam, in Zusammenarbeit mit der Militär- und Zivilverwaltung vor Ort angesichts der zum Teil katastropha- len Versorgungslage einen ausrei- chenden Ärzteeinsatz überhaupt zu ermöglichen, stand bei den Ärztekam- mern auf Länderebene darüber hin- aus das Bemühen im Vordergrund, ihren Anspruch auf alleinige Vertre- tung ärztlicher Angelegenheiten prak- tisch umzusetzen und abzusichern.

Die Schaffung einer neuen Rechts- grundlage erschien dringend erforder- lich, ließ sich kurzfristig jedoch — mit Ausnahme Bayerns, wo nach Verab- schiedung durch den Landtag ein Ärz- tegesetz bereits zum 1. April 1946 in Kraft trat — nicht realisieren. Bestre- bungen der Ärztekammern in der bri- tischen Zone, die sich im März 1946 zu einer gemeinsamen Vertretung im

„Nordwestdeutschen Ärztekammer- ausschuß" zusammengeschlossen hat- ten, zur Schaffung einer einheitlichen Ärzteordnung scheiterten, als Ende des Jahres 1946 die Zuständigkeit für die diesbezügliche Gesetzgebung auf die Länder überging.

Erfolgreicher waren die Kam- mern hingegen bei ihren Bemühun- gen, möglichst rasch die Zuständigkeit bei den Niederlassungsgenehmigun- gen und Zulassungen zur Kassenpra- xis an sich zu ziehen. Auf Grund des

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nach Kriegsende bestehenden Über- angebots an Ärzten sah man sich ver- anlaßt, Niederlassungen nur in einem bestimmten Verhältnis zur Bevölke- rungszahl zu genehmigen. Für soge- nannte nicht heimatberechtigte Ärzte, die es infolge der Kriegswirren in ei- nen fremden Kammerbezirk verschla- gen hatte, bestanden zunächst nur we- nig Aussichten, sich dort in freier Pra- xis niederlassen zu können. Auf der

Hans Neuffer, 1892-1968, seit 1946 Präsident der Bezirksärztekammer Nord-Württemberg, 1949- 1959 Präsident der Bundesärztekammer.

anderen Seite erschien eine zu restrik- tive Handhabung der Niederlassungs- genehmigungen — insbesondere auch in bezug auf die große Zahl der Flüchtlingsärzte — nicht ratsam, da man bei einem zu starken Anwachsen innerärztlicher Opposition die Ein- heitlichkeit ärztlicher Standespolitik gefährdet sah.

Weitgehende Übereinstimmung herrschte bei den Ärztekammern in den beiden ersten Nachkriegsjahren darüber, daß zukünftig die Regelung der kassenärztlichen Belange im Rah- men der Kammerorganisation erfol- gen sollte; dies führte vor allem in der amerikanischen Zone sehr frühzeitig zu erheblichen Kontroversen mit den Arbeitsministerien, die auf der Unter- stellung einer eigenständigen kas- senärztlichen Vereinigung unter ihre Aufsicht beharrten. Überraschend problemlos konnte fast überall bereits kurz nach Kriegsende wieder die kas- senärztliche Honorierung auf der Grundlage der bestehenden Verein-

barungen mit den Krankenkassen si- chergestellt werden. Spätestens seit im Frühjahr 1946 Pläne der Alliierten über eine bevorstehende Vereinheitli- chung der Sozialversicherung bekannt wurden, scheint es das gemeinsame Bestreben der Krankenkassenverbän- de und ärztlichen Standesvertretun- gen gewesen zu sein, die Funkti- onstüchtigkeit des bestehenden Sy- stems der Krankenversicherung unter Beweis zu stellen. Im Mai 1946 trafen sich in Hamburg Spitzenvertreter der Krankenkassen und der Ärztekam- mern der britischen Zone zur Erörte- rung der Lage, wobei von seiten der Ärzteschaft die Bereitschaft signali- siert wurde, einer künftigen Beteili- gung der Kassen am Zulassungsver- fahren zuzustimmen Wenig später wurde ein gemeinsamer Ausschuß ge- bildet, der in Nachfolge des ehemali- gen Reichsausschusses in der briti- schen Zone für eine verbindliche Aus- legung des kassenärztlichen Rechts zuständig sein sollte.

Ein Hauptaugenmerk der Ärzte- kammern in der unmittelbaren Nach- kriegszeit galt zwangsläufig der Hand- habung der Entnazifizierungsbestim- mungen in bezug auf die Ärzteschaft.

Bis zur Einrichtung gesetzlich gere- gelter Spruchkammerverfahren im Verlauf des Jahres 1946 war es den Ärztekammern fast überall in den drei Westzonen gelungen, in maßgeb- licher Weise an der politischen Über- prüfung der Ärzte beteiligt zu werden und ihren Einfluß dahingehend gel- tend zu machen, daß nur bei schwerer, über die bloße Parteimitgliedschaft hinausgehender Belastung ein Berufs- verbot verhängt wurde. Gegenüber den Militärregierungen vertrat man in der Regel den Standpunkt, daß bis auf wenige Ausnahmen die deutsche Ärz- teschaft weitgehend unpolitisch und nur bedingt durch besondere Umstän- de mit einem relativ hohen Anteil in NS-Organisationen vertreten gewe- sen sei. In nicht unwesentlichem Maße trug jedoch auch die Haltung der Militärregierungen zu einer recht zurückhaltend durchgeführten Entna- zifizierung der Ärzteschaft bei. Stär- ker noch als der Säuberungsgedanke war hier das Bestreben erkennbar, un- ter allen Umständen einen Zusam- menbruch der gesundheitlichen Ver- sorgung zu vermeiden. In Oberhessen A-1298 (32) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 18, 5. Mai 1995

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The Medical Doctore , Orgnization XXXXXIXXXXXXXXXXIIXXXXX

To the

Ameriean Military Government of the Land Hessen,

f. Colonel Litton, Darmstadt

Dr.Szh/Mil

1 19-2

Aliceetr.

telephone 358

XXIXXLXXXXX t-5..t.ZJ.7‘;.=-1.: 14th Sept 1945

September 14th 194 5

de heer that the American Military Government intend to exclude from practising all the physicians who entered the NS -party be- fore 1937 and those who had a renk in the SA,SS,NSKK,NSPK,etc.,or those who were HJ-leadere.

Ioeking over the politt.al questiOen , ires - at present 128 have been delivered to us by the phySicians practising in Starkenburg -we get the following summary:

a. 52 physicians who ate allowed to

.continue practising 40.6254 of the question- nairee handed (14 of them more than 65 yeare

over to uß

old Aribfa- rt,

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3r cle(4.1,-3

b. 40 who

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c. 36 other physicians than under b.,

having a rank in the SA,etc. • 28.125%

128 loco tG

The execution of the planned meäsure would be the end of the me- dical providing for the population, as substitutes, ready for use, are not eufficiently available and es the phyäicians practising fuither on, after a short time, being overburdened would have to stop working.

On principle we expLain the following:

Witheut further ceremony we declare that the German physicians shpwed an unpolitical attitude indeed, even during the years of the Nazi-government - apart fram a few exaptions. These few ex- ceptionsproved their political interest by entering the NS-party already before it had come to power end being reelly.active,in the party or in its organizations. The physicians at large desist from those elements and leave them alone. A great part of them.

Ein Beispiel unter vielen: Meldung an die Militärregierung aus dem Ja irre 1 945.

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etwa konnten fast alle Ärzte, denen auf Befehl der Militärregierung we- gen ihrer frühen Mitgliedschaft in der NSDAP Praxisverbot erteilt worden war, ihre Tätigkeit auf der Grundlage vorläufiger Lizenzen, die von der Ärz- tekammer erteilt wurden, unter treuhänderischer Verwaltung fortset- zen. Die freizügige Handhabung vor- läufiger Arbeitserlaubnisse führte binnen kurzem in der amerikanischen Zone zu einer für die Militärregierung völlig undurchschaubaren Lage, die ein zuständiger Offizier nur noch resi- gnierend mit den Worten kommentie- ren konnte: „I myself have no idea of what is going on in the medical profes- sion from a denazification stand- point." In der britischen Zone blieb die freipraktizierende Ärzteschaft mit Ausnahme einiger schwer belasteter Aktivisten weitgehend von Sanktio- nen verschont. Der Versuch der Ärz- tekammer Nordrhein, zu Beginn des Jahres 1946 in eigener Regie eine Überprüfung der ihr angehörenden Ärzte durchzuführen, wurde bereits in den Ansätzen durch die Militärre- gierung unterbunden, der viel daran gelegen war, jede Unruhe von der Ärzteschaft fernzuhalten. Der nieder- sächsische Minister für Volksgesund- heit beklagte sich im Frühjahr 1947 darüber, daß belastete Ärzte weiter praktizieren dürften, weil man die Versorgung der Bevölkerung nicht ge- fährden wollte, und daß von der briti- schen Militärverwaltung „die Entlas- sung von Nazisten im Gesundheitswe- sen als Sabotage angesehen" würde.

Spätestens Mitte des Jahres 1946 erschien eine Abstimmung unter den Ärztekammern, die bis dahin in den Ländern als Körperschaften öffentli- chen Rechts de facto Anerkennung gefunden hatten, über die Zonengren- zen hinaus dringend erforderlich, um auch zukünftig einheitliche Grundla- gen für die Ausübung des ärztlichen Berufs gewährleisten zu können. Hier gingen die ersten Initiativen aus vom

„Nordwestdeutschen Ärztekammer- ausschuß", dessen Präsident Ludwig Sievers sich im Juni 1946 mit der Bitte um eine engere Zusammenarbeit an die Präsidenten der süddeutschen Kammern wandte: „Die im Nordwest- deutschen Ärztekammerausschuß vereinigten Ärztekammern halten die Zeit für gekommen, zu prüfen, ob mit

AUFSATZE

Zustimmung der Besatzungsmächte eine Zusammenarbeit der Ärztekam- mern . . . über die Zonengrenzen hin- weg zweckmäßig, notwendig und möglich ist." Wenn nun auch im Süden einige Vorbehalte gegen die „forschen norddeutschen Preußen" deutlich wurden, so konnte man sich doch nicht der Einsicht verschließen, daß insbesondere eine effektive Oppositi- onsarbeit gegen die von den Alliierten geplante Sozialversicherungsreform eine enge Abstimmung der Ärzte- kammern in den drei Westzonen er- forderte. Der „sozialpolitische Kon- greß", zu dem sich Vertreter fast aller

westdeutschen Ärztekammern am 18.

August 1946 in Bad Nauheim einfan- den und der mit einer gemeinsamen Resolution gegen alle Bestrebungen, das bestehende System der Sozialver- sicherung umzuwandeln, zu Ende ging, bedeutete den Anfang einer Ent- wicklung, die im Juni 1947 an gleicher Stelle zur Konstituierung der „Ar- beitsgemeinschaft der Westdeutschen Ärztekammern", der späteren Bundes- ärztekammer, führte.

Anschrift des Verfassers:

Thomas Gerst

Ottostraße 12, 50859 Köln

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 18, 5. Mai 1995 (37) A-1299

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