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Archiv "Das unauffällige EKG des Hochdruckpatienten trügt" (05.10.2007)

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A2730 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 40⏐⏐5. Oktober 2007

M E D I Z I N

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eder dritte Hochdruckpatient hat eine links- ventrikuläre Hypertrophie (LVH), je höher der Blutdruck, desto größer die Wahrscheinlichkeit (1), so Pewsner et al. in dem folgenden Artikel, der zeitgleich im British Medical Journal und im Deutschen Ärzte- blatt erscheint*1.

Der behandelnde Arzt sollte bei jedem Hochdruck- kranken wissen, ob er eine Linksherzhypertrophie hat.

Diese wird als linksventrikuläre Muskelmasse

> 125 g/m2für Männer und > 110 g/m2für Frauen de- finiert entsprechend den aktuellen Hochdruckleitlini- en von 2007 der europäischen Hochdruck- und Kar- diologie-Gesellschaft.

Diagnostisch am häufigsten angewandt wird der- zeit die zweidimensionale (2-D)-Echokardiografie mit einer hohen Treffsicherheit (2). Bei den wenigen Patienten, bei denen die Echokardiografie keine aus- reichende Information liefert, kann die Kernspin- tomografie – der zukünftige Goldstandard neben der 3-D-Echokardiografie – angewendet werden (2, 3).

Hohe Prävalenz mit steigenden Folgekosten

Hochdruck ist eine Volkskrankheit, denn es gibt 16 Millionen betroffene Patienten alleine in Deutsch- land, die jährliche Kosten von 8,1 Milliarden Euro verursachen. Herz, Hirn und Nieren sind die leidtra- genden Organe des Hochdrucks. Für das Herz des Hochdruckpatienten ist die Entwicklung einer links- ventrikulären Hypertrophie (LVH) (1) zunächst einer- seits ein vernünftiger Kompensationsmechanismus des Herzens, um mit der Hochdruckbelastung fertig zu werden (4). Andererseits ist sie aber auch ein unab- hängiger kardiovaskulärer Risikoprädiktor und ein Alarmsignal, denn es drohen:

Entwicklung einer hypertensiven Herzerkran- kung mit Auftreten einer diastolischen und systo- lischen Dysfunktion und Herzinsuffizienz Vorhofflimmern

maligne Rhythmusstörungen Herzinfarkt

plötzlicher Herztod.

Liegt die 10-Jahres-Sterblichkeit des Hypertoni- kers ohne Myokardhypertrophie bei 1 %, so steigt sie bei Wandverdickungen ohne signifikante Erhöhung

der Myokardmasse auf 6 %, bei Myokardhypertrophie und Zunahme der linksventrikulären Masse auf 10 % und bei konzentrischer und exzentrischer Hypertro- phie auf 24 % (5).

Die Regression der Linksherzhypertrophie redu- ziert das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse (1, 6–8);

bei Hochdruckpatienten scheint dies – bei uneinheitli- cher Datenlage (9) – am besten mit ACE-Hemmern, Angiotensin-Rezeptorblockern und Calciumantagoni- sten erreichbar (1, 7). Mit dieser gezielten Hoch- drucktherapie allein ist es jedoch bei Patienten mit hy- pertensiver Herzerkrankung nicht getan: Eine Mitbe- treuung durch den Internisten und Kardiologen gehört dazu.

Echokardiografie versus Elektrokardiografie

Muss man demzufolge bei jedem Patienten mit der Volkskrankheit „Hochdruck“ in regelmäßigen Ab- ständen eine Echokardiografie durchführen? Die Be- treuung der Hochdruckkranken liegt ganz überwie- gend bei Allgemeinmedizinern, die Echokardiografie ist dagegen eine Untersuchungsmethode des Kardio- logen, bei Nicht-Kardiologen wird bei deren Anwen- dung der Nachweis der Fachkunde „Echokardiogra- fie“ erwartet.

Muss es denn die Echokardiografie sein? Schließ- lich gibt es auch die Elektrokardiografie, die jeder Allgemeinmediziner und Internist einsetzen kann.

In allen Lehrbüchern finden sich zahlreiche EKG- Kriterien der LVH, wobei in Deutschland vor allem der Sokolow-Lyon-Index zur Erkennung der LVH eingesetzt wird. Auch die aktuellen Hyper- tonie-Leitlinie empfiehlt bei allen Hochdruckpa- tienten die Bestimmung des Sokolow-Lyon-Index (SV1+ RV5–6> 38 mm) oder des Cornell-Produkts ([HRaVL + HSV3] × QRS-Dauer > 2 440 mmxms) zum Nachweis einer LVH.

Sensitivität und Spezifität der elektrokardiografischen LVH-Zeichen

Zahlreiche kleinere Studien (zum Beispiel [3]) haben gezeigt, dass man bei positiven Sokolow-Lyon- oder Cornell-Kriterien im EKG von einer höhergradigen LVH ausgehen kann. Die Spezifität beträgt etwa 90 % (3). Diese Kriterien können durchaus prognostische Bedeutung haben (8, 10). Entscheidend aber ist, dass, wenn die EKG-Kriterien beim Hochdruckpatienten

EDITORIAL

Das unauffällige EKG des Hochdruckpatienten trügt

Karl Werdan

*1Die deutsche Fassung ist eine Übersetzung der englischen Publikation. Die Zusammenarbeit mit dem British Medical Journal soll in loser Folge fortge- setzt werden.

Zu dem Artikel

„Aussagekraft der Elektrokardiografie in der Diagnostik der linksventrikulären Hypertrophie bei Hypertonikern“ von Daniel Pewsner et al.

auf den folgenden Seiten

Medizinische Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum Halle der Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg:

Prof. Dr. med. Werdan

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 40⏐⏐5. Oktober 2007 A2731

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nicht nachgewiesen werden konnten, eine LVH kei- neswegs auszuschließen ist. Denn mithilfe des EKG wird nur jeder dritte Hochdruckpatient mit LVH und nur jede fünfte Hochdruckpatientin mit LVH erkannt und kann somit der erforderlichen Betreuung zuge- führt werden. Die Sensitivität beträgt für Männer etwa 30 %, für Frauen circa 20 % (3).

Nun könnte man argumentieren, dass die geringe Sensitivität nur auf den Sokolow-Lyon-Index zutrifft.

Aber immerhin, so Pewsner et al. in ihrem Beitrag, gibt es mehr als 30 verschiedene EKG-Hypertrophie- Indizes, und immer wieder – auch 2007 – findet man Publikationen, die aufzeigen, dass der eine Index bes- ser als der andere sei (8, 10).

Dass diese Hoffnung unberechtigt ist, zeigen Pews- ner et al. in der systematischen Auswertung der Lite- raturdaten. Die Autoren haben 1 761 Zitate und 21 Studien mit 5 608 Patienten der 6 verbreitetsten EKG- Linksherzhypertrophie-Indizes gesichtet und analy- siert. Sie kommen zu folgendem Ergebnis:

Alle EKG-Linksherzhypertrophie-Indizes sind nicht in der Lage, mit ausreichender Sicherheit eine Links- herzhypertrophie bei Hochdruckpatienten auszu- schließen. Sie besitzen zwar alle eine hohe Spezifität (Medianwert 89 % bis 99 %), aber bedauerlicherwei- se nur eine geringe Sensitivität (Medianwert 10,5 bis 21 %).

Echokardiografie Methode der Wahl für LVH-Screening und Verlaufkontrolle

Zugegeben, das Wissen um die geringe Sensitivität der LVH-Kriterien ist nicht neu, und viele Ärzte haben sich schon bisher nicht auf ein unauffälliges EKG ver- lassen und mit der Echokardiografie nach der LVH bei ihren Hochdruckpatienten gesucht.

Die vorliegende systematische Literaturanalyse er- höht den Evidenzgrad und bestärkt demzufolge die Meinung, dass das EKG als LVH-Screening bei Hy- pertonikern ungeeignet ist. Methode der Wahl für LVH-Screening und LVH-Verlaufskontrolle beim Hochdruckpatienten ist nicht das EKG, sondern die Echokardiografie!

Im Interesse der Hochdruckpatienten wäre es auch wünschenswert, dies deutlicher in den Hochdruck- Leitlinien formuliert zu sehen, selbst wenn man der- zeit noch nicht weiß, in welchem Ausmaß Morbidität und Letalität der Hochdruckpatienten dadurch redu- ziert werden können und auch Kosten-Nutzen-Analy- sen dazu noch fehlen. Qualifizierte Versorgungsfor- schung könnte diese Daten liefern. Bis dahin: im Zweifel, zugunsten des Patienten.

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht 22. 7. 2007, angenommen 22. 7. 2007

LITERATUR

1. Lip GYH, Felmeden DC, Li-Saw-Hee FL, Beevers DG: Hypertensive heart disease. European Heart J 2000; 21: 1653–65.

2. Lenstrup M, Kjaergaard J, Petersen CL, Kjaer A, Hassager C: Eva- luation of left ventricular mass measured by 3D echocardiography using magnetic resonance imaging as gold standard. Scand J Clin Lab Invest 2006; 66: 647–58.

3. Alfakih K, Walters K, Jones T, Ridgway J, Hall AS, Sivananthan M:

New gender-specific partition values for ECG criteria of left ventri- cular hypertrophy – recalibration against cardiac MRI. Hypertensi- on 2004; 44: 175–9.

4. Chinali M, De Marco M, D'Addeo G, Benincasa M, Romano C, Galderisi M, de Simone G: Excessive increase in left ventricular mass identifies hypertensive subjects with clustered geometric and functional abnormalities. J Hypertension 2007; 25: 1073–8.

5. Koren MJ, Devereux RB, Casale PN et al.: Relation of left ventricular mass and geometry to morbidity and mortality in uncomplicated essential hypertension. Ann Intern Med 1991;

114: 345–52.

6. Kannel WB, d'Agostini RB, Levy D, Belanger AR: Prognostic signi- ficance of regression of left ventricular hypertrophy. Circulation 1988; (Suppl. 2): 78.

7. Okin PM, Devereux RB, Jern S et al.: Regression of electro- cardiographic left ventricular hypertrophy by losartan versus atenolol: The LIFE Study. Circulation 2003; 108: 684–90.

8. Okin PM, Wachtell K, Devereux RB et al.: Regression of electrocardiographic left ventricular hypertrophy and decreased incidence of new-onset atrial fibrillation in patients with hyperten- sion. JAMA 2006; 296: 1242–8.

9. Solomon SD, Janardhanan R, Verma A et al.: For the Valsartan In Diastolic Dysfunction (VALIDD) Investigators: Effect of angiotensin receptor blockade and antihypertensive drugs on diastolic func- tion in patients with hypertension and diastolic dysfunction: a ran- domized trial. Lancet 2007; 369: 2079–86.

10. Palmieri V, Okin PM, de Simone G et al.: Electrocardiographic characteristics and metabolic risk factors associated with inap- propriately high left ventricular mass in patients with electrocar- diographic left ventricular hypertrophy: The LIFE study. J Hyper- tension 2007; 25: 1079–85.

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Unnrreemmaarrkkaabbllee EECCGGss iinn HHyyppeerrtteennssiivvee PPaattiieennttss ccaann MMiisslleeaadd Prof. Dr. med. Karl Werdan

Medizinische Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III Universitätsklinikum Halle der

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Straße 40

06096 Halle (Saale)

E-Mail: karl.werdan@medizin.uni-halle.de

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt.de/english

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Referenzen

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