A1568 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 28–2914. Juli 2008
W I R T S C H A F T
B
etriebswirtschaftliche Aus- wertungen, Einnahme-Über- schuss-Rechnungen sowie Rentabi- litäts- und Liquiditätsbetrachtun- gen – dies waren bisher im Wesent- lichen die für Dr. med. Berthold A.wichtigen Stichworte, wenn es um die Beurteilung der Kreditwürdig- keit seiner Praxis ging. Als sein Va- ter die Praxis an ihn vor neun Jahren übergab, tat er dies mit dem Selbst- verständnis des Unternehmers, dass die „Zahlen eben immer stimmen müssen“. Dr. A. übernahm diesen Ansatz fast schon wie selbstver- ständlich und lebt auch heute noch danach. Weitergehende Gesichts- punkte, die wesentliche Eigen- schaften des Arztes als Unterneh- mer beziehungsweise der Praxis selbst abbilden und die mit der Bi- lanz und dem damit verbundenen Zahlenwerk zunächst nichts oder relativ wenig zu tun haben, sind nach wie vor nicht seine Stärke.
Miese Kreditkonditionen
Dies wurde während des letzten Bi- lanzgesprächs deutlich, das Dr. A.gemeinsam mit seinem Steuerbera- ter zweimal jährlich mit dem Kre- ditsachbearbeiter seiner Hausbank führt. Zu seiner Überraschung er- hielt er dort die Information, dass sein Praxisrating wie bereits im vergangenen Jahr ein „eher Ausrei- chend“ sei. Diese Note drückt sich naturgemäß auch in seinen Kredit- konditionen aus. So zahlt er für den für ihn wichtigen Barkredit auf dem Praxiskonto derzeit einen Zinssatz von zwölf Prozent im Jahr, während erstklassige Sätze bei etwa acht Pro- zent liegen. Im Verlauf des Ge- sprächs wurde deutlich, dass die Bank eben nicht mehr nur großen Wert auf stabile wirtschaftliche Zahlen legt, sondern auch auf jene Faktoren, mit denen sich Dr. A. bis- her noch nicht richtig anfreunden kann oder will.
Immerhin scheint bei dem Arzt nun aber die Einsicht zu wachsen, diesen Bereich nicht länger zu ver- nachlässigen und sich endlich detail- liert mit Inhalten seiner Unterneh- mensführung auseinanderzusetzen.
Selbstverständlich ist Dr. A. dieses Thema nicht unbekannt. Dazu ist er alles in allem auch viel zu erfolgreich.
Allerdings gibt es bisher keine er- kennbare Ordnung beispielsweise in den für die strategische Ausrichtung der Praxis wichtigen Bereichen der Planung und Steuerung. So fehlt ein funktionierendes Controllingsystem ebenso wie Risikofrüherkennungs- systeme. Auch das Informationsver- halten und die damit verbundene Transparenz von Dr. A. ist verbesse- rungsfähig. Details über Umsätze, Er- träge und über geplante Investitionen teilt er bisher lediglich seiner lang- jährigen Mitarbeiterin mit, die ihrer- seits angehalten ist, damit sehr zu- rückhaltend umzugehen und, vorsich- tig formuliert, eher defensiv mit ihren Kolleginnen zu kommunizieren.
Regelmäßige Mitarbeitergesprä- che, dies erscheint vor diesem Hin- tergrund nicht mehr verwunderlich, gibt es in der Praxis des Dr. A. eben- so wenig wie konkrete Fortbil- dungspläne oder Mitarbeiterbeurtei- lungen, die bei einer Praxis mit neun
Fachkräften eigentlich selbstver- ständlich sein sollten.
Während des Bankgesprächs wur- de dem Arzt ebenfalls mitgeteilt, dass künftige Kreditvergaben sowie die jeweiligen Kreditkonditionen auch vom kurzfristigen Aufbau vor allem eines Controlling- beziehungsweise Steuerungssystems abhängig sein werden. An der Höhe des Kreditzins- satzes des Barkredits „wird sich auf- grund der aktuellen Situation nichts ändern“, wurde Dr. A. wie selbstver- ständlich auch noch mitgeteilt.
Der Druck der Hausbank sollte Wirkung zeigen
Die deutlichen Worte und die ange- deuteten Konsequenzen haben bei Dr. A. Eindruck hinterlassen. Nach einer internen Abstimmung mit sei- nem Steuerberater wird er sich kurz- fristig um einen Unternehmensbera- ter bemühen, dessen betriebswirt- schaftliche Beratungsschwerpunkte in der Medizinbranche liegen. Ge- meinsam mit der Hausbank und dem Steuerberater soll dann ein Unter- nehmenskonzept erarbeitet werden, in dem sich die Anforderungen sei- nes Kreditgebers weitgehend wie- derfinden werden. Ob sich bei Dr. A.
damit allerdings die tatsächliche Ein- sicht verbindet, sein unternehmeri- sches Handeln zu verändern, oder ob die Veränderungen nur auf den Druck seiner Hausbank zurückzuführen sind, muss sich erst noch zeigen. Der Arzt wäre jedenfalls gut beraten, vor allem sein bisheriges Kommunikati- onsverhalten einer kritischen Selbst- prüfung zu unterziehen. I Michael Vetter
PRAXISFÜHRUNG
Jenseits der Bilanz
„Qualitativen Faktoren“ kommen bei der Kreditvergabe an Ärzte eine immer größere Bedeutung zu.
RATING
Neben dem Finanzrating, das auf der Basis des Jahresabschlusses bezie- hungsweise der Einnahme-Über- schuss-Rechnung ermittelt wird, bil- det das „qualitative Rating“ vor allem die strategischen Stärken und Schwächen des Arztes ab. Hinzu kommen Informationen zum jeweili- gen Fachbereich ebenso wie Details zur Kontoführung und Überlegungen zur Sicherung der späteren Praxis- nachfolge. Ziel ist es, die Praxis mög-
lichst als Gesamtheit zu erfassen und darzustellen. Auf diese Punkte des qualitativen Ratings sollten Ärzte be- sonders achten: Unternehmensstrate- gie, Organisationsstruktur, Mitarbei- termanagement, Nachfolgeregelung, Kontoführung, Ertrags-, Liquiditäts- und Investitionsplanung, Informations- verhalten, Controllingsystem, Wettbe- werbssituation, Patientenanalyse (vor allem das Potenzial von Privatkunden)
und Risikoanalysen. MV