2 Gesetze der großen Zahlen
In diesem und dem folgenden Abschnitt
• (X
i)
i∈NFolge von identisch verteilten ZVen auf
(Ω, A, P ) mit X
1∈ L
1,
• S
n:= P
ni=1
X
if¨ur n ∈ N .
Untersucht wird die Konvergenz geeignet normierter Partialsummen S
n.
Hier zun¨achst Konvergenz des arithmetischen Mittels S
n/n
gegen E(X ) .
31. Beispiel Gelte
P ( { X
1= 1 } ) = p, P ( { X
1= − 1 } ) = 1 − p
f¨ur
p ∈ ]0, 1[
. DannE(X
1) = 2p − 1
und
1/2 · (S
n+ n) =
X
ni=1
(X
i+ 1)/2 ∼ B (n, p).
Speziell:
• p = 1/2
: symmetrische Bernoulli-Irrfahrt mit unendlichem Zeithorizont• p = 19/37 = 0, 5135 . . .
: einfaches Spiel beim Roulette aus Sicht des Kasinos290/1
Somit gilt f¨ur jedes
ε > 0
{| S
n/n − E(X
1) | ≥ ε } = {| S
n− n · (2p − 1) | ≥ n · ε }
= {| (S
n+ n)/2 − n · p | ≥ n/2 · ε } ,
d.h.
P ( {| S
n/n − E(X
1) | ≥ ε } ) = X
k∈K
n k
· p
k· (1 − p)
n−kmit
K := { k ∈ { 0, . . . , n } : | k − n · p | ≥ n/2 · ε }
.Frage: Wie verhalten sich diese Wahrscheinlichkeiten f ¨ur große Werte
n
?Antwort unter sehr allgemeinen Voraussetzungen im folgenden Satz.
32. Satz Schwaches Gesetz der großen Zahlen
Falls (X
i)
i∈Npaarweise unkorreliert, so folgt f ¨ur jedes ε > 0
n→∞
lim P ( {| S
n/n − E(X
1) | ≥ ε } ) = 0.
Beweis. Es gilt
X
i∈ L
2 sowieE(S
n/n) = E(X
1)
und gem. Satz 26Var(S
n) = n · Var(X
1).
Also sichert Satz 29
P ( {| S
n/n − E(X
1) | ≥ ε } ) ≤ 1
ε
2· Var(S
n/n) = 1
ε
2· Var(X
1)
n .
Jakob Bernoulli (1713), Khintchine (1928)
292/1
33. Bemerkung Was besagt Satz 32 f¨ur die Folge der Verteilungen P
Sn? Es gilt
{| S
n/n − E(X
1) | < ε } )
= { (E(X
1) − ε) · n ≤ S
n≤ (E(X
1) + ε) · n } .
Also
n→∞
lim P ( { (E(X
1) − ε) · n ≤ S
n≤ (E(X
1) + ε) · n } ) = 1.
Beachte: Satz 32 macht keine Aussage ¨uber einzelne
Realisierungen S
1(ω), S
2(ω), . . . der Folge (S
n)
n∈N.
34. Beispiel Sei X
1∼ B (1, p) . Der Beweis von Satz 32 zeigt
P ( {| S
n/n − p | ≥ ε } ) ≤ 1
4 · ε
2· n .
Es gilt jedoch auch die f ¨ur großes n wesentlich bessere Hoeffdingsche Ungleichung
P ( {| S
n/n − p | ≥ ε } ) ≤ 2 · exp( − 2 · ε
2· n),
siehe ¨U
BUNG.
Beispielsweise gilt f¨urε = 10
−2 undn = 10
41
4 · ε
2· n = 0, 25
und2 · exp( − 2 · ε
2· n) = 0, 270 . . .
und f¨ur
ε = 10
−2 undn = 10
51
4 · ε
2· n = 0, 025
und2 · exp( − 2 · ε
2· n) = 4, 12 · · · · 10
−9.
294/1Nun zur Konvergenz der Realisierungen
S
1(ω)/1, S
2(ω )/2, . . .
.35. Satz Starkes Gesetz der großen Zahlen
Falls (X
i)
i∈Nunabh¨angig, so folgt f¨ur fast alle ω ∈ Ω
n→∞
lim S
n(ω)/n = E(X
1)
Beweis. Siehe Irle (2001, Kap. 11) und Vorlesung ”Probability Theory“.
Spezialfall in Kapitel IV.2 behandelt.
Borel (1909), Kolmogorov (1930), Etemadi (1981)
Stochastische Simulation zur Berechnung von E(X
0) :
• Konstruiere iid-ZVen X
1, . . . , X
nauf (Ω, A, P ) , wobei X
0und X
1identisch verteilt
• Erzeuge eine Realisierung x
1, . . . , x
nder ZVen
X
1, . . . , X
n, d.h. f¨ur ein ω ∈ Ω
x
1= X
1(ω), . . . , x
n= X
n(ω)
• Approximiere E(X
0) = E(X
1) durch die entsprechende Realisierung von S
n/n (Mittelwert)
1/n ·
X
n i=1x
i296/1
36. Beispiel Betrachte die ZV
X
0:=
max { n ∈ N
0: P
ni=1
Y
i0≤ 1 } ,
falls{ . . . }
beschr ¨ankt0,
sonst,wobei (Y
i0)
i∈Niid mit Y
10∼ Exp (λ) f¨ur λ := 5 .
Anwendung: Warteschlangentheorie, Stichwort Poisson-Prozeß.
Berechne E(X
0) .
Vgl. ¨UBUNG.Die ersten 10 Simulationen lieferten die Werte
7, 1, 4, 6, 7, 6, 8, 5, 11, 5 .
Realisierung von
S
n/n
f¨urn = 1, . . . , 10
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
4 5 6 7
n
1/n⋅ S n(ω)
298/1
Realisierung von
S
n/n
f¨urn = 1, . . . , 100
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
4 5 6 7
1/n⋅ S n(ω)
Realisierung von
S
n/n
f¨urn = 1, . . . , 1000
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
4 5 6 7
n
1/n⋅ S n(ω)
300/1
Realisierung von
S
n/n
f¨urn = 1, . . . , 10000
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000 10000
4 5 6 7
1/n⋅ S n(ω)
37. Bemerkung Was besagt Satz 35 f¨ur Folgen von Realisierungen der ZVen S
n?
F¨ur alle ε > 0 und fast alle ω ∈ Ω gilt
∃ n
0(ε, ω ) ∀ n ≥ n
0(ε, ω ) :
(E(X
1) − ε) · n ≤ S
n(ω) ≤ (E(X
1) + ε) · n.
302/1
Vergleich der Konvergenzbegriffe im Starken und Schwachen Gesetz der großen Zahlen.
38. Satz Gilt fast sicher
n→∞
lim Y
n= 0
f¨ur eine Folge von ZVen (Y
n)
n∈Nauf (Ω, A, P ) , so folgt f¨ur alle ε > 0
n→∞
lim P ( {| Y
n| ≥ ε } ) = 0.
Beweis. ¨UBUNG