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Archiv "Außenseitermethoden: Können wir uns das leisten?" (29.08.1994)

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HEMEN DER ZEIT KOMMENTAR

Außenseitermethoden:

Können wir uns das leisten?

Der Kooperationsvertrag zwi- schen der Betriebskrankenkasse Krupp und dem Zentrum für Doku- mentation für Naturheilverfahren (ZDN) in Essen scheint exemplarisch für das Zusammenspiel zwischen kas- senärztlicher Versorgung und Lei- stungen der gesetzlichen Kranken- versicherung zu sein. Unter Berufung auf die „Erprobungsregelung" heißt es in § 2 des Kooperationsvertrags unter anderem: „Akut und chronisch Kranken werden Maßnahmen zur Beseitigung von therapiebehindern- den Störungen des Bindegewebes, therapeutische Reizanwendungen auf das Bindegewebe, gleichartige Maßnahmen, die im Therapiekon- zept benannt sind, zur Verfügung ge- stellt."

Was sind „ernst

zu nehmende Ansätze"?

§ 5 postuliert: „Das ZDN stellt sicher, daß nur solche Maßnahmen von einem Arzt durchgeführt und veranlaßt werden, dessen Therapie- verfahren von wissenschaftlich ernst zu nehmenden Ansätzen ausgehen und hinsichtlich Qualität, Wirksam- keit und Wirtschaftlichkeit ärztlichen Prüfungen und Bewertungen (wis- senschaftliche Begleitung) zugäng- lich sind . . . An den Kosten der ärzt- lichen Behandlung beteiligt sich die Betriebskrankenkasse entsprechend der . . . Leistungsbeschreibung zu 100 Prozent."

Wichtig für die Beurteilung des Sachverhalts ist, was unter dem Kata- log des § 2 zu verstehen ist. Dem liegt offenbar der Inhalt eines Referates zugrunde, das Dr. med. Schlebusch vor der Vertreterversammlung der BKK „zur Einführung der Ganzheits- medizin" gehalten hat und in dem es heißt: „Das Wasser im Aquarium (ei- nes an Schuppenflechte erkrankten Fischs) kann mit dem menschlichen Bindegewebe verglichen werden, das durch Belastungen jeglicher Art in seiner Funktionsfähigkeit beein-

trächtigt wird . . . Organerkrankun- gen können in der Regel erst auftre- ten, wenn vorher das Milieu, also das Bindegewebe, geschädigt wurde. Die Ganzheitsmedizin verfügt in Kennt- nis der genauen Anatomie und Phy- siologie des Bindegewebes über Ver- fahren, die seine Regulationsfähig- keit sowie dessen toxische Belastung diagnostizieren und entsprechend therapieren können . . . Zur ganz- heitsmedizinischen Therapie gehö- ren besondere naturheilkundliche Diagnoseverfahren, die den behan- delnden Therapeuten in die Lage versetzen, die Ursachen von Krank- heiten zu erkennen . . . Die ganz- heitsmedizinischen Therapien bezie- hen sich zu einem überwiegenden Teil (rund 80 Prozent) auf eine Be- seitigung von Belastungen des Binde- gewebes und damit eine unspezifi- sche Behandlungsart . . . Diese Ver- fahren sind insbesondere wirksam bei fast allen Erkrankungen des Grundregulationssystems, die rund 90 Prozent aller Erkrankungen aus- machen."

Fragen wir einmal die Pathophy- siologen und alle diejenigen, die da- von etwas verstehen, ob sie sich mit der Vorstellung anfreunden können, daß der Belastung des Bindegewebes eine zentrale Rolle bei 90 Prozent al- ler Erkrankungen zukommt.

„What is what"?

Die einschlägigen Verfahren, le- sen sich wie ein „What is what" all dessen, was es an schillernden und unkonventionellen Außenseiterme- thoden gibt, angefangen von „Auslei- teverfahren" über „Moxibustion" bis hin zur „Bioresonanztherapie". Die zur Diagnostik einzusetzenden Ver- fahren bewegen sich in ähnlichen Rahmen.

Hier handelt es sich eindeutig um einen Mißbrauch der Erpro- bungsregelung, in dessen Folge eine Fehlleitung von Mitgliedsbeiträgen unausweichlich ist. Eine Erprobungs-

regelung hat nur Sinn, wenn daraus ein für die Patienten nutzbringender Erkenntnisgewinn resultiert. Ein sol- cher ist nicht zu erwarten, da ein fun- diertes Konzept fehlt, nach dem er- probt wird. Will man die Erprobung seriös durchführen, müßte jedes der aufgeführten mindestens 60 Verfah- ren individuell erprobt werden. Of- fenbar ist keine systematische Aus- wertung der Therapieverfahren vor- gesehen.

Fragwürdige Methoden finanzieren?

Bei einem großen Teil der indi- zierten Therapieverfahren sind er- hebliche Zweifel angebracht, daß sie von wissenschaftlich ernst zu neh- menden Ansätzen ausgehen. Das gilt schon für das „Grundkonzept" über das Bindegewebe und erst recht für Detailverfahren.

In der Liste sind Therapiever- fahren aufgeführt, deren Unbedenk- lichkeit in Frage steht, wie zum Bei- spiel Frischzellentherapie, und deren Einsatz für die Patienten gefährlich sein kann.

Wegen der Notwendigkeit, die für die Versorgung der Patienten zur Verfügung stehenden Mittel sinnvoll und ökonomisch einzusetzen, ist es unverantwortlich, nicht unerhebliche Beiträge für fragwürdige und zum Teil risikoreiche Therapieverfahren konzeptionslos im Sinne einer „Er- probung" einzusetzen.

Einerseits wird das für Verord- nungen zur Verfügung stehende Budget zunehmend restriktiver ge- handhabt (vgl. Deutsches Ärzteblatt Heft 19/1994), und es wird laut über Positiv- und Negativlisten nachge- dacht. Andererseits lassen wir zu, daß mit Mitteln der gesetzlichen Krankenversorgung fragwürdige Au- ßenseitermethoden finanziert wer- den. Das dürfen wir uns nicht mehr leisten.

Prof. Dr. med. Karl-Friedrich Sewing, Hannover

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 34/35, 29. August 1994 (33) A-2233

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