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Archiv "Prostatakarzinom: Der PSA-Test eignet sich derzeit nicht zum Screening" (10.04.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 15⏐⏐10. April 2009 A705

M E D I Z I N R E P O R T

D

ie Früherkennung des Prosta- takarzinoms mit dem PSA- (prostataspezifisches Antigen)-Test rettet – wenn überhaupt – nur weni- gen Menschen das Leben, geht aber mit einer hohen Zahl zusätzlicher Krebsbehandlungen einher. Dies zeigen die Zwischenergebnisse aus zwei randomisierten Studien aus Eu- ropa und den USA im „New England Journal of Medicine“ (NEJM), wel- che die Debatte um den Nutzen des PSA-Tests neu beleben dürften.

Während der PSA-Test in Deutsch- land von der gesetzlichen Kranken- kasse nur bezahlt wird, wenn Be- schwerden vorliegen (als freiwillige Früherkennungsuntersuchung kos- tet er zwischen 25 und 40 Euro), ist er in den USA seit den 90er-Jahren ein populärer Screening-Test zur Früh- erkennung des Prostatakarzinoms.

Die meisten Männer lassen dort ab dem 50. Lebensjahr jährlich einen PSA-Test durchführen. Auch 95 Pro- zent der Urologen sowie 78 Prozent der Allgemeinärzte lassen sich selbst testen, was belegt, dass sie vom Nut- zen überzeugt sind – im Gegensatz zu den Fachgesellschaften.

Beweislage reicht für eine Empfehlung nicht aus

Das National Cancer Institute emp- fiehlt das PSA-Screening nicht, ebenso wenig die American Cancer Society. Die U. S. Preventive Ser- vices Task Force hat jüngst fest- gestellt, dass die Beweislage für ei- ne Empfehlung nicht ausreiche.

Tatsächlich wurde der Test ohne vorherige randomisierte klinische Studien eingeführt. Eine solche Stu- die wurde erst 1993 im Rahmen der PLCO(Prostate-, Lung-, Colorectal-, and Ovarian)-Screening-Studie be- gonnen, an dessen Studienarm zur

Früherkennung des Prostatakarzi- noms sich an 19 Zentren bis 2001 76 693 Männer im Alter von 55 bis 69 Jahren beteiligten. Der Hälfte der Probanden wurde für sechs Jahre ein jährlicher PSA-Test und für vier Jahre eine digitale rektale Untersu- chung angeboten.

In der Kontrollgruppe war kein Screening vorgesehen, doch auf- grund der hohen Popularität des PSA-Tests in den USA konnte diese Strategie nicht eingehalten werden.

In der Kontrollgruppe stieg über die Jahre der Anteil der Patienten, die außerhalb des Studienprotokolls einen PSA-Test durchführen ließen,

von 40 auf 52 Prozent. Im Scree- ning-Arm ließen 85 Prozent die Tests durchführen. Für eine digitale rektale Untersuchung entschieden sich 86 Prozent im Screening-Arm und 41 bis 46 Prozent in der Kon- trollgruppe.

Trotz dieser Verwässerung wur- den im Screening-Arm nach sieben Jahren Nachbeobachtung mehr Pros- tatakarzinome diagnostiziert: Die Inzidenz betrug 116/10 000 Perso- nenjahre gegenüber 95/10 000 in der Kontrollgruppe. Das ergibt eine Rate-Ratio von 1,22 (95-Prozent- Konfidenzintervall 1,16–1,29), also einen signifikanten Anstieg der Dia- gnosen um 22 Prozent.

Vermehrte Diagnosen, aber keine verbesserte Prognose

Das Ziel des Screenings besteht jedoch nicht ausschließlich darin, Krebserkrankungen zu entdecken, sondern durch deren rechtzeitige Therapie Menschenleben zu retten.

Genau dieser Nachweis ist in den ers- ten sieben Jahren der Nachbeobach- tung nicht gelungen, wie die PLCO- Studiengruppe um Christine Berg vom National Cancer Institute ein- räumen muss (NEJM 2009; 360:

1310–9).

Die Mortalität war mit 2,0 Todes- fällen auf 10 000 Personenjahre so- gar um (nicht signifikante) 13 Pro- zent höher als in der Kontrollgruppe (1,7 Todesfälle auf 10 000 Perso- nenjahre). Auch eine Auswertung nach zehn Jahren, die zu 67 Prozent vollständig ist, bestätigt diesen Ein- druck, nach dem die Früherkennung nur zu vermehrten Diagnosen, nicht aber zu einer verbesserten Prognose der Patienten führt.

Etwas günstiger sind die Zwi- schenergebnisse der European Ran-

PROSTATAKARZINOM

Der PSA-Test eignet sich derzeit nicht zum Screening

Zwei Studien aus den USA und Europa kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Verminderung der Mortalität bei den getesteten Männern.

Foto:Gilead Sciences

Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für einen PSA-Test nur, wenn ein Verdacht auf Prostatakrebs vorliegt. Viele Ärzte bieten ihren Patien- ten die Bestimmung des PSA-Werts daher als Selbst- zahlerleistung an.

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A706 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 15⏐⏐10. April 2009

M E D I Z I N R E P O R T

domized Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC-Studie), die kürzlich auf dem Jahreskongress der European Association of Urolo- gy in Stockholm, Schweden, vorge- stellt wurden. Es handelt sich um die zusammenfassende Auswertung mehrerer Studien aus acht Ländern (ohne deutsche Beteiligung).

Die Auswertung von 162 000 Teilnehmern im Alter von 55 bis 69 Jahren aus sieben Ländern mit einer Nachbeobachtungszeit von neun Jahren zeigt, dass das PSA- Screening – eine digitale rektale Untersuchung wurde nicht angebo- ten – zu dem erwarteten Anstieg der Diagnosen führt: Bei 8,2 Pro- zent der PSA-getesteten Männer, aber nur bei 4,8 Prozent in der Kontrollgruppe wurde ein Prostata- karzinom diagnostiziert. Dass der Unterschied größer ausfiel als in der US-Studie, dürfte daran gele- gen haben, dass in der Kontroll- gruppe deutlich weniger PSA-Tests durchgeführt wurden als in der US- Untersuchung, obwohl die Studie keine Angaben zu der Verwässe- rung macht.

Wie die Gruppe um Fritz Schrö- der von der Erasmus-Universität in Rotterdam, Niederlande, berichtet, war die Zahl der Todesfälle am Prostatakarzinom unter den Scree- ning-Teilnehmern um 20 Prozent niedriger (NEJM 2009; 360: 1320–8).

Die Rate-Ratio von 0,80 war mit ei- nem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,65 bis 0,98 signifikant. Damit ist das Screening in Bezug auf die- sen Endpunkt effektiv – auch wenn bei der ersten Lektüre der Studie unklar bleibt, warum keine Daten zur Gesamtsterblichkeit mitgeteilt werden, auf die es ankommt.

Hohe Zahl an Operationen und Radiotherapien

Der Preis für die 20-prozentige Minderung des Sterberisikos ist al- lerdings hoch. Um einen Todesfall am Prostatakarzinom zu verhindern, mussten 1 410 Männer einen PSA- Test durchführen lassen und – was schmerzhafter ist – 48 Patienten be- handelt werden. Diese hohe Zahl der Operationen oder Radiothera- pien (die beiden Behandlungsop- tionen beim Frühkarzinom) dürfte

einer der wesentlichen Streitpunkte in der Diskussion sein.

Denn die Behandlungen gehen in 20 Prozent mit Harninkontinenzen und Impotenz einher (bei der Radio- therapie vielleicht auch mit Proble- men der Darmentleerung). Deshalb gehen Überdiagnosen und Überthe- rapien mit deutlichen Nachteilen für die Patienten einher, wie der Edito- rialist Michael Barry von der Har- vard Medical School in Boston, USA, im Editorial (NEJM 2009;

360: 1351–4) anmerkt. Ein erster Kommentar der American Cancer Society lässt vermuten, dass die US- Fachgesellschaften bei ihrer ableh- nenden Haltung bleiben werden.

Erste Reaktionen von deutschen Gesellschaften

Unterschiedlich fallen die Reaktio- nen in Deutschland zu den aktuellen Studien aus. „Patienten, die sich heutzutage für ein PSA-Screening entscheiden, sind nun sicherlich gute Daten für ihre Entscheidung an die Hand gegeben worden“, resü- miert ein Expertengremium der Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie (AUO) in der Deutschen Krebsgesellschaft. „Die Zukunft wird jedoch bestimmt werden durch eine Anpassung einer Screening- Empfehlung an Risikogruppen, um zu vermeiden, dass unnötig viele Patienten regelmäßige PSA-Unter- suchungen mit nachfolgender Dia- gnostik erfahren“, so Prof. Dr. med.

Peter Albers (Düsseldorf) als Spre- cher der AUO.

Trotz der gesunkenen Sterblich- keitsrate müssen in der europäischen Studie 1 410 Patienten getestet und weitere 48 Patienten therapiert wer- den, um – statistisch gesehen – einen Patienten vor dem Tod durch ein Prostatakarzinom retten zu können.

„Dies ist eine ökonomisch aufwen- dige Relation und rechtfertigt kein flächendeckendes Screening“, er- klärt Albers und ergänzt: „Vielmehr gilt es jetzt, Risikogruppen zu identi- fizieren, um zu vermeiden, dass unnötig viele Patienten regelmäßige PSA-Untersuchungen mit nachfol- gender Diagnostik einschließlich Biopsie erfahren.“

Die Gruppe, bei der die Sterblich- keit gesenkt werden könne, sei auf

ein Alter von 55 bis 69 Jahren einge- schränkt. Patienten über 70 Jahre profitierten hingegen in der Scree- ning-Studie nicht vom PSA-Scree- ning. Im Gegenteil, in dieser Alters- gruppe seien mehr Patienten in der Screening-Gruppe als in der Kon- trollgruppe verstorben. Auf der an- deren Seite werden Patienten, deren Tumor familiär ausgelöst ist, durch die Altersgrenze von 55 Jahren durch das Screening nicht entdeckt. Diese Patienten haben jedoch häufig ag- gressive Tumoren, die bereits im Alter unter 55 Jahre auftreten.

„Bei der Analyse beider Studien wird jedoch klar, dass die Scree- ning-Problematik nicht mit einem Schwarz-Weiß-Bild gelöst werden kann. Patienten, die sich für einen PSA-Test interessieren, haben nun eine breitere Entscheidungsgrundla- ge, die auch genutzt und im Dialog mit dem behandelnden Arzt erörtert werden sollte.

Für die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) ist die Bestim- mung des prostataspezifischen An- tigens auch nach aktueller Studien- lage eine unverzichtbare Maßnahme zur Früherkennung des Prostata- karzinoms. „In Deutschland sterben jährlich noch immer etwa 11 000 Männer an Prostatakrebs“, sagt DGU- Präsident Prof. Dr. med. Manfred Wirth (Universitätsklinik Dresden).

„Eine Reduzierung um 20 Prozent bedeutet, dass definitiv Menschenle- ben gerettet werden.“ Und solange es noch keine ausreichend validierten anderen Alternativverfahren für die Früherkennung von Prostatakarzino- men gebe, sei es nicht angezeigt, auf PSA-Bestimmungen zu verzichten.

Das letzte Wort in dieser wissen- schaftlichen Auseinandersetzung ist noch nicht gesprochen, denn beide Studien werden fortgesetzt. Außer- dem laufen derzeit noch zwei weite- re größere Studien: Der Prostate Cancer Intervention Versus Obser- vation Trial (PIVOT) in den USA und die Prostate Testing for Cancer and Treatment (PROTECT) in Großbritannien. Die Diskussion um Sinn und Unsinn des PSA-Scree- nings dürfte deshalb noch einige

Jahre anhalten. I

Rüdiger Meyer Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

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