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Archiv "Das Bild der leichten frühkindlichen Hirnschäden in der täglichen Praxis" (01.01.1976)

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Das Bild der leichten

frühkindlichen Hirnschäden in der täglichen Praxis

Gunter Groß-Selbeck

Neuropädiatrische Abteilung der Universitäts-Kinderklinik Kiel

Kinder mit leichter frühkindlicher Hirnschädigung bieten eine viel- fältige Symptomatik. Neben Störungen der Grob- und Feinmotorik zeichnen sie sich auch durch affektive Instabilität, leichte Ablenk- barkeit und vermehrte motorische Unruhe aus; nicht selten sind Störungen im perzeptiven Bereich. Dadurch bedingt kommt es häu- fig zu Lernstörungen und erheblichen Erziehungsschwierigkeiten.

Durch gezielte Diagnostik, die auch in der Praxis durchführbar ist, und entsprechende Aufklärung der Umwelt des Kindes lassen sich sekundär auftretende Verhaltensstörungen vermeiden.

Akt 74 4

1=1 1=1 rl

H

Das Bild des leichten frühkindlichen Hirnschedens

In den letzten Jahren wird der leichten frühkindlichen Hirnschädi- gung — auch minimale zerebrale Dysfunktion, exogenes frühkindli- ches Psychosyndrom oder minimal brain damage genannt — vermehrt Beachtung geschenkt, nachdem man erkannt hat, daß Erziehungs- und Schulschwierigkeiten häufig auf geringe hirnorganische Störun- gen zurückzuführen sind. Nach amerikanischen Untersuchungen liegt die Häufigkeit solcher Störun- gen bei etwa fünf bis zehn Prozent aller Schulkinder; Untersuchungen von Lempp und Müller-Küppers ha- ben gezeigt, daß etwa ein Fünftel bis ein Viertel der Kinder mit Ver- haltensstörungen, Erziehungs- und Schulschwierigkeiten eine leichte frühkindliche Hirnschädigung auf- weisen.

Fallbeschreibung

Gewissermaßen als Einleitung sei die Anamnese eines siebeneinhalb- jährigen Jungen geschildert. Es

handelt sich um das zweite Kind gesunder Eltern, ein Geschwister- kind litt an einer Myelomeningoze- le und verstarb im Alter von zwei- dreiviertel Jahren. Der Schwanger- schaftsverlauf war unauffällig, die Geburt erfolgte zehn Tage nach er- rechnetem Termin aus Steißlage.

Geburtsgewicht 4500 Gramm, Ge- burtslänge 54 Zentimeter. Die früh- kindliche Entwicklung war insge- samt etwas verzögert: Freies Sit- zen mit elf Monaten, freies Laufen mit 19 Monaten, Zwei- beziehungs- weise Drei-Wort-Sätze wurden im Alter von zweieinviertel Jahren ge- sprochen. Der Junge galt zu Hause schon immer als ungeschickt und unbeholfen. Er fiel häufig hin, hatte lange Zeit Schwierigkeiten mit dem An- und Ausziehen, brauchte dafür sehr viel länger als andere Kinder, insbesondere hatte er Schwierig- keiten beim Knöpfen und später auch beim Binden einer Schleife.

Der Versuch, den Jungen am Kin- derturnen teilnehmen zu lassen, scheiterte, da er sehr bald gegen- über seinen Altersgenossen abfiel

und keine Lust mehr zum Turnen hatte. Die Einschulung erfolgte im Alter von sechs Jahren, das erste Schuljahr verlief in etwa komplika- tionslos. Im zweiten Schuljahr tra- ten jedoch erhebliche Schwierig- keiten auf. Das Kind kam bei Klas- senarbeiten nicht mehr mit, es wurde nie richtig fertig. Der Junge machte dadurch mehr Fehler, paß- te auch nicht mehr recht auf, das Schriftbild war ungenügend. Die Hefte waren meist zerknittert und sahen schmierig aus. Hausarbeiten dagegen machte er im allgemeinen ordentlich und gut. Beim Turnen in der Schule stellte er sich unge- schickt an, er wurde deshalb in seiner Klasse nicht für voll genom- men. Der Kontakt zu anderen Kin- dern war zufriedenstellend, es war jedoch auffallend, daß der Junge bevorzugt mit kleineren Kindern spielte. Wegen dieser Schwierig- keiten erfolgte die Vorstellung in unserer Poliklinik.

Die geschilderte Anamnese ist ge- radezu klassisch für das Bild einer minimalen zerebralen Dysfunktion.

Geburt aus Steißlage, also Risiko-

kind; verzögerte frühkindliche

Entwicklung, die Ungeschicklich-

keit in den Verrichtungen des tägli-

chen Lebens, das Versagen in der

Schule, sobald die Anforderungen

etwas höher werden. Die Intelli-

genz ist häufig normal, bei unse-

rem Jungen betrug der HAWIK-IQ

105. Fragt man genauer nach, so

wird häufig angegeben, daß das

Kind motorisch auffallend unruhig

sei, nur eine kurze Konzentrations-

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Abbildung 1 (links): Achtjähriges Mädchen mit leichter frühkindlicher Hirnschädigung. Erhebliche Schwierigkeiten beim An- und Ausziehen infolge Störung des Gleichgewichtes. Gewichtsverlagerung auf ein Bein nicht möglich — Abbildung 2 (Mitte): Unsicherer Einbeinstand. Das Kind "hält sich an sich selbst fest". Starke Adduktion des entla- steten Beines — Abbildung 3 (rechts): Schwierigkeiten beim Überhüpfen eines kleinen Gegenstandes auf einem Bein: stark vorgebeugter Oberkörper, assoziierte Reaktionen der Hände und Finger

spanne besitze, leicht ablenkbar und vergeßlich sei und in der Schule nicht folgen könne. Bemer- kenswert ist dabei, daß diese Kin- der vieles wahrnehmen, was um sie herum vorgeht. Ein normales Kind kann aus einer großen Zahl einströmender Reize einige wenige auswählen, das heißt, die Aufmerk- samkeit auf bestimmte Dinge kon- zentrieren. Es ist in der Lage, für den Moment unwesentliche senso- rische Eindrücke auszuklammern.

Ein Kind mit einer minimalen zere- bralen Dysfunktion jedoch kann die vielfältigen Eindrücke nicht hem- men, es kann sich beispielsweise nicht nur auf die Stimme des Leh- rers konzentrieren. Geklagt wird von den Eltern auch häufig über

ein schlechtes Schriftbild, die Schrift sei ausfahrend und oft unle- serlich. Auch hier findet sich eine deutliche Verschlechterung bei Be- lastung und in Streßsituationen.

Hat das Kind genügend Zeit, wird die Schrift häufig besser, so daß die Eltern dann fälschlicherweise meinen, „mein Kind kann ja, wenn es will". Im Turnunterricht wirken alle diese Kinder ungeschickt, bei Wettspielen oder schwierigen Gleichgewichtsübungen fallen sie gegenüber Gleichaltrigen ab.

Kinder mit solchen Störungen sind grobmotorisch unauffällig, bei der üblichen neurologischen Untersu- chung findet sich keine Abwei- chung von der Norm. Ihr Problem

ist es jedoch, daß sie in ihren mo- torischen Fähigkeiten an normalen Kindern gemessen werden und die Ursachen ihres Fehlverhaltens in vielen Fällen nicht erkannt werden.

Sie bevölkern oft jahrelang Erzie- hungsberatungsstellen und werden dort wegen Erziehungs- und Schul- schwierigkeiten häufig vergeblich behandelt. Bei genauerer Unter- suchung, insbesondere bei funk- tionell-motoskopischer Untersu- chungstechnik, finden sich nicht selten diskrete neurologische Symptome, die manchmal erst in Streßsituationen zutage treten.

Im folgenden soll nun diese funk- tionelle Untersuchungstechnik dar- gestellt werden, wie sie — entspre-

16 Heft 1 vom 1. Januar 1976

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Abbildung 4 (links): Gehen auf einem Balken: Störung des Gleichgewichts mit Seitneigung nach rechts, verkrampfte Körperhaltung — Abbildung 5 (rechts): Starke Unsicherheit beim Treppauf-Gehen mit Vorbeugen des Rumpfes, assoziierte Reaktionen der Arme und Finger

chend dem Thema dieser Arbeit — auch in der Praxis durchgeführt werden kann. Dabei kommt es vor allem darauf an, Haltungs- und Be- wegungsabläufe zu beachten. Al- lerdings ist es notwendig, sich vor- her darüber klarzuwerden, wie sich ein normales Kind in entspre- chendem Alter verhält. In Tabelle 1 seien als Beispiel einige Normda- ten aus dem Denver-Entwicklungs- test nach Frankenburg und Dodds zusammengestellt.

Untersuchungsgang und Diagnose

Wenn auch die Zeit für eine einzel- ne Untersuchung in der Praxis

meist knapp bemessen ist, sollte man sich angewöhnen, das Kind beim Ausziehen zu beobachten (Abbildung 1). Zu achten ist vor al- lem darauf, ob das Kind eine Seite beim Ausziehen bevorzugt, ob es sich dabei mit einer Hand festhal- ten muß oder das Gleichgewicht verliert, wie es sich beim Öffnen der Knöpfe oder der Schuhbänder verhält.

Betrachten wir das Kind im Stehen, so müssen wir auf Asymmetrien achten. Wir prüfen die Fähigkeit, das Gleichgewicht zu verlagern.

Voraussetzung hierzu ist eine nor- male Rotationsfähigkeit um die ei- gene Körperachse. Bei passiver Retropulsion des Körpers von den

Schultern oder den Hüften her kommt es normalerweise zu einer automatischen Dorsalflexion des Fußes und der Zehen, so daß ein Fersenstand resultiert. Fehlende Dorsalflexion oder konstantes Ze- henkrallen sind als pathologisch zu werten.

Wie aus Tabelle 1 zu ersehen, soll- ten 90 Prozent aller Kinder im Alter von knapp fünf Jahren etwa fünf Sekunden, im Alter von fünfeinhalb Jahren etwa zehn Sekunden sicher auf einem Bein stehen können.

Voraussetzung für einen sicheren Einbeinstand ist die Fähigkeit der Gewichtsverlagerung auf das Standbein. Zu achten ist wieder auf symmetrische Rumpfhaltung, eine Seitflexion des Rumpfes sollte nach Wechsel des Standbeines in gleicher Weise vorhanden sein.

Pathologisch sind eine konstante Asymmetrie sowie konstante asso- ziierte Reaktionen. Es handelt sich hierbei um tonische Reaktionen, die bei bestimmten Bewegungsab- läufen auch in anderen Körpertei- len eine generelle Tonuserhöhung bewirken, wie beispielsweise ver- mehrte Armbeugung, Faustschluß, Grimassieren. Sie dürfen nicht ver- wechselt werden mit den assoziier- ten Bewegungen, das sind Mitbe- wegungen meist in kontralateralen Teilen des Körpers, wie zum Bei- spiel Spiegelbewegungen einer Hand bei Prüfung der Diadochoki- nese der anderen Hand. Ein zu kur- zer oder unsicherer Einbeinstand deutet auf ungenügende Gleichge- wichtsverlagerung hin (Abbildung 2). In solchen Fällen kann der Ein- beinstand geprüft werden, indem der Patient einen Fuß in die Hand- fläche des Untersuchers stellt.

Hierbei kann man vor allem Seiten- unterschiede erkennen.

Hüpfen auf einem Bein: Ein Kind mit einer leichten Hirnschädigung kann häufig nicht federnd hüpfen.

Es hat oft sogar Schwierigkeiten, vom Boden hochzukommen. Das Überspringen eines kleinen Gegen- standes auf einem Bein geschieht stampfend, meist mit vorgebeug- tem Oberkörper und wiederum mit assoziierten Reaktionen (Abbil-

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Abbildung 7: Halbkniestand:

deutliche Unsicherheit, sichtbar an der tonischen Beugehaltung der Arme mit Faustschluß. Ver- krampfung des Mundes

dung 3) Beim Hüpfen vom Stuhl federt ein Kind normalerweise mit den Zehenballen bei gleichzeitiger Knie- und Hüftbeugung ab. Patho- logisch ist es, wenn die Ferse bela- stet wird und die Beine gestreckt bleiben, so daß keine Abfederung

erfolgt und man ein lautes Stamp- fen hört.

Kann ein Kind hüpfen, so sollte der Grätschsprung seitlich (Hampel- mann) und der Grätschsprung vor und zurück (Scherensprung) ge-

prüft werden. Sehr häufig ist ein seitlicher Grätschsprung ein- bis zweimal möglich, dann kommt es zu Adduktion und Hüpfen auf der Stelle. Der Scherensprung ist schwieriger und in vielen Fällen unmöglich. Seitliches Hüpfen ent-

Abbildung 6a (oben): In Sitzhaltung auf Grund ungenügender Hüftbeugung kompensatorischer Rundrücken; unterstützt sich selbst durch Halten an den Beinen — Abbildung 6b (unten): Bei passivem Aufrichten Beugung und Ad- duktion der Knie, angedeutete Innenrotation der Beine

18 Heft 1 vom 1.Januar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Abbildung 8: Beim Schreiben wird der Bleistift zu stark aufgedrückt. Die das Papier haltende linke Hand ist verkrampft (Faustschluß)

Tabelle 1: Einige Normdaten aus dem Denver-Entwicklungstest von Frankenburg und Dodds, standardisiert für deutsche Kinder von Flehmig et al ... Die Prozentzahlen geben an, in welchem Alter (in Jahren und Monaten) ein bestimmter Prozentsatz der Stichprobe die genannte Tätigkeit durchführen konnte. Alle Kinder, die jenseits der 90-Prozent-Grenze liegen, sind als auffällig anzusehen

25 °/o 50°/o 750/o 90%

steht 5 Sek. auf einem Bein 2;11 3;7 4;0 4;10 steht 10 Sek. auf einem Bein 3;8 4;9 5;3 5;6 hüpft auf einem Bein 3;3 3;8 4;2 4;10 Zehen-Hacken-Gang vorwärts 3;10 4;0 4;8 4;10 Zehen-Hacken-Gang rückwärts 4;4 4;11 5;3 6;0

schließt Knöpfe 2;8 3;0 3;7 3;11

zieht sich an ohne Anleitung 3;6 4;0 4;5 4;10 zeichnet Mensch (6 Teile) 3;11 4;3 5;0 5;4

erkennt Farben 2;9 3;4 3;10 4;3

lang einer Linie kann Seitenunter- schiede aufdecken.

Beim Gehen auf einem Strich oder auf einem Balken finden sich bei Kindern mit minimaler zerebraler Dysfunktion häufig Abweichungen nach der Seite, verkrampfte Kör- perhaltung und assoziierte Reak- tionen (Abbildung 4).

Aufschlußreiche Befunde ergeben sich oft, wenn wir den Probanden eine Treppe hinauf- und hinunter- gehen lassen: pathologisch sind Unsicherheit, dadurch verkrampfte Körperhaltung, assoziierte Reaktio- nen (Abbildung 1).

Viele Kinder mit leichten motori- schen Störungen sitzen auf Grund ungenügender Hüftbeugung mit kompensatorischem Rundrücken (Abbildung 6a). Der Kopf wird mit Hyperlordose der Halswirbelsäule und eventuell der oberen Brustwir- belsäule in die Vertikale gehoben.

Bei passivem Aufrichten erfolgt die Hüftbeugung mit gleichzeitiger, manchmal asymmetrischer Knie- beugung, wobei häufig eine zusätz- liche Innenrotation und Adduktion der Beine zu beobachten ist (Abbil- dung 6b). Differentialdiagnostisch läßt sich hierdurch der Rundrücken bei Muskelhypotonie abgrenzen. — Hier bleiben bei passivem Aufrich- ten die Kniegelenke gestreckt und die Beine außenrotiert. Man kann sich gut vorstellen, daß Kinder mit solchem Rundrücken auf Grund er- höhter Streckspastizität erhebliche Schwierigkeiten beim Sitzen in der Schule haben. Sie müssen, um nach vorn blicken zu können, den Kopf vorstrecken und können dem Unterricht nur mit einer verstärkten Halslordose folgen. Da das Kind in dieser verkrampften Haltung nur relativ kurze Zeit verharren kann, kommt es zu entsprechend häufi- gem Positionswechsel und damit zu vermehrter motorischer Unruhe.

Das Kind ist so stark mit sich selbst beschäftigt, daß es dem Un- terricht nicht mehr folgen kann (Hochleitner).

Im Seitsitz soll die Wirbelsäule nur wenig flektiert sein, beide Gesäß-

hälften werden normalerweise etwa seitengleich belastet. Auch hierbei können wieder Seitenunterschiede hervortreten.

Beim Kniestand auf einem Bein be- steht häufig Unsicherheit, vor allem dann, wenn das Kind mit dem ent- lasteten Bein stampfen soll (Abbil- dung 7). Das Stampfen ist ataktisch und schwerfällig. Beim Kniegang

vorwärts und noch mehr beim Rückwärtsgang kommt es zu ver- mehrter Hüftbeugung mit starker Lendenlordose. Gleichzeitig kann eine Abduktion der Beine beobach- tet werden. Ungenügende Rota- tionsfähigkeit wird durch verstärkte Seitflexion kompensiert.

Sehr wichtig ist die Prüfung der Handfunktion: Das Klopfen auf der

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Unterlage mit den Fingerspitzen sollte normalerweise aus dem Handgelenk erfolgen. Kinder mit minimaler zerebraler Dysfunktion klopfen meist mit steifem Handge- lenk aus dem Ellenbogen oder Schultergelenk heraus. Zu achten ist wieder auf Gleichmäßigkeit hin- sichtlich Stärke und Schnelligkeit des Klopfens sowie auf Seitenun- terschiede. Wir prüfen die Feinmo- torik weiterhin dadurch, daß wir die Kinder eine Büroklammer auf ein Blatt Papier stecken lassen.

Auch eine Perlenkette zum Auffä- deln ist ein brauchbares Testwerk- zeug. Die Prüfung der Diadochoki- nese ist vor dem sechsten Lebens- jahr ohne hohen Aussagewert.

Ein normal intelligentes Kind sollte mit Beginn der Schulzeit einen Blei- stift zwischen Zeigefinger und Dau- men halten, die Knöpfe am Mantel zumachen und sich die Schuhe mit einer Schleife binden können. Es muß eine Sicherheitsnadel öffnen und eine Büroklammer auf ein Stück Papier schieben können.

Eine wichtige Untersuchungsme- thode zur Erkennung von minima- len zerebralen Funktionsstörungen bei Kindern ist das Zeichnen mit Pa- pier und Bleistift. Bei geringer Spa- stizität schreibt das Kind langsam, unregelmäßig, mit sehr großen oder sehr kleinen Buchstaben. Der Bleistift wird zu stark aufgedrückt.

Bei geringen extrapyramidalen Störungen kommt es zu einem sehr unordentlichen, zittrigen Schriftbild. Intervalle und Zeilen können nicht eingehalten werden, Richtungswechsel fällt schwer, die Schrift ist ausfahrend. Für alle die- se Störungen gilt, daß sich das Schriftbild unter Zeitdruck und nach längerem Schreiben wesent- lich verschlechtert. Sind assoziier- te Reaktionen vorhanden, so ver- krampft auch die andere Hand, die das Heft halten soll (Abbildung 8).

Das Schulheft verrutscht, das Pa- pier knittert.

Oft erhält man aufschlußreiche Bil- der, wenn man das Kind einen Ge- genstand nach eigener Wahl zeich-

nen läßt. Mit dem Zeichnen werden natürlich nicht einzelne Funktionen geprüft. Wie das Kind zeichnet, hängt nicht nur von seiner Intelli- genz und Erfahrung, sondern auch von seiner manuellen Geschick- lichkeit, der Hand-Augen-Koordina- tion und von seiner Raumvorstel- lung ab. Kinder mit hirnorgani- schen Schäden liefern häufig Zeichnungen von Menschen oder Häusern, die denen normaler jün- gerer Kinder entsprechen. Es kommt aber auch vor, daß Figuren verdreht werden, einzelne Teile falsch angeordnet und Proportio- nen falsch gezeichnet werden.

• Wird fortgesetzt Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Gunter Groß-Selbeck Universitäts-Kinderklinik 23 Kiel

Fröbelstraße 15/17

ECHO

Zu: „Leitsymptom: Konzentra- tionsstörungen bei Schulkin- dern" von Dr. med. Klaus J.

Erhard in Heft 46/1975, Seite 3179.

„Kinder nicht überfordern"

„Von einem Schulanfänger kann erwartet werden, daß er sich wenigstens zehn Minu- ten einer gestellten Aufgabe widmet, ohne sich anderen Dingen zuzuwenden oder von anderen Dingen zu sprechen.

Beim zehnjährigen Kind soll die Dauer der aufgabenbezo- genen Konzentration etwa 20 Minuten betragen, und ab dem 14. Lebensjahr betrage sie rund 30 Minuten, wobei allerdings in der Vorpubertät die aufgabenbezogene Kon- zentration etwas abfällt. Die- se Richtzeiten nannte das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT in Köln ..." (ddp in Gießener Anzeiger und anderen Tages- zeitungen)

Diagnostik

Soziale Faktoren beeinflussen di- rekt die Frühgeburtenhäufigkeit, das ergab die Auswertung der Krankengeschichten einer Frauen- klinik aus den Jahren 1966 bis 1971. Der Anteil der Frühgeburten betrug bei insgesamt 11 342 Gebur- ten 11,34 Prozent. Der Anteil der le- digen und geschiedenen, getrennt oder verwitwet lebenden Mütter mit Frühgeburten war dabei einein- halbmal beziehungsweise doppelt so hoch wie in einer Vergleichs- gruppe von Müttern mit normalge- wichtigen Kindern. Bei 64,4 Prozent aller Frühgeburten war der Ab- stand zur letzten Geburt kürzer als 24 Monate und damit signifikant häufiger als in der Kontrollgruppe.

Der Prozentsatz der Mütter, die keine Schwangerenuntersuchun- gen in Anspruch nahmen, war bei den Frühgeburten viermal so groß wie bei der Kontrollgruppe. Erkran- kungen während der Schwanger- schaft beeinflußten offenbar nicht die Neigung zur Frühgeburt. he (Hohlweg-Majert, P., Kauert, S.:

Geburtsh. u. Frauenheilk. 35 [1975]

459-466)

Chirurgische Komplikationen nach Abdominaleingriffen wie lleus, Pe- ritonitis und Blutung sind fast im- mer behebbar. Die Auswertung von 484 Komplikationen an 436 Patien- ten ergab eine hohe Letalität infol- ge zu seltener Relaparotomie. Das zentrale Problem in der Therapie der postoperativen chirurgischen Komplikationen ist die Indikations- stellung zur Relaparotomie. Eine aktivere Diagnostik und Indika- tionsstellung sowie eine adäquat konsequente Durchführung der Eingriffe ist daher notwendig. Zur aktiveren Diagnostik gehören re- gelmäßige, kurzfristige Kontrollen wichtiger Laborwerte auch bei un- auffälligem postoperativem Verlauf, ferner Flüssigkeitsbilanz, beson- ders für die Frühdiagnose des Ileus. he (Dinstl, K., Kofbauer, F., Schiessel, R.: Münch. med. Wschr. 117 [1975]

763-766)

20 Heft 1 vom 1. Januar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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