Epilepsiekranke Frauen be- dürfen eines auf ihre biologi- sche Situation abgestimmten differenzialtherapeutischen Managements, sowohl für die reproduktive Lebensphase, in der Aspekte wie Kontrazepti- on, Schwangerschaft und Te- ratogenese im Vordergrund stehen, als auch für die so ge- nannten Wechseljahre. Die Da- tenlage sei schmal, gebe jedoch Einblicke in die komplexen In- teraktionen zwischen neurona- ler und endokriner Aktivität, betonte Dr. Stefan Stodieck (Hamburg). Er wies auf eine US-amerikanische Erhebung bei im Mittel 51-jährigen Pati- entinnen hin:In 15 Prozent hat- te sich die Epilepsie erst in der Perimenopause manifestiert, und bei denjenigen, die bereits vorher erkrankt waren, hatte seit der letzten Periode in 41 Prozent die Anfallsaktivität zu- und in 27 Prozent abgenom- men (Abbasi et al., Epilepsia 1999). Eine Wechselbeziehung besteht auch umgekehrt.
Ovarialfunktion erlöscht früher
Eine ebenfalls in den USA durchgeführte Untersuchung zeigte, dass der Zeitpunkt des Erlöschens der Ovarialfunk- tion bei Epilepsiepatientin- nen überproportional häufi- ger vorverlegt war – mittleres Menopausenalter 39,6 Jahre – als bei einer Kontrollgruppe mit anderen neurologischen Erkrankungen (Klein et al., Epilepsia 2001). Dr. Annelie- se Schwenkhagen (Hamburg) führt dies darauf zurück, dass Sexualhormone neuroaktive Steroide sind. Östrogen wirke prokonvulsiv und Progesteron beziehungsweise sein Haupt- metabolit Allopregnanolon an- tikonvulsiv.
In der Perimenopause gerät dieses Gleichgewicht aus dem Lot: Zunächst reifen im Ovar
noch östrogenproduzierende Follikel heran. Weil immer häufiger der Eisprung aus- bleibt, wird kein antagoni- sierendes Progesteron freige- setzt. Der Östrogenüberschuss erklärt wahrscheinlich, warum selbst bei therapeutisch gut eingestellten Frauen in dieser Lebensphase die Anfallsakti- vität wieder aufflackern be- ziehungsweise stark zuneh- men kann. Zusätzliche Pro- vokationsfaktoren sind auch typische Klimakteriumsbe- schwerden, zum Beispiel mit Hitzewallungen einhergehen- de Schlafstörungen. Hier soll- te das Für und Wider einer Hormonersatztherapie mit der Patientin abgewogen bezie- hungsweise ein Präparat mit einer für die individuelle Si- tuation optimalen Zusammen- setzung gewählt werden, riet Schwenkhagen. Es bestehe auch die Chance, die Anfalls- situation durch den gezielten Ausgleich eines Progesteron- defizits zu verbessern.
Ob der gewünschte Effekt eintritt, hängt von der Art der antikonvulsiven Medikation ab. Es gelten die gleichen Vor- aussetzungen wie für hormo- nelle Kontrazeptiva. Nicht ge- sichert ist die Wirksamkeit bei einer Therapie mit enzymin- duzierenden Antiepileptika wie Carbamazepin, Pheno- barbital, Primidon, Phenytoin, Oxcarbazepin oder (hoch do- siertem) Topiramat. Keine Einschränkungen sind dage- gen bei mit Valproat, Gaba- pentin, Lamotrigin oder Leve- tiracetam behandelten Pati- entinnen zu erwarten.
Der Einfluss von Antikon- vulsiva auf den Steroidmeta- bolismus ersteckt sich auch auf die endogenen Hormone.
Induktoren des hepatischen Cytochrom-P450-Systems ver- mindern die Serumkonzentra- tion von Östrogen und Andro- genen, der Inhibitor Valproat
steigert dagegen die Andro- gensynthese. Das könne even- tuell weit reichende psycho- logische und physiologische Folgen für die Epilepsiepati- entinnen haben, betonte Prof.
Martha Morrell (New York/
USA). Bei den Androgenen gehe eine verminderte biolo- gische Aktivität häufig mit Störungen der Sexualfunktio- nen einher, während hohe Spiegel Trigger für Hyperin- sulinämie, Dyslipidämie und Gewichtszunahme seien. Ei- ne finnische Arbeitsgruppe hat beobachtet, dass diese Phänomene vorrangig in As- soziation mit einer Valproat- Medikation vorkommen und nach Umstellung der Thera- pie auf Lamotrigin weitge- hend reversibel sind (Isojärvi et al., Ann Neurol 1998).
Das neutrale metabolische Profil von Lamotrigin (Lamic- tal®) wird von den Ergebnis- sen einer in neun Ländern unter der Leitung von Morrell durchgeführten multizentri-
schen Studie bestätigt. Vergli- chen worden waren die Aus- wirkungen einer mindestens achtmonatigen und höchstens fünfjährigen Behandlung mit Lamotrigin (n = 110) oder Val- proat (n = 96). In der Valproat- Gruppe wurden nicht nur stati- stisch signifikant höhere Testo- steron- (p = 0,001) und Andro- stenedion-Spiegel (p = 0,015) dokumentiert als im Lamo- trigin-Kollektiv, sondern auch ein im Durchschnitt deutlich höheres Körpergewicht. Als vielversprechend bezeichne- te Morrell, dass durch Um- stellung auf Lamotrigin eine Valproat-bedingte Adipositas rückgängig gemacht werden könne. Gabriele Blaeser-Kiel
Pressekonferenz „Epilepsie bei reifen Frauen – Therapy as usual?“ beim 76.
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in Hamburg und Satelliten- symposium „Woman in Mind: Addres- sing Issues in All Stages of Life“ beim 25thInternational Epilepsy Congress in Lissabon, Veranstalter: GlaxoSmithKline V A R I A
A
A444 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 713. Februar 2004
Epilepsiekranke Frauen
Menopause häufig ein Wendepunkt
Unternehmen
Antiemetikum Aprepitant erleichtert die Chemotherapie
Trotz Einsatz von Antiemeti- ka leiden etwa die Hälfte der Patienten an Übelkeit und Er- brechen als unerwünschte Be- gleiterscheinungen der Che- motherapie. Vor allem verzö- gert auftretende Beschwerden sind schwierig zu verhindern.
Fortschritt verspricht der Neu- rokinin-1-Rezeptorantagonist Aprepitant, dessen Wirkme- chanismus sich von allen bis- her verfügbaren Antiemetika unterscheidet. Die hohe anti- emetische Wirksamkeit von Aprepitant (Emend®, MSD) wurde in zwei kontrollierten Studien unter Einschluss von 1 105 Chemotherapie-Patien- ten geprüft.
Die zusätzliche Gabe von Aprepitant schützt besser vor Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen als eine Standardtherapie (5-HT3- Rezeptorantagonist und Cor- ticosteroid) allein. Die An- sprechrate auf die antiemeti-
sche Therapie erhöhte sich bei der Gabe von Aprepitant um etwa 20 Prozent. Bei nahezu drei Viertel aller Patienten (73 Prozent) wurde ein Erbre- chen vollständig vermieden, bei der Standardtherapie war dies bei etwa der Hälfte (52 Prozent) der Fall. Dabei wirkte Aprepi- tant sowohl auf das akute (bis 24 Stunden nach Chemothera- pie) als auch auf das verzögerte (25 bis 120 Stunden nach Che- motherapie) Erbrechen.
Durch die Behandlung mit Aprepitant wird die Lebens- qualität der Patienten deut- lich verbessert. Die hohe anti- emetische Wirkung von Apre- pitant bleibt auch nach meh- reren Chemotherapie-Zyklen erhalten. Aprepitant wird am Tag eins eine Stunde vor der Chemotherapie oral einge- nommen (125 mg). Jeweils ei- ne weitere Tablette (80 mg) folgt an den beiden Tagen nach der Chemotherapie. EB