DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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er Bundesgesetzgeber will ein untaugliches Mit- tel am falschen Objekt er- proben: Der Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Ände- rung der Bundesärzteordnung sieht vor, daß die Arbeitsver- träge im Rahmen eines Wei- terbildungsverhältnisses von Ärzten an Krankenhäusern befristet werden dürfen. Das„Grundgesetz des ärztlichen Berufes", nämlich die Bun- desärzteordnung, aber derart zu manipulieren ist verfas- sungsrechtlich bedenklich uhd zudem sachlich inoppor- tun wie auch die Hauptver- sammlung des Marburger Bundes in Köln unterstrich.
Zudem bedeutet es einen flagranten Eingriff in die Ta- rifautonomie und wertet die Tarifvertretung der Kranken- hausärzte dadurch ab, wenn diese generell befristete Ar- beitsverhältnisse bei ihrer Weiterbildung hinnehmen müßten.
Auf Abruf?
Es kann doch nicht „rechtslo- gisch" sein, Zulassungs- und Weiterbildungsprobleme zu vermengen und essentielle Forderungen an eine freiwilli- ge Weiterbildung mit arbeits- vertraglichen Auflagen zu verknüpfen. Denn der Arzt wird nicht aufgrund einer Weiterbildung am Kranken- haus beschäftigt, sondern ausschließlich zur Versor- gung von Patienten. Auch Eingriffe in das Recht des ap- probierten Arztes auf die freie Berufsausübung dürfen nicht in dieser Weise vorgenommen werden. Der Gesetzgeber hat doch lediglich eine Kompe- tenz im Hinblick auf die Zu- lassung; die ärztliche Berufs- ausübung hingegen fällt nicht in seine Zuständigkeit. Der Verordnungsgeber darf den
Berufszugang nicht mittelbar steuern und in Weiterbil- dungsverhältnisse eingreifen.
Zudem wären Abruf-Verträge auch deswegen nicht gerecht- fertigt, weil nur Mindest- weiterbildungszeiten vorge- schrieben sind. Ob diese Zei- ten tatsächlich eingehalten werden können, hängt nicht so sehr vom Weiterbildungs- willigen und vom weiterbil- denden Arzt ab. Mithin ist die Weiterbildung ein „Neben- produkt der ärztlichen Berufs- ausübung". — Falls die Verträ- ge tatsächlich befristet wer- den sollten, droht der Weiter- bildung eine der gesamten ärztlichen Berufsausübung schadende Verschulung. Daß auch der Arbeitsfriede im Krankenhaus gestört, daß die Fluktuation gesteigert und die Qualität der Patientenver- sorgung gemindert werden, hätte den Initiatoren dieser mangelhaft durchdachten Verordnung doch längst auf- gehen müssen! HC
D
er deutschen Pharmain- dustrie wird der Vorwurf gemacht, sie produziere zu viele gleichartige Präpara- te nebeneinander, der Markt— so er überhaupt einer sei — sei deshalb ein undurchsichti- ger Dschungel.
Dafür ein Beispiel: Der Ma- gensäure-Regulator Cimeti- din ist in der Bundesrepublik Deutschland laut „Roter Li- ste" mit einem einzigen Prä- parat vertreten. Im „Prontua- rio terapeutico" des italieni- schen staatlichen Gesund- heitsdienstes — in einer Liste also, in der das Gesundheits- ministerium die für den Ge- sundheitsdienst zugelassenen Medikamente aufführt — gibt es sechzehn Cimetidin-Präpa- rate. Der neuere Säurehem- mer Ranitidin ist in der „Ro- ten Liste" mit zwei Präparaten zu finden, im italienischen
„Prontuario" zehnmal.
Das hat natürlich auch mit dem italienischen Patentwe-
Pharmamarkt
sen zu tun. Die Preise übri- gens sind in Italien staatlich gestoppt, aber trotzdem bei wirkstoffidentischen Präpara- ten unterschiedlich. Die Erfin- derfirmen — nicht italienisch — liegen jeweils am oberen En- de der Preisskala, die Preise betragen aber immerhin 62 beziehungsweise 86 Prozent des deutschen Preises. Die je- weils billigsten Nachahmer bekommen 51 beziehungs- weise 67 Prozent des deut- schen Preises.
Der Nachahmungstrieb ist al- lerdings begrenzt und auf ei- nige Stoffe beschränkt, aus welchen Gründen auch im- mer: Die Nachahmung könn- te mehr oder weniger unkom- pliziert sein, oder der Ersther- steller verkauft billig den Grundstoff, oder der Nachah-
mer verspricht sich einen gro- ßen Markt. Letzteres dürfte eine größere Rolle spielen:
Vom Blutdrucksenker Mino- xidil gibt es nur einen Nach- ahmer; hoher Blutdruck wird in Italien nicht so ernst ge- nommen. Gallensteine hinge- gen sind, ernährungsbedingt, häufiger. Und siehe da: Den sieben deutschen Markenprä- paraten stehen 19 italienische gegenüber.
Andererseits: Wenn bei uns kein Patentschutz mehr be- steht, ist häufig die Zahl der angebotenen Präparate grö- ßer als in Italien, zum Beispiel bei den Koronardilatatoren vom Nitroglycerin-Typ. Und:
Es kommt sogar vor, daß deut- sche Präparate dann billiger sind als das entsprechende italienische Produkt.
So ganz ohne Einfluß auf Pro- duktion und Preisgestaltung ist also der angeblich nicht vorhandene Markt wohl doch nicht — hier wie da. bt
Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 47 vom 20. November 1985 (1) 3493