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A2728 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4111. Oktober 2002
Mit Tiotropium (Spiriva®) steht ein Broncholytikum zur symptomatischen Therapie der chronisch-obstruktiven Pulmonalerkrankung (COPD) zur Verfügung, das über 24 Stunden wirkt. „Mit dieser an- ticholinergen Substanz, die aus dem kürzer wirkenden Ipra- tropium entwickelt wurde, werden maximale Kompensa- tionen der pathologischen Engstellung der Atemwege er- reicht“, berichtete Prof. Martin C. Michel (Universitätsklinik Essen).
Die Indikation ist bei allen COPD-Schweregraden ange- zeigt. Auch Schwerkranke können die notwendige Men- ge inhalieren. Da bei Applika- tion der nächsten Dosis am fol- genden Tag immer noch ein Wirkrest der ersten Dosis messbar sei, starte jede weite- re Anwendung von jeweils besseren Ausgangswerten, be- tonte Prof. Helgo Magnussen (Großhansdorf/Hamburg).
Die systemische Bioverfüg- barkeit bei lokaler Applikati- on ist gering: zwei bis drei Prozent oral, dann 19,5 Pro- zent nach Inhalation. Wie er- wünscht werden intratracheal sehr hohe Konzentrationen er- reicht. Da die „Targets“ (M3- Rezeptoren) auch die Spei- cheldrüsen steuern, entsteht Mundtrockenheit. Doch kaum jemand habe die entsprechen- den Studien deshalb abgebro- chen, betonte Magnussen. Die Substanz sei gut verträglich.
Behandlungsbedürftige Ex- azerbationen reduzierten sich unter Tiotropium, verglichen mit Ipratropium und Placebo, sagte Magnussen. Im Vergleich mit dem lang wirkenden Beta- mimetikum Salmeterol war dieses (mit kürzerer Wirkdauer als Tiopropin) initial effektiver als später im Zeitverlauf, weil es allmählich zur Toleranzent- wicklung kam. Unter Tiotropin blieb die Wirkung auf den Dys-
pnoe-Index unverändert, und bei Studienende war der Tiotropin-Effekt bei Spirome- trie-, Dyspnoe- und Lebens- qualitäts-Parametern besser als unter Salmeterol.
Die COPD ist weltweit die dritthäufigste Todesursache, stellte Dr. Thomas Voshaar (Moers) fest. In Deutschland liegt die Prävalenz bei vier bis sieben Prozent (USA: 5,1 bis 6,4 Prozent, Schweden: 6,7 und Norwegen: 4,5 Prozent). Aus- lösend sind abnorme Entzün- dungsreaktionen auf inhalati- ve Noxen (Rauchen) mit chro- nisch-progredienter obstrukti- ver Atemfluss-Einschränkung.
Die Obstruktion ist nicht anfallsweise variabel wie beim
Asthma, bei dem das Rauchen auch nicht die Hauptrolle spielt.Voshaar wies darauf hin, dass Tiotropium kein Asthma- Medikament sei. Bei COPD verlieren sich die elastischen Rückstellkräfte von Lunge und Atemwegen. Es kommt zu irreversiblen Strukturverände- rungen, exspirativem Kollaps der kleinen Atemwege und zur Lungenüberblähung.
Gegen die COPD existiere therapeutisch noch keine
„echte Linie“. Optionen sind Bronchodilatation mit Beta- Mimetika (kurz oder lang wirksam), zunehmend sel- tener mit Theophyllin, und mit Anticholinergika (kurz und jetzt auch lang wirksam). In Deutschland würden jedoch sehr oft Mukolytika verordnet, für die es keine „echte Indika- tion“ gebe, stellte Voshaar fest.
Bei Rauchern mit Husten und Belastungsdyspnoe sollte die Spirometrie ebenso Routi- ne sein wie Blutdruckmessung und EKG. Patienten im Alter
von über 50 Jahren könnten zur Frühdiagnose per Routine- Fragebögen identifiziert wer- den. In den erwähnten Studien seien mehr als 50 Prozent der Teilnehmer ihren Ärzten nicht als COPD-Fälle bekannt ge- wesen, berichtete Magnussen:
ein Hinweis auf eine sehr hohe Dunkelziffer.
Muskeltraining sei im thera- peutischen Gesamtkonzept enthalten. Denn je weniger die Muskulatur konditioniert und den Umständen entsprechend trainiert werde, desto eher ent- stehe Luftnot, berichteten die Experten. Nicht jeder starke Raucher entwickelt COPD, vermutlich aufgrund genetisch bedingter guter Reinigungs- fähigkeit der Lungen. Bei COPD bleibe die Therapie oh- ne Einstellen des Rauchens
„fehlinvestiertes Geld“, sagte Magnussen. Wolfgang Sass
Der Verdacht auf eine Herz- insuffizienz konnte bisher nur mittels Röntgenunter- suchung, Lungenfunktions- tests, Gehtests und Echokar- diogramm verifiziert werden.
Was fehlte, war ein rasch und preiswert durchführbarer Test zu Frühdiagnose und The- rapiekontrolle einer Herz- insuffizienz. Diese Lücke wird mit Elecsys pro BNP von Ro- che Diagnostics geschlossen.
Das vollautomatisch arbeiten- de System misst den Spiegel des natriuretischen Eiweiß- moleküls NT-proBNP (N-ter- minales pro-brain natriuretic peptide) im Blut. Dieses Neu- rohormon, so berichtete Prof.
Christian W. Hamm (Bad Nauheim), werde fast aus- schließlich vom Myokard un- ter Belastung ausgeschüttet, während das atriale natriureti-
sche Hormon (ANP) im Vor- hof gebildet werde. Erhöhte Werte von NT-proBNP deute- ten auf eine Herzinsuffizienz hin. Bei einem normalen Spie- gel hingegen könne eine Herz- schwäche fast hundertprozen- tig ausgeschlossen werden.
Die Einsatzmöglichkeiten des Markers sind damit aber noch nicht ausgeschöpft.
Nach Ansicht von Prof. Chri- stian Hall (Oslo) könnte sich das System auch dazu eig- nen, asymptomatische Hoch- risiko-Patienten zu „scree- nen“ und bei erhöhten NT- proBNP weitere diagnosti- sche Schritte einzuleiten.
Für die Tauglichkeit des Markers stehen mehrere Un- tersuchungen, zum Beispiel ei- ne Substudie der COPER- NICUS-(Carvedilol Prospec- tive Randomized Cumulative
Survival-)Studie mit schwer herzinsuffizienten Patienten.
Prof. Hugo A. Katus (Heidel- berg) konnte zeigen, dass sich aus der Höhe des NT-proB- NP-Spiegels eindeutige Hin- weise auf das Risiko für Ge- samtmortalität und Hospitali- sierung entnehmen ließen. Im Vergleich zu etablierten klini- schen Risikomarkern zeigte NT-proBNP eine höhere Aus- sagekraft. In anderen Unter- suchungen waren bei Thera- piekontrolle mit NT-proBNP weniger kardiovaskuläre Er- eignisse und eine geringere Sterblichkeit zu verzeichnen als unter klinischer Überwa- chung.
Erste Untersuchungen zei- gen, dass NT-proBNP auch bei akutem Koronarsyndrom an- wendbar ist. In Verbindung mit Troponin T ermöglicht es, die Prognose dieser Patienten bes- ser abzuschätzen. Martin Bischoff
Diagnostische Marker
Herzinsuffizienz früher diagnostizieren
Satelliten-Symposium „NT-proBNP:A nov- el marker for the management of cardio- vascular disease“, veranstaltet von Roche Diagnostics in Berlin
Pressekonferenz „Spiriva®, eine neue Di- mension in der COPD-Therapie“ von Boeh- ringer Ingelheim/Pfizer in Hamburg
Lungenerkrankungen
Tiotropium blockiert selektiv M3-Rezeptoren
Unternehmen