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Archiv "Bedeutung der Herzinsuffizienzmarker BNP und NT-proBNP für die Klinik" (12.12.2003)

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ie Diagnose einer Herzinsuffi- zienz kann schwierig zu stellen sein. Wenn eine direkte Bildge- bung der linksventrikulären Pumpfunk- tion durch Echokardiographie nicht kurzfristig verfügbar ist, existieren mit BNP und NT-proBNP nun seit kurzer Zeit zwei biochemische Herzinsuffi- zienzmarker, die nach Blutentnahme rasch und automatisiert bestimmbar sind. In der folgenden Übersicht wer- den die prinzipiellen Eigenschaften bei- der Marker und ihr potenzieller klini- scher Nutzen zusammengefasst.

Biochemische Eigenschaften und mögliche Anwendungen

BNP („brain natriuretic peptide“, „B- type natriuretic peptide“) wurde ur- sprünglich in Gehirngewebe entdeckt, bald aber in höheren Konzentratio- nen im Myokardgewebe nachgewie-

sen (1, 22). Die Synthese von proBNP wird durch mechanische (Wandspan- nung) und neurohumorale Stimulati- on (Noradrenalin, Angiotensin II) kontrolliert (19). Während der Sekre- tion aus den Kardiomyozyten wird das biologisch inaktive, aminoterminale Signalpeptid NT-proBNP abgespalten (5) und äquimolar mit dem biologisch aktiven BNP sezerniert (Grafik 1), so- dass beide Moleküle im Blut zirkulie- ren. Die Aktivierung von proBNP im linksventrikulären Myokard erfolgt schnell („kardiales Notfallhormon“

[19]) und korreliert invers mit der linksventrikulären Pumpfunktion. Bei Herzinsuffizienz sind die Plasmakon- zentrationen des Markers schon im Stadium NYHA I erhöht und steigen

mit zunehmendem Schweregrad teil- weise überproportional stark an (Gra- fik 2) (15, 26).

Für den klinischen Gebrauch ste- hen in Deutschland derzeit drei auto- matisierte Testsysteme zur Verfügung.

Bei dem Test Triage-BNP der Firma Biosite werden auf kleinen automati- sierten Lesegeräten die BNP-Konzen- trationen aus dem Teststreifen direkt abgelesen. Dieser Test eignet sich für den patientennahen Einsatz, beispiels- weise in der Praxis, in der Notaufnah- me oder in Spezialambulanzen und wurde in den USA im Oktober 2001 durch die FDA zugelassen. Für den dezentralen Gebrauch in klinisch-che- mischen Labors werden automatische Testsysteme zur Bestimmung der Plas- makonzentrationen von BNP (AD- VIA-Centaur, Bayer Vital) und NT- proBNP (elecsys proBNP, Roche Dia- gnostics) angeboten, welche für den Einsatz in Krankenhäusern und Ein-

Bedeutung der

Herzinsuffizienzmarker BNP und NT-proBNP

für die Klinik

Zusammenfassung

Mit BNP und NT-proBNP stehen jetzt kardiale Marker zur Verfügung, welche in der Diagno- stik der Herzinsuffizienz und bei der Nachsorge viel versprechende Anwendungsmöglichkei- ten besitzen. Aufgrund des hohen negativ prä- diktiven Wertes dieser Marker kann bei un- terschwelligen Konzentrationen eine einge- schränkte linksventrikuläre Pumpfunktion bei symptomatischen Patienten weitgehend aus- geschlossen werden. Bei Patienten mit bereits diagnostizierter Herzinsuffizienz könnten die Marker zur Risikostratifikation und Verlaufs- kontrolle eingesetzt werden. Ein bevölke- rungsweites Screening ohne Berücksichtigung klinischer Symptome kann nicht empfohlen werden. Bei Verdacht auf eine akute Herzin- suffizienz sollten weiterhin in erster Linie körperliche und bildgebende Untersuchungen zur Diagnosestellung eingesetzt werden. Bei der Interpretation individueller Testergebnis- se muss bedacht werden, dass zusätzlich zur linksventrikulären Ejektionsfraktion auch Ge-

schlecht, Lebensalter, Grad der Kompensation, linksventrikuläre Masse, Nierenfunktion und Pharmakotherapie eigenständige Einfluss- größen auf die Markerkonzentrationen dar- stellen. Eine Herzinsuffizienz kann auch bei un- terschwelligen Werten vorliegen, muss aber bei überschwelligen Ergebnissen nicht immer die Ursache sein. Bei Berücksichtigung dieser Eigenschaften könnte ein gezielter Einsatz der Herzinsuffizienzmarker die Behandlung herz- insuffizienter Patienten in Zukunft weiter ver- bessern.

Schlüsselwörter: Herzinsuffizienz, kardialer Marker, natriuretisches Peptid, BNP, Diagnose- stellung

Summary

Clinical Utility of Biochemical Markers of Heart Failure

The clinical diagnosis of heart failure may be difficult to make and BNP and NT-proBNP are

new cardiac markers with a number of poten- tial applications in this important disease. In symptomatic patients with dyspnea, these markers might either point towards heart failure or help to exclude significant left ven- tricular dysfunction because of their high nega- tive predictive value. In patients with known heart failure, they might allow for additional risk-stratification and improved care during follow-up. In contrast, population-wide screen- ing without consideration of clinical symptoms cannot be recommended. Further, it is impor- tant to note that age, gender, left ventricular mass, renal function, and pharmacotherapy have additional independent effects upon mark- er concentrations. Although the new cardiac markers therefore need to be utilized and interpreted carefully, a growing body of evi- dence suggests that they will help to further improve the care of patients with suspected or known heart failure.

Key words: congestive heart failure, cardiac markers, natriuretic peptide, BNP, diagnosis

1Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II (Direktor: Prof.

Dr. med. Günter A. Riegger), Klinikum der Universität Re- gensburg

2Medizinische Klinik II (Direktor: Prof. Dr. med. Heribert Schunkert), Universitätsklinik Lübeck

Andreas Luchner1 Stephan Holmer1 Heribert Schunkert2 Günter A. Riegger1

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sendelabors geeignet sind. Beide Tests wurden mittlerweile ebenfalls in den USA durch die FDA zugelassen.

In den letzten Jahren wurden BNP und NT-proBNP intensiv hinsichtlich potenzieller Einsatzmöglichkeiten als kardiale Marker evaluiert (Textka- sten). Dazu liegen viel versprechende Daten aus Untersuchungen bei Pati- enten mit akuter oder chronischer Dy- spnoe und vermuteter Herzinsuffizi- enz, von Querschnittsuntersuchungen aus der Bevölkerung und von Risiko- gruppen mit erhöhter Wahrscheinlich- keit für das Auftreten einer Herzin- suffizienzerkrankung (beispielsweise nach Myokardinfarkt) vor. Basierend auf diesen Untersuchungen wurden die natriuretischen Peptide bereits in einen möglichen Algorithmus zur Dia- gnose der Herzinsuffizienz bei bislang unbehandelten Patienten eingefloch- ten, welcher in der entsprechenden Leitlinie der Europäischen Fachge- sellschaft (European Society of Car- diology, ESC) publiziert wurde (23).

Zusätzlich wurden eine Reihe von An- wendungsmöglichkeiten bei Patienten mit bekannter Herzinsuffizienz unter- sucht. Ein Teil dieser Untersuchungen wurde bereits mit dem Triage-BNP- Test durchgeführt, sodass hier schon klinisch verwertbare Grenzwerte erar- beitet werden konnten (Tabelle 1). Im Folgenden sollen klinisch sinnvolle Einsatzgebiete dargestellt werden.

Akute Herzinsuffizienz

In der multizentrischen „breathing not properly“-Studie wurde BNP bei mehr als 1 500 Patienten gemessen, welche mit dem Leitsymptom Dy- spnoe eine Krankenhausnotaufnahme aufsuchten (14). Retrospektiv konnte bei 744 der Patienten (47 Prozent) an- hand aller klinischen und apparativen Befunde die Diagnose einer akuten Herzinsuffizienz als Ursache der Dy- spnoe objektiviert werden. Die mittle- re Plasmakonzentration von BNP bei Patienten mit dekompensierter Herz- insuffizienz betrug 675 pg/mL. Bei der Analyse der prädiktiven Eigen- schaften von BNP betrug die Sensiti- vität einer BNP-Plasmakonzentration von mehr als 100 pg/mL zur Diagnose

der akuten Herzinsuffizienz 90 Pro- zent, bei einer Spezifität von 76 Pro- zent (14). Dementsprechend beträgt der für BNP von den Herstellern emp- fohlene Grenzwert zur Diagnose der akuten Herzinsuffizienz 100 pg/mL.

Der für NT-proBNP vom Hersteller empfohlene Grenzwert beträgt 125pg/

mL beziehungsweise 100 pg/mL für Männer und 150 pg/mL für Frauen.

Der Zusammenhang zwischen Sensiti- vität und Spezifität von BNP für die korrekte Diagnose unter den be- schriebenen Umständen ist in der Grafik 3 anhand der ROC-Kurve („re- ceiver operator characteristic“) darge- stellt, welche die für eine gegebene Konzentration zusammengehörigen Wertepaare für Sensitivität und Spezi- fität anzeigt. Es ist ersichtlich, dass für niedrigere Konzentrationen die Sensi- tivität von BNP steigt (höhere Anzahl an richtig positiven Ergebnissen), gleichzeitig aber auch der Anteil un- spezifischer Ergebnisse zunimmt. So betrug die Sensitivität einer BNP- Konzentration von mehr als 50 pg/mL für die korrekte Diagnose sogar 97 Prozent, allerdings bei einer niedrige- ren Spezifität von nur 62 Prozent. Bei höheren Konzentrationen steigt zwar die Spezifität des Markers (geringere Anzahl an falschpositiven Ergebnis- sen), gleichzeitig nimmt aber auch der Anteil korrekt erkannter Fälle von Herzinsuffizienz ab. So betrug die Sensitivität einer BNP-Konzentration von mehr als 150 pg/mL für die kor- rekte Diagnose nur mehr 85 Prozent, allerdings bei einer zunehmenden Spe- zifität von 83 Prozent. Im Vergleich zu den anamnestischen, klinischen und apparativen Befunden war eine er- höhte BNP-Konzentration der stärk- ste Prädiktor für das Vorliegen einer akuten Herzinsuffizienz, und die rela- tive Wahrscheinlichkeit dafür war bei Aufspaltung des Vorläuferproteins (precursor) proBNP (1–108) in die Markerpeptide NT-pro BNP (NT-proBNP [1–76]) und BNP (BNP [77–108])

Grafik 1

Zusammenhang zwischen dem klinischem Schweregrad der Herzinsuffizienz (NYHA- Stadium) und der Höhe der Markerkonzen- tration im Plasma.

NYHA, New York Heart Association; aus: Maisel A:

B-type natriuretic peptide levels: a potential novel

„white-count“ for congestive heart failure. J Car- diac Failure 2001; 7: 183–193, mit freundlicher Genehmigung des Elsevier Verlags.

Grafik 2

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einer überschwelligen Markerkonzen- tration mehr als 29-fach erhöht.

Am gleichen Patientenkollektiv er- folgte auch eine Analyse von BNP hin- sichtlich der Diagnosestellung einer akuten kardialen im Vergleich zur akuten pulmonalen Dyspnoe (18). Da- bei waren die Markerkonzentrationen bei Patienten mit pulmonaler Dy- spnoe aufgrund einer exazerbierten chronisch obstruktiven Lungener- krankung oder Pneumonie signifikant geringer als bei Patienten mit dekom- pensierter Herzinsuffizienz. Lediglich bei Patienten mit akuter Lungenem- bolie fand man wegen der akuten Rechtsherzbelastung erhöhte Marker- konzentrationen auf einem Niveau so- wie bei Patienten mit linksventrikulä- rer Dysfunktion aber ohne akute De- kompensation. In dieser Studie wur- den auch die prädiktiven Werte klini- scher Leitsymptome ermittelt. Dabei betrug die Sensitivität peripherer Ödeme für eine akute Herzinsuffizi- enz lediglich 56 Prozent, die feuchter Nebengeräusche bei der Auskultation 49 Prozent, die einer Jugularvenen- stauung 37 Prozent und die eines drit- ten Herztones 13 Prozent, alle Werte wiesen eine befriedigende Spezifität auf.

Die zukünftige Bedeutung der Mar- ker für die Notfallmedizin wird somit in erster Linie von der Qualität der körperlichen Untersuchung und der Verfügbarkeit zusätzlicher technischer Untersuchungen (Echokardiographie, Röntgen-Thorax) abhängen. Während bei der Mehrzahl der Patienten weiter- hin zunächst diese traditionellen Para- meter zur Diagnosestellung eingesetzt werden sollten, könnte eine Verwen- dung der Herzinsuffizienzmarker auf-

grund der niedrigen Sensitivität klini- scher Symptome dann infrage kom- men, wenn typische Leitsymptome fehlen und technische Untersuchun- gen nicht verfügbar sind.

Belastungsdyspnoe,

Bevölkerungsscreening und diastolische Dysfunktion

Die prädiktiven Eigenschaften der Herzinsuffizienzmarker fallen in be- völkerungsweiten Studien im Ver- gleich zu akut symptomatischen Pati- enten ab. Pathophysiologisch lässt sich dies dadurch erklären, dass bei Perso- nen mit asymptomatischer Erkran- kung (bevölkerungsweit fast 50 Pro- zent der Betroffenen) die Überlastung des linken Ventrikels noch nicht aus- reichend groß ist, um eine starke Se- kretion der Marker auszulösen. Zum anderen führt bei therapierten Perso- nen mit symptomatischer Erkrankung die spezifische Herzinsuffizienzthera-

pie (insbesondere durch Diuretika, ACE-Inhibitoren und Angiotensin-Re- zeptorblocker) zu einer Entlastung des Ventrikels mit konsekutiv geringerer Sekretion der Marker.

Für NT-proBNP liegen Daten aus einer gepoolten Analyse bei mehr als 3 000 Probanden aus Glasgow, Kopen- hagen und Regensburg vor. Bei dieser Analyse hatte NT-proBNP bei Perso- nen mit Belastungsdyspnoe eine Sen- sitivität von 75 Prozent zur Detek- tion einer höhergradig eingeschränk- ten linksventrikulären Pumpfunktion (Ejektionsfraktion kleiner als die 2,5te Perzentile des Normalkollektivs) bei einer Spezifität von 79 Prozent und ei- nem negativ prädiktiven Wert von 99 Prozent. Das bedeutet, dass mithilfe des Markers bei symptomatischen Personen eine hochgradige Pump- schwäche bei normaler Markerkon- zentration aufgrund des hohen negativ prädiktiven Wertes mit großer Sicher- heit ausgeschlossen werden kann. We- gen der Größe der Studie war es hier möglich, alters- und geschlechtsbezo- gene Referenzbereiche für den Mar- ker zu definieren, was zu einer deut- lichen Optimierung der prädiktiven Eigenschaften führte (16).

In bevölkerungsbasierten Untersu- chungen und ohne Berücksichtigung einer klinischen Symptomatik wurde BNP in der schottischen MONICA- Glasgow-Studie (17), der deutschen MONICA-Augsburg-Studie (12) und der US-amerikanischen Framingham- Studie (25) evaluiert. Bei ebenfalls gutem negativ prädiktivem Wert und noch befriedigender Sensitivität und Spezifität für eine höhergradig einge- schränkte LV-Funktion wurden auf- grund der niedrigen bevölkerungswei- ten Prävalenz der Erkrankung aber sehr niedrige positiv prädiktive Werte ermittelt. Das bedeutet, dass eine größere Zahl von Personen getestet werden müsste, um einen Fall mit ein- geschränkter LV-Funktion zu identifi- zieren und dass selbst im Falle eines positiven Testergebnisses oftmals kei- ne eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion vorliegt. Zusätzlich fiel die Sensitivität des Markers für eine weniger stark eingeschränkte links- ventrikuläre Pumpfunktion in allen drei Untersuchungen erheblich ab.

Potenzielle Einsatzmöglichkeiten der Herzinsuffizienzmarker Diagnose

>Akute Dyspnoe, Hinweis auf eine Herzinsuffizienz

>Chronische Dyspnoe, Ausschluss einer hochgradigen Pumpstörung Prognose

>Bei bereits diagnostizierter Herzinsuffizienz

>Nach Myokardinfarkt und akutem Koronarsyndrom

Monitoring

>Titration der Herzinsuffizienztherapie

>Einschätzung des temporären Verlaufs Textkasten

´Tabelle 1 ´

Grenzwerte von BNP mit klinischem Informationsgehalt

Fragestellung Grenzwert*1 Literatur

Akute Herzinsuffizienz 100 pg/mL*1 Maisel et al. (14) Diastolische Dysfunktion 62 pg/mL*1 Lubien et al. (11) VO2max (Fahrrad)

< 10 mL/min/kg 532 pg/mL*1

< 14 mL/min/kg 316 pg/mL Krüger et al. (8) Plötzlicher Herztod 130 pg/mL*2 Berger et al. (3)

*1mittels ROC-Analyse; *2mittels Kaplan-Meier-Analyse

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Somit kann der Einsatz der Herzin- suffizienzmarker aufgrund der vorlie- genden Daten bei symptomatischen Patienten bei unzureichender Verfüg- barkeit technischer Untersuchungen (Echokardiographie) deswegen von diagnostischem Nutzen sein, weil auf- grund des hohen negativ prädikti- ven Wertes eine höhergradige Pump- störung bei unterschwelligen Marker- konzentrationen weitestgehend aus- geschlossen werden kann. Im Gegen- satz dazu kann ein bevölkerungswei- tes Screening ohne Berücksichtigung klinischer Symptome in Anbetracht der niedrigen Prävalenz der Erkran- kung, der unzureichenden Sensitivität bei weniger stark eingeschränkter Pumpfunktion und aus Kostengrün- den nicht empfohlen werden.

Auch eine diastolische Herzinsuf- fizienz mit erhaltener systolischer Pumpfunktion aber verminderter Re- laxation und/oder Compliance des lin- ken Ventrikels kann Ursache einer Belastungsdyspnoe (und akuten kar- dialen Dekompensationen) sein und ist häufig mit einer linksventrikulären Hypertrophie assoziiert. BNP wurde hinsichtlich seiner prädiktiven Werte evaluiert und Lubien et al. ermittelten

eine Sensitivität von 85 Pro- zent und eine Spezifität von 83 Prozent für einen Cut-off- Wert von 62 pg/mL zur Dia- gnose eines pathologischen Mitraleinstromprofils (dia- stolische Dysfunktion) bei der Dopplerechokardiogra- phie (11). Zusätzlich bestand in dieser Untersuchung ein Zusammenhang mit dem Schweregrad der diastoli- schen Funktionsstörung. Ein- schränkend ist hier zu be- merken, dass im untersuch- ten Patientenkollektiv ein überproportional hoher An- teil an Probanden mit schwe- rer diastolischer Funktions- störung (restriktives Fül- lungsmuster bei 34 Prozent) vertreten war, was häufig nicht der klinischen Realität

entspricht. Zusätzlich wiesen Patien- ten mit vergrößertem linken Vorhof und linksventrikulärer Hypertrophie in etwa die gleichen BNP-Konzentra- tionen auf wie Patienten mit diastoli- scher Funktionsstörung. Insofern ist anzunehmen, dass die mit einer diasto- lischen Füllungsbehinderung assozi- ierten BNP-Konzentrationen eine direkte Folge der patho- logischen Hypertrophie dar- stellen. Dementsprechend fanden Yamamoto et al. beim direkten Vergleich von links- ventrikulärer Hypertrophie und der invasiv mittels Herz- katheteruntersuchung ge- messenen Relaxationskon- stanten (tau) für BNP sogar bessere prädiktive Werte zur Diagnose einer linksventri- kulären Hypertrophie als zur Diagnose einer diastolischen Funktionsstörung (27). Un- abhängig davon, ob die dia- stolische Dysfunktion als ei- genständige Entität oder ein wichtiges Charakteristikum der kardialen Hypertrophie verstanden wird, ist festzu- halten, dass die Markerkon- zentrationen bei beiden Zu- ständen erhöht sein können und eine wichtige Ursache erhöhter Markerkonzentra-

tionen bei Patienten mit erhaltener systolischer Pumpfunktion darstellen.

Hierauf wird im Weiteren noch einge- gangen.

Prognostische Aussagekraft

BNP und NT-proBNP wurden hin- sichtlich ihres prognostischen Wertes bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen wie auch in der Allge- meinbevölkerung evaluiert. Dass die Aktivierung von Neurohormonen mit der Krankheitsprognose korrelieren kann, konnte bei Patienten mit sym- ptomatischer Herzinsuffizienz ur- sprünglich schon für Noradrenalin ge- zeigt werden. Für BNP und NT-pro BNP liegen zwischenzeitlich Studien vor, welche einen prognostischen Wert der Marker nach akutem Myo- kardinfarkt (21), beim akuten Koro- narsyndrom (4) und bei chronischer Herzinsuffizienz mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion (3) belegen. Zusätzlich existieren bevöl- kerungsbezogene Studien, bei denen die Markerkonzentrationen einen pro- gnostischen Aussagewert auch ohne bekannte kardiale Erkrankung besit- zen.

Bezüglich des prognostischen Wer- tes nach einem Myokardinfarkt eva- Zusammenhang der prädiktiven Werte (Sensitivität und

Spezifität) in Abhängigkeit von der gewählten Cut-off- Konzentration

Grafik 3

Aus: Maisel et al.: Rapid measurement of B-type natriuretic peptide in the emergency diagnosis of heart failure. N Engl J Med 2002; 347: 161–167, mit freundlicher Genehmigung der Massachusetts Medical Society.

Ereignisfreies Überleben bei neurohumoral (NT-proBNP) versus klinisch betreuten Patienten mit Herzinsuffizienz.

0

Aus:Troughton et al.:Treatment of heart failure guided by plas- ma aminoterminal brain natriuretic peptide (N-BNP) concen- trations. Lancet 2000; 355: 1126–1130; mit freundlicher Ge- nehmigung des Elsevier Verlags.

Grafik 4

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luierten Richards et al. die biochemi- schen Marker als Risikoprädiktoren im Vergleich zu anthropometrischen und funktionellen Parametern sowie im direkten Vergleich zu anderen neu- rohumoralen Einflussgrößen. Patien- ten mit Markerkonzentrationen ober- halb des Medians der getesteten Ko- horte hatten im Vergleich zu Patienten mit Markerkonzentrationen unterhalb des Medians ein signifikant höheres Risiko binnen 24 Monaten zu verster- ben oder eine Herzinsuffizienz zu ent- wickeln (21). Zusätzlich fand man, dass BNP und NT-proBNP unter den gete- steten neurohumoralen Parametern den größten prognostischen Aussage- wert hatten und zudem statistisch un- abhängig von der linksventrikulären Ejektionsfraktion waren (21). Ähnli-

che Beobachtungen liegen für BNP beim akuten Koronarsyndrom vor, und es konnte gezeigt werden, dass er- höhte Markerkonzentrationen neben den bekannten Risikofaktoren (inklu- sive Troponin) einen unabhängigen Risikofaktor für Tod, Myokardinfarkt oder symptomatische Herzinsuffizienz darstellen (4).

Bezüglich des prognostischen Wer- tes bei chronischer Herzinsuffizienz evaluierten Berger et al. mehr als 450 Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion < 35 Prozent. Wäh- rend einer mittleren Beobachtungs- dauer von knapp zwei Jahren betrug die Rate plötzlicher Todesfälle in die- ser Kohorte zehn Prozent. Sowohl erhöhte BNP- als auch NT-proBNP-

Konzentrationen waren starke pro- gnostische Marker, und ihre Aussage- kraft überstieg die von NYHA- Klassifikation, Blutdruck und links- ventrikulärer Ejektionsfraktion. Die beste Trennschärfe von BNP wurde für Plasmakonzentrationen von 130 pg/mL ermittelt. Dabei starben im Be- obachtungszeitraum 19 Prozent der Patienten mit überschwelligen Mar- kerkonzentrationen, aber nur ein Pro- zent der Patienten mit unterschwelli- gen Markerkonzentrationen (3). Kon- sistent hierzu sind auch Studien, wo ein Zusammenhang zwischen Marker- konzentrationen und einem prognosti- schen Herzinsuffizienz-Score („heart failure survival score“, HFSS [6]) be- ziehungsweise ein hoher Vorhersage- wert erhöhter Markerkonzentratio-

nen für eine eingeschränkte maximale Sauerstoffaufnahmekapazität bei der Spiroergometrie (8) gefunden wur- den.

Eine Analyse der prognostischen Bedeutung serieller BNP-Messungen ist kürzlich im Rahmen der ValHEFT- Studie erfolgt. Bei dieser Studie wur- den die Effekte des Angiotensin-Re- zeptorantagonisten Valsartan auf die Mortalität bei Patienten mit systoli- scher Herzinsuffizienz untersucht, oh- ne dass ein zusätzlicher Nutzen ge- genüber der Monotherapie mit einem ACE-Inhibitor dokumentiert werden konnte. Bei den neurohumoralen Un- tersuchungen in dieser Studie zeigte sich, dass – unabhängig von der indivi- duellen Therapie – diejenigen Patien-

ten die niedrigste Ereignisrate hatten, welche initial niedrige und im Verlauf stabile BNP-Konzentrationen aufwie- sen. Wenn sich hingegen die BNP- Konzentrationen im Verlauf veränder- ten, wurde die niedrigste Ereignisrate bei den Patienten beobachtet, welche im Vergleich zur Basismessung den größten prozentualen Abfall aufwie- sen. Im Gegensatz dazu wiesen Patien- ten mit einer Zunahme der BNP-Kon- zentrationen im Verlauf die höchste Ereignisrate auf (2). Insofern konnte anhand dieser Studie gezeigt werden, dass nicht nur die initiale Messung sondern auch der temporäre Verlauf der Markerkonzentration eine pro- gnostische Bedeutung besitzt.

Somit könnten die Herzinsuffizi- enzmarker in Zukunft einen Stel- lenwert bei der Risikostratifikation kardiovaskulärer Patienten bekom- men, insbesondere weil ihr Informati- onsgehalt komplementär zu den be- kannten klinischen und funktionellen Parametern, insbesondere der links- ventrikulären Pumpfunktion, zu sein scheint.

Therapieoptimierung

Die biochemischen Marker wurden auch zur Therapieoptimierung bei Pa- tienten mit bereits diagnostizierter Herzinsuffizienz evaluiert. Dabei fan- den Troughton et al. einen Nutzen von NT-proBNP zur Reduktion der Inzi- denz von kardialer Dekompensation, Rehospitalisierung und Tod (24). In dieser, mit 69 Patienten allerdings kleinen, Studie wurden herzinsuffizi- ente Patienten in zwei Gruppen unter- teilt. Während eine Gruppe eine nach klinischen Gesichtspunkten mit dem Ziel einer bestmöglichen Kompensati- on dosierte Herzinsuffizienztherapie erhielt, wurde die Therapie in der durch NT-proBNP geführten Gruppe nach einem vorgegeben Schema (Stei- gerung von ACE-Hemmern, Diureti- ka, Vasodilatatoren) intensiviert, wenn die Markerkonzentrationen oberhalb einer Grenzkonzentration von 200 pmol/L lagen.

Dieses Vorgehen hatte das Ziel ei- ner optimalen Anpassung der Herzin- suffizienztherapie an die Bedürfnisse

´Tabelle 2 ´

Wichtige Einflussgrößen von BNP und NT-proBNP

Einflussgröße Effekt

Kardial Auswurffraktion ! Marker "

Linksventrikuläre Masse " Marker "

Vorhofgröße " Marker "

Extrakardial Alter " Marker "

weibliches Geschlecht Marker "

Glomeruläre Filtration ! Marker "

ACE-I/AT-RB* Marker !

Diuretika Marker !

* Therapie mit ACE-Inhibitor oder Angiotensin-Rezeptorblocker;ACE, angiotensin converting enzyme

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des Patienten und trägt dem Umstand Rechnung, dass die individuelle Do- sierung vor- und nachlastsenkender Medikamente häufig sehr schwer zu steuern ist. Dieses therapeutische Di- lemma wird aktuell auch durch das eu- ropäische Herzinsuffizienzregister be- stätigt, welches eine im Allgemeinen zu niedrige Dosierung der Herzinsuf- fizienzmedikation dokumentiert (7).

Zur Therapieoptimierung könnten die biochemischen Marker insbesondere deswegen hilfreich sein, weil sie auf ei-

ne residuale, aber klinisch inapparente Dekompensation mit der Notwendig- keit einer Therapieintensivierung hin- weisen könnten. In der Tat fanden Troughton et al. über einen mittleren Nachbeobachtungszeitraum von sechs Monaten in der biochemisch geführ- ten Gruppe eine signifikant niedrigere Ereignishäufigkeit von Tod, Rehospi- talisierung oder kardialer Dekompen- sation im Vergleich zur klinisch ge- führten Gruppe (Grafik 4). Die Auto- ren dieser Untersuchung folgerten,

dass der biochemische Marker zusätz- lich zu klinischen, hämodynamischen und funktionellen Parametern hilf- reich für die Nachsorge und Optimie- rung der Herzinsuffizienztherapie sein könnte und evaluieren diesen Ansatz derzeit in einer groß angelegten pro- spektiven Studie.

Konsistent hierzu sind auch Be- obachtungen an ambulanten Patienten mit Herzinsuffizienz, wo eine Verbesse- rung der NYHA-Klasse von einer Re- duktion der BNP-Konzentrationen um

45 Prozent begleitet war, wohingegen Patienten mit unveränderter NYHA- Klasse gleichbleibende Markerkonzen- trationen aufwiesen (10).

Obwohl insgesamt zu diesem The- ma noch keine ausreichenden Daten vorliegen, könnten die Herzinsuffizi- enzmarker somit in Zukunft auch bei Patienten mit bereits diagnostizierter Erkrankung einen eigenen Stellen- wert zur Verlaufsbeurteilung bekom- men („Tumormarker“ des herzinsuffi- zienten Patienten).

Mögliche Fehlerquellen

Obwohl die kardialen Marker BNP und NT-proBNP aufgrund der guten Korrelation ihrer Plasmakonzentra- tionen mit dem Ausmaß der kardialen Funktionseinschränkung die derzeit besten Plasmamarker der Herzinsuffi- zienz darstellen, ist die Interpretation individueller Testergebnisse nicht tri- vial. Neben der linksventrikulären Ejektionsfraktion sind nämlich auch Geschlecht, Lebensalter, Grad der (De-)Kompensation, linksventrikulä- re Masse, Nierenfunktion und Phar- makotherapie zusätzliche Einfluss- größen (Tabelle 2). Ferner wurden er- höhte Markerkonzentrationen unter anderem auch bei Hyperthyreose, Ma- lignomen und nach zerebralen Ereig- nissen beobachtet.

Der Einfluss von Geschlecht und Lebensalter ist beispielhaft in Grafik 5 für ein Normalkollektiv abgebil- det. Dabei kann man sehen, dass einer- seits Frauen im Vergleich zu Män- nern signifikant höhere Markerkon- zentrationen aufweisen, und dass die Markerkonzentrationen mit ansteigen- dem Lebensalter ebenfalls und zum Teil überproportional ansteigen (12, 13, 20).

Hinsichtlich des Einflusses der linksventrikulären Masse konnte in bevölkerungsbasierten Untersuchun- gen der Autoren beobachtet werden, dass sich bei Probanden mit linksven- trikulärer Hypertrophie die Marker- konzentrationen in etwa verdoppeln.

In dieser Untersuchung war der relati- ve Anstieg damit fast identisch zu dem Anstieg von Probanden mit einge- schränkter linksventrikulärer Pump- funktion (12).

Der Einfluss einer eingeschränkten Nierenfunktion auf die Markerkon- zentrationen wurde ebenfalls in einer großen Studie an Herzinfarktpatien- ten untersucht. Dabei waren die Kon- zentrationen von NT-proBNP bei Pro- banden mit abgelaufenem Herzinfarkt signifikant höher als bei Kontrollpro- banden. Zusätzlich bestand ein Zu- sammenhang mit dem Schweregrad der linksventrikulären Pumpstörung, sodass die Markerkonzentrationen bei Infarktpatienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion wei- Einfluss von Alter und Geschlecht auf die Markerkonzentrationen in einem Normalkollektiv

(blau Männer, rot Frauen) n. s., nicht signifikant Grafik 5

Aus: Luchner et al.: N-terminal pro-brain natriuretic peptide after myocardial infarction: a marker of cardiore- nal function. Hypertension 2002; 39: 99–104; mit freundlicher Genehmigung von Lippincott Williams & Wilkins.

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ter erhöht waren. Erheblich stärker ausgeprägt war die Aktivierung des Markers jedoch in allen Subgruppen, wenn zusätzlich eine eingeschränkte Nierenfunktion vorlag (13).

Der Einfluss der Pharmakotherapie ergibt sich aus den Bemerkungen zu den prädiktiven Eigenschaften der Marker bei dekompensierter und kompensierter Herzinsuffizienz und nach Therapieoptimierung. Konsistent dazu sind eigene Beobachtungen, bei denen eine falschnegative Klassifikati- on von Probanden mit eingeschränk- ter linksventrikulärer Pumpfunktion aber unterschwelligen Markerkonzen- trationen häufig bei Probanden mit optimaler Herzinsuffizienztherapie er- folgt war, wohingegen korrekt posi- tiv klassifizierte Probanden diese The- rapie häufiger nicht erhalten hatten (12, 13).

Darüber hinaus gibt es Beobach- tungen, welche auf eine direkte Beein- flussung der Markerkonzentrationen durch Pharmaka, unabhängig von Hä- modynamik und Flüssigkeitshaushalt, hindeuten. So konnte beobachtet wer- den, dass die Markerkonzentrationen während der Therapie mit ACE-Inhi- bitoren und AT-Rezeptorantagonisten abfallen, aber bei alleiniger Therapie mit Betarezeptorblockern sogar an- steigen können (9).

Wegen der vielfältigen Einfluss- größen lassen sich die prädiktiven Ei- genschaften der Marker durch alters- und geschlechtsstratifizierte Grenz- konzentrationen verbessern (20). Trotz- dem ist zu beachten, dass auch bei unterschwelligen Markerkonzentra- tionen eine Herzinsuffizienz vorlie- gen kann, beispielsweise bei weniger stark eingeschränkter LV-Funktion, fehlender Hypertrophie, ACE-Inhibi- tion oder nach Gabe von AT-Rezep- torblockern. Aber selbst bei über- schwelligen Werten muss keine Herz- insuffizienz vorliegen, wenn zum Bei- spiel eine linksventrikuläre Hypertro- phie und/oder eine Niereninsuffizienz vorliegt, es sich um ältere, insbesonde- re weibliche Patienten handelt oder eine Therapie mit Betablockern er- folgt.

Insofern darf von den neuen Mar- kern nicht erwartet werden, dass in je- dem Fall eine Diagnose gestellt wer-

den kann, sondern die Interpretation der Testergebnisse muss unter Berück- sichtigung klinischer Informationen und gegebenenfalls apparativer Be- funde vorgenommen werden.

Zusammenfassung

Die Peptide BNP und NT-proBNP stellen eine wichtige Neuerung in der Diagnostik der Herzinsuffizienz dar und könnten die zukünftige Behand- lung herzinsuffizienter Patienten ver- bessern. Die Marker könnten hilfreich zum weitgehenden Ausschluss einer schweren Pumpstörung bei sympto- matischen Patienten mit Belastungs- dyspnoe sein und bieten zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten für die Nachsorge bei Herzinsuffizienz und den akuten Notfall. Da neben der linksventrikulären Pumpfunktion zu- sätzliche Kovariable die Plasmakon- zentration der Herzinsuffizienzmar- ker mit beeinflussen, ist eine vorsichti- ge Interpretation individueller Tester- gebnisse erforderlich.

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG Lu 562/1-1, 3-1 und Ho 1073/8-1 und Schu 672/9-1, 10-1, 12-1, 14-1)

Manuskript eingereicht: 28. 2. 2003, revidierte Fassung angenommen: 24. 7. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 3314–3321 [Heft 50]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit5003 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv. Doz. Dr. med. Andreas Luchner Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II Klinikum der Universität

Franz-Josef-Strauss Allee 11 93042 Regensburg

E-Mail: andreas.luchner@klinik.uni-regensburg.de

MEDIZINGESCHICHTE(N)

AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT

Psychiatrie Psychische Kur

Zitat:„Das stärkste und angenehm- ste körperliche Gefühl bewirkt der Genuß des Beischlafs. Chiarugi [1]

trägt kein Bedenken, ihn den Ver- rückten zu verstatten, und glaubt, dass er vorzüglich zur Heilung der Melancholie beitragen könne. Män- nern kann man durch eine öffentli- che Dirne, Weibern schwerer genü- gen, weil sie schwanger werden, und ihr Uebel auf die Frucht forterben können. An sich möchte vielleicht ei- ne Schwangerschaft heilsam seyn, als Ableitungsmittel, und besonders für solche Verrückte, die vor Gram über kinderlose Ehen hysterisch gewor- den sind, oder an der fixen Idee lei- den, daß sie schwanger sind, und ge- bähren müssen. Die beiden Pole des Körpers, Kopf und Geschlechstheile, stehn in einer merkwürdigen Wech- selwirkung. Erschütterungen des ei- nen Endpunkts durch Beischlaf und Schwangerschaft befreien den entge- gengesetzten von Änhäufung. Die häufigen Aeußerungen der Geilheit verrückter Personen, sind sie allemal das, wofür sie gehalten werden, Ursa- che der Krankheit? Können sie nicht auch Wirkungen des nemlichen Zu- standes, z. B. einer Ueberladung mit elektrischer Materie seyn, die im Kopf als Tobsucht, in den Ge- schlechtstheilen als Geilheit reprä- sentirt wird? In Verrücktheiten, de- ren Ursache Geilheit ist, kann der Beischlaf als körperliches Heilmittel wirken.“

Johann Christian Reil: Rhapsodieen über die Anwen- dung der psychischen Curmethode auf Geistes- zerrüttungen. Halle, 1803; S. 185 f. [1] Vincenzo Chi- arugi (1759–1820), berühmter Psychiater in Florenz, der als Medizinalreformer ein Irrenhaus gründete. – Der Hallenser Medizinprofessor Reil (1758–1813) propagierte nachhaltig die „psychische Kur“ in der Irrenheilkunde. Er argumentierte jedoch weniger psychologisch, als vielmehr neurophysiologisch (Verteilung der „Lebenskraft“). Dies entsprach dem

„moral treatment“ in England beziehungsweise dem „traitement moral“ in Frankreich.

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