Krankenversicherungsformen über Preise und Leistungen um Versicherte konkurrieren. Die Frage, inwieweit die Rationierung von Gesundheitslei- stungen an die Finanzkraft des einzel- nen geknüpft sein soll, hält Reinhard für legitim. Fragwürdig seien hinge- gen Reformvorschläge, die unter dem Motto „mehr Markt“ oder „mehr Ef- fizienz“ nicht explizit auf das damit verbundene Problem der Verteilungs- gerechtigkeit eingehen.
„Wir müssen nach Wegen der Ressourcenverteilung suchen. Die Zeiten voller Kassen sind vorbei“, sagt auch Dr. med. Frank-Ulrich Montgomery, Präsident der Ärzte- kammer Hamburg. Das Grundpro- blem besteht für ihn darin, daß das Gesundheitswesen im Prinzip uner- sättlich ist. Der medizinisch-techni- sche Fortschritt gehöre zu den klassi- schen Fällen additiver Investitionen, bei denen neue Verfahren die alten nicht ablösten, sondern hinzukämen.
Die Rationierung medizinischer Lei- stungen ist nach Auffassung des Kam- merpräsidenten jedoch Aufgabe des Staates. Seine Kritik: Die Politik ent- zieht sich der Verantwortung, wenn sie Rationierungsentscheidungen in die Selbstverwaltung – oder schlim- mer noch – in die Arztpraxen ver- lagert. Klassisches Beispiel: das von der rot-grünen Bundesregierung dis- kutierte Globalbudget. Hier bestehe die Gefahr, daß der Arzt zum Voll- strecker politischer Rationierungsent- scheidungen werde. Die Ärzte müß- ten als Anwälte ihrer Patienten fiska- lische Grenzen so lange bekämpfen, wie sie enger gezogen seien als die ethischen und biologischen. Doch Montgomery räumt ein: „Die Kluft zwischen medizinisch Sinnvollem und infolge von Ressourcenknappheit nicht Machbarem wird wachsen.“
Gesundheitsminister Gerster hält die Frage: „Wo darf man rationie- ren?“ für erlaubt. Am Grundsatz, daß Notwendiges über die Gesetzliche Krankenversicherung finanziert wer- den muß, will er jedoch festhalten.
„Einen Paradigmenwechsel würde keiner mitmachen“, ist der Minister überzeugt. Dennoch müsse man zag- haft darüber nachdenken, medizi- nisch Notwendiges und medizinisch Sinnvolles, das aber nicht notwendig sei, zu trennen. Heike Korzilius A-458
P O L I T I K AKTUELL
(18) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 8, 26. Februar 1999
er garantierte Zugang junger, in aller Regel noch angestellt tätiger Mitglieder ist ein we- sentlicher Bestandteil der Finanzie- rungssysteme in den berufsständi- schen Versorgungswerken. Das be- tonte der Versicherungsmathemati- ker Prof. Dr. Klaus Heubeck bei der Jahrespressekonferenz der Arbeits- gemeinschaft berufsständischer Ver- sorgungseinrichtungen e.V. (ABV) in Bonn. Es wäre daher ein existenzge-
fährdender Eingriff in das System, wenn der Zugang beschnitten würde.
Hintergrund ist, daß Teile der SPD er- wägen, das Befreiungsrecht für ange- stellte Freiberufler aufzuheben. Sie würden dann Mitglied der gesetzli- chen Rentenversicherung (GRV).
Heubeck verdeutlichte, daß sich durch den Neuzugang für die GRV nach einer anfänglichen geringen Ent- lastung längerfristig überproportiona- le Zusatzbelastungen ergeben wür- den. Für die Versorgungswerke wäre eine unmittelbare Einschränkung der Leistungsfähigkeit die Folge.
Verstoß gegen das Grundgesetz
Die ABV argumentiert nicht nur mit einem gut funktionierenden, fle- xiblen System. Sie hat den Verfas- sungsrechtler Prof. Dr. Rupert Scholz prüfen lassen, ob eine neue Abgren- zung zwischen berufsständischer Ver- sorgung und gesetzlicher Rentenver- sicherung verfassungskonform wäre.
Fazit des noch unveröffentlichten Gutachtens: Sie wäre es, was die der- zeitigen SPD-Pläne anbelangt, nicht.
Der Bundesgesetzgeber verfügt nach Auffassung von Scholz nicht über die Kompetenz, das Befreiungsrecht für angestellt tätige Freiberufler abzu- schaffen. Das sei Ländersache. Ein sol- cher Zugangsstopp würde zu deut- lichen Leistungsminderungen führen – sowohl für Rentner wie für Anwart- schaftsberechtigte. Dies verstoße ge- gen den Eigentumsschutz des Grund- gesetzes. Scholz hält eine engere Zu- gangsregelung zudem wegen gewisser Eigenheiten der Freien Berufe sowie weiterer verfassungsrechtlicher Nor- men für unzulässig. Sabine Rieser
Versorgungswerke
Gerüstet für die Debatten um das Befreiungsrecht
Ein Verfassungsrechtsgutachten enthält zahlreiche Argumente gegen eine Änderung des Status quo.
D
Mischsystem: Vorteile
Die meisten berufsständischen Versorgungswerke verwenden zur Fi- nanzierung der eingegangenen Ver- pflichtungen besondere Verfahren. Sie verbinden Elemente der Umlage (wie in der gesetzlichen Rentenversiche- rung) und der Kapitaldeckung (ähn- lich der Lebensversicherung). Sol- che „offenen Deckungsplanverfah- ren“ oder ähnliche Mischsysteme gel- ten als gut geeignet, auf Veränderun- gen im System wie zum Beispiel einen Anstieg der Lebenserwartung zu rea- gieren. Dieser Vorteil ergibt sich aus der Bildung von kollektiven Dek- kungsstöcken, aus der entlastenden Wirkung der entsprechenden Zins- erträge (so auf die notwendigen Bei- träge) sowie aus der Altersmischung.
Die Umlageelemente ermöglich- ten es zum Beispiel jungen Versor- gungswerken, rasch Rente an ältere Mitglieder zu zahlen. Aus den Erträ- gen des Kapitalstocks lassen sich sehr gut Rückstellungen bilden, wenn sich die Bedingungen verändern. Aktuel- les Beispiel: Viele Versorgungswerke sichern derzeit mit entsprechenden Rücklagen erwartete längere Renten- zahlungen an Mitglieder ab. Sie sind eine Folge der steigenden Lebens-
erwartung. Rie