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Archiv "Nobelpreis nach „Hausmacherart“" (09.02.1989)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

In Heft 46 vom 17. November 1988 hatten wir ausführlich die drei diesjährigen Nobelpreisträger für Medizin — zwei Amerikaner und ei- nen Engländer — gewürdigt. Durch das Entgegenkommen von Prof.

Hofschneider vom Max-Planck-In- stitut Martinsried sind wir in der La- ge, einen kurzen Bericht über die drei deutschen Nobelpreisträger für Chemie zu veröffentlichen, zumal deren Arbeiten zur Photosynthese ja auch die Medizin betreffen. Prof.

Hofschneider hat die Arbeiten der drei Nobelpreisträger über Jahre un- mittelbar vor Ort mitverfolgt. Die Schwierigkeiten einer Redaktion spiegelt sein letzter Abschnitt wider, nach dem eine so renommierte Zeit- schrift wie „Nature" die erste Ar- beit der Preisträger zurückgewiesen hat. Dies mag allen ein Trost sein, denen wir — noch dazu bei unserem beschränkten Platz — Absagen ertei- len müssen. Rudolf Gross

D

er Ruhm, den ein Institut mit neugekürten Nobelpreisträ- gern gerne einheimst, hat oft einen kleinen Makel: Die Arbeiten, um die es geht, sind schon lange vorher und an ganz anderer Stelle durchge- führt worden. Beim diesjährigen Nobelpreis für Chemie, vergeben an Johann Deisenhofer (jetzt Universi- ty of Texas, Dallas, USA), Robert Huber und Hartmut Michel (jetzt Max-Planck-Institut für Biophysik, Frankfurt) für die Strukturaufklä- rung eines photosynthetischen Re- aktionszentrums ist die Freude des Max-Planck-Instituts für Biochemie ungetrübt, denn die preisgekrönten Arbeiten sind sozusagen hausge- macht, und alle Preisträger entstam- men dem Institut.

Der Kern der Entdeckung und deren Bedeutung sind einfach zu be- schreiben. Die biologische Um- wandlung von Licht in chemische Energie ist ein Prozeß, ohne den hö- heres Leben nicht denkbar ist. Den Preisträgern ist es gelungen, die räumliche Struktur des Schlüsselmo- leküls für diesen Prozeß aufzuklären.

Erst dieses Ergebnis läßt — im tieferen Sinn des Worts—verstehen, wie dieser Prozeß unter Verbrauch von Licht- energie über freigesetzte Elektronen zur Speicherung von elektrischer Energie führt, die ihrerseits in chemi- sche Energie (ATP, Kohlenhydrate) überführt wird. Dies bedeutet einen gewaltigen Erkenntnissprung für die Grundlagenforschung.

Anwendungsorientiert kann man mit Phantasie ahnen, daß der Einstieg in eine sanfte Energiege- winnung eines Tages im nächsten Jahrhundert gelingen sollte. Öl-, Kern- oder Fusionsenergie wären dann in manchen Bereichen risiko- frei zu ersetzen. Ob dieses Ziel wirk- lich erreicht wird, muß heute noch offenbleiben, aber mit Sicherheit läßt sich sagen, daß der Weg dorthin gegebenenfalls über die Gentechno- logie führen wird.

Hausgemacht sind nicht nur ent- scheidende methodische Entwick- lungen, die der Entdeckung voraus- gingen, sondern auch die Problem- stellung. Sie stammt vom früheren Doktoranden Feodor Lynens und jetzigem Direktor am Institut, Die- ter Oesterhelt. Er begann sich früh für Rhodopsin, das photosyntheti- sche Reaktionszentrum der Halo- bakterien, zu interessieren. Walter Stoeckenius, ein deutscher Gelehrter in Kalifornien, wurde sein Lehrer.

Dann leitete er im Friedrich-Mie-

scher-Labor der Max-Planck-Gesell- schaft in Tübingen ein Nachwuchsla- bor, wo Hartmut Michel sein erster Diplomand wurde. Nach einer Etap- pe in Würzburg arbeiteten beide seit 1979 wieder in Martinsried.

Nun muß man wissen, daß zu die- ser Zeit die Kristallisation eines was- serlöslichen Proteins und dessen Röntgenstrukturanalyse schon oft ge- lungen war. Photosynthetische Reak- tionszentren gehören aber zu den membrangebundenen wasserunlös- lichen Molekülen, und deren Kristal- lisation galt damals als praktisch un- möglich. Auch Oesterhelt und Michel scheiterten zunächst: Bakteriorho- dopsin gab nur winzige für die Analy- se nicht brauchbare Moleküle. Aber Michel erweiterte unermüdlich seine Arbeit auf zahlreiche andere Bakte- rienspezies, ständig angeregt durch Oesterhelt, der hierfür, wie Michel zu

„Nature" sagte, „auch den Nobel- preis verdient hätte".

Schließlich gelang die Kristallisa- tion des photosynthetischen Reak- tionszentrums von Pseudomonas viri- dis mit Hilfe kleiner amphiphiler Mo- leküle. Sie heften sich mit ihrem hy- drophoben Ende an das photosynthe- tische Reaktionszentrum und bringen es über das hydrophile andere Ende in Lösung, sind aber so wenig sperrig, daß sie die geordnete Kristallisation nicht behindern. Nun traf es sich be- sonders gut, daß Robert Huber am Institut laut „Science" ein „power- house of structure analysis" aufge- baut hatte Ihm ist unter anderem schon die räumliche Strukturaufklä- rung von Immunoglobulin und Prote- aseinhibitoren zu verdanken. Griff- bereit lag alles vor, was zur Struktur- analyse des kristallisierten Moleküls notwendig war. Mit dieser Vorgabe konnten nun Deisenhofer, sein Mit- arbeiter, und Michel als Hauptakteu- re die Strukturaufklärung innerhalb von zwei Jahren durchführen. Nach- zutragen bleibt noch, daß das photo- synthetische Reaktionszentrum von Pseudomonas viridis eine große Ähn- lichkeit mit dem Photosynthesesy- stem II der grünen Pflanzen aufweist, die Ergebnisse also auf dieses über- tragbar sind.

So gesehen, dürften alle glücklich sein, eingeschlossen die Mitglieder ei- nes Münchener Sonderforschungsbe-

Nobelpreis

nach „Hausmacherart"

Ein Beitrag zur Verleihung des Nobelpreises 1988 an drei Wissenschaftler des

Max-Planck-Instituts für Biochemie, Martinsried Peter Hans Hofschneider

A-328 (56) Dt. Ärztebl. 86, Heft 6, 9. Februar 1989

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FÜR SIE REFERIERT

reichs der DFG, welche die Arbeiten nach besten Kräften unterstützten.

Nur eine Ausnahme ist zu nennen:

Das renommierte Wissenschaftsjour- nal NATURE hatte 1983 die erste Ar- beit der drei Preisträger zurückgewie- sen und stellte jetzt unglücklich fest, daß sich wieder einmal der schreck- lichste Alptraum eines Editors ver- wirklicht habe, nämlich eine epoche- machende Arbeit nicht erkannt zu ha- ben. Wie man sieht, ist die sich so ob- jektiv gebärdende Naturwissenschaft nicht frei von Dogmen, Überheblich- keiten und anderen menschlichen Schwächen. Aber auch die Max- Planck-Gesellschaft, so seltsam es klingen mag, hat Grund zu etwas kri- tischem Nachdenken. Es gehört zu ih- ren Prinzipien, Hausberufungen möglichst zu vermeiden. Aber ausge- rechnet Robert Huber ist ein Berufe- ner dieser Art. Vielleicht sollte die Gesellschaft in Zukunft ihren eigenen Nachwuchs etwas wohlwollender be- trachten. Das Beste an Prinzipien sind eben manchmal die Ausnahmen, die man zuläßt.

Das Institut jedenfalls erhofft sich aus seinen Reihen weitere Taten nach Hausmacherart. Vielleicht wird dann die Reihe der Nobelpreisträger, beginnend mit A. Butenandt, dem Gründer des Martinsrieder Institu- tes, über Feodor Lynen und die jetzi- gen drei noch weiter fortgesetzt.

Literatur

1. Deisenhofer, J.; Epp, 0.; Miki, K.; Huber, R.; Michel, H.: X-ray structure-analysis of a membrane-protein complex - electron-den- sity map at 3A resolution and a model of the chromophores of the photosynthetic reaction center from rhodopseudomonas-viridis. J.

Mol. Biol. 180 (1984) 385-398

2. Deisenhofer, J.; Michel, H.; Huber, R.: The structural basis of photosynthetic light reac- tions in bacteria. Trends in biochemical Sci- ences 10 (1985) 234-248

3. Deisenhofer, J.; Epp, 0.; Miki, K.; Huber, R.; Michel, H.: Structure of the protein sub- units in the photosynthetic reaction center of rhodopseudomonas-viridis at 3A resolution.

Nature 318 (1985) 618-624

4. Clarke, M.: 1988 Nobel prizes announced for physics and for chemistry. Nature 335 (1988) 752-753

5. Lewin, R.: Membrane protein holds photo- synthetic secrets. Science 242 (1988) 672-673

Prof. Dr. med. Dr. phil.

Peter Hans Hofschneider Max-Planck-Institut für Biochemie

8033 Martinsried bei München

Starke Belastungen stören die Psyche

Im Rahmen einer bundesweiten Erhebung zur Prävalenz psychiatri- scher Störungen in den Vereinigten Staaten wurden auch posttraumati- sche psychische Veränderungen (posttraumatic stress disorders) er- mittelt. Bei ehemaligen Teilneh- mern des Vietnam-Krieges waren gehäuft psychische Veränderungen aufgetreten, die man mit dem Post- Vietnam-Syndrom zusammengefaßt hatte. Psychische Störungen können, bei Personen auftreten, die außerge- wöhnlichen körperlichen und seeli- schen Belastungen wie Kriegsereig- nissen, Naturkatastrophen oder kri- minellen Handlungen ausgesetzt wa- ren. Symptome solcher Störungen können beispielsweise sein: Über- wachheit, Schlafstörungen, Schuld- gefühle oder Konzentrationsstörun- gen. Erneute Ereignisse, die an die ursprünglichen Streßsituationen er- innern, können zur Exazerbation der Symptomatik führen.

In einer repräsentativen epide- miologischen Untersuchung wurden 3400 Personen wiederholt inter- viewt. Bei fünf Männern und 13 Frauen von 1000 wurde die Diagno- se eines post-traumatic stress disor- der gestellt. Auslösende Situationen bei den Männern war Teilnahme an Kampfhandlungen im Vietnam- Krieg, besonders das Erleben, wenn Kameraden getötet worden waren.

Das häufigste auslösende Ereignis bei Frauen war die Vergewaltigung.

Die am häufigsten genannten Sym- ptome waren Alpträume und Schlaf- störungen. Besonders bei Kriegsteil- nehmern dauerten die Symptome längere Zeit an, oft über mehr als drei Jahre. Die Symptomatologie war überdurchschnittlich häufig as- soziiert mit anderen psychiatrischen Störungen sowie Verhaltensstörun- gen in der Kindheit vor dem 15. Le- bensjahr. Daraus ist vorsichtig zu schließen, daß gewisse Persönlich- keitsstrukturen und Verhaltenswei- sen die Verarbeitung außergewöhn- licher seelischer Belastungen beein- flussen.

Ähnliche Erfahrungen liegen über Teilnehmer des 2. Weltkrieges

vor. Dabei ergab sich für Personen, die während der Kindheit Verhal- tensstörungen aufwiesen, eine höhe- re Wahrscheinlichkeit, einem außer- gewöhnlichen Streßereignis ausge- setzt zu sein. kue

Heizer, J. E.; Robins, L. N.; McEvoy, L.:

Post-traumatic stress disorder in the gen- eral population. Findings of the epidemio- logic catchment area survey. N. Engl J Med. 317 (1987) 1630-1634

Dr. J. E. Heizer, Department of Psychiat- ry, Washington University School of Me- dicine, 4940 Audubon Ave., St. Louis, MO 63110

Hodenkarzinom in situ:

Aneuploide Zellen im Samen

Der Gehalt von zellulärer DNA im Ejakulat von acht Patienten mit Hodenkarzinom in situ und 26 Kon- trollpersonen ohne Nachweis von Hodenneoplasien wurde durch Fluß- Zytometrie untersucht. Bei vier der acht Patienten mit Hodenkarzinom in situ, aber bei keiner der Kontroll- personen wurde in der Samenflüssig- keit eine aneuploide Zellpopulation mit einem Ploidy-Grad festgestellt, der dem ähnelt, der bei Karzinom- zellen in situ gefunden wurde. Ein Jahr nach der Orchidektomie oder lokaler Bestrahlung wurden bei die- sen vier Männern keine aneuploiden Zellen im Samen mehr festgestellt.

Die Ergebnisse zeigen nach An- sicht der Autoren, daß ein erkenn- barer Teil maligner Keimzellen in die Samenflüssigkeit von Patienten mit Hodenkarzinom in situ freige- setzt werden kann. Eine Analyse der Samenflüssigkeit kann daher mögli- cherweise beim Screening zur Früh- erkennung von Hodenneoplasien unterstützend wirken. Jhn

Giwercman, A., et al.: Carcinoma in situ of the testis: aneuploid cells in semen.

Brit. Med. Journal 296 (1988), 1762-1764 Dr. A. Giwercman, Laboratory of Repro- ductive Biology, Rigshospitalet 4052, Blegdamsvey 9, DK 2100 Kopenhagen

Dt. Ärztebl. 86, Heft 6, 9. Februar 1989 (57) A-329

Referenzen

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