Musterlösungen zu Blatt 15, Analysis I
WS 2013/14
Inhaltsverzeichnis
Aufgabe 85: Konvergenzradien 1
Aufgabe 86: Approximation von exp(x) durch Polynome 2
Aufgabe 87: Taylorreihen von cos3x undsinx 2
Aufgabe 88: Differenzenquotienten 4
Aufgabe 89: Uneigentliche Integrale I 5
Aufgabe 90: Uneigentliche Integrale II 6
Aufgabe 85: Konvergenzradien
Bestimmen Sie die Konvergenzradien der Potenzreihen
∞
X
j=0
j2
2jxj und
∞
X
j=0
j2xj2.
Lösung
Wir benutzen die folgende Formel für den Konvergenzradius der Potenzreihe P∞ j=0ajxj:
ρ= 1
lim sup
j→∞
pj
|aj|
Erste Potenzreihe:
Hier istaj= j2
2j und somit
j
q
|aj|=j2/j 2 → 1
2 fürj→ ∞,
dennj1/j→1 ist aus der Vorlesung oder früheren Übungen bekannt∗undj2/j = (j1/j)2→12= 1.
Also ist der Konvergenzradius
ρ= 1
1 2
= 2.
Zweite Potenzreihe:
∞
X
j=0
j2xj2 =
∞
X
n=0
anxn mit an =
(n falls nQuadratzahl 0 sonst.
Somit gilt für den gesuchten Limes superior:
lim sup
n→∞
pn
|an|= lim
n→∞n1/n= 1.
⇒ ρ= 1 1 = 1.
∗ Bemerkung:
Fallsj1/j →1 nicht bekannt ist, kann man sich das auch wie folgt herleiten:
lnj1/j= lnj j
Zähler und Nenner gehen jeweils gegen∞, daher gilt mit der Regel von L’Hospital:
j→∞lim lnj
j = lim
j→∞
1 j
1 = 0
also:
lnj1/j→0 Wende auf beiden Seitenexpan (möglich, daexpstetig ist):
j1/j→1.
Aufgabe 86: Approximation von exp(x) durch Polynome
Bestimmen Sie ein Polynomp(x)so, dass|exp(x)−p(x)|<10−2 für allex∈[−1,1].
Lösung
exp(x) =
∞
X
n=0
xn
n! (=Taylorreihe vonexpumx= 0)
konvergiert für allex∈R, also insbesondere gleichmäßig auf abgeschlossenen, beschränkten Teilintervallen von R, beispielsweise [−1,1]. Folglich sind die Taylorpolynome
pk(x) =
k
X
n=0
xn n!
von exp(x) gute Kandidaten für p(x), denn die gleichmäßige Konvergenz besagt ja gerade, dass der maximale Abstand zwischenexp(x)undpk(x)in[−1,1]fürk→ ∞gegen Null geht.
Wie groß muss k gewählt werden?
Betrachte dazu die Taylor-Formel mit Lagrange-Restglied: Zux∈[−1,1]gibt esξ zwischen0undx, so dass
exp(x) =pk(x) + xk+1
(k+ 1)!.exp(k+1)(ξ)
| {z }
=eξ
Daraus folgt
|exp(x)−pk(x)|=
xk+1 (k+ 1)!eξ
6 e
(k+ 1)!
Wann ist der rechte Ausdruck kleiner als10−2? Umstellen ergibt(k+ 1)!>100e≈272. Da5! = 120und 6! = 720, ist die Ungleichung fürk>5 erfüllt. Wähle also
p(x) =p5(x) = 1 +x+x2 2 +x3
6 +x4 24+ x5
120.
Bemerkung: Sorgfältigere Abschätzungen hätten ergeben, dass auchk= 4schon gereicht hätte. Aber in der Aufgabe war ja nur nach irgendeinem Polynom gefragt, nicht nach einem Polynom kleinsten Grades.
Aufgabe 87: Taylorreihen von cos
3x und sin x
Verwenden Sie das Additionstheoremcos(3x) = 4(cosx)3−3 cosxum die Reihenentwicklung von(cosx)3 zu berechnen.
Berechnen Sie dann die Taylorreihe von f(x) = sinxan der Stellex0=π/4, einmal nach Definition und einmal unter Benutzung des Additionstheorems und bekannter Reihen.
Lösung
Herleitung des Additionstheorems
cos(3x) = cos(2x+x) = cos(2x) cosx−sin(2x) sinx cos(2x) = cos(x+x) = cos2x− sin2x
| {z }
1−cos2x
= 2 cos2x−1 sin(2x) = sin(x+x) = 2 sinxcosx
⇒ cos(3x) = (2 cos2x−1) cosx−(2 sinxcosx) sinx
= 2 cos3x−cosx−2 sin2x
| {z }
1−cos2x
cosx
= 4 cos3x−3 cosx.
Reihenentwicklung von cos
3x
4 cos3x= cos(3x) + 3 cosx
=
∞
X
n=0
(−1)n(3x)2n (2n)! + 3
∞
X
n=0
(−1)n x2n (2n)!
=
∞
X
n=0
(−1)n(32n+ 3) x2n (2n)!
wobei die termweise Addition der Reihen dadurch gerechtfertigt ist, dass die Reihen absolut konvergieren.
Somit folgt
cos3x= 1 4
∞
X
n=0
(−1)n(32n+ 3) x2n (2n)!.
Reihenentwicklung von sin x an der Stelle x
0= π/4
einmal nach Definition: benötigen dazu die n-ten Ableitungen von sinx an der Stelle π/4. Wegen sin(4)= sinerhalten wir:
sin(n)(π/4) =
sin(π4) =√1
2 fallsn≡0 (mod 4) cos(π4) = √1
2 fallsn≡1 (mod 4)
−sin(π4) =−√1
2 fallsn≡2 (mod 4)
−cos(π4) =−√1
2 fallsn≡3 (mod 4)
= 1
√2(−1)bn/2c.
⇒ sinx=
∞
X
n=0
sin(n)(π/4)
n! (x−π4)n
= 1
√2
∞
X
n=0
(−1)bn/2c
n! (x−π4)n.
einmal mit Additionstheorem:
sinx= sin(x−π4 +π4)
= sin(x−π4) cos(π4) + cos(x−π4) sin(π4)
= 1
√2
∞
X
n=0
(−1)n
(2n+ 1)!(x−π4)2n+1 +
∞
X
n=0
(−1)n
(2n)!(x−π4)2n
!
= 1
√2
∞
X
n=0
(−1)bn/2c
n! (x−π4)n.
Aufgabe 88: Differenzenquotienten
Seien f ∈ C3(a, b), x0 ∈ (a, b) und der symmetrische Differenzenquotient Diffx0(h) aus Aufgabe 70 gegeben. Zeigen Sie, daß
Diffx0(h) =f0(x0) +O(h2)
d.h. es existieren Konstantenh0>0undc >0 mit|Diffx0(h)−f0(x0)|6ch2für alle h∈(0, h0).
Zeigen Sie dann, daß fürf ∈C4(a, b)
f(x0+h)−2f(x0) +f(x0−h)
h2 =f00(x0) +O(h2).
Hinweis: Taylor.
Auf dem Aufgabenblatt war ein Tippfehler:f(x)stattf(x0)in der letzten Gleichung.
Bemerkung zur Landau-Notation
Das SymbolO(g(h))bezeichnet die Menge aller Funktionenf(h), die in einer Umgebung von0 definiert sind (außer möglicherweise in 0 selbst) und asymptotisch durch die Funktion g(h)beschränkt sind, das bedeutet:
f(h)∈ O(g(h)) :⇐⇒
∃h0>0, c >0 ∀h,0<|h|< h0: |f(h)|6c|g(h)|
(Insbesondere in der Informatik kommt es auch vor, dass die Asymptotik gegen∞statt gegen0betrachtet wird. Die Definition sieht dann etwas anders aus.)
Oft schreibt man auch f(h) = O(g(h))statt f(h) ∈ O(g(h)). Wenn O(. . .) in einer Formel wie in der Aufgabenstellung auftaucht, ist damit ein Vertreter vonO(. . .)gemeint.
Lösung
Aus der Taylorformel mit Lagrange-Restglied folgt sofort folgender allgemeine Satz:
Seif ∈Ck+1(a, b), x0∈(a, b). Dann gilt:
f(x0+h) =
k
X
n=0
hn
n!f(n)(x0) + O(hk+1)
(a)
Im ersten Teil der Aufgabe ist f ∈C3(a, b)gegeben, somit gilt:
f(x0+h) =f(x0) +hf0(x0) +h2
2 f00(x0) +O(h3) f(x0−h) =f(x0)−hf0(x0) +h2
2 f00(x0) +O(h3).
Subtrahiere die beiden Gleichungen. Achtung: da die Vertreter vonO(h3)nicht die gleichen sein müssen, fälltO(h3)bei dieser Operation nicht weg!
⇒ f(x0+h)−f(x0−h) = 2hf0(x0) +O(h3)
⇒ f(x0+h)−f(x0−h)
2h =f0(x0) +O(h2).
Somit ist die Behauptung bewiesen, da die linke Seite geradeDiffx0(h)ist.
(b)
Im zweiten Teil der Aufgabe istf ∈C4(a, b)gegeben, somit gilt:
f(x0+h) =f(x0) +hf0(x0) +h2
2 f00(x0) +h3
6 f000(x0) +O(h4) f(x0−h) =f(x0)−hf0(x0) +h2
2 f00(x0)−h3
6 f000(x0) +O(h4).
Addiere die beiden Gleichungen:
⇒ f(x0+h) +f(x0−h) = 2f(x0) +h2f00(x0) +O(h4)
⇒ f(x0+h)−2f(x0) +f(x0−h)
h2 =f00(x0) +O(h2).
Aufgabe 89: Uneigentliche Integrale I
Sei f : R →R uneigentlich integrierbar auf [0,∞) und ungerade, d.h. f(−x) = −f(x) für alle x∈ R. Zeigen Sie, dassf uneigentlich integrierbar auf Rist undR
Rf(x)dx= 0.
Lösung
f ist genau dann uneigentlich integrierbar aufR, wennf uneigentlich integrierbar sowohl auf(−∞,0]als auch auf [0,∞)ist. Letzteres ist nach Voraussetzung gegeben, d.h. R∞
0 f(x) dx existiert als reelle Zahl (nicht±∞).
Es bleibt somit zu zeigen:R0
−∞f(x)dx=−R∞
0 f(x)dx.
Z 0
−∞
f(x)dx= lim
b→∞
Z 0
−b
f(x)dx
= lim
b→∞
Z 0
−b
−f(−x)dx (daf ungerade)
= lim
b→∞
Z 0 b
f(u)du (Substitutionu=−x,du=−dx)
=− lim
b→∞
Z b 0
f(u)du (Vertauschen der Integrationsgrenzen)
=− Z ∞
0
f(x)dx. (u→xumbenannt)
Aufgabe 90: Uneigentliche Integrale II
Untersuchen Sie die folgenden uneigentlichen Integrale auf Konvergenz:
Z ∞ 1
sinx x2 dx,
Z ∞ 1
1 xsin1
xdx, Z ∞
0
√1 xdx,
Z 1
−1
√ x
1−x2 dx.
(a)
Verwende Vergleichskriterium:
Z ∞ 1
sinx x2 dx
konvergiert, denn der Integrand kann betragsmäßig durch eine Funktion abgeschätzt werden, deren Inte- gral konvergiert:
sinx x2
6 1
x2
Z ∞ 1
1
x2 dx= lim
b→∞
Z b 1
1
x2 dx= lim
b→∞
−1 x
b 1
= lim
b→∞1−1 b = 1.
(b)
Ebenfalls mit dem Vergleichskriterium sieht man, dass auch das zweite Integral konvergiert:
1 xsin1
x 6 1
x2.
(c)
Z ∞ 0
√1 x dx
ist uneigentlich in beiden Integrationsgrenzen, existiert also genau dann, wennR1 0
√1
x dxund R∞ 1
√1 x dx existieren. Aber
Z ∞ 1
√1
xdx= lim
b→∞
Z b 1
√1
xdx= lim
b→∞[2√
x]b1= lim
b→∞2√
b−2 =∞, somit liegt hier keine Konvergenz vor.
(d)
Z 1
−1
√ x
1−x2 dx
ist uneigentlich in beiden Grenzen und existiert genau dann, wennR1 0
√x
1−x2 dxexistiert. Denn weil der Integrand eine ungerade Funktion ist, folgt daraus analog zu Aufgabe 89, dass auch schonR0
−1
√x 1−x2 dx existiert und dass
Z 1
−1
√ x
1−x2 dx= 0.
Und das ist auch tatsächlich so, denn Z 1
0
√ x
1−x2 dx= lim
b→1
Z b 0
√ x
1−x2 dx
= lim
b→1− Z 1−b2
1
du 2√
u (Substitution u= 1−x2,du=−2xdx)
= lim
b→1−[√ u]1−b1 2
= lim
b→11−p
1−b2= 1.