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Diskurssemantische Beschränkung der Fragebildung: [ⴙw]-Extraktionen aus dass-Komplementsätzen im Deutschen*

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Academic year: 2022

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Fragebildung: [w]-Extraktionen aus dass-Komplementsätzen im Deutschen

*

SONJA MÜLLER

Abstract

Defining extraction domains has been a central issue for questions of local- ity in syntax for decades. The topic thus exhibits a long-lasting research tradition in various paradigms and models. Syntactic approaches, however, get challenged when restrictions on well-formed extraction constructions are encountered which do not allow an explanation based on structural differences straightforwardly. A case in point are that-complement clauses for which it is known that their transparency for extraction gets influenced by the verb which embeds them: So called bridge verbs allow extraction from their complement,non-bridge verbsdo not. Because of the fact that an analysis of good and bad extraction verbs shows that the property which makes out a verb’s “bridgedness” can best be accounted for in semantic terms, a non-structural account seems to be called for. Even more evidence for non-structural influence comes from the observation that different sub- types of erothetic illocutionary force have an impact on the acceptability of the extraction construction. Based on these observations and the inten- tion to account for them, this paper presents an analysis of opaque and transparentthat-complements from adiscourse semanticpoint of view fo- cusing on the context update induced by the extraction constructions at issue.

Keywords: extraction, bridge verbs, complement clause, context update, erothetic illocution

1. Einleitung

Mindestens seit den Inselbeschränkungen von Ross (1967) ist bekannt, dass die lange w-Bewegung von Konstituenten, die auch als Extraktion

* Ich danke Astrid Rothe für Kommentare zu einer ersten Version dieses Artikels, Horst Lohnstein für die Diskussion einzelner Aspekte sowie den zwei anonymen Gutachtern und der ZS-Redaktion für ihre Hinweise, kritischen Anmerkungen und Fragen.

Zeitschrift für Sprachwissenschaft 31 (2012), 101151 0721-9067/2012/0310101

DOI 10.1515/zfs-2012-0003Walter de Gruyter

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bezeichnet wird, auf bestimmte Domänen im Satz beschränkt ist. Zu den klassischen Ross’schenInselnzählen z. B. Subjekte (vgl. [1a]), komplexe Nominalphrasen (NPs) wie in (1b) oder Koordinationsstrukturen (vgl.

[1c]).

(1) a. *Wen ärgert (es) Imke, [dass Stefan zu seiner Party wen1 eingeladen hat]?

b. *Was hat Volker[eine Kollegin,[die gerne was isst]]?

c. *Worüber ist [[Sebastian stolz auf seinen Roller] und [froh worüber]]?

Das Phänomen der Extraktionsbeschränkung wird seit Jahrzehnten vor- nehmlich aus syntaktischer Perspektive behandelt. Die Liste bekannter syntaktischer Bewegungsbeschränkungen und Lokalitätstheorien ist lang.2 Bei der Erfassung von Extraktionsstrukturen wie in (2), wo die Erfragung einer Konstituente in (2a) akzeptabler ist als im parallelen (2b), stoßen die Ansätze jedoch an ihre Grenzen, die Extraktionsdomä- nen allein unter Bezug auf bestimmte strukturelle Konfigurationen defi- nieren. Die Strukturen in (2) unterscheiden sich schließlich jeweils allein in dem dendass-Komplementsatz selegierenden Matrixverb.

(2) a. Wen meint/sagt/hofft/wünscht Peter (sich), [dass der Chef wen entlässt]?

b. ??Wen ignoriert/verursacht Peter, [dass der Chef wen ent- lässt]?3

1. Die Ursprungsposition der bewegten Konstituente wird hier durch ihre durchgestrichene Version illustriert. Dies bedeutet abertrotz minimalistischer Notationsweisekeinen Anschluss an ein Theoriestadium generativ-syntaktischer Modellierung der w-Bewegung.

2. Vgl. z. B. dieSubjazenzbedingungChomskys (1973, 1977), dieBarrierentheorie(Chomsky 1986), dieCondition on Extraction Domains(Huang 1982),Relativierte Minimalität(Rizzi 1990), diePhase Impenetrability Condition(z. B. Chomsky 2000) oder Nunes & Uriagere- kas (2000) Konzept derCommand Unit, um nur einige Ansätze anzuführen.

3. Seit den ersten Beschäftigungen mit derartigen Daten besteht das Problem, dass ihr Akzep- tabilitätsstatus nicht immer eindeutig zu bestimmen ist. Individuelle Sprecherurteile diver- gieren, es wird von einem dialektalen Nord-Süd-Gefälle ausgegangen (vgl. z. B. Fanselow 1987: 51 f., Grewendorf 1988: 82) und es stellen sich eher graduelle denn kategorische Un- terschiede ein. Diese Problematik betrifft nicht nur die Extraktion ausdass-Komplement- sätzen im Speziellen, sondern lässt sich ausweiten auf weitere Extraktionskontexte. Neben ideolektal und dialektal bedingter Variation scheinen dazu auch weitere Faktoren eine Rolle zu spielen: Adli (2004) argumentiert für französische Extraktionsdaten beispiels- weise, dass auch soziale Unterschiede bei der Bewertung der Daten eine Rolle spielen. Klä- rung all dieser potenziellen Einflussfaktoren können hier womöglich nur empirische Un- tersuchungen schaffen. Eine derartige systematische Erhebung ist folglich auch in Bezug auf die hier diskutierten Daten sicherlich ein Desiderat, das im Rahmen dieser Untersu- chung jedoch nicht geleistet werden kann. An Stellen, an denen (empirisch) belegte Annah- men in der Literatur vorliegen, wird auf diese verwiesen. Auch wenn keine empirische Un- tersuchung geleistet werden kann, formuliert der hier vorgestellte Ansatz jedoch konkrete

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Obwohl auch zu diesen Daten zahlreiche syntaktische Ansätze entwickelt worden sind, scheinen die für die Extraktion aus ihrem dass-Komple- ment durchlässigen Brückenverben und undurchlässigen Non-Brücken- verben jedoch die Entwicklung non-struktureller Erklärungsmodelle (un)zulässiger Extraktionsdomänen4zu motivieren.

Nach Motivation der in dieser Arbeit zur Ableitung von Daten wie in (2) eingeschlagenendiskurssemantischenPerspektive in Abschnitt 2 wird in Abschnitt 3 eine Analyse vorgestellt, die die (In)akzeptabilität der Fra- gen auf die (in)adäquate Erfüllung ihrer diskursstrukturellen Funktion zurückführt. Der hier vertretene Ansatz steht in der Tradition von non- strukturellen Extraktionstheorien, die im Vergleich zu syntaktischen An- sätzen nur einen kleinen Teil der bestehenden Zugänge ausmachen. Es wird argumentiert, dass Fragen wie in (2b) mit dem Erfragen eines dis- kursbekannten Sachverhalts gegen eine Verwendungsbedingung von (Standard-) (Ergänzungs-)Fragen verstoßen. Zur Vorbereitung der aus dieser Annahme resultierenden Einstufung der inakzeptablen Fragen aus (2b) als uninformative Operationen im Diskurs in Abschnitt 3.3 werden in Abschnitt 3.1 die für die Analyse relevanten Annahmen der zugrunde- gelegten Diskursmodellierung nach Stalnaker (1978) sowie der verwen- deten Partitionstheorieder Fragesemantik (Higginbotham & May 1981, Groenendijk & Stokhof 1984, 1997, Higginbotham 1991, 1996) einge- führt, um die mit Ergänzungsfragen assoziierte Diskursfunktion zu be- stimmen. In Abschnitt 3.2 wird mit dem Merkmal der Diskursentschie- denheit der Nebensatzproposition (nach Farkas 2003) der die Semantik der Verben bzw. Komplementsätze betreffende Faktor, auf den der Kon- trast zurückgeführt wird, isoliert. In Abschnitt 4 wird mit einer feinglied- rigeren Analyse der Frageillokution bzw. -intention sprachliche Evidenz sowohl für die in Abschnitt 3.3 im Speziellen vorgeschlagene Ableitung

Hypothesen, womit die essenzielle Voraussetzung einer jeden experimentellen Studie vor- liegt. Bei allen Forderungen und Wünschen nach empirischer Überprüfung sei an dieser Stelle jedoch ebenso auf die Diskussion namhafter Linguisten inTheoretical Linguistics33 (3) (2007) zum Für, Wider und der ebenso in Betracht zu ziehenden Problematik derartiger Untersuchungen hingewiesen.

Die für die hier vorgestellte Analyse zugrundegelegten Daten stammen aus informellen Befragungen meines Umfeldes zur Zeit der Beschäftigung mit dem Thema, wie sie jeder theoretisch arbeitende Linguist einholt. Es handelt sich aus diesem Grund vornehmlich um Urteile von Sprechern, die zu der Zeit im westdeutschen Raum (Nordrhein-Westfalen: Nie- derrhein, Köln(er) (Raum), Bergisches Land) lebten. Die Herkunft der konsultierten Spre- cher war dennoch diverser. Die meisten stammten zwar auch gebürtig aus dem westdeut- schen Raum, es befanden sich aber genauso Sprecher aus Hessen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein unter ihnen.

4. Vgl. die semantischen und informationsstrukturellen Ansätze zur Beschränkung der Ex- traktion von z. B. Erteschik-Shir (1973, 2007), Kluender (1991), Szabolcsi & Zwarts (1993), De Kuthy (2002), Truswell (2007) und Abrusa´n (2008).

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als auch für die prinzipielle Annahme einer diskurssemantischen Analyse angeführt, bevor die Ergebnisse in Abschnitt 5 zusammengefasst und weiterführende Implikationen des hier vorgestellten Ansatzes beleuchtet werden.

2. Motivation für einen diskursstrukturellen Zugang

Da im Rahmen dieses Aufsatzes keine ausführliche Darstellung und Dis- kussion der bisherigen Forschung zum Phänomen der Brückenverben erfolgen kann, werden im Folgenden im Rahmen der Motivation der gewählten Perspektive (vgl. Abschnitt 3) nur einige Aspekte existierender Ansätze skizziert und hinterfragt.5

Das Phänomen der Brückenverben ist bis dato sowohl aus syntakti- scher als auch semantischer sowie informationsstruktureller Perspektive betrachtet worden. Die zahlreichen syntaktischen Ansätze lassen sich letztlich in drei Klassen einordnen: Eine erste Klasse von Ansätzen argu- mentiert, dass Sätzen, die von Brückenverben eingebettet werden, eine NP-Struktur zugrundeliegt (vgl. z. B. Kiparsky & Kiparsky 1970, Pütz 1975, Cattell 1978) und leitet die Inakzeptabilität mancher Extraktions- strukturen unter Bezug auf Ross’ (1967)Complex NP Constraintab. Eine zweite Klasse von Ansätzen macht die Anbindung der Extraktionsdo- mäne in den Gesamtverlauf der Derivation für ihre (Un)durchlässigkeit verantwortlich. Es wurde dafür argumentiert, den “Komplementen” von Non-Brückenverben ihren Komplement- bzw. sogar Argumentstatus ab- zusprechen (vgl. z. B. Stowell 1981, 1986, Fukui 1986, Cinque 1990, De- piante 1993). Im Rahmen dieser Argumentation erfolgt eine Ableitung der Daten unter Bezug auf Huangs (1982)Condition on Extraction Do- mains, die für transparente Extraktionsdomänen derenstrikte Regiertheit fordert. In Analysen dieser zweiten Klasse, die den “Integrationsgrad”

und somit letztlich die Beziehung zwischen V0 und der Extraktionsdo- mäne für die Extraktionsmöglichkeit verantwortlich machen, fallen i.w.S. auch die Arbeiten Müllers (1991, 1995) und Müller & Sternefelds (1995), die zwar keinen Unterschied in der syntaktischen Selektion zwi- schen Komplementen von (Non-) Brückenverben sehen, aber unter- schiedliche m(orphologisch)-selektionale Eigenschaften des Verbs anset- zen. Eine dritte Klasse von Ansätzen nimmt Bezug auf die fehlende Ver- fügbarkeit der eingebetteten Spec CP-Position unter Auftreten von Non- Brückenverben, die dadurch begründet wird, dass entweder andere Prin- zipien verletzt würden (z. B. Fanselow 1987, De Cuba 2006), die Position

5. Für eine detaillierte Darstellung und Diskussion der Forschung zu diesem Phänomen- bereich vgl. Müller (2011: 21110).

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in der Struktur gar nicht vorhanden (z. B. Basse 2008) oder bereits gefüllt sei (z. B. Rizzi 1990, Manzini 1992). Machen Autoren die Extraktions- möglichkeit von der Verfügbarkeit der Zwischenlandung in Spec CP ab- hängig, erfolgt die Ableitung (un)zulässiger Extraktionen basierend auf (einer Form) derSubjazenzbedingungChomskys (1973, 1977).

Wie dieser kurze Blick auf syntaktische Ansätze zeigt, besteht das Vor- gehen derartiger Zugänge darin, das Phänomen in bestehende und ak- zeptierte Analysen zu integrieren. Dieses Vorgehen erfolgt nicht zuletzt aufgrund des Erkenntnisinteresses syntaktischer Theoriebildung, es er- öffnet für eine Ableitung des Phänomens der Brückenverben aber auch einen der Hauptkritikpunkte an einer syntaktischen Analyse der Daten.

Da manche Ansätze ihre je nach Hauptsatzverb angenommenen struktu- rellen Konfigurationen gar nicht oder nur empirisch zweifelhaft motivie- ren, sehen sie sich dem Vorwurf der Stipulation ausgesetzt.6Syntaktische Ansätze, denen der Vorwurf der Stipulation nicht gemacht werden kann (z. B. Kiparsky & Kiparsky 1970, Hegarty 1990, De Cuba 2006, Basse 2008), leiten ihre syntaktischen Strukturannahmen gerade aus bestimm- ten semantischen Gegebenheiten ab. Will eine syntaktische Analyse den Datenbereich nicht durch stipulierte Zusatzannahmen auffangen, ist die Bestimmung der beteiligten Bedeutungsanteile nicht zu umgehen.

Es wird sich darüber hinaus zeigen, dass die hier betrachteten Extrak- tionsdaten kontextuell beeinflusst werden können. Dies wäre unter der Annahme einer rein syntaktischen Beschränkung ein merkwürdiger Ne- beneffekt.

Im Gegensatz zu syntaktischen Ansätzen beschäftigen sich Arbeiten, die Informationsstruktur und Semantik ins Zentrum stellen, mit den Be- deutungskomponenten der beteiligten Verben. Informationsstrukturell werden zur Erfassung des Einflusses der Brückenverben auf Extrak- tionsstrukturen z. B. Kriterien wie semantisches Gewicht (Erteschik-Shir 1973), (aspektuelle)Fokussierung(Erteschik-Shir 1997, 2007),Referenzia- lität (Kluender 1991) oder die semantische Komplexität von Prädikaten (Featherston 2004) angeführt. Die in Erteschik-Shir (1973) entwickelte Extraktionstheorie⫺eine Arbeit, die schon früh auf die Rolle non-struk- tureller Einflussfaktoren aufmerksam macht⫺basiert auf der Annahme, dass Teile eines Satzes mehr oder wenigerdominantsein können und die Extraktion nur aus dominanten Bereichen heraus erfolgen kann. Für Matrixverben, die dass-Sätze einbetten, gilt, dass ihresemantische Kom- plexitätfür den Grad der Dominanz des Nebensatzes verantwortlich ist.

Bei semantisch komplexer Matrix ist der Nebensatz weniger dominant als bei semantisch wenig komplexer Matrix. Im letzteren Fall wird das

6. Vgl. Müller (2011: 5762) zu konkreten Beispielen.

(6)

Gewicht in den Nebensatz verschoben. Die Korrelation zwischen seman- tischer Dominanz und Extraktionsdurchlässigkeit wird z. B. durch den Lügetest nachgewiesen: Nur semantisch dominante Teile eines Satzes können abgelehnt werden.

Die Kritik, die diesen Ansatz trifft, ist stellvertretend für alle anderen hier angeführten informationsstrukturellen Zugänge. Das Konzept der semantischen Komplexität scheint vage und wenig transparent, da es⫺ wie auch schon von Erteschik-Shir zugestanden⫺nur schwer genau zu bestimmen ist. Für das Verfolgen eines solchen Zugangs ergibt sich die Notwendigkeit einer elaborierten Theorie der lexikalischen Dekomposi- tion, um Bedeutungsrelationen und -differenzen zwischen extraktions- (un)durchlässigen Matrixprädikaten präzise ausmachen zu können. Eine Präzisierung der relevanten Bedeutungsanteile und eine daraus resultie- rende klare(re) Klassenzuweisung unter Angabe eines testbaren semanti- schen Merkmals wäre folglich wünschenswert.

Neben der Isolation von Bedeutungsanteilen ist der informations- strukturellen Beschäftigung ebenfalls als wichtige Erkenntnis zu verdan- ken, dass nicht ausschließlich inhärente, absolute Kategorien, sondern auch die konkrete Äußerungssituation die Akzeptabilität der Extrak- tionsstrukturen beeinflussen kann. Erteschik-Shir (2006: 290) führt bei- spielsweise die Extraktion in (3) an, für die sie annimmt, dass die Bewe- gung über lispeln aufgrund des Eigennamens Truman Capote erfolgen kann, weil für diese Person bekannt ist, dass sie lispelte. Dadurch werde dem Verb seine Komplexität determinierende Bedeutungskomponente genommen und seine Bedeutung werde auf die Bedeutung des Sagens re- duziert.

(3) ?What did Truman Capote lisp that he’d do?

Während für ältere korpusorientierte semantische Arbeiten wie Kvam (1983), Andersson & Kvam (1984) und Lühr (1988) ebenfalls gilt, dass in die Charakterisierung (un)durchlässiger Hauptsatzverben wenig scharfe Kriterien eingehen (vgl. z. B. psychologische Verben, Einstellung gegen- über der Proposition,Internalisierung eines Sachverhalts), können existie- rende theoretisch-semantische Ansätze dagegen deutlich präzisere Be- schreibungen leisten: Cattell (1978) führt klar definierte Verbklassen an, Truswell (2007) analysiert die Ereignisstruktur der Sätze, Comorovski (1996) und Abrusa´n (2008) argumentieren über die mit w-Fragen assozi- ierten Präsuppositionen bezüglich ihrer Antworten bzw. Beantwortbar- keit und Szabolcsi & Zwarts (1993) untersuchen die algebraischen Struk- turen der bewegten Elemente und Extraktionsdomänen.

Die Frage, die aber (zumindest in den semantischen Ansätzen von Truswell und Cattell) offen bleibt, ist die nach dem Grund, d. h.warum

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die angeführten Kriterien negativen Einfluss auf die Extraktionsmöglich- keiten nehmen.

Ziel der im Weiteren verfolgten diskurssemantischen Analyse extrak- tions(un)durchlässigerdass-Komplementsätze ist es, für die an den obi- gen Zugängen prinzipiell bzw. konkret geübte Kritik aufzukommen und sich gleichzeitig die mit diesen bereits gewonnenen Erkenntnisse so zu Nutze zu machen. Bei der der Analyse zugrundeliegenden Annahme han- delt es sich letztlich um eine pragmatische Perspektive, da untersucht wird, welche Funktion Ergänzungsfragen im Diskurs zu erfüllen haben und wie diese Funktion in den weniger akzeptablen Extraktionen aus dass-Sätzen erfüllt wird. Das Stellen von w-Fragen dient im Diskurs ei- nem kommunikativen Zweck: Teilnehmer einer Konversation weisen un- terschiedliche Wissensstände auf und tauschen Informationen aus. Ein Instrumentarium dieses Austauschs ist das Stellen und das Beantworten einer Frage. Es soll gezeigt werden, dass ein diskursstrukturelles Modell ein gutes Instrumentarium bereit stellt, um Matrixverben zu analysieren und einen konkreten, durch Tests nachweisbaren Faktor auszumachen.

Ferner soll gezeigt werden, dass ein solches Modell auch geeignet ist, das aufgedeckte Kriterium mit der Funktion von w-Fragen in Verbindung zu bringen, d. h. durch die Argumentation über die mit w-Fragen assoziierte Diskursfunktion wird eine Motivation der Beeinflussung durch den an- genommenen semantischen Faktor möglich. Da jedes Verb im Diskurs eine Funktion erfüllt, bietet das gewählte Vorgehen darüber hinaus die Möglichkeit, eine Vielzahl von Verben zu vergleichen. Bestehende engli- sche Ansätze (vgl. z. B. Erteschik-Shir 1973, 2007, Kluender 1991) fokus- sieren dagegen oftmals allein den Unterschied zwischen reinen Sagens- verben und Verben, die die Art des Sagens näher spezifizieren. Ebenfalls soll gezeigt werden, dass Strukturen auch kontextuell in ihrer Akzepta- bilität zu beeinflussen sind, d. h. Aspekte wie Frageintentionen und Sprecherwissen können Einfluss auf die Akzeptabilität der hier betrach- teten Extraktionsstrukturen nehmen.

3. Ein diskurssemantischer Ansatz

Bevor für die inakzeptablen Extraktionsstrukturen in Abschnitt 3.3 eine Verletzung der Verwendungsbedingung von (Ergänzungs-)fragen nachge- wiesen wird und sie letztlich alsuninformative Diskursoperationenbewer- tet werden, werden in Abschnitt 3.1 zur Vorbereitung dieser Ableitung Hintergrundannahmen zur formalen Modellierung von Kontexten, zum Einfluss verschiedener Äußerungen auf Kontexte sowie in Abschnitt 3.2 zur Semantik der relevanten Klassen von Hauptsatzverben eingeführt.

Entscheidend ist in diesen beiden Abschnitten die Bestimmung des Effek-

(8)

tes, den die Extraktionsstrukturen auf den Kontext ausüben, sowie die Einführung des Merkmals des Diskursentschiedenheit mancher durch dass-Sätze ausgedrückter Propositionen.

3.1. Kontexte und ihre formale Modellierung

Phänomene wie die Interpretation deiktischer Ausdrücke oder Korefe- renzbeziehungen lehren, dass sprachliche Äußerungen nicht isoliert erfol- gen, sondern im Kontext, d. h. z. B. unter Beteiligung bestimmter Perso- nen (Sprecher, Adressat), die geprägt sind durch ihre Weltanschauungen und ihre Annahmen über das Thema der Konversation. Sätze werden durch ihre Äußerung zum Teil des Kontextes und können somit von vorangegangenen Äußerungen abhängen und selbst die Interpretation anderer Sätze beeinflussen. Bei einemDiskurshandelt es sich dieser An- sicht nach um eine Sequenz von Informationszuständen. Jeder Äuße- rungskontext stellt einen bestimmten Informationszustand dar, der durch die Äußerungen der Gesprächsteilnehmer verändert wird. Die Be- deutung einer sprachlichen Äußerung wird unter einer solchen Perspek- tive nicht allein durch die wahrheitsfunktionalen Bedingungen, denen sie unterliegt, bestimmt, sondern durch ihren Einfluss auf den Kontext einer Konversation (⫽ihrKontextwechselpotential).

Seit Stalnaker (1978) sind verschiedene Annahmen zu einer formalen Repräsentation von Äußerungskontexten gemacht worden (vgl. z. B.

Giannakidou 1998, Bartels 1999, Farkas 2003). Das in allen diesen Ar- beiten zentrale Konzept in der Charakterisierung eines Kontextes ist der Common Ground(CG) als die Menge von Propositionen, die die von den Diskursteilnehmern bewusst geteilten Überzeugungen darstellen. Model- liert man diese Annahmen im Rahmen der Mögliche-Welten-Semantik, korrespondiert dem CG dieKontextmenge (CS) [context set] als Menge der Welten, in denen alle CG-Propositionen wahr sind.

Stalnaker (1978: 322) schreibt über den Sinn und Zweck der Beteili- gung eines Gesprächsteilnehmers an einer Konversation: “To engage in a conversation is, essentially, to distinguish among alternative possible ways that things may be. The purpose of expressing propositions is to make such distinctions.” Im Rahmen des oben beschriebenen Modells bedeutet das, die Welt zu bestimmen, über die geredet wird, indem man herausfindet, durch welche Propositionen sie zu charakterisieren ist. Das gelingt durch die Anhäufung von CG-Information und die dadurch pa- rallel eingeleitete Alternativenreduktion im CS.7Verschiedene Äußerun-

7. Da man eine Welt erst mit ganzer Sicherheit als die gesuchte identifiziert hat, wenn man alle Propositionen, die in dieser Welt wahr sind, kennt, kann man sich diesem Idealzustand wahrscheinlich nur durch den Ausschluss von mit den Propositionen des CG inkompatib- len Welten aus der Kontextmenge nähern.

(9)

gen können unterschiedlich Einfluss auf CG und CS nehmen und kom- men dem von Stalnaker formulierten Ziel von Kommunikation deshalb auch auf verschiedenen Wegen nach.

3.1.1. Selbständige Sätze: Assertionen und Ergänzungsfragen. Wird eine Assertion wie z. B. [p1 Der Chef entlässt Paul.] getätigt, wird ⫺ sofern von den Beteiligten akzeptiert ⫺p1dem vor der Äußerung (Eingangs- kontext [EK]) bestehenden CG hinzugefügt. Die im CG enthaltenen In- formationen werden aktualisiert und ein abgeleiteter CG⬘ entsteht im Ausgangskontext (AK). Im gleichen Zuge entsteht auch ein neues CS⬘, das nur noch diejenigen Welten enthält, die mit dem neuen CG verträg- lich sind (vgl. [4]).

(4) EK AK

CG⫽{ } CG⬘ ⫽CG ∪{p1}

CS⫽W8 ⫽{ }∪{p1}

⫽{p1}

CS⬘ ⫽CS∩{w

W | p1(w)⫽1}

Während Assertionen auf direktem Wege dazu dienen, den CG anzurei- chern und die Kontextmenge zu reduzieren, können Ergänzungsfragen wie z. B. Wen entlässt der Chef?diese Aufgabe nurindirekterfüllen: Die Frage selbst eröffnet eine (begrenzte) Anzahl von Alternativen, d. h. sie gibt mögliche Kontextwechsel vor; die folgende Antwort in Form einer Assertion reduziert diese Möglichkeiten. Wie die Kontextfortführungen bzw. Alternativantworten genau aussehen, hängt von der zugrundegeleg- ten Fragesemantik ab. Nach derPartitionstheorie(Higginbotham & May 1981, Groenendijk & Stokhof 1984, 1997, Higginbotham 1991, 1993) ist der durch eine Frage eröffnete Antwortraum in Form einer Partition strukturiert.9

Vor dem (aus Darstellungsgründen eingeschränkten) Diskursuniver- sum D ⫽{Hans, Fritz} eröffnet die FrageWen entlässt der Chef?dann den Antwortraum in (5). Jede Zelle entspricht hier einer Proposition, die eine möglichekomplette Antwortdarstellt.

8. Die Darstellung geht hier davon aus, dass die Beteiligten (bevor eine Äußerung getätigt wurde) keine Überzeugungen teilen bzw. dies nicht voneinander wissen. Damit geht keiner- lei Restriktion der in Frage kommenden Welten einher. Diese Annahme ist als Idealisierung zu verstehen. In einer natürlichen Kommunikationssituation ist der CG aufgrund von be- wusst geteilten Wissens allgemeiner Natur vermutlich nie völlig leer.

9. Eine Partition ist definiert wie in (i).

(i) Wenn A eine nichtleere Menge ist, dann ist eine Zerlegung von A eine Klasse von nichtleeren Teilmengen von A, so dass

1. für je zwei verschiedene Teilmengen X und Y XYØ und

2. die Vereinigung aller Teilmengen aus der Klasse gleich A ist. Wall (1973: 193)

(10)

(5) dass der Chef Hans, Fritz entlässt ⫽p1

dass der Chef Hans,ÿFritz entlässt ⫽p2 dass der ChefÿHans, Fritz entlässt ⫽p3

dass der ChefÿHans,ÿFritz entlässt ⫽p4

Bei dem durch die w-Frage eingeleiteten Kontextwechsel (vgl. [6]) wird der CG um eine der vier möglichen Antworten erweitert, das CS kann auf entsprechend viele Weisen verändert werden. Wenn eine (im besten Fall komplette) Antwort gegeben wird, schließt sich ein assertiver Kon- textwechsel an.

(6) EK AK

CG⫽{ } CG⬘ ⫽CG∪{p1} ∨

CS ⫽W CG∪{p2} ∨

CG∪{p3} ∨ CG∪{p4}

CS⬘ ⫽CS∩{w

W | p1(w)⫽1}∨ CS∩{w

W | p2(w)⫽1}∨ CS∩{w

W | p3(w)⫽1}∨ CS∩{w

W | p4(w)⫽1}

3.1.2. Informativität. Für die Angemessenheit von Propositionen im Kontext wird gefordert, dass sieinformativ sind (vgl. z. B. Büring 1997:

25). Mit dem Hinzufügen einer Proposition soll sich der Informationszu- stand des Diskurses verändern, d. h. es soll zu einem Informationswachs- tum im CG und als Folge dessen zu einer Alternativenreduktion im CS kommen. In diesem Sinne ist eine Proposition in einem Kontext nicht informativ, wenn die Kontextmenge trotz Aktualisierung unverändert bleibt.

Die Forderung nach der Informativität einer Proposition im Kontext wird in Farkas (2003) über das Konzept derEntschiedenheit(decidedness) ausgeführt. Ein Satz (mit propositionalem Inhalt p) kann nach der Defi- nition in (7) relativ zu einer Menge von Weltenunentschiedenoder ent- schiedensein. Ein Satz ist relativ zu einer Menge von Welten entschieden, entweder wenn er in diesen Welten wahr ist (positiv entschieden) oder wenn er in keiner dieser Welten wahr ist (negativ entschieden) und unent- schieden, wenn er weder positiv noch negativ entschieden ist, d. h. wenn weder klar ist, dass der Satz in diesen Welten wahr, noch dass er in diesen Welten falsch ist.

(11)

(7) Let Wibe a set of worlds, and S a sentence with propositional content p,

a. S is positively decided in Wiiff Wi

p b. S is negatively decided in Wiiff Wi∩p⫽Ø

c. S is decided in Wiiff either (a) or (b); otherwise S is unde-

cided in Wi. Farkas (2003: 6)

Für eine informative Assertion gilt, dass der Satz relativ zum EK unent- schieden, relativ zum AK entschieden sein muss. Wäre bereits vor der Äußerung einer Assertion bekannt, dass die ausgedrückte Proposition im CS wahr (affirmativer Fall) bzw. falsch (negierter Fall) ist, würde der durch ihre Äußerung ausgelöste Kontextwechsel keine Kontextverände- rung bewirken. Analog sollte eine (w-)Frage keine der Möglichkeiten eröffnen, die schon als entschieden gelten. Unter Kohärenz des Diskurses könnte sich in diesem Fall nur ein uninformativer assertiver Kontext- wechsel anschließen.10

3.1.3. Mehrstufige Kontextwechsel bei komplexen Sätzen. Wird ein komplexer Satz wie (8b) in den Kontext eingeführt, führt dieser im Ver- gleich mit (8a) eine weitere Kontextebene ein.

(8) a. [p1Der Chef entlässt Hans].

b. [p1Peter meint, [p2dass der Chef Hans entlässt]].

Der Kontextwechsel findet in (8b) einerseits auf der Ebene des Haupt- kontextesstatt, in den eingeführt wird, dass Peter diesen Glaubensinhalt hat (p1), und andererseits auf der Ebene eineseingebetteten Kontextes, der durch das Matrixsystem spezifiziert wird, d. h. hier durch das Glau- benssystem Peters, bei anderen Hauptsatzverben durch die jeweils von ihnen denotierten Systeme. Dieser Auffassung liegt die Idee zugrunde, dass man ⫺ parallel des Zusammenhangs zwischen CG und CS ⫺ die Glaubens- (oder z. B. Traum-/Sagens-/Wissensinhalte) des Matrixsub- jektreferenten durch eine Menge von Propositionen darstellen kann, de- nen entsprechende Glaubens- (bzw. analog Traum-/Sagens-/Wis- sens-)welten korrespondieren, d. h. Welten, in denen wahr ist, was Peter meint (bzw. träumt/sagt/weiß).11Analog zum Kontextwechsel einfacher

10. Wird die Kohärenz nicht bewahrt, entsteht im CG eine inkompatible Propositionenmenge, was zur im Rahmen einer Konversation unerwünschten vollständigen Reduktion der Kon- textmenge führt (vgl. z. B. Büring 1997: 25, der diesen Aspekt neben der Informativität von Propositionen ebenfalls zu ihrer Angemessenheit im Kontext zählt).

11. Vgl. z. B. Giannakidou (1998) zum Konzept desModells. Vgl. auch Farkas (1992) zurindi- viduellen Verankerungvon Propositionen.

(12)

Assertionen lässt sich das Kontextwechselpotential einesverbum putandi wiemeinen dadurch charakterisieren, dass mit p2die Menge der Glau- bensinhalte D eines Individuums i in einer Welt w (Propositionenmenge Di,w) (hier Peter in w0) angereichert wird und dadurch die Menge mögli- cher Glaubenswelten von i (Weltenmenge Di,w) reduziert wird (vgl. [9]).12

(9) EK AK

Di,w⫽{ } D⬘i,w ⫽{p2}

Di,w⫽W D⬘i,w ⫽Di,w∩{w

W | p2(w)⫽1}

Die Konsequenz für die Untersuchung des Entschiedenheitsverhältnisses sowie der Forderung nach Informativität ist, dass sich die zu betrachten- den Fälle vervielfachen. Berücksichtigt werden müssen der Gesamtsatz, der Nebensatz, der Hauptkontext vor und nach der Äußerung sowie das Matrixsystem vor und nach der Äußerung. Für die für die Äußerung von (8b) in (10) durchgespielten Verhältnisse gilt z. B., dass sich der Gesamt- satz positiv relativ zum CS entscheidet (vgl. [11a]), dass sich die eingebet- tete Proposition relativ zu Peters Glaubenswelten entscheidet (vgl. [11b]) und dass die Nebensatzproposition relativ zum CS in allen Diskurssta- dien unentschieden ist (vgl. [11c]).13

(10) Entschiedenheitsverhältnisse aus (8b)

Di,w D⬘i,w CS CS⬘

Gesamtsatz ⫺ ⫹

Nebensatz ⫺ ⫹ ⫺ ⫺

(11) a. Peter meint, dass der Chef Hans entlässt, #aber es ist falsch, dass Peter meint, dass der Chef Hans entlässt.

b. Peter meint, dass der Chef Hans entlässt, #aber Peter hält nicht für wahr, dass der Chef Hans entlässt.

c. Peter meint, dass der Chef Hans entlässt, aber da liegt er falsch, denn der Chef entlässt Hans nicht/und es ist in der Tat wahr, dass der Chef Hans entlässt.

12. Im Folgenden treten i (Individuum) und w (Welt) alsSubscript auf, wenn es sich um die Darstellung von Propositionenmengen handelt, und alsSuperscript, wenn es sich um die Darstellung von Weltenmengen handelt.

13. Eine negative Spezifikation steht im Folgenden stets für den Zustandunentschieden, nicht für die negative Entschiedenheitim Sinne von ‘falsch in der betrachteten Menge von Welten’.

(13)

Genauso wie für informative selbständige Assertionen gilt, dass sie rela- tiv zum CS unentschieden, relativ zum CS⬘entschieden sein sollten, gilt auch für die durch dass-Sätze ausgedrückten Propositionen in komple- xen Sätzen, dass sie relativ zum eingebetteten Kontext vor der Äußerung (hier Di,w) unentschieden und relativ zum eingebetteten Kontext nach der Äußerung (hier D⬘i,w) entschieden sein sollten, damit der durch das Prädikat ausgelöste Kontextwechsel informativ ist. Befinden sich in der Menge der noch zur Verfügung stehenden Glaubenswelten im EK bereits nur Welten, in denen die Proposition des Nebensatzes wahr ist, ändert die Hinzufügung der Proposition nichts an diesem eingebetteten Kon- text.

Auch für den durch die Erfragung einer Konstituente aus einemdass- Satz ausgelösten Kontextwechsel gilt, dass Kontextwechsel auf verschie- denen Ebenen stattfinden. Mit der Äußerung von (12) fragt ein Sprecher nach der genauen Gestalt des Glaubensinhaltes eines Individuums na- mens Peter, der den Sachverhalt betrifft, dass der Chef (möglicherweise) eine Entlassung vornimmt.

(12) Wen meint Peter, dass der Chef entlässt?, D ⫽{Hans, Fritz}

Für das eingebettete System stellt sich die Frage, welche der möglichen Alternativpropositionen in die Menge der Glaubensinhalte Peters aufge- nommen (und welche Glaubenswelten eliminiert) werden, d. h. Peter glaubt eine Proposition aus (13b). Im Gesamtkontext stellt sich parallel die Frage, welche Glaubenswelt Peters in der von den Diskursteilneh- mern gesuchten Welt Gültigkeit beansprucht, d. h. welche Alternative aus (13a) der Fall ist.14

(13) a. Partition des Hauptkontextes

dass Peter meint, dass der Chef Hans, Fritz entlässt ⫽p5

dass Peter meint, dass der Chef Hans,ÿFritz entlässt ⫽p6 dass Peter meint, dass der ChefÿHans, Fritz entlässt ⫽p7

dass Peter meint, dass der ChefÿHans,ÿFritz entlässt ⫽p8

14. Bei der der Frage durch die Annahme dieses Kontextwechsels zugeschriebenen Bedeutung handelt es sich nicht um die einzig mögliche Lesart derartiger Extraktionsstrukturen. Die Annahme dieser Bedeutungszuschreibung wird in Abschnitt 4.3 detaillierter diskutiert. Der kritische Leser sei auf diesen Abschnitt verwiesen und die Argumentation für den Moment unter Annahme dieser Bedeutung der Frage fortgesetzt.

(14)

b. Partition des doxastischen Systems

dass der Chef Hans, Fritz entlässt ⫽p1 dass der Chef Hans,ÿFritz entlässt ⫽p2

dass der ChefÿHans, Fritz entlässt ⫽p3 dass der ChefÿHans,ÿFritz entlässt ⫽p4

(14) repräsentiert die auf den zwei Ebenen stattfindenden (aber Paralleli- tät voraussetzenden) Kontextwechsel.

Hauptkontext Peters Glaubenssystem

(14)

CG { } Di,w { }

CS W Di,w W

CG⬘ ⫽ CG{p5} Di,wDi,w{p1} CG{p6} Di,w{p2} CG{p7} Di,w{p3}

CG{p8} Di,w{p4}

CS⬘ ⫽ CS{wW | p5(w)1} Di,wDi,w{wW | p1(w)1} CS{wW | p6(w)1} Di,w{wW | p2(w)1} CS{wW | p7(w)1} Di,w{wW | p3(w)1} CS{wW | p8(w)1} Di,w{wW | p4(w)1}

3.2. Einfluss des Matrixverbs

Wie eingangs illustriert, nehmen die auftretenden Matrixverben Einfluss auf den Akzeptabilitätsstatus der bei der Extraktion ausdass-Komple- mentsätzen resultierenden Strukturen. (2a) und (2b) (hier wiederholt in [15]) zeigen auf, dass sich eine Degradierung der Fragen einstellt, wenn die Extraktion aus den Komplementen vonecht faktiven15undimplikati- venVerben erfolgt.16

(15) a. Wen meint/sagt/hofft/wünscht Peter (sich), [dass der Chef wen entlässt]?

b. ??Wen ignoriert/verursacht Peter, [dass der Chef wen ent- lässt]?

15. Zum Einfluss so genannterschwach faktiver Verben(Seuren 1991) vgl. Müller (2011: 144 148, 163167).

16. Zahlreiche andere Ansätze argumentieren für den negativen Einfluss faktiver Verben auf die Extraktion ausdass-Komplementsätzen, vgl. z. B. Rizzi (1990), De Cuba (2006), Trus- well (2007), Abrusa´n (2008). Zu einer experimentellen Studie, die den negativen Einfluss faktiver Verben im Englischen bestätigen kann, vgl. Ambridge & Goldberg (2008: 374).

(15)

In (15a) sind verba dicendi (sagen), verba putandi (meinen) und volitive Verben(hoffen,sich wünschen) beteiligt, in (15b) treten einfaktives(igno- rieren) und ein implikatives (verursachen) Verb auf. Faktive Verben prä- supponierenihr Komplement, implikative Verbenimplizierenihr Komple- ment. Wie der Negationstest, bei dem es sich um einen der klassischen Präsuppositionstests handelt, in (16) und (17) illustriert, setzen erstere Matrixprädikate die Wahrheit der Nebensatzproposition voraus, wäh- rend die Wahrheit der Nebensatzproposition bei letzteren Prädikaten aus der Wahrheit des Gesamtsatzes folgt.

(16) a. Peter ignoriert, dass der Chef Paul entlässt.JDer Chef ent- lässt Paul.

b. Peter ignoriert nicht, dass der Chef Paul entlässt. J Der Chef entlässt Paul.

(17) a. Peter verursacht, dass der Chef Paul entlässt. J Der Chef entlässt Paul.

b. Peter verursacht nicht, dass der Chef Paul entlässt. /J Der Chef entlässt Paul.

Für die guten Extraktionsverben aus (15a) gilt hingegen, dass sie ihr Komplement weder präsupponieren noch implizieren (vgl. [18]).

(18) Peter sagt/hofft/wünscht sich (nicht), dass der Chef Paul entlässt.

/

JDer Chef entlässt Paul.

Die für faktive Verben charakteristische Präsupposition des in ihrem dass-Komplement ausgedrückten Sachverhalts entspricht in der hier ver- folgten Modellierung Farkas’ (2003) der positiven Entschiedenheit der Nebensatzproposition im Hauptkontext im EK. D. h. im CS können sich nur Welten befinden, in denen die Nebensatzproposition wahr ist (vgl.

Heim 1992: 186, Kadmon 2001: 14, Farkas 2003: 4 für eine derartige Auslegung von Präsuppositionen im Rahmen des unter ihrer Beteiligung induzierten Kontextwechsels).17

17. Aufgrund des Phänomens derAkkomodationvon Präsuppositionen (vgl. z. B. Stalnaker 1974: 202, Lewis 1979: 340) ist diese Auslegung von Präsuppositionen eigentlich zu eng.

Der relevante Kontext für die Erfüllung der Präsupposition entspricht genauer dem Kon- text, in dem der Gesamtsatz entschieden ist. Hierbei muss es sich aber nicht notwendiger- weise um den Kontextvorder Äußerung des die Präsupposition enthaltenden Satzes han- deln (vgl. z. B. Stalnaker 2002: 710). Für den Moment sei es bei der (idealisierten) Darstel- lung des Standardauftretens von Präsuppositionen belassen. Zu ihrer informativen Ver- wendung vgl. Fn. 22.

(16)

(19) [p1Peter ignoriert, [p2dass der Chef Paul entlässt]].

Der durch die Äußerung von z. B. (19) auf die beteiligten Kontexte aus- gelöste Effekt (vgl. (20)) besteht darin, dass p2in Peters Ignorierenssys- tem hinzugefügt wird. Danach werden aus diesem System alle Welten entfernt, in denen p2nicht gilt, d. h. p2entscheidet sich hinsichtlich des eingebetteten Systems positiv. Ebenfalls wird der Gesamtsatz im CS⬘po- sitiv entschieden, d. h. in der aktualisierten Kontextmenge befinden sich nur Welten, in denen p1wahr ist. Für die Proposition p2gilt ferner, dass sie im CS⬘ positiv entschieden ist. Dies ist kein Resultat des Kontext- wechsels, sondern gilt ebenfalls bereits im CS und ist eine Voraussetzung für eine sinnvolle Äußerung des Satzes in (19) (vgl. (20)).

Hauptkontext Peters Ignorierenswelten

(20)

EK a. CG{p2} a. Ii,w{ } b. CS{wW | p2(w)1} b. Ii,wCS

c. CSp2 c. Ii,wp2

d. CSp1

AK a. CG⬘ ⫽CG{p1} a. Ii,wIi,w{p2}

{p1,p2} {p2}

b. CS⬘ ⫽CS{wW | p1(w)1} b. Ii,wIi,w{wCS | p2(w)1}

c. CSp1 c. Ii,wp2 d. CSp2

Eine Lesart, in der in den Welten, in denen Peter ignoriert, dass der Chef Paul entlässt, p2 nicht gilt, ist nicht denkbar. Die gleichen Verhältnisse stellen sich bei weiteren dieser Klasse von Prädikaten zugerechneten Exemplaren ein, wie z. B. bei Berücksichtigungsprädikaten (z. B. beden- ken, beachten) und negativ kognitiven Prädikaten (z. B. vergessen, ver- heimlichen).

Ein Satz, der eine Implikation beinhaltet, kann nicht wahr sein, ohne, dass die Implikation wahr ist (vgl. [21]).

(21) [p1Peter verursacht, [p2dass der Chef Paul entlässt]], #aber der Chef entlässt Paul nicht.

Für den durch diese Verben herbeigeführten Kontextwechsel (vgl. [22]) bedeutet dies, dass die eingebettete Proposition zwar nicht im CS bereits entschieden ist, dass p1jedoch nicht ohne p2im CS⬘entschieden werden kann. Im Zuge der Äußerung von komplexen Sätzen wie (21) entschei- den sich folglich drei Propositionen: p2wird in Peters Verursachenswel- t(en) positiv entschieden, p2und p1entscheiden sich positiv relativ zum CS⬘(vgl. [22]).

(17)

Gesamtkontext Peters Verursachenswelten

(22)

EK a. CG{ } a. Vi,w{ }

b. CSW b. Vi,wW

c. CSp1 c. Vi,wp2

d. CSp2

AK a. CG⬘ ⫽CG{p1, p2} a. Vi,wVi,w{p2}

{p1, p2} {p2}

b. CS⬘ ⫽CS{wW | p1(w)1 b. Vi,wVi,w{wW | p2(w)1}

p2(w)1}

c. CSp1 c. Vi,wp2 d. CSp2

Weitere Exemplare dieses Typs implikativer Verben sind beispielsweise herbeiführen,zwingenundbeweisen(vgl. Karttunen 1971), deren Auftre- ten den gleichen Effekt auf den Kontext nimmt wie die Verwendung von verursachen.

Die Nebensatzpropositionen aus (23) sind weder im EK noch AK ent- schieden.18

(23) [p1 Peter sagt/hofft/wünscht (sich), [p2dass der Chef Paul ent- lässt]]. /JDer Chef entlässt Paul.

Mit den Äußerungen wird entschieden, dass p2zu den Propositionen hinzugefügt wird, die die geglaubten/gesagten/gehofften oder gewünsch- ten Sachverhalte ausdrücken. Je mehr Propositionen sich in dieser Menge befinden, umso weniger Welten kommen im Prozess der Reduk- tion alternativer Glaubens-/Sagens-/Hoffens- oder Wunschwelten in Frage. Im Hauptkontext entscheidet sich p1, d. h. im CS befinden sich nur Welten, in denen Peter diesen Glaubens-/Sagens-/Hoffens-/Wunsch- inhalt hat. Die Nebensatzproposition entscheidet sich nicht relativ zum Hauptkontext (vgl. [24] und den Kontextwechsel in [25]).19

18. In Müller (2011: 155161) habe ich ausführlich gegen Meinungers (2007) Annahme argu- mentiert, dassdass-Komplemente volitiver Verben antifaktive Propositionen darstellen, was in Farkas’ System (2003) der negativen Ausbuchstabierung der Entschiedenheit im Hauptkontext entsprechen würde.

19. Zahlreiche Untersuchungen zur Semantik von volitiven Verben i.w.S. lehren, dass eine Pa- rallele zum Kontextwechsel im Hauptkontext (CG, CS) und unter Auftreten verschiedener epistemischer Systeme wie in (25) nicht angenommen werden kann, sondern die semanti- sche Modellierung des ausgelösten Kontextwechsels mit Hilfe vonOrdnungsrelationener- folgen muss. Vgl. die umfangreiche Literatur wie z. B. Stalnaker (1984), Heim (1992), Tru- ckenbrodt (2006). Diese Komplikation in der Behandlung von Strukturen mit volitiven Matrixverben nimmt auf die hier verfolgte Argumentation jedoch keinen Einfluss.

(18)

(24) Peter glaubt/sagt/hofft/wünscht sich, dass der Chef Paul entlässt, a. aber der Chef entlässt Paul nicht.

b. und der Chef entlässt Paul in der Tat.

Hauptkontext Peters Glaubenswelten

(25)

EK a. CG{ } a. Di,w{ }

b. CSW b. Di,wW

c. CSp1 c. Di,wp2

d. CSp2

AK a. CG⬘ ⫽CG{p1} a. Di,w Di,w{p2}

{p1} {p2}

b. CS⬘ ⫽CS{wW | p1(w)1} b. Di,wDi,w{wW | p2(w)

1}

c. CSp1 c. Di,wp2

d. CSp2

3.3. (Un)informativität im Diskurs bei (in)akzeptablen Extraktionsstrukturen

Mit Hilfe der Analyse des unterschiedlichen Einflusses der Matrixverben bzw. ihrer Komplemente auf den Diskurskontext lassen sich extraktions- (un)durchlässige Matrixprädikate entlang des Kriteriums der Diskurs- entschiedenheit ordnen. In diesem Sinne gilt, dass Extraktionen ausdass- Komplementsätzen akzeptabler sind, wenn der Nebensatz zu keinem Zeitpunkt des Diskursverlaufs im CS entschieden ist, dass die Strukturen jedoch als degradiert bewertet werden, wenn der Nebensatz entweder bereits im CS oder CS⬘entschieden ist (vgl. [26]).

(26) Entschiedenheitsverhältnisse bei der Extraktionstransparenz/

-opazität vondass-Komplementen

Verben CS CS⬘

transparent ⫺ ⫺

opak faktiv ⫹ ⫹

implikativ ⫺ ⫹

Unter Verwendung gängigerer Termini entspricht die Entschiedenheit der Nebensatzproposition im CS und CS⬘ihrerPräsupposition, die allei- nige Entschiedenheit im CS⬘ihrerImplikation. Im Folgenden wird diese Generalisierung über (un)zulässige Extraktionsdomänen unter Bezug auf das in Abschnitt 3.1 eingeführte Diskursmodell (bzw. eine erweiterte Ver- sion dessen) ausgedeutet und erfährt in Verbindung mit der in Abschnitt

(19)

3.1.1 dargestellten Diskursfunktion von Ergänzungsfragen eine Erklä- rung. Die Ableitung wird zunächst für den negativen Einfluss faktiver Verben entwickelt.

Aus pragmatischer Perspektive spiegelt sich eine Präsupposition im Glauben/den Ansichten/den Erwartungen von Sprechern wider. Der di- rekteste Zugang ist, Präsuppositionen als CG-Information, d. h. als be- wusst geteiltes Wissen zwischen Sprecher und Hörer aufzufassen (vgl.

z. B. Stalnaker 1991 [1974]: 474, 2002: 704). Für einen Satz wie (27) be- deutet diese Annahme, dass der Sprecher annimmt, dass der Nebensatz- sachverhalt bereits im CG vorliegt, d. h. Sprecher und Hörer wissen, dass der Chef Hans und Fritz entlässt und dass sie dies beide wissen.

(27) Peter ignoriert, dass der Chef sowohl Hans als auch Fritz entlässt.

Für die Extraktionsstruktur in (28) wurde in Abschnitt 3.1.3 die Parti- tion in (29) angenommen, d. h. die Frage zielt unter dieser Annahme auf die genaue Gestalt derjenigen Proposition ab, die in die Menge der Propositionen aufgenommen werden soll, die Peters Glaubensinhalte darstellen.

(28) Wen glaubt Peter, dass der Chef entlässt?

(29) [p5Peter glaubt, [p1dass der Chef Hans, Fritz entlässt]].

[p6Peter glaubt, [p2dass der Chef Hans,ÿFritz entlässt]].

[p7Peter glaubt, [p3dass der ChefÿHans, Fritz entlässt]].

[p8Peter glaubt, [p4dass der ChefÿHans,ÿFritz entlässt]].

Interpretiert man die inakzeptable Frage in (30) analog zu (28) als Frage nach der genauen Gestalt der Proposition, die im Ignorierenssystem Pe- ters verankert werden soll, induziert (30) die Partition in (31).20

(30) ??Wen ignoriert Peter, dass der Chef entlässt?

20. Wie für (28) gilt, dass es sich bei der Partition in (31) nicht um die einzig mögliche Bedeu- tungszuschreibung handelt (vgl. auch schon Fn. 14). Zur Diskussion dieser angenomme- nen Bedeutung vgl. Abschnitt 4.3.

(20)

(31) [p5Peter ignoriert, [p1dass der Chef Hans, Fritz entlässt]].

[p6Peter ignoriert, [p2dass der Chef Hans,ÿFritz entlässt]].

[p7Peter ignoriert , [p3dass der ChefÿHans, Fritz entlässt]].

[p8Peter ignoriert, [p4dass der ChefÿHans, ÿFritz entlässt]].

Da die Proposition eines durch ein faktives Verb eingebetteten Komple- mentsatzes diskursbekannt, nämlich CG-Inhalt, ist, ergibt sich nun die Situation, dass die Proposition, die in (30) in Peters Ignorierenssystem hinzugefügt werden soll, keine andere sein kann, als die, die bereits dis- kursbekannt ist. Wenn möglich wäre, dass Peter etwas anderes ignorieren kann als das, was sowie schon der Fall ist, müsste (32) eine adäquate Sequenz darstellen.

(32) Der Chef entlässt ausschließlich Hans #und Peter ignoriert, dass der Chef sowohl Hans als auch Fritz entlässt.

D. h. der Sprecher eröffnet mit der Frage in (30) Alternativen, obwohl für den eingebetteten Sachverhalt keine Alternativen zur Verfügung ste- hen. Die Darstellung in (33) illustriert diese “defekten” Verhältnisse.21

Gesamtkontext Peters Ignorierensmodell

(33)

CG {p2} Ii,w { }

CS {wW | p2(w)1} Ii,w CS CG⬘ ⫽ CG{p5} Ii,w Ii,w{p1}

CG{p6} Ii,w{p2} CG{p7} Ii,w{p3}

CG{p8} Ii,w{p4}

CS⬘ ⫽ CS{wW | p5(w)1} Ii,w Ii,w{wCS | p1(w)1} CS{wW | p6(w)1} Ii,w{wCS | p2(w)1} CS{wW | p7(w)1} Ii,w{wCS | p3(w)1} CS{wW | p8(w)1} Ii,w{wCS | p4(w)1}

Die Verwendung des faktiven Verbs setzt voraus, dass die durch dendass- Satz ausgedrückte Proposition (hier exemplarisch p2) Teil des CG ist, so dass sich die Frage danach, ob sich in der Menge der Propositionen, die die von Peter ignorierten Sachverhalte darstellen, p1, p2, p3oder p4befindet,

21. Vgl. auch Oshimas (2007) Analyse des Einflusses faktiver Verben auf die Extraktionsmög- lichkeit verschiedener Typen von w-Phrasen ausdass-Komplementen im Englischen sowie die in Comorovski (1996) angenommene Präsupposition zur Anzahl der in einer Frage für die fehlende Argumentreferenz in Frage kommenden Elemente. Vgl. auch Abrusa´n (2008).

(21)

überhaupt nicht stellt. Parallel stellt auch die Anreicherung des CG durch p5bis p8keine echte Möglichkeit dar, da die Reduktion des CS nur durch die komplexe Proposition erfolgen kann, deren eingebettete Proposition der Proposition im CG entspricht (hier p6).

Das gleiche Problem stellt sich bei der akzeptablen Frage in (28) hingegen nicht ein, da keine Anforderungen an den CG bestehen und das Glaubens- modell Peters völlig unabhängig von den Propositionen im CG aktualisiert werden kann. Die im Gesamtkontext verankerten komplexen Propositio- nen müssen nur der im eingebetteten System verankerten einfachen Propo- sition entsprechen. Peter kann in (28) auch an eine ganz andere mögliche Antwort auf die FrageWen entlässt der Chef?glauben, als möglicherweise schon bekannt ist, dass dies der Fall ist (vgl. [34]). In (28) ist die Eröffnung von Alternativen demnach berechtigt.

(34) Der Chef entlässt ausschließlich Hans und Peter glaubt, dass der Chef sowohl Hans als auch Fritz entlässt.

Bei der Erfragung einer Konstituente aus einem von einem faktiven Verb selegiertendass-Komplementsatz resultiert folglich letztlich eine Frage, die im Diskurs zu keinem Fortschritt, sondern vielmehr einem Rückschritt führt, weil sie nach der Gestalt eines Sachverhalts fragt, für den der Spre- cher gleichzeitig ausdrückt, dass sich die Diskursteilnehmer auf ihn bereits geeinigt haben. D. h. eine solche Frage ist im Sinne des in Abschnitt 3.1.1 beschriebenen diskursstrukturellen Fortschritts durch die Anreicherung des CG und die parallele Reduktion des CS (oder anders: durch die Ent- scheidung unentschiedener Sachverhalte im CS) nicht informativ, da mit (30) eigentlich bereits geschlossene Optionen erneut geöffnet werden. Die Extraktion unter einem non-faktiven Verb im Hauptsatz ist hingegen infor- mativ, weil der Sachverhalt, der z. B. im Glaubenssystem verankert werden soll, der Weltbeschaffenheit entsprechen kann, aber dies nicht muss und es ebenso sein kann, dass die tatsächliche Gestalt des Sachverhalts gänzlich unbekannt ist.

Für Extraktionen ausdass-Komplementen von implikativen Verben (vgl.

[35]) gilt unter der hier angenommenen Bedeutungszuschreibung, dass ebenfalls ein Widerspruch entsteht, da der Sprecher durch das Hauptsatz- verb einerseits anzeigt, dass der Nebensatzsachverhalt im Zuge der Äuße- rung des Satzes CG-Information wird, andererseits aber anzeigt, dass ihm die genaue Gestalt dieses Sachverhalts nicht bekannt ist.

(35) ??Wen verursacht Peter, dass der Chef entlässt?

Da die im Nebensatz ausgedrückte Proposition in einem komplexen Satz unter Beteiligung eines implikativen Verbs aber nicht bereitsvorder Äuße-

(22)

rung des Satzes diskursbekannte Information ist, sondern dies erst im Zuge der Äußerung wird (eine implizierte Information folgt logisch, ist aber nicht vorausgesetzt), kann die Argumentation über das Kriterium der Uninfor- mativität der Frage nicht in seiner identischen Ausbuchstabierung herange- zogen werden, um den negativen Einfluss implikativer Verben abzuleiten.

Die Verhältnisse beim Auftreten implikativer Verben lassen sich in die bis- herige Argumentation aber unter einer Erweiterung des CG-Modells Stal- nakers durch die Individualisierung der Kontextparameter integrieren. Ein Modell, das die Wissensverhältnisse im Diskurs individualisiert, findet sich in Caponigro & Sprouse (2007) (vgl. z. B. auch Bartels 1999). Die Autoren unterscheiden neben der den CG konstituierenden Propositionenmenge zu- sätzlich die Mengen SB (speaker’s beliefs) und AB (addressee’s beliefs), die die Propositionen beinhalten, die der Sprecher bzw. Adressat glaubt bzw.

für die Zwecke der Konversation annimmt (vgl. [36]).

(36) a. SB⫽{p: p is a belief of the speaker}

b. AB⫽{p: p is a belief of the addressee}

c. CGS-A⫽{p: p is mutually believed by the speaker and the addressee} Caponigro & Sprouse (2007: 130) Basierend auf einer solchen Dreiteilung der beteiligten Propositionenmen- gen in (36) ist es Ziel und Zweck einer Konversation, Propositionen aus SB bzw. AB zu Propositionen aus CG zu machen. Im Falle des Stellens von Ergänzungsfragen bittet der Fragende den Adressaten, die Information aus AB in den CG zu geben. Für die Verwendungsbedingung “normaler” w- Fragen nehmen Caponigro & Sprouse an, dass die erfragte Proposition nicht Teil von SB ist, d. h. der Sprecher um die Antwort nicht weiß, woraus wiederum folgt, dass die Antwort ebenfalls nicht im CG vorliegt, da der CG unter Bezug auf (36) die Schnittmenge aus SB und AB zuzüglich des Be- wusstseins um diesen Schnitt darstellt. Der Sprecher nimmt aber an, dass sie Teil von AB ist, damit der Adressat eine Antwort geben kann, die da- durch zum Teil von SB und dann auch dem CG wird.

Treten in komplexen Sätzen faktive Verben im Hauptsatz auf, gilt, dass sich die Nebensatzproposition im CG und somit auch in SB und AB befin- det. Der Sprecher fragt bei der Extraktion aus demdass-Satz dann nach einem Sachverhalt, der beiden Gesprächspartnern und⫺durch die logische Verbindung zwischen CG und SB auch dem Sprecher selbst⫺als Informa- tion vorliegt.

Der Nebensatzsachverhalt unter einem implikativen Verb ist zwar nicht geteiltes Wissen zwischen Sprecher und Hörer, dadurch aber, dass der Spre- cher den Nebensatzsachverhalt als wahr ausgibt, bekennt er sich dennoch zu diesem Sachverhalt (vgl. Simons’ 2007: 1043 Definition “faktiver” Ver-

(23)

ben), d. h. es ist anzunehmen, dass die Nebensatzproposition unter Auftre- ten eines solchen Hauptsatzverbs Teil von SB ist (vgl. [37]).

(37) Peter verursacht, dass der Chef Hans und Fritz entlässt, a. #aber ich weiß nicht, ob der Chef Hans und Fritz entlässt.

b. #aber ich weiß nicht, wen der Chef entlässt.

Die fehlende Informativität der degradierten Frage in (38) mit den durch sie eröffneten Alternativen in (39) lässt sich unter Bezug auf die Unterschei- dung zwischen SB und CG nun indirekt ableiten.

(38) ??Wen verursacht Peter, dass der Chef entlässt?

(39) [p5Peter verursacht, [p1dass der Chef Hans, Fritz entlässt]].

[p6Peter verursacht, [p2dass der Chef Hans,ÿFritz entlässt]].

[p7Peter verursacht, [p3dass der ChefÿHans, Fritz entlässt]].

[p8Peter verursacht, [p4dass der ChefÿHans,ÿFritz entlässt]].

Der Sprecher fragt mit (38) zwar nicht nach einem Sachverhalt, der beiden Diskursteilnehmern bekannt ist, er fragt aber nach einem Sachverhalt, der ihm selbst bekannt ist. Da der Sprecher die von ihm beim Adressaten er- fragte Proposition aufgrund seines Wissens um diese Proposition viel direk- ter vermitteln könnte, anstatt seinen Gesprächspartner zu fragen, verhält er sich hier ebenfalls nicht maximal informativ. Nicht nur stellt ein solcher Zug mit der kommunikativen Absicht, den Gesprächspartner über einen dem Sprecher bekannten Sachverhalt informieren zu wollen, eine umständ- liche Operation dar, auch riskiert ein Sprecher einen anderen als den inten- dierten Diskursverlauf. Der Gesprächspartner könnte durchaus eine an- dere Antwort geben als die, die der Sprecher einzuführen beabsichtigt und die somit mit seinem eigentlich vorhandenen Wissen inkompatibel ist. Ein solches Szenario bräuchte viel Aufwand, um den erzeugten Diskurs zu re- parieren, vor der Annahme, dass der Sprecher sich eigentlich kooperativ verhält und mit der Vermittlung ihm bekannter Sachverhalte ein ehrliches kommunikatives Ziel verfolgt.22

22. Die gleiche Problematik wie beim Auftreten implikativer Verben, die aber auch in analoger Argumentation erfasst werden kann, betrifft die Möglichkeit der informativen Verwen- dung von Präsuppositionen. Zu zahlreichen Beispielen der informativen Verwendung von Präsuppositionen vgl. Simons (2007). Vgl. Müller (2011: 216 ff.) zur Erfassung entspre- chender Extraktionsstrukturen.

(24)

Die geringere Akzeptabilität der Extraktionsstruktur (vgl. [40], [41]), die aus der Erfragung einer Konstituente einesdass-Satzes resultiert, lässt sich folglich sowohl unter Auftreten faktiver als auch implikativer Matrixver- ben darauf zurückführen, dass diese Fragen nicht der eigentlich mit der Operation “normaler” w-Fragen intendierten Funktion im Diskurs nach- kommen, Alternativen zu eröffnen, nach deren Reduktion ein Informa- tionswachstum an persönlichem und bewusst geteiltem Wissen eintritt.

(40) ??Wen ignoriert Peter, dass der Chef entlässt?

(41) ??Wen verursacht Peter, dass der Chef entlässt?

Wird ein diskurs- bzw. sprecherbekannter Sachverhalt erfragt, entsteht ein inadäquater Zug im Diskurs, den man in seiner Stärke der Störung des Dis- kursverlaufs zwischen den ebenfalls als diskursorganisierend defizient ein- gesetzten Zügen einordnen kann, etwas zu assertieren, das mit bereits be- kannter Information inkompatibel ist, und etwas zu assertieren, das bereits CG-Information ist. Im ersten Fall löscht man das gesamte CS und stört somit den Aufbau geteilten Wissens, im zweiten Fall verhält man sich re- dundant, da sich kein Fortschritt, aber auch kein Rückschritt⫺wie im Falle der weniger akzeptablen Extraktionsstrukturen⫺einstellt. Über der- artige Züge, die der Funktion von Assertionen nicht nachkommen, schreibt Stalnaker (1978: 325): “If he failed to conform to the rule, then he did some- thing that, from the point of view of the conversation, was unreasonable, inefficient, disorderly, or uncooperative.” Ebenso könnte nach der hier an- genommenen Analyse die diskursstrukturelle Funktion der hier als wenig akzeptabel eingestuften Extraktionsstrukturen unter Auftreten faktiver und implikativer Matrixverben wie (40) oder (41) charakterisiert werden.

4. Unterschiedliche Frageabsichten

Eine Analyse, die die inakzeptablen Extraktionsstrukturen als diskursse- mantisch inadäquat einstuft und sich damit auf in einem konkreten Kon- text vorliegende Verhältnisse bezieht, macht die Vorhersage, dass, wenn der für den Defekt verantwortlich gemachte Faktor (hier der Widerspruch zwi- schen dem auf Seiten des Sprechers einerseits vorgegebenen kognitiven De- fizit und dem andererseits angezeigten Wissen) nicht auftritt, dies Auswir- kungen auf die Akzeptabilität der Extraktionsstrukturen nimmt.

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