• Keine Ergebnisse gefunden

Eine Analyse, die die inakzeptablen Extraktionsstrukturen als diskursse-mantisch inadäquat einstuft und sich damit auf in einem konkreten Kon-text vorliegende Verhältnisse bezieht, macht die Vorhersage, dass, wenn der für den Defekt verantwortlich gemachte Faktor (hier der Widerspruch zwi-schen dem auf Seiten des Sprechers einerseits vorgegebenen kognitiven De-fizit und dem andererseits angezeigten Wissen) nicht auftritt, dies Auswir-kungen auf die Akzeptabilität der Extraktionsstrukturen nimmt.

4.1. Subtypen der Frageillokution

Die Untersuchung der Einflüsse verschiedener Subtypen der Frageilloku-tion auf die ExtrakFrageilloku-tionsstrukturen bestätigt diese Vorhersage.23Eine diffe-renzierte Betrachtung der Frageillokution weist nämlich nach, dass sowohl eine Aufhebung bzw. Entschärfung des die Wissensverhältnisse im Diskurs betreffenden Widerspruchs als auch seine Verstärkung positiv bzw. entspre-chend negativ Einfluss auf die Extraktionsstrukturen nimmt. Die im Fol-genden angeführten Daten bieten folglich einerseits Evidenz für die prinzi-pielle Annahme einer diskurssemantischen Beschränkung und andererseits (aufgrund der zu steuernden Beeinflussung der Strukturen entlang der in diesem Ansatz als relevant vorhergesagten Parameter) für die konkrete hier vorgeschlagene Modellierung.

Wie in den Searle’schen Anforderungen an den IllokutionstypFrage fest-gehalten (vgl. Searle 1971: 102) dienen (Ergänzungs)fragen aus pragmati-scher Perspektive im Standardfall dem Ausdruck eines sprecherseitigen kognitiven Defizits, dessen Beseitigung durch den Hörer der Sprecher wünscht. Bei einer solchenInformationsfrageliegt in Bezug auf die Wissens-verhältnisse der Diskursteilnehmer die in dieser Arbeit bisher zugrundege-legte Situation vor, dass im Wissenssystem des Sprechers eine Information fehlt, die sich dadurch auch nicht im CG befinden kann. Der Sprecher ver-mutet sie im Wissenssystem des Hörers, so dass sie durch die Einführung in den Kontext durch den Hörer (nach Annahme durch den Fragenden) Teil des CG werden kann. Wie schon anhand desKommentarsSearles ersicht-lich (vgl. 1971: 102), handelt es sich bei diesem Typ Frage nicht um den ein-zig möglichen. Die Intention dieses illokutionären Aktes kann vielmehr va-riieren.

Tritt in einer Ergänzungsfrage beispielsweise die Modalpartikel doch (auch in Kombination mitgleich) auf, zeigt der Sprecher an, dass er nach etwas fragt, das er eigentlich schon weiß/wissen müsste, an das er sich im Augenblick aber nicht mehr erinnern kann. Diese Verwendung vondoch er-fasst Franck (1980: 181 ff.) durch die Bezeichnung deserinnernde[n] doch, Luukko-Vinchenzo (1988: 30) spricht von dem Versuch des Sprechers,

“seine Gedächtnislücke zu füllen”. Die Beispiele in (42) illustrieren Ergän-zungsfragen, die eine Interpretation erfahren, dass der Sprecher jeweils nicht eine generelle, sondern lediglich eine temporäre Informationslücke zum Ausdruck bringt. Der Sportverein war dem Sprecher einmal bekannt, genauso wie die Vorzüge des Rock’n’ Roll.

23. Experimentelle Untersuchungen zu dieser Annahme sind mir nicht bekannt, stellenwie auch schon in Fn. 3 angemerktaber natürlich ein Desiderat dar. Die Beobachtung, dass die “Art” der Frage auf derartige Extraktionen Einfluss nimmt, findet sich in der Literatur allerdings auch schon in Erteschik-Shir (1973: 61).

(42) a. Nun, wie hießdochder Sportverein, in dem du warst früher?

b. Was wardoch gleichdas Gute am Rock ’n’ Roll?

Kwon (2005: 91) Es zeigt sich, dass Extraktionsstrukturen, die in Isolation einen niedrigen Akzeptabilitätsgrad aufweisen, an Akzeptabilität zunehmen, wenn die Par-tikel(kombination) und zusätzlich ggf. ein den Effekt dieser Partikeln för-dernder Kontext vorliegen. Die Extraktionsstruktur in (43a) ist weniger ak-zeptabel als die Struktur in (43b).

(43) a. Ich möchte wirklich von dir wissen: ??Wen impliziert die Aus-sage, dass der Chef entlässt?

b. Ich weiß gerade nur noch, dass mehrere Mitarbeiter zum Ab-schuss bereit standen, und dann kam diese Äußerung von der Spitze der Firma. Hm, aber wen implizierte die Aussage doch gleich, dass der Chef entlässt?

Die Verbesserung der weniger akzeptablen Extraktionsstruktur von (43a) lässt sich dadurch ableiten, dass der Kontrast zwischen dem durch die Prä-supposition vorausgesetzten Wissen auf Seiten des Sprechers und der durch die w-Frage vom Sprecher vorgegebenen Informationslücke, die genau den als bekannt vorausgesetzten Sachverhalt betrifft, in (43b) nicht entsteht.

Der Sprecher bringt kein generelles, sondern nur ein temporäres kognitives Defizit zum Ausdruck. Die eigentlich durch das faktive Matrixverb voraus-gesetzte Information im Nebensatz befindet sich im Wissenssystem des Sprechers (und ggf. auch bereits im CG) und muss nur aktiviert werden.

Der für den negativen Einfluss mancher Verben verantwortlich gemachte Widerspruch zwischen geäußertem Wissen und Nicht-Wissen lässt sich auch durch Fragen aufheben, die gar kein zu behebendes kognitives Defizit auf Seiten des Sprechers zum Ausdruck bringen. Ein Beispiel für diesen Fra-getypus ist diepädagogische Frage, die sich dadurch charakterisiert, dass der Fragende die Antwort weiß, durch seine Frage jedoch bezwecken möchte, dass der Angesprochene die Lösung auf eine andere Frage findet (vgl. die zweite Frage in [44]).

(44) Lehrerin (um den Stoff zu wiederholen):Warum hat der August 31 Tage, obwohl der Juli auch 31 Tage hat?

Schüler: ...

Lehrerin:Na, wer war denn der Kaiser gleich nach Julius Cäsar?

Schüler:Ach ja, den Juli hat Cäsar nach sich benannt, und den Au-gust hat dann Kaiser AuAu-gustus nach sich benannt. Er sollte gleich nach dem Juli kommen, und nicht kürzer als der Monat von Cäsar

sein. Truckenbrodt (2004: 322)

Der Sprecher stellt die Frage nicht mit der Intention, die wahre und sein eigenes Wissen anreichernde Antwort zu erhalten, sondern er möchte he-rausfinden, ob dem Diskursteilnehmer die Antwort ebenfalls bekannt ist.

Im hier betrachteten Beispiel wird die Antwort auf die Frage der Lehrerin nicht einmal explizit genannt. Da die Antwort des Schülers auf die erste Frage auf die Antwort der zweiten Frage aufbaut, zeigt der Verlauf des Dia-logs, dass der Schüler die Antwort auf die Frage weiß. Die Antwort auf die pädagogische Frage ist demnach eine Hilfe zur Beantwortung einer ande-ren eigentlich im Raum stehenden Frage. Diese Auslegung der zweiten Frage aus (44) kann herangezogen werden, um die höhere Akzeptabilität von ansonsten schlechten Extraktionsstrukturen in Form pädagogischer Fragen abzuleiten (vgl. [45]). Auch hier ist zwischen (45a) und (45b) eine Verbesserung der Extraktionsstruktur wahrzunehmen.

(45) a. Ich bin so neugierig: ??Wen verheimlicht Hans, dass er liebt?

b. Peter:Wir sind bei Hans zur Hochzeit eingeladen.

Klara:Was? Wen heiratet er denn?

Peter:Ist doch total klar!

Klara:Ich hab keine Idee, wer das sein könnte.

Peter:Ach komm! Überleg mal!

Klara: ...

Peter: (grinst)Wen verheimlicht Hans denn seit Jahren, dass er liebt? Wir haben die zwei doch schon oftmals beim Spazierenge-hen zusammen getroffen!

Klara:Ach so! Ne, was? Er heiratet die Pfarrerstochter!

Peter:Genau die. Wird bestimmt ein großes Fest.

Wird für die weniger akzeptable Struktur in (45a) angenommen, dass ein Widerspruch zwischen der Verkündigung eines sprecherseitigen kognitiven Defizits unter gleichzeitig ausgedrückter Bekanntheit des Sachverhalts ent-steht, wird die Bekanntheit der Nebensatzproposition beim Adressaten vom Sprecher in (45b) gerade genutzt, um dem Hörer über die leichte Be-antwortung der Frage einen Hinweis zu geben. Der Sprecher verhält sich mit der Frage nach einem präsupponierten Sachverhalt in (45b) folglich nicht uninformativ, sondern nutzt die Wissensverhältnisse im Diskurs, wo-durch seine Frage wiederum Informativität erlangt.

Während die bisher angeführten Fälle zu einer Verbesserung der Extrak-tionsstrukturen führen, ist es ebenso möglich durch die Evozierung von Fragetypen, in denen der Frageakt besonders stark ist und durch die der für die schlechten Extraktionsstrukturen angenommene Widerspruch zwi-schen Wissen und vorgegebenem Unwissen somit erhalten bzw. gar ver-stärkt wird, den gegenteiligen Effekt zu erzielen.

Die vom Sprecher dringend gewünschte Beantwortung einer Frage kann beispielsweise durch bestimmte Partikeln angezeigt werden. Anhand der Beispiele in (46) und (47) illustrieren Kwon (2005) und Thurmair (1989), dass die Fragehandlung unter Auftreten vonbloßundnurverstärkt wird und das Interesse des Sprechers auf den Frageakt gerichtet ist.

(46) Wo kommtnurauf einmal dieser dicke, fette Hase her?

Kwon (2005: 132) (47) “Donnerwetter!”hörte Jaga ihn murmeln, “einfach fabelhaft!” Vol-ler Bewunderung starrte er sie an.“Wo hast du dasbloßgelernt?”,

wollte er wissen. Thurmair (1989: 241)

Treten diese Partikeln in Extraktionsstrukturen auf, denen in Isolation ein niedriger Akzeptabilitätsstatus zugeschrieben wird, führt dies im Einklang mit der hier vorgeschlagenen Ableitung zu keiner Verbesserung der Akzep-tabilität. Der für die geringe Akzeptabilität mancher Strukturen verant-wortlich gemachte Faktor wird nicht neutralisiert, sondern durch die Ver-stärkung des Frageaktes gerade intensiviert. Durch einleitende Phrasen (vgl. Caponigro & Sprouse 2007: 123) kann die Verstärkung der Frageillo-kution zusätzlich forciert werden (vgl. [48], [49]).

(48) Ich bin wirklich neugierig: ??Wen impliziert die Aussagebloß, dass der Chef entlässt?

(49) Ich möchte wirklich wissen: ??Wen verübelt Peter seiner Mutternur, dass sie liebt?

Ein weiterer Fragetyp, dem die Verstärkung der Frageillokution zuge-schrieben wird, sinddeliberative Fragen(vgl. [50]).

(50) a. Was wird wohl noch alles auf uns zukommen?

Thurmair (1989: 144) b. Was das wohl bedeuten mag? Kwon (2005: 168) Die typische Verwendung dieser Fragen ist die der “Selbstfrage”, d. h. es handelt sich hierbei um die reine Formulierung eines Informationsmangels, dessen Behebung von Seiten des Sprechers erwünscht ist. Trotz der typi-schen Verwendung der Selbstgerichtetheit sind diese Fragen auch als nor-male hörergerichtete Fragen zu verwenden. In diesem Falle ist die Antwort-verpflichtung für den Hörer jedoch aufgehoben (vgl. Thurmair 1989: 57).

Wichtig für die hier verfolgte Argumentation ist die Annahme Winklers (1992: 40), dass es sich bei deliberativen Fragen nicht um “schwächere”

Fra-gen handelt. Zu diesem Schluss könnte die fehlende Antwortobligation füh-ren in dem Sinne, dass eine Frage, zu defüh-ren Beantwortung der Hörer nicht verpflichtet ist, keine echte Fragehandlung zum Ausdruck bringen kann.

Winkler argumentiert, dass derartige Fragen jedoch gerade das subjektive Interesse des Sprechers an der Fragehandlung ausdrücken und der Spre-cher eine Antwort wünsche. Diese erwarte er nicht unbedingt vom Hörer, gehe aber auch nicht stets davon aus, dass dieser die Antwort nicht geben könne. Der Aspekt des tatsächlichen Wunsches nach einer Antwort spiegelt sich auch in Thurmairs (1989: 179) Paraphraseich frage mich (wirklich) wider.

Grammatische Mittel, die eine Frage zu einer deliberativen Frage ma-chen können, sind die Modalpartikeln wohl, bloß und nur und/oder die Verbendstellung des finiten Verbs (vgl. [50]⫺[52]).

(51) a. Wie ich das bloß am besten mache?

b. Wie mache ich das bloß am besten? Winkler (1992: 40) (52) a. Wie ich das nur am besten mache?

b. Wie mache ich das nur am besten?

Betrachtet man den Effekt, den das Auftreten der Deliberativität anzeigen-den Partikeln in ansonsten inakzeptablen Extraktionsstrukturen erzeugt, stellt man fest, dass keine Verbesserung der Strukturen eintritt.

(53) a. ??Wen impliziert die Aussage, dass der Chef entlässt?

b. Hm, hm, hm. ??Wen impliziert die Aussage wohl, dass der Chef entlässt? Wie krieg’ ich das nur bloß ‘raus?

c. Mal nachdenken. Hmmmmm. ??Wen die Aussage wohl impli-ziert, dass der Chef entlässt?

(54) a. ??Wen bewirkt Peter, dass Maria einlädt?

b. Hm ... Mal überlegen. ??Wen bewirkt Peter bloß, dass Maria einlädt?

c. ??Wen Peter bloß bewirkt, dass Maria einlädt? Schwierig.

Schwierig.

(55) a. ??Wen verübelt Peter seiner Mutter, dass sie trifft?

b. Hm ... ??Wen verübelt Peter seiner Mutter nur, dass sie trifft?

c. ??Wen Peter seiner Mutter nur verübelt, dass sie trifft?

Geht man davon aus, dass deliberative w-Fragen eine starke Frageilloku-tion aufweisen, was sich auch in der Tatsache niederschlägt, dass die

glei-chen Partikeln, die generell frageverstärkend wirken können, auch hier auf-treten, ist es nicht verwunderlich, dass in Isolation, d. h. per Default als In-formationsfragen interpretierte, wenig akzeptable Extraktionsstrukturen unter Auftreten von Partikeln, Strukturen und Kontexten, die für die w-Frage eine deliberative Lesart nahelegen, keinen höheren Grad an Akzepta-bilität erlangen. Der im Fall von Informationsfragen vorliegende Wider-spruch zwischen eigentlichem Wissen und Wissenslücke bleibt erhalten.

Die hier exemplarisch vorgenommene Untersuchung verschiedener Fra-geintentionen (zu einer umfassenderen Untersuchung vgl. Müller 2011:

229⫺264) zeigt also, dass für die Extraktionsmöglichkeit sowohl eine Ab-schwächung als auch eine Verstärkung der Fragehandlung sowie durch die Frage angezeigte Wissensverteilungen im Diskurs Einfluss auf die Akzepta-bilität der hier betrachteten Extraktionen ausdass-Komplementsätzen neh-men. Stellt sich eine Lesart der w-Frage ein, unter der die angenommene Uninformativität nicht eintritt, d. h. der Widerspruch zwischen angezeig-tem Wissen und Informationsdefizit nicht eintritt, werden die Strukturen als akzeptabler bewertet, als es in ihrer Interpretation als Informationsfra-gen der Fall ist.

4.2. Weitere informative Lesarten

Parallele Effekte sollten sich unter der hier verfolgten pragmatischen Ablei-tung stets einstellen, wenn Kontexte eine informative Interpretation der w-Fragen erlauben. Kern der hier vertretenen Analyse ist die Annahme, dass eine Frage wie (56)⫺analog einer Frage wie in (58) mit der zugewiesenen Partition in (59)⫺eine Partition wie in (57) induziert.

(56) ??Wen ignoriert Fritz, dass Peter eingeladen hat?, D ⫽ {Hans, Maria}

(57) [Fritz ignoriert,

[p1dass Peter Hans, Maria eingeladen hat]]p5. [p2dass Peter Hans,ÿMaria eingeladen hat]]p6. [p3dass PeterÿHans, Maria eingeladen hat]]p7. [p4dass PeterÿHans,ÿMaria eingeladen hat]]p8. (58) Wen glaubt Fritz, dass Peter eingeladen hat?

(59) [Fritz glaubt,

[p1dass Peter Hans, Maria eingeladen hat]]p5. [p2dass Peter Hans,ÿMaria eingeladen hat]]p6. [p3dass PeterÿHans, Maria eingeladen hat]]p7. [p4dass PeterÿHans,ÿMaria eingeladen hat]]p8.

D. h. die Frage zielt auf die Nennung der genauen Gestalt der Proposition ab, die in Fritz’ Ignorierenssystem verankert werden soll, wobei die einge-bettete Proposition sowohl in (56) als auch (58) der stark exhaustiven Ant-wort auf die FrageWen hat Peter eingeladen?entspricht. Die Kontextwech-sel werden durch (60) und (61) abgebildet.

(60) Kontextwechsel von ??Wen ignoriert Fritz, dass Peter eingeladen hat?

Gesamtkontext Fritz’ Ignorierensmodell

CG {p2} Ii,w { }

CS {wW | p2(w)1} Ii,w CS CG⬘ ⫽ CG{p5} Ii,w Ii,w{p1}

CG{p6} Ii,w{p2} CG{p7} Ii,w{p3}

CG{p8} Ii,w{p4}

CS⬘ ⫽ CS{wW | p5(w)1} Ii,w Ii,w{wCS | p1(w)1} CS{wW | p6(w)1} Ii,w{wCS | p2(w)1} CS{wW | p7(w)1} Ii,w{wCS | p3(w)1} CS{wW | p8(w)1} Ii,w{wCS | p4(w)1}

(61) Kontextwechsel vonWen glaubt Fritz, dass Peter eingeladen hat?

Gesamtkontext Fritz’ Glaubensmodell

CG { } Di,w { }

CS W Di,w W

CG⬘ ⫽ CG{p5} Di,wDi,w{p1} CG{p6} Di,w{p2} CG{p7} Di,w{p3}

CG{p8} Di,w{p4}

CS⬘ ⫽ CS{wW | p5(w)1} Di,wDi,w{wW | p1(w)1} CS{wW | p6(w)1} Di,w{wW | p2(w)1} CS{wW | p7(w)1} Di,w{wW | p3(w)1} CS{wW | p8(w)1} Di,w{wW | p4(w)1}

Die für (56) angenommene Inadäquatheit der Frage kommt dadurch zu-stande, dass die Verwendung des faktiven Verbs voraussetzt, dass die durch dendass-Satz ausgedrückte Proposition (hier exemplarisch p2) Teil des CG

ist, so dass sich die Frage danach, ob sich in der Menge der Propositionen, die die von Fritz ignorierten Sachverhalte darstellt, p1, p2, p3oder p4 befin-det, nicht stellt. Parallel stellen die Anreicherungen des CG durch p5bis p8 keine Möglichkeiten dar, da die Reduktion von CS nur durch die komplexe Proposition erfolgen kann, bei der die eingebettete Proposition der Propo-sition im CG entspricht (hier p6). Das gleiche Problem stellt sich in (58) nicht ein, da keine Anforderungen an den CG bestehen und das Glaubens-modell Fritz’ völlig unabhängig der Propositionen im CG aktualisiert wer-den kann. Die im Gesamtkontext verankerten komplexen Propositionen müssen nur der im eingebetteten System verankerten einfachen Proposition entsprechen.

Die durch die Partition in (57) nahegelegte Bedeutung der Frage nimmt an, dass das Matrixsystem stets dem kompletten Weltzustand die durch das Matrixverb ausgedrückte Einstellung zukommen lässt. Obwohl es im Falle eines faktiven Verbs nicht möglich ist, einen anderen Zustand als den in den Welten der Kontextmenge geltenden beispielsweise zu ignorieren (oder zu verdrängen, verdanken, wissen etc.), ist es dennoch durchaus plausibel, dass nur einem Teil oder gar keinem Teil des Weltzustandes die jeweilige Haltung entgegengebracht wird. In dieser Interpretation fragt die Extrak-tionsstruktur in (56)⫺vor dem Hintergrund eines bestehenden Sachver-halts, d. h. einer bekannten Zusammenstellung aus Geladenen und Nicht-Geladenen ⫺ nach den Aspekten dieses Zustandes, die Fritz ignoriert.

Denkbar ist beispielsweise ein Szenario, in dem Peter Hans und Maria ein-geladen hat und Fritz ignoriert, dass Peter Hans einein-geladen hat, Marias Eingeladensein aber beachtet. Ebenfalls möglich wäre es, dass er die Anwe-senheit aller beider Gäste ignoriert und sich nur mit dem Gastgeber abgibt, nur mit der Einladung von Maria oder aber auch mit gar keinem der Gäste ein Problem hat. Die durch die Frage induzierte Partitionierung verläuft dann entsprechend (62).

(62) [p3Fritz ignoriert, [p1dass Peter Hans eingeladen hat]], und [p4Fritz ignoriert, [p2dass Peter Maria eingeladen hat]].

[p3Fritz ignoriert, [p1dass Peter Hans eingeladen hat]], und [ÿp4Fritz ignoriert nicht, [p2dass Peter Maria eingeladen hat]].

[ÿp3Fritz ignoriert nicht, [p1dass Peter Hans eingeladen hat]], und [p4Fritz ignoriert, [p2dass Peter Maria eingeladen hat]].

[ÿp3Fritz ignoriert nicht, [p1dass Peter Hans eingeladen hat]], und

[ÿp4Fritz ignoriert nicht, [p2dass Peter Maria eingeladen hat]].

Der Kontextwechsel verläuft hier wie in (63) notiert.

(63) Kontextwechsel vonWen ignoriert Fritz, dass Peter eingeladen hat?

Gesamtkontext Fritz’ Ignorierensmodell CG {p1, p2} Ii,w { }

CS {wW | p1(w)1 Ii,w CS p2(w)1}

CG⬘ ⫽ CG{p3, p4} Ii,w Ii,w{p1, p2} CG{p3,ÿp4} Ii,w{p1}p2Ii,w CG{ÿp3, p4} Ii,w{p2}p1Ii,w CG{ÿp3,ÿp4} Ii,wp1Ii,wp2Ii,w

CS⬘ ⫽ CS{wW | p3(w)1 Unter den Welten, die die

p4(w)1} Welten konstituieren, in denen wahr ist, was Fritz ignoriert, befinden sich nur Welten, in denen p1und p2wahr sind. CS{wW | p3(w)1 Unter den Welten, die die

p4(w)0} Welten konstituieren, in denen wahr ist, was Fritz ignoriert, befinden sich nur Welten, in denen p1wahr ist und in de-nen p2nicht wahr ist. CS{wW | p3(w)0 Unter den Welten, die die

p4(w)1} Welten konstituieren, in denen wahr ist, was Fritz ignoriert, befinden sich nur Welten, in denen p2wahr ist und in de-nen p1nicht wahr ist. CS{wW | p3(w)0 Unter den Welten, die die

p4(w)0} Welten konstituieren, in denen wahr ist, was Fritz ignoriert, befinden sich nur Welten, in denen sowohl p1als auch p2 nicht wahr sind.24

Auf propositionaler Ebene stellt sich die Frage, welche der CG-Propositio-nen, die an der Konstitution des betroffenen Sachverhalts beteiligt sind, ebenfalls in der Menge enthalten sind, die die Dinge ausmachen, die von Fritz ignoriert werden. Dies können beide sein, es können jedoch auch nur einige oder keine sein. Auf der Ebene der Welten bieten sich die Möglichkei-ten, dass unterschiedliche Ausschnitte einer jeden Welt der Kontextmenge

24. Da für die Proposition p1in Sätzen wie (i) gelten muss, dass sie nicht wahr ist, sie aber auch nicht falsch sein darf (ausignoriert nicht, dass p1lässt sich nicht ableitenignoriert, dassÿp1), lässt sich der hier induzierte Kontextwechsel durch einewie im Rahmen der Kontext-theorie ansonsten angenommenezweiwertige Logik nicht analog zu den bisher betrach-teten Fällen notieren.

(i) Fritz ignoriert nicht, [p1dass Peter Hans eingeladen hat].

die Ignorierenswelten Fritz’ ausmachen. Prinzipiell können sich die Welten der Kontextmenge und die Ignorierenswelten Fritz’ decken, realistischer ist die Vorstellung, dass einige CG-Propositionen in den Ignorierenswelten ebenfalls gelten und andere hingegen nicht gelten. Schreibt man der Frage in (56) die hier ausgeführte Interpretation zu, ergibt sich die angenommene Inadäquatheit im Diskurs nicht. Der Sprecher fragt nicht, wie der kom-plette Weltzustand aussieht, den Fritz ignoriert, sondern er weiß, wie der Zustand aussieht, weiß aber nicht, welchen Teilen Fritz diese Haltung ent-gegenbringt. In dieser Lesart ist die Frage völlig berechtigt und informativ und ein Sprecher verhält sich somit nicht unkooperativ, wenn er eine Frage mit diesem Frageziel stellt.

Der vorgestellte Ansatz macht die Vorhersage, dass eine Evozierung der als informativ nachgewiesenen Lesart einer Frage wie (63) zu deren Akzep-tabilitätsgrad positiv beitragen sollte.

Die Interpretation, unter der eine Frage wie (63) den Antwortraum in (62) eröffnet, ist beispielsweise durch bestimmte diskursstrukturelle Szena-rien nahezulegen, die unter Bezug auf die in Roberts (1996) und Büring (2003) entworfenen Diskursmodelle konstruiert werden können. Diesen Modellen liegt die Idee zugrunde, dass ein Diskurs hierarchisch strukturiert ist in dem Sinne, dass ein zur Diskussion stehendes Thema durch eine Frage expliziert wird und zu dessen Klärung die gegebenen Antworten beitragen.

Da die Diskussion um ein Thema im Diskurs nicht stets damit erledigt ist, dass eine Antwort auf eine solche Frage gegeben wird und zum nächsten Thema übergegangen wird, nehmen die Autoren an, dass sich eine kom-plexe hierarchische Diskursstruktur einstellt, in der eine Oberfrage das ak-tuelle Thema des Diskurses vorgibt, dass sich diese jedoch in Unterfragen aufspaltet, die im Zuge der Beantwortung der Oberfrage jeweils Teilfragen darstellen (vgl. (64) nach Büring 2003: 4).

(64) Oberfrage:Wie war das Konzert?

Unterfrage:Wie war das Publikum?

Antwort:Es war enthusiastisch.

Unterfrage:Wie war die Band?

Unterfrage:Wie war der Schlagzeuger?

Antwort:Fantastisch.

Unterfrage.Wie war der Sänger?

Antwort:Besser denn je!

Unterfrage:Wurden alte Lieder gespielt?

Antwort:Nein, kein einziges.

Dieses Zusammenspiel von und Unterfrage mit dem Ziel, die Ober-frage durch die verschiedenen UnterOber-frage-Antwort-Sequenzen zu beant-worten, bezeichnet Roberts (1996) alsStrategie.

Für Sätze wie (65), in denen die erste NP im Englischen einen fallend-steigenden Akzent (B-Akzentnach Jackendoff 1972) und die zweite NP ei-nen fallenden Akzent (A-Akzent) trägt, nimmt Büring (2003: 1) an, dass sie anzeigen, dass eine komplexere Diskursstruktur vorliegt, im Rahmen derer sie eine Subfrage beantworten. Ein solcher Satz veranlasst Sprecher näm-lich zu dem Schluss, dass weitere Leute andere Dinge gegessen haben. Der B-Akzent markiert hier ein kontrastives Topik, der A-Akzent den Fokus.

Für Sätze wie (65), in denen die erste NP im Englischen einen fallend-steigenden Akzent (B-Akzentnach Jackendoff 1972) und die zweite NP ei-nen fallenden Akzent (A-Akzent) trägt, nimmt Büring (2003: 1) an, dass sie anzeigen, dass eine komplexere Diskursstruktur vorliegt, im Rahmen derer sie eine Subfrage beantworten. Ein solcher Satz veranlasst Sprecher näm-lich zu dem Schluss, dass weitere Leute andere Dinge gegessen haben. Der B-Akzent markiert hier ein kontrastives Topik, der A-Akzent den Fokus.