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DGB Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
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Nr. 08/2011 3. März 2011
DGB Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Weniger Investitionen trotz höherer Unternehmensgewinne
Die deutsche Wirtschaft präsentiert sich „in Bestform“, wie es jüngst Bundeswirtschaftsminister Brüderle for- mulierte. Auch im Ausland ist von einem neuen deut- schen Wirtschaftswunder die Rede. Das war nicht im- mer so. In den Jahren vor der Krise gehörte Deutschland bei der wirtschaftlichen Entwicklung gar zu den Schluss- lichtern unter den Industrienationen. Ein Grund ist die geringe Investitionstätigkeit der deutschen Unterneh- men - trotz steigender Unternehmensgewinne.
Investitionen sind der Motor jeder Volkswirtschaft. Sie schaffen Einkommen, Beschäftigung und damit Wachs- tum. Unternehmer investieren jedoch nur in neuere und effiziente Technologien, wenn ihre Anlagen ausgelastet und neue Absatzmöglichkeiten vorhanden sind. Oder sie erwarten Kosteneinsparungen wie z. B. beim Ener- gieverbrauch. Nur wer heute investiert, sichert sich die wirtschaftliche Existenzgrundlage für morgen. Dem Konjunkturmotor droht, der Treibstoff auszugehen.
Dabei scheute die Politik in den vergangenen Jahren keine Mühen, die Investitionsanreize für Unternehmen durch zahlreiche Steuererleichterungen zu erhöhen. Gut gemeint, wirkt aber nicht. Folge: Die Gewinne der Un- ternehmen stiegen sprunghaft an. Die Kehrseite der gleichen Medaille: Die sprudelnden Gewinne wurden renditeträchtiger im Ausland investiert oder flossen vorwiegend in Finanzprodukte ohne realwirtschaftlichen Wert. Zudem schöpfte man die zusätzlichen Steuerge- schenke ab oder setzte sie zur Aktienkurspflege ein. Die erhofften Investitionen blieben jedoch auf der Strecke.
Nach Abzug aller Ersatzinvestitionen waren die Investi- tionen in der Privatwirtschaft im II. Quartal 2010 real um mehr als ein Drittel unter dem Niveau nach der Wiedervereinigung. Im Jahr 2009 konnten die Investiti- onen nicht einmal mehr den Ersatzbedarf decken. Im gleichen Zeitraum stiegen die Unternehmensgewinne
um mehr als das Doppelte. Reinvestierten die Unter- nehmen im Jahr 1991 durchschnittlich netto noch mehr als 40 % ihrer Gewinne, so waren es im vergangenen Jahrzehnt unter zehn Prozent (siehe Abbildung).
Warum? Bei stagnierender Nachfrage lohnen sich die Investitionen nicht. Woher sollte sie auch kommen? Die staatlich geförderte Leiharbeit und andere prekäre Be- schäftigung forcierten die Ausbreitung des Niedriglohn- sektors und führten dazu, dass die ArbeitnehmerInnen heute real weniger in der Tasche haben als im Jahr 2000. Folge: Dem Binnenmarkt wurde die Kaufkraft entzogen. Auch der Staat kommt als Nachfrager immer weniger in Betracht. Denn seit langem unterzog sich der Staat einer Abmagerungskur. Die Staatsquote fiel von 49 % im Jahr 2003 auf 43 % im Jahr 2008. Besserung ist „dank“ der Schuldenbremse nicht in Sicht.
Deshalb: Einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel braucht das Land. Eine produktivitätsorientierte Lohn- politik sowie die Austrocknung des Niedriglohnsektors sind entscheidend für eine kräftigere Binnenkaufkraft.
Dadurch werden künftige Unternehmensinvestitionen befördert. Falls sich nichts grundlegend ändert, gerät Deutschland wieder ins Hintertreffen. Dann ist ganz schnell nicht mehr vom XXL-Aufschwung die Rede und das „deutsche Wirtschaftswunder“ schrumpft auf XXS.
Hohe Gewinne, geringe Investitionen
-100 0 100 200 300 400 500 600
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
Milliarden Euro
-10 0 10 20 30 40 50 60
in Prozent
Unternehm ensgewinne Nettoinvestitionen
Nettoinvestitionsquote gem essen an Gewinnen (rechte Skala)
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen Priewe, Rietzler 2010; eigene Berechnungen