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In Vielfalt geeintDE
Europäisches Parlament
2019-2024
Petitionsausschuss
12.10.2020
MITTEILUNG AN DIE MITGLIEDER
Betrifft: Petition Nr. 0664/2019, eingereicht von Ermanno de Chino, italienischer Staatsangehörigkeit, über die Verluste, die sein landwirtschaftlicher Betrieb aufgrund von Maßnahmen im Widerspruch zu den EU-Rechtsvorschriften erleiden musste
1. Zusammenfassung der Petition
Der Petent, dem ein landwirtschaftlicher Betrieb zur Zucht und Ausfuhr von
Bienenköniginnen gehört, gibt an, hohe finanzielle Verluste durch die Maßnahmen erlitten zu haben, die kürzlich durch die Region Sizilien und die Kommission angenommen wurden. Am 28. Juni 2019 habe die Region Sizilien das Gesetzesdekret 1343 herausgegeben, mit dem eine Schutzzone mit einem Umkreis von fünf Kilometern in dem Gebiet um die Gemeinden Lentini, Carlentini und Catania errichtet und die Ausfuhr von Bienenköniginnen außerhalb der Region verboten wurde. Zudem habe die Kommission Sizilien wieder in die Schutzzone eingeschlossen, die durch den Durchführungsbeschluss 2014/909/EU der Kommission betreffend bestimmte Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit dem bestätigten Auftreten des Kleinen Bienenstockkäfers in Italien beschlossen wurde. Dem Petenten zufolge sind die Maßnahmen, die von der Region Sizilien und der Kommission ergriffen wurden, nicht mit den Bestimmungen des Durchführungsbeschlusses (EU) 2017/2174 vereinbar, da darin die Möglichkeit vorgesehen werde, Bienenköniginnen unter bestimmten Bedingungen
auszuführen.
2. Zulässigkeit
Für zulässig erklärt am 3. Dezember 2019. Die Kommission wurde um Auskünfte gebeten (Artikel 227 Absatz 6 der Geschäftsordnung).
3. Antwort der Kommission, eingegangen am 12. Oktober 2020
Der Petent macht geltend, dass die von den italienischen regionalen Veterinärbehörden bzw.
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der Kommission ergriffenen Schutzmaßnahmen gegen den Kleinen Bienenstockkäfer (Aethina tumida) nicht mit einer durch die EU-Bestimmungen für den Handel mit Bienenköniginnen in der Union vorgesehenen Ausnahme vereinbar seien. Die
Schutzmaßnahmen würden seinem Betrieb schaden, der Bienenköniginnen züchte und damit handele, und für seinen Betrieb sollten nur die EU-Bestimmungen für den Handel gelten.
Anmerkungen der Kommission
Der Kleine Bienenstockkäfer ist ein anzeigepflichtiger Bienenparasit, der verheerenden Schaden anrichten kann. Er stammt ursprünglich aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara und hat sich in den letzten 15–20 Jahren weltweit in immer mehr Ländern (darunter Australien, die USA, Kanada und Brasilien) ausgebreitet. Durch anthropogene Verbringungen befallener Bienen kann er sich sehr schnell über beträchtliche Entfernungen verbreiten.
Außerdem kann sich der Kleine Bienenstockkäfer örtlich über geringere Entfernungen verbreiten, da er fliegen oder vom Wind getragen werden kann. Für Bienenzüchter kann er durch die Zerstörung von Völkern und verdorbenen Honig erhebliche Auswirkungen haben.
Sobald er sich an einem bestimmten Ort etabliert hat, ist es sehr schwer, wenn nicht sogar unmöglich, ihn auszurotten. In der EU wurde er erstmals im September 2014 gefunden.
Ab September 2014 wurden zahlreiche befallene Völker in Kalabrien und ein Befall in Sizilien ermittelt. Nach offiziellen Angaben der Veterinärbehörde Italiens wurde der Kleine Bienenstockkäfer seither wiederholt in Kalabrien gefunden. Innerhalb Kalabriens hat sich der Kleine Bienenstockkäfer zumeist lokal in der Nähe des ersten entdeckten Falls ausgebreitet.
Er scheint nun in diesem Gebiet endemisch zu sein. Außerdem hat er sich über eine
Entfernung von 150 km verbreitet, da Imker befallene Stände aus dem Schutzgebiet verbracht haben, das die italienischen Behörden zur Eindämmung der Seuche errichtet hatten. Beide Verläufe der Seuchenausbreitung entsprechen den wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Jahr 2015 zusammengetragen und bewertet wurden.
Die Ausfuhr von Honigbienen in andere Mitgliedstaaten und ihre Einfuhr ist durch
Rechtsvorschriften der Union geregelt. Einige betreffen den Kleinen Bienenstockkäfer. Für die Bekämpfung und Eindämmung der lokalen Ausbreitung des Kleinen Bienenstockkäfers oder für seine Ausrottung bestehen jedoch keine unionsrechtlichen Vorschriften. Dies liegt in der Verantwortung der zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten. Außer Italien haben andere Mitgliedstaaten sowie Marktteilnehmer in der EU haben nur wenig Erfahrung mit dem Kleinen Bienenstockkäfer, da er früher in der EU nicht vorkam. Drittländer haben aus
verschiedenen Gründen nie versucht, ihn zu bekämpfen. Wissenschaftlicher Konsens ist, dass sich der Kleine Bienenstockkäfer nur sehr schwer bekämpfen oder gar ausrotten lässt, was in vielen Fällen unmöglich ist. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle: beispielsweise die Flugfähigkeit des Kleinen Bienenstockkäfers, sein Lebenszyklus (z. B. verpuppt er sich im Boden außerhalb von Bienenstöcken) und dass seine Anwesenheit, Fortpflanzung und Verbreitung unerkannt bleiben können. Daher stellt die Bekämpfung des Kleinen Bienenstockkäfers die Behörden vor regulierungs- und verwaltungstechnische Herausforderungen.
Trotz dieser Herausforderungen ist es den italienischen Behörden weitgehend gelungen, den Kleinen Bienenstockkäfer auf ein Gebiet zu beschränken, das nur geringfügig größer ist als das ursprünglich befallene im Jahr 2014. Darüber hinaus haben sie ihn an zwei verschiedenen
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Standorten außerhalb des zuerst befallenen Gebiets ausgerottet. In den letztgenannten Fällen waren die frühzeitige Entdeckung des Kleinen Bienenstockkäfers in dem neuen Gebiet sowie die entschlossenen und umgehenden Maßnahmen der zuständigen Behörden zu seiner
Bekämpfung der entscheidende Faktor. Die italienischen Behörden bekämpfen den Kleinen Bienenstockkäfer mit einer Kombination aus landesweiten und regionalen Rechtsvorschriften zu Verbringungsbeschränkungen sowie anderen Elementen. Dazu gehören die Ausweisung von Schutz-, Überwachungs- oder anderen Zonen rund um befallene Bienenstöcke oder Gebiete, die Vernichtung befallener Bienenstöcke oder -häuser, epidemiologische Untersuchungen, amtliche Kontrollen, die Information der Öffentlichkeit und
Marktteilnehmer, eine aktive und passive Überwachung zur frühzeitigen Entdeckung von Käfern, ein finanzieller Ausgleich für Imker, labortechnisches Fachwissen, die Verwaltung von Netzwerken von Wächter-Bienenstöcken für eine intensivere Überwachung usw.
Die anderen Mitgliedstaaten stützen sich auf die Maßnahmen, die von den italienischen Behörden zur Bekämpfung des Kleinen Bienenstockkäfers ergriffen wurden. So haben sich Sachverständige der Kommission und der Mitgliedstaaten und Sachverständige des EU- Referenzlabors für Bienengesundheit im Laufe der Jahre regelmäßig mit den italienischen Behörden über verschiedene Gesichtspunkte ausgetauscht. Es ist wichtig festzuhalten, dass weder die Kommission noch die Mitgliedstaaten formell befugt sind, die von Italien
ergriffenen Seuchenbekämpfungsmaßnahmen zu billigen, zu missbilligen oder abzuändern.
Mit diesen nationalen oder regionalen Maßnahmen können die italienischen Behörden die Verbringung verschiedener Bienen so beschränken, wie sie es mit Blick auf die
epidemiologische Lage für notwendig erachten. Dazu gehört in der Regel die Versetzung von Wanderbienenstöcken, aber auch andere sind möglich.
Die nicht befallenen Gebiete (in anderen Teilen Italiens oder in anderen Mitgliedstaaten) werden auch durch den Durchführungsbeschluss 2014/909/EU der Kommission1 geschützt.
Dieser Beschluss gilt parallel zu den von der zuständigen italienischen Behörde getroffenen Maßnahmen. Er wurde nach Konsultation der italienischen Behörden sowie anderer
Mitgliedstaaten erlassen. Der Beschluss 2014/909/EU beinhaltet ein Verbot der Verbringung von lebenden Bienen und einigen anderen Waren aus den betroffenen Regionen. Unter Berücksichtigung von Informationen aus Italien über die dortige epidemiologische Lage hat die Kommission die Anwendungsdauer des Beschlusses mehrmals verlängert. Alle
Mitgliedstaaten, auch Italien, haben diese Vorgehensweise stets unterstützt.
Darüber hinaus hat die Kommission auf Ersuchen Italiens und basierend auf entsprechenden epidemiologischen Informationen Anfang 2017 vorgeschlagen, den geografischen
Geltungsbereich des Beschlusses lediglich auf Kalabrien zu reduzieren (also Sizilien 2,5 Jahre nach dem einzigen Ausbruch dort als Sperrgebiet zu streichen). Der Vorschlag wurde mit den Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (Plants, Animals, Food and Feed, PAFF) beraten und abgestimmt. Außerdem wurde
vereinbart, dass der PAFF-Ausschuss künftig die Lage prüfen wird, wenn dies angesichts neuer Informationen notwendig ist.
Deshalb wurde das Thema auf der Sitzung des PAFF-Ausschusses im Juli 2019 erörtert,
1 2014/909/EU: Durchführungsbeschluss der Kommission vom 12. Dezember 2014 betreffend bestimmte Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit dem bestätigten Auftreten des kleinen Bienenstockkäfers in Italien (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2014) 9415) Text von Bedeutung für den EWR, ABl. L 359 vom 16.12.2014, S. 161.
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nachdem Italien am 21. Juni 2019 einen neuen Ausbruch des Kleinen Bienenstockkäfers auf Sizilien gemeldet hatte. Auf der Sitzung stellte Italien vorläufige Ergebnisse und
Schlussfolgerungen seiner epidemiologischen Untersuchungen vor. Diese Untersuchungen liefen zu jenem Zeitpunkt noch, um den Umfang der Ausbreitung zu bewerten. Vorbehaltlich der Endergebnisse dieser Untersuchungen haben alle Mitgliedstaaten den Vorschlag
befürwortet, dass ganz Sizilien im Beschluss 2014/909/EU als Sperrgebiet aufgeführt sein sollte.
Der Petent macht geltend, dass sein Betrieb alle Anforderungen für die Bescheinigung für den Handel mit Bienenköniginnen in der Union gemäß dem Durchführungsbeschluss (EU)
2017/2174 der Kommission2 erfülle. Dies trifft jedoch nicht zu, da Sizilien im Beschluss 2014/909/EU als Sperrgebiet aufgeführt ist. Außerdem wurde die Verbringung von Bienen aus Sizilien von den italienischen Veterinärbehörden nach dem regionalen Gesetzesdekret Nr. 1343/2019 Siziliens verboten. Diese Maßnahme ist wegen der schnellen Ausbreitung des Kleinen Bienenstockkäfers in ein neues Gebiet, das mehr als 200 km vom nächstgelegenen befallenen Gebiet entfernt liegt, aufgrund der Verbringung durch einen Imker gerechtfertigt.
In einer früheren EFSA-Stellungnahme war eingeschätzt worden, dass die natürliche Ausbreitung des Kleinen Bienenstockkäfers relativ langsam verläuft.
Der Durchführungsbeschluss (EU) 2017/2174 der Kommission ändert nicht die wichtigste Bestimmung für den Handel in der EU3 (wonach ein Abstand von mindestens 100 km zu Sperrgebieten bestehen muss) und betrifft auch nicht Sendungen von Honigbienen aus
Sperrgebieten. Dies schlägt sich in den Erwägungsgründen 2 und 4 und in einer der zusätzlich aufgenommenen Bedingungen für die Ausnahme im Text der Bescheinigung nieder: „Betrieb [...] befindet sich außerhalb einer Zone, in der durch die Union erlassene Schutzmaßnahmen aufgrund des Auftretens des Kleinen Bienenstockkäfers gelten“. Mit der Änderung durch den Beschluss (EU) 2017/2174 wird eine mögliche Ausnahme für Gebiete vorgesehen, die nicht als Sperrgebiete aufgeführt sind, aber näher als 100 km an bekannten Ausbruchsorten liegen.
In solchen Gebieten können die regionalen Behörden zusätzliche Maßnahmen in Form von Erhebungen und Kontrollen ergreifen, um die örtlichen Imker zu unterstützen, die mit anderen Mitgliedstaaten Handel treiben möchten. Diese Bestimmung ermöglicht Betriebsinhabern in solchen Gebieten, Bienenköniginnen unter bestimmten Bedingungen in andere
Mitgliedstaaten zu versenden. Sie stützt sich auf eine wissenschaftliche Stellungnahme der EFSA.
Als der Beschluss 2014/909/EU im Jahr 2017 geändert wurde, um Sizilien als Sperrgebiet zu streichen, eröffnete die gleichzeitige Änderung der Richtlinie 92/65/EWG durch den
Beschluss (EU) 2017/2174 den sizilianischen Behörden und bestimmten Betriebsinhabern eine Möglichkeit, diese Ausnahmeregelung zu nutzen. Die sizilianischen Veterinärbehörden wurden damit jedoch nicht verpflichtet, das Gebiet auf eine bestimmte Weise zu regulieren.
Auf jeden Fall können Betriebsinhaber diese spezielle Ausnahmeregelung nicht in Anspruch nehmen, sobald die regionalen Veterinärbehörden oder die Kommission die Verbringung von
2 Durchführungsbeschluss (EU) 2017/2174 der Kommission vom 20. November 2017 zur Änderung des Anhangs E der Richtlinie 92/65/EWG des Rates bezüglich der Veterinärbescheinigung für den Handel mit Bienen und Hummeln (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2017) 7588), ABl. L 306 vom 22.11.2017, S. 28.
3 Richtlinie 92/65/EWG des Rates vom 13. Juli 1992 über die tierseuchenrechtlichen Bedingungen für den Handel mit Tieren, Samen, Eizellen und Embryonen in der Gemeinschaft sowie für ihre Einfuhr in die Gemeinschaft, soweit sie diesbezüglich nicht den spezifischen Gemeinschaftsregelungen nach Anhang A Abschnitt I der Richtlinie 90/425/EWG unterliegen, ABl. L 268 vom 14.9.1992, S. 54.
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Bienen aus Sizilien beschränken.
Fazit
Die Kommission kann dem Petenten im vorliegenden Fall nicht weiterhelfen. Der Petent sollte sich stattdessen an die nationalen und regionalen Veterinärbehörden wenden.
Die Kommission weist darauf hin, dass die Notfallschutzmaßnahmen der Mitgliedstaaten oder der Union nur übergangsweise angewendet werden, wenn sie notwendig sind, um die Gefahr einer Ausbreitung und von Schäden durch potenziell verheerend wirkende tierpathogene Erreger (in diesem Fall der Kleine Bienenstockkäfer) einzudämmen. Solche
Notfallmaßnahmen stellen wegen ihrer Art und ihres Zwecks sowie ihrer rechtlichen
Grundlage und Bestimmungen oft eine Abweichung von üblichen Handelsbestimmungen dar.
Derartige Maßnahmen werden häufig genutzt, um Tier- und Pflanzenseuchen zu bekämpfen, auch wenn der Petent sie als nicht gerechtfertigt ansieht. Die Notfallbestimmungen und die üblichen Handelsbestimmungen beruhen auf unterschiedlichen Erwägungen, denn sie haben unterschiedliche Zielsetzungen.
Die Kommission ist der Ansicht, dass die zuständigen italienischen Veterinärbehörden ihre Befugnisse in verantwortungsvoller und wirksamer Weise ausüben.
Die Kommission stellt zudem sicher, dass Schutzmaßnahmen der Union verhältnismäßig sind.
Zwar können die Maßnahmen für einzelne Marktteilnehmer nachteilige Folgen haben, doch sollen sie alle Imker und Bienenstöcke4 in der Union vor den verheerenden Auswirkungen eines Befalls durch den Kleinen Bienenstockkäfer schützen.
Die Kommission ist bereit, gemeinsam mit den italienischen Veterinärbehörden eine erneute Bewertung der Lage vorzunehmen und ihre Schutzmaßnahmen gegebenenfalls zu überprüfen.
Dies kann auf Ersuchen der italienischen Veterinärbehörden und anhand umfassender epidemiologischer und Überwachungsdaten zur Situation in Bezug auf den Kleinen Bienenstockkäfer geschehen.
Es sei darauf hingewiesen, dass für eine Änderung des Durchführungsbeschlusses 2014/909/EU der Kommission auch die formelle Zustimmung der Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel benötigt wird.
4 In der EU gibt es über 650 000 Imker und mehr als 17,5 Millionen Bienenstöcke, COM(2019)0635.