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SWR2 GLAUBEN

INTEGRATION AUF KLEINSTEM RAUM

EIN MAINZER STADTTEIL WÄCHST MITHILFE DER KIRCHENGEMEINDEN ZUSAMMEN

VON CORNELIA MERKEL

SENDUNG 10.05.2009/// 12.05 UHR

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Fordern Sie unverbindlich und kostenlos das aktuelle SWR2-Programmheft und das Magazin des SWR2 RadioClubs an unter Telefon 01803/92 92 22 (0,09 €/Min. aus dem dt.

Festnetz, Mobilfunk ggf. abweichend)

oder per E-Mail an radioclub@swr2.de.

Bitte beachten Sie:

Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.

Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Cen 01

Ich hab jeden Morgen Hunger und ich will hier kommen, damit ich etwas essen kann, Brötchen und Apfelschorle oder Orangensaft.

Sieben Uhr morgens – Kinder aus aller Herren Länder treffen sich zum Frühstück

Cen 02

Ich bin Amina, ich bin 13 Jahre alt und komm aus Bosnien. Ich bin der Denis und komme aus Polen. Ich bin der Adis und ich hab’ jetzt Hunger. Ich bin der Jenner, ich hab’ jetzt Hunger und ich esse jetzt was, Cornflakes. Ich bin die Negina und komme aus Afghanistan und bin neun Jahre alt. Es ist lustig und da gibt es ganz, ganz le- ckere Sachen. Deswegen komme ich morgens hier her und weil ich Hunger hab. Ich bin Vanessa und komm’ aus Russia, ich komme fast jeden Morgen hierher. Ja, weil

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es macht hier mehr Spaß als zu Hause, da ist man nämlich alleine und hier sind halt mehrere Freunde von einem. Ich nehm’ auch erst mal Cornflakes und dann mach ich mir was für die Schule. Ich mach’ Brot und dann leg’ ich Wurst oder Käse darauf.

Zehn Kinder haben sich inzwischen mit ihren Tellern, Schalen, Bechern oder Gläsern an einen langen weißen Tisch verteilt. Großer Bruder neben kleiner Schwester oder Freundin neben Freundin. Alle sind ganz schön lebhaft um diese Uhrzeit.

Cen 03

Gehst du morgen tanzen? Ja. Gehst du morgen wieder zum Tanzen? Nein. Warum nicht? Ich bin rausgeflogen. Ja, der lässt dich aber wieder rein. Ich hab’ aber über- haupt kein Bock auf Tanzen.

Langsam ist es Zeit für alle, sich auf den Weg zur Schule zu machen, egal ob mit dem Fahrrad, dem Bus oder zu Fuß. Nichts wie raus jetzt.

Cen 04

Tschüß – geh auf Gymnasium – tschüß, tschüß - ich geh auf Hauptschule

Wo eben noch die Kinder zwischen 4 und 14 Jahren fröhlich durcheinander geredet haben, treten nun die Macher des Kinderfrühstücks in den Vordergrund. Ingrid und Josef Deibele und räumen die letzten Spuren eines lebhaften Morgens weg.

Cen 05

Am Anfang dieses Kinderfrühstücks waren die Kinder sehr aggressiv. Da gab’s mor- gens Streitereien, da hat man sich geschubst, da hat man sich gegenseitig die Wurst weggenommen oder die Brötchen streitig gemacht und mittlerweile in den zwei Jah- ren hat sich eine sehr angenehme Frühstückskultur entwickelt, die Kinder sind sehr harmonisch, können sich morgens austauschen.

Schnell kommt der 67jährige ins Erzählen. Den Anstoß zum Kinderfrühstück gab eine Schulleiterin. Sie hatte beobachtet, dass die Kinder am Vormittag unterzuckert und unkonzentriert wirkten. Nun sind Josef und Ingrid Deibele, die selbst drei erwachsene Kinder und fünf Enkel haben, hier im „Centrum der Begegnung“ in Mainz-Marienborn ehrenamtlich tätig.

Cen 06

Das Ehrenamt ist mir eigentlich in Wiege gelegt worden von der Mutter, die immer drauf bedacht war, dass ich mich ehrenamtlich engagiere. Früher war das die Ju- gendarbeit, dann war das im Berufsleben, dass ich im sozialen Bereich immer aktiv war und tätig war und nebenher immer noch Familienfreizeiten, Jugendfreizeiten eh- renamtlich mitgetragen habe und organisiert habe. Und nachdem ich in Rente ge-

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gangen bin, war die Hospizarbeit. Ich habe sowohl im stationären Hospiz mitgearbei- tet, habe ambulant die Familien betreut und habe Nachtwachen gemacht bei Ster- benden und dann hat sich das hier angeboten in Marienborn und nachdem ich schon im kirchlichen Bereich ehrenamtlich tätig war – Pfarrgemeinderat, Verwaltungsrat – habe ich mich dann entschieden hier im Marienborn am Sonnigen Hang noch mal ‚ne ganz neue Epoche aufzuziehen, mache drei mal in der Woche Beratungsstunden in Lebensfragen für die Bürger hier – geht um Geldprobleme, um Strom, um Räu- mungsklagen, um Sozialstunden, die abgeleistet werden müssen - also das ist ein ganz großes vielfältiges Gebiet, was hier von mir bewältigt wird und was mir sehr, sehr viel Freude macht.

So ist der Rentner zusammen mit seiner Frau Ingrid von montags bis freitags von halb sieben bis acht Uhr morgens im „Centrum der Begegnung“ und macht Kinder nicht nur glücklich, sondern auch satt.

Cen 07

Wir haben das ganze Leben zusammengearbeitet und es macht uns auch Spaß, ja, wenn die Kinder zufrieden sind, dann sind wir das auch. Ich hab’ auch von Jugend auf in der Pfarrei mitgearbeitet ja, hab’ Kindergruppen gehabt, Jugendfreizeiten, hab’

gekocht für die Kinder im Zeltlager und mach’ hier in Marienborn auch die Senioren- arbeit, wir haben heute Mittag wieder einen Seniorennachmittag – aber das ist halt die Schwierigkeit vom Sonnigen Hang die kommen nicht ins alte Ortsteil und vom alten Ortsteil, die kommen weniger hierher. Und wir wollten das eigentlich miteinan- der verbinden, aber das gelingt noch nicht so ganz.

Etwa 4.000 Menschen leben in Marienborn, einem Vorort von Mainz. Sie leben in zwei Welten. Die eine Welt ist der neue Ortsteil „Am Sonnigen Hang“ mit seinen Hochhäusern, die unmittelbar am Autobahndreieck stehen. Wer hier wohnt, lebt oft- mals in der Anonymität. Das „Centrum der Begegnung“, das hier seit zwei Jahren zu Hause ist, will auch dem entgegenwirken. Die andere Welt ist im alten Ortseil, einem gewachsenen Dorf, da, wo der 79jährige Karl Janoschka lebt.

Cen 08

Das ist ungarischer Name, Janosch und das heiß Johannes. Und „ka“ ist Sohn des Johannes. So, ich war selten da unten, weil die Hochhäuser sind ein Fremdkörper und da komm’ ich selten hin, obwohl ich mal unten einen schönen Acker hatte. Aber die Leute sind irgendwie fremd, ich weiß nicht, die kommen nicht hier ins Dorf die Leute und ich weiß nicht, was soll man da unten mit denen Fremden? Lach. Wir sa- gen die Fremden, net, obwohl wir selbst fremd sind. Jeder ist ja Ausländer, sehen sie ja. Ja, ja, ich bin in Geldern geboren am Niederrhein, meine Mutter ist Mainzerin, nur mein Vater, der ist von Schlesien gekommen.

Wenn nicht gerade die Müllabfuhr unterwegs ist, und die Tonnen leert, ist die Straße hier mitten durch den Ort wie tot, denn längst sind vor dem Ort die großen Läden, die das Geschäft machen. Sonntags ist hier kein Mensch unterwegs. Außer, wenn die

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evangelische Gemeinde ihre Gläubigen zum Gebet versammelt oder die Glocken der Wallfahrtskirche St. Stephan für die Katholiken Marienborns zum Gottesdienst läuten.

Menschen aus über 20 Nationen leben in Marienborn – vor allem der neue Ortsteil ist ein Schmelztiegel. Vor zwei Jahren haben die beiden Kirchengemeinden und die Ca- ritas das „Centrum der Begegnung“ ebenda eröffnet – in einem Flachdachgebäude gegenüber den Hochhäusern, da wo es bereits ein Bistro und einen Kiosk gab. Die beiden Pfarrer Reinhard Vitt und Harald Jaensch haben sozusagen die Kirche im Dorf gelassen und sind mit ihrer gemeinsamen Initiative bewusst in den „Sozialen Brennpunkt“ hinein. Pfarrer Harald Jaensch von der evangelischen Gemeinde hatte 2006 die Katholiken und die Caritas ins Boot geholt – das „Centrum der Begegnung“

war aus der Taufe gehoben. Versuche in den Jahren davor mit den „Neubürgern“ in Kontakt zu treten waren gescheitert. Man hatte geglaubt, die Neuen müssten auf die traditionsreichen Vereine im alten Ortsteil zukommen und nicht umgekehrt.

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Bei meinem ersten Besuch hier vor 30 Jahren war ein Sommerfest gewesen. Und das war so, dass da der alte Ort vertreten war mit verschiedenen Vereinen, mit Mu- sikverein, Gesangverein. Und viele Menschen waren da. Und man hat gehofft, wenn man freundlich jetzt hier auftritt, dann kämen die vielen Menschen auch zu ihnen in die Vereine. Und das hat nicht funktioniert. Und dann gab es aber Etappen, die ei- gentlich auch ermutigend waren. Z. B. beim Bosnischen Krieg kamen ganz viele Flüchtlinge und da in der Not, da hat man eingesehen, dass wir alle auch helfen müssen und haben zusammen auch Kinder- und Jugendarbeit in einem Waschkeller in einem Hochhausgebiet gemacht. Und wir haben alle bosnischen Kinder weitest- gehend integriert im Kindergaren und in der Grundschule und dann ist die Erkenntnis gekommen, wir müssen vor Ort anfangen mit den Menschen und müssen besonders auch mit den Kindern diese Schritte gehen und sie begleiten, dass sie selbst auch ihre Wege finden.

Dennoch gibt es hin und wieder Spannungen mit den Vereinen die sich immer noch schwer damit tun, dass die „Neubürger“ nicht zu ihnen in den alten Ortskern, ins vermeintlich „wahre“ Zentrum von Marienborn kommen, sondern dass das „Centrum der Begegnung“ in den neuen Ortsteil gelegt wurde. Der Ansatz der beiden Kirchen war jedoch ein anderer, als der, der Vereine, erläutert Pfarrer Reinhard Vitt.

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Wir wollten nicht die Leute zu uns holen – vielmehr wollten wir auf sie zugehen, ihre Not sehen und zugleich auch darauf achten, dass sie in ihrer Würde sich anerkannt und beachtet fühlten. Das war sehr überzeugend, etwa beim Internationale Fest im letzten Jahr. D as war das erste Fest, da wurden die, die eigentlich Gäste sind Gast- geber. Und diese Beachtung der Menschen in ihrer Besonderheit ist eigentlich das, was wir hier als Grundlage unseres Handelns praktizieren.

Für Pfarrer Harald Jaensch ist dieser Rollenwechsel eine christliche Grundtendenz, angelegt im Evangelium.

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Jesus Christus lädt ein, das erzählen die Ostergeschichten, sie feiern Abendmahl und aus diesen Gästen werden Gastgeber, sie laden andere ein zum großen Fest des Lebens. Und das ist hier wunderschön beim Interkulturellen Fest, wenn hier eine – hier sagt man in Marienborn – eine Essgasse entsteht, wo dann zehn verschiedene Stände da sind, aus zehn verschiedenen Nationen Gerichte - aus Afghanistan,

Äthiopien, aus China - und sie voller Stolz ihre Sachen anbieten. Und das ist ein Symbol, für das, was wachsen kann, auch im ganz normalen Leben, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und wir sie mit begleiten darin.

Ihnen dabei helfen beispielsweise, unsere Sprache zu lernen. Gerade ist ein Deutschkurs zu Ende gegangen - vier Frauen sind ins „Centrum“ gekommen, um sich ihr Zertifikat abzuholen.

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Ich heiße Nahid Vegidi, ich komm’ aus Afghanistan, bin verheiratet, ich habe keine Kinder. Ich komme aus Korea, bin verheiratet, aber habe kein Kind. Serbessa Cher- covich ich komme aus Serbien, ich habe vier Kinder. Ich komme aus Äthiopien, mein Name ist Roman Sahai. Ich bin auch eine freiwillige Helferin mit „Internationalem Ko- chen“. Und dann ich mache auch im Kindergarten Trommeln, ist meine Heimat das Trommeln, Ich bin dankbar und fühle mich gut, dieses „Centrum für Begegnung„ ge- gründet ist, das ist Richtige für die Menschlichkeit – ja.

Das zeigt sich z. B. daran, dass neben Fremdsprachenlehrerin Gerda Hoenes immer auch Familientherapeutin Gunhild Stoll mit im Deutschkurs sitzt. Die Erfahrung zeigt,

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dass ich also auch ein Ohr habe und kleines Gespräch anfangen kann darüber, was für Traumata die Frauen, die hier sind, auch mitbringen, weswegen sie ihre Heimat verlassen mussten. Und da sind zum Teil auch erschütternde Geschichten, also wo auch mir selbst die Tränen kommen. Und das schafft aber auch Gemeinschaft, weil dann bleibt immer ein kleiner Kreis sitzen und hört mit zu, und die Betreffende, die das erzählt, die merkt, aha, ich kann das weiter geben und andere hören mit zu, ich kann es sozusagen damit teilen und meine Last erleichtern.

Im Nachbarraum haben sich sieben Frauen und zwei Männer um einen Tisch mit technischem Equipment - wie Computer, Labtop, Digitalkamera oder Handy ver- sammelt – zum PC-Kurs für Fortgeschrittene. Kursleiter Thomas Dann ist einer der wenigen Nebenamtlichen in diesem Projekt.

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So, Jetzt hat er hier praktisch so was aufgemacht wie unser Internet Explorer – Da- tei-Browser heißt, er sucht Dateien. Und da kann ich mir jetzt Dateien suchen, die ich da drauf brennen will. //

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Des ist ‚ne angenehme Atmosphäre, wir verstehen uns auch untereinander. Mein Name ist Ingrid Sickinger, ich bin 68 Jahre, hab’ 25 Jahre hier in Marienborn ge- wohnt, und bin über ne Freundin hier zu diesem Computerkurs gekommen, ja und heute hat der Thomas halt über die Begegnung gesprochen, dass sie Leute suchen und da hab’ ich mich jetzt fürs Kinderfrühstück gemeldet. Ich bin die Ulrike Zimmer- mann, 65 Jahre und wohne seit drei Jahren in Marienborn. Ich hab’ vorher am Bo- densee gewohnt, und mein Mann ist leider verstorben und dann bin ich hierher zu- rück, weil meine Kinder hier im Umland wohnen. Und dann hab’ ich praktisch ange- fangen mit dem PC, um auch ein bisschen ne Beschäftigung zu haben. Und ich hatte den PC noch von meinem Mann und hab’ den drei Jahre nicht aufgemacht, weil da unser ganzes Leben drin steckt und hab’ dann aber gedacht, es ist jetzt mal Zeit, dass ich mich damit befasse. Und hier in dem Kurs hab’ ich dann eben auch ein paar neue Kontakte knüpfen können und so kommt man Schritt für Schritt dann weiter in die Gemeinschaft, zum Turnen und zum Nordic Walking und was eben alles so hier angeboten wird.

Als Älteste von fünf Kindern ist es für Annemarie Banacé selbstverständlich, sich für ihre Mitmenschen zu engagieren.

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Ich bin in einer religiösen Großfamilie groß geworden. Wir haben im Elternhaus ein sehr soziales Engagement gehabt. Wir haben schon immer in Marienborn gelebt, der Ort war klein, jeder hat jedem geholfen.

Einmal im Monat leitet sie den Kurs „Marienborn isst international“.

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Die nächste Woche ist zum Beispiel chinesisch dran, kocht auch eine Chinesin und spricht ein bisschen über ihr Land. Wir trinken dann Tee zusammen, essen paar Krabbenchips und dann kochen alle gemeinsam, essen alle gemeinsam, machen alles gemeinsam wieder weg. Bin noch nicht ganz so zufrieden, wie ich es gerne hät- te, es ist mir zu wenig, zu wenig Migranten, was eigentlich der Sinn der Sache ist, ne. Wollen wir sehen, vielleicht geht es besser nach einem Jahr, man muss ja schon mit Anlauf rechnen – ne.

Optimistisch in die Zukunft blicken ist eine Stärke der beiden Kirchengemeinden, die das „Centrum der Begegnung“ Marienborn zusammen mit der Caritas in Leben geru- fen haben. Nach fünf Jahren soll die Frage gestellt werden, wie es weiter geht. Denn so Pfarrer Reinhard Vitt von der katholischen Kirchengemeinde –

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Die Kirche hat die Aufgabe zu initiieren, aber nicht aus der Initiative einen Besitz zu machen. Insofern wird nach fünf Jahren die Frage gestellt sein, bleibt das in dieser Trägerschaft erhalten oder müssen wir uns um Erweiterungen bemühen. Das hat

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auch damit zu tun, dass das Centrum nachher so stark und so breit werden kann, dass das im Grunde für die beiden Kirchengemeinden samt der Caritas zu groß wür- de.

Dieser Zeitpunkt könnte schon bald erreicht sein, meint Pfarrer Harald Jaensch von der Evangelischen Kirchengemeinde. Denn

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Wir sind jetzt nach zwei Jahren bereits an dem Punkt, wo wir selbst am Rande unse- rer Kräfte sind, wenn wir unsere professionellen Kräfte nicht überfordern wollen. Und das ist ein ganz großes Problem, das haben auch alle erkannt. Und wir haben jetzt die Situation, dass wir gefragt sind, sind wir bereit jetzt andere Träger mit hinein zu nehmen, entweder Diakonisches Werk oder die Stadt. Wir werden größere Förde- rungen nicht bekommen, ohne dass wir die hinein nehmen. Und jetzt sind wir da ge- nau gefragt und das ist natürlich mit Ängsten auch verbunden.

Die Qualitätsstandards, die inzwischen aufgebaut worden sind, sollen schließlich auch in Zukunft beibehalten werden, Partnerschaft statt Hierarchie auch weiterhin das Modell der Zusammenarbeit sein. Des weiteren soll Leitung nicht nur ein paar Wenigen vorbehalten, sondern Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt sein.

Nach wie vor gilt, dass die Kirche auf die Gesellschaft einwirken will.

Cen 20

Mein Kollege Pfarrer Vitt hat da anfangs ein sehr beeindruckendes Wort geprägt:

„eine Kirche, die nicht auf die Gesellschaft einwirkt, ist eine tote Kirche“. Und subs- tanziell gehört da mit der Einsatz für die, die am Rande stehen. Und hier als Quali- tätsfaktor sagen wir heute nicht mehr für die, sondern merken einfach, dass es uns selber gut tut, auch mit denen, die am Rande leben, hier auch ein Stück Leben zu teilen. Und das ist hier auch eine Qualität, dass wir hier von beiden Gemeinden hier einen Standort haben, wo wir selber lernend unterwegs sind und merken, das tut uns gut.

Nächstenliebe spielt eine große Rolle. Das Engagement hat mit dem Glauben zu tun.

Denn Glaube ist Motivation, erklärt Pfarrer Reinhard Vitt.

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Glaube ist im Grunde ein Vertrauen, dass eine Sache, eine Angelegenheit, eine Ini- tiative gelingt. Und diese Motivation, die idealistischer Art ist, ist ein stärkerer Ant- riebsfaktor, als materielle Wirklichkeiten. So dass der Glaube also nicht thematisch hier der Hintergrund ist, thematisch auch, Jesus Christus steht zu den Menschen am Rande in besonderer Weise, es ist vor allem eine ideelle Motivation hier diese Arbeit zu machen.

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Menschen vieler Religionen und Weltanschauungen leben in Marienborn, darunter chaldäische Christen, Muslime oder Juden. Gute Vorraussetzung, um hier im „Cent- rum der Begegnung“ in einen Interreligiösen Dialog einzutreten.

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Das nächste Mal ist halt Gottesbegriff. Und sowie die christliche, evangelische, auch die islamische Seite bereiten sich dafür vor in einem Kurzvortrag und dann anschlie- ßend wird diskutiert, also Fragen gestellt. Letztes Mal hatten wir Bittgebete gehabt, das war sehr positiv. Wir hatten gesehen, dass wir auch große Ähnlichkeiten haben – doch so nah.

Etwa 20 Interessierte, überwiegend Frauen, überwiegend Christen, tauschen sich aus, um sich gegenseitig zu verstehen. Salim Abdiovski ist selbständige Fliesenleger.

Als Kind kam der heute 28jährige aus Mazedonien. Seit fünf Jahren ist Salim Ab- diovski praktizierender Moslem, davor war er nur Moslem, wie er schmunzelnd er- zählt.

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Wir wissen auch, dass im Islam Ehrenamt großen Wert hat, ja, denn wir wissen, dass nach dem Leben auch weitere Jenseits gibt und Paradies und dafür streben wir halt auch. Und momentan ist die finanzielle Lage nicht dementsprechend, dass man jetzt jemand einstellen könnte und deshalb sind wir gefragt halt ehrenamtlich zu arbeiten.

Egal ob Praktikant, freiwilliger Helfer, nebenamtlich oder ehrenamtlicher Helfer – sie alle haben ihre ganz persönlichen Beweggründe für ihr Engagement. Auch Heidi Beuchel, die immer dann beim Seniorenfrühstück einspringt, wo es brennt.

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Wer möchte noch Kaffee? Nein. Ein Wasser oder einen Saft? Ja, einen Saft. - Zum Helfen, Hospiz, bin ich durch zum Beispiel durch unseren Sohn gekommen. Unser Sohn ist krank, er arbeitet noch und ist auch noch voll im Beruf. Aber er hat das Bechterew und verschiedene andere Krankheiten. Und da hab’ ich gedacht, wenn ich nicht mehr bin, er lebt zwar nicht bei uns, wenn ich jemandem helfen kann, vielleicht wird ihm auch geholfen. Das waren an und für sich meine Voraussetzung, wo ich aufgehört habe mit Arbeiten. Ich war ja als Sekretärin auf Station und da war ich auch immer für die Patienten da. Wenn was ist und ich kann helfen, dann helfe ich.

Mein Mann ist dasselbe. Der macht auch viel ehrenamtlich. Mein Mann spielt jeden Mittwoch Akkordeon im Altenheim. Ja, wir sind ne Familie, die hilft wenn’s Not am Mann ist.

Erst kürzlich, im April haben die 69jährige und ihr Mann „Goldene Hochzeit“ gefeiert.

Gepflegt, die Haare hochgesteckt, grauer Rock, rotes Oberteil, Perlenkette, so hat Heidi Beuchel heute ihren „Dienst an ihren Mitmenschen“ im „Centrum der Begeg- nung“ angetreten.

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Cen 25

Ich bin heute morgen um acht war ich hier. Hab’ ich den Tisch eingedeckt und Kaffee gekocht. Die Marmelade wird meistens gespendet und kurz vor zehn kommt der nächste Schwung, wie man sagt. Sind noch einige, die kommen müssten, die sonst immer da waren. - Ja – Die Frau Benedikt, die ist schon 83 oder 84. Dann ist immer ein Behinderter das gewesen mit einem Rollstuhl, den vermiss ich auch. Ich weiß gar nicht, was los ist, ich muss die Frau Deible mal fragen, warum er nicht kommt.

Wann immer er kann, kommt Hans-Norbert Müller hierher zum Frühstücken. Für ihn sind das gerade mal 50 Meter Luftlinie. Vor ein, ein halb Jahren ist der 53 jährige aus Kostengründen aus der Stadt hierher in den neuen Ortsteil von Mainz-

Marienborn gezogen.

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Ich bin gelernter Kfz-Mechaniker, ich habe 17 Jahre in Mainz gearbeitet und Buden- heim und dann bin ich an Krebs erkrankt. Seitdem bin ich Frührentner, 14 Operatio- nen hinter mir und ich geh’ hier zum Frühstücken, um die Nachbarschaft kennen zu- lernen. Des ist schon angenehme Atmosphäre. Mir kenne uns - vom sehen kennen wir uns schon seit ein paar Wochen, und ihn kenne ich auch vom sehen, er kommt eben auch öfters, aber noch nicht so lange – gell?

Mein Name ist Badin, geboren in Irak, und dann hier gekommen nach Deutschland.

Aber ich habe Asyl hier in Deutschland, habe Probleme vom Krieg. Momentan ich bin arbeitslos – muss machen den Lkw-Führerschein. Ich bin 66 Jahre, ich bin Rentnerin, und wohne in einem in einem der Hochhäuser Am Sonnigen Hang. Ich hab’ bisschen schlecht, ich hab’ die Balkonseite zur Autobahn hin – aber ansonsten ist das Haus sehr ruhig – ja.

Sie kramt in ihrem Portemonnaie und drückt einige Münzen durch den Schlitz der Spendenbüchse, die auf dem Tisch steht. Finanzieren soll sich das Frühstück durch Spenden, so war die Idee. Ohne Geld geht nichts, meint Berit Sommerfeld, Vorsit- zende im Kirchenvorstand der evangelischen Kirchengemeinde

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So ein Projekt kann halt nur funktionieren, wenn viel ehrenamtliche Arbeit geleitet wird, wenn Geld da ist, was man ausgeben und Geld da ist, was man wieder ein- nehmen kann. Und um zu gucken, dass Eingaben, Ausgaben überein stimmen und die Projekte eben auch weiterlaufen können und nicht wir von der Hand in den Mund leben, müssen halt diese Finanzgeschäfte mit organisiert werden.

Selbstverständlich, dass die 34jährige diesen Job, neben ihrer Arbeit als Kranken- schwester in der Mobilen Kranken- und Altenpflege, ehrenamtlich macht.

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Es ist ein Projekt, was sich bisher trägt, weil wir sehr, sehr viel ehrenamtliche Arbeit haben, wir im Nachhinein immer wieder versuchen, nach Geldern zu gucken. Mittler- weile fangen wir an, im Vorhinein nach Geldern zu suchen, um einfach frühzeitig zu wissen, wo wir Anträge stellen können und wie das geht.

Auch Raumprobleme müssen hin und wieder gelöst werden. So war die breakdance- Gruppe längst rausgewachsen aus den Räumen des „Centrum der Begegnung“ am Sonnigen Hang. Nun treffen sich die Kids eben im Keller des evangelischen Ge- meindezentrums im Alten Ortskern mit Tanzlehrer Aron zum breaken.

Cen 29

breakdance ist ein Tanz verwandt mit Boogie, es sind Wellen sozusagen, die durch den Körper gehen, oder auch Turnbewegungen auf dem Boden, die Leute, die sich auf dem Rücken drehen, auf dem Kopf drehen, auf dem Knie drehen, usw..

Cen 30

Ich bin Mina, komm aus Iran. Also mir gefällt breakdance, weil ich das Beat mag und ich habe viel Spaß beim Tanzen. Ich bin der Adis, komme aus Italien und ich mach breakdance, weil mir die Bewegung gefällt. Ich bin die Cibelan Belani, ich komme aus Serbien mit gefällt das an breakdance, dass auch meine Freunde dabei sind und vieles mehr.

Cen 31

So Leute, wir machen jetzt einen Kreis und da werden wir uns warm machen und es wird gebreakt – ja – also los geht’s. – Musik - Sehr gut - Weiter, weiter, weiter, weiter - und rückwärts – Sprung – sehr gut - Ja - Weiter - So Vanessa Sidestep und jetzt Kniedrehen – schneller – Hände weg - sehr gut, sehr gut, sehr gut – sehr schön– gut das war es jetzt.

Das war aber noch längst nicht alles, was das „Centrum der Begegnung“ zu bieten hat. Hausaufgabenhilfe, Nachhilfe, Migranten-Sprechstunde, und, und, und... Offen ist das Centrum, das sich übrigens mit „C“ statt mit „Z“ schreibt, in der Regel von Montag bis Freitag ab 7 bis ca. 18 Uhr. Pfarrer Harald Jaensch erklärt, dass das „C“

für mehr als nur für christlich steht.

Cen 32

Das „C“ ist offen zur Hälfe und wir signalisieren hier können andere Initiativen, auch Menschen mit anderen Motivationen, auch Gruppierungen ihren Platz haben und Initiative ergreifen und ihre Identität entfalten.

Das „Centrum der Begegnung“ lebt und wächst weiter. Die beiden Kirchengemeinden und die Caritas verfolgen auch weiter ihre ehrgeizigen Ziele. Pfarrer Reinhard Vitt erklärt warum.

Cen 33

Christen sind eigentlich, wenn sie ihren Glauben nehmen wie er ist, keine Minimalis- ten. Wir haben ein großes Ziel - wenn ich das zuspitzend sagen will - heißt das große

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Ziel Reich Gottes. Das ist aber nicht ein Ziel, das wir erreichen. Wir sind auf dem Wege zu einer Gesellschaft, die in sich gesund ist, die in sich sozial ausgeglichen ist - alles Schritte auf dieses große Ziel hin, aber ohne ein großes Ziel gelingen auch die kleinen Schritte nicht.

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