Eine katabanische Inschrift, Von
Fritz Hommel.
Diesen interessanten Text — zugleich die erste katabanische
Inschrift, die zur Veröffentlichung gelangt —, sandte der griechische
archäologische Reiseführer Joannis Kallisperis aus Kalymnos
in einer nach einer Kopie gemachten Photographie (s. den neben¬
stehenden Text) ohne weitere An¬
gaben als die Bleistiftnotiz 2ävttn Ftfiivriq d. i. von §an'a in Jemen
an Herm Freiherm Dr. Hiller von
Gärtringen, dem er von Zeit zu Zeit Inschriftenkopien und -abklatsche aus den griechischen Inseln schickt.
Jener Brief an Freih. Hiller war
ungenügend adressiert und kam
daher an Herra Kallisperis zurück.
Herr Dr. Rudolf Herzog, dem ich
die Überlassung der Inschrift zum
Zweck der Publikation verdanke,
übemahm nun, als er im Sommer
mit Herm Kallisperis auf Kos
archäologisch und epigraphisch ar¬
beitete, die Besorgung des Briefes
nach seiner Rückkehr. Dr. Hiller
schickte die Photographie an Prof.
D. H. Müller in Wien, von wo sie
aber zurückkam, da dieser eben
nach Südarabien abgereist war;
darauf erhielt sie Dr. Herzog zu
weiterer Verwendung, und war
nun so liebenswürdig, sie auf An¬
regung Prof. Dr. Seybolds mir zur näheren Bestimmung und zur
Veröffentlichung zu übersenden.
Die Inschrift ist , wie aus dera Vermerk am Schluss »y>t}
y ,und damit ist sie hier zu Ende" hervorgeht, von einem
Araber an Ort und Stelle kopiert und nach §an'a gebracht worden.
1 1 *
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Hommel, Eine katabanische Inschrift, 99
Wer die Photographie gemacht hat, bleibt dunkel, ebenso, wie die
Photographie oder Abschrift in die Hände von Herrn Kallisperis
kam. Dr. Hiller vennutet, er habe sie von einem muhammedanischen Pilger auf Kalymnos mitgebracht erhalten, es ist aber auch möglich,
dass er sie von einem griechischen Kalymnier hat, da diese Leute
sich vor denen der Nachbarinseln durch lebhafte Kauffahrtei aus¬
zeichnen.
Soweit die MitteUungen des Herm Dr. Herzog. Als ich die
Inschrift heute morgen zu Gesicht bekam , sah ich sofort aus der
Erwähnung des Gottes 'Amm (in Zusammenhalt mit den minäischen
Formen) , dass sie aus dem katabanischen Gebiete stammen muss ;
denn wir wissen ja durch Ed. Glaser, dass 'Amm der Hauptgott
der Katabanier war ') und dass die katabanischen Inschriften, deren
Glaser ca. 100 in Abklatschen von seiner vierten Reise mitgebracht
aber leider noch immer nicht veröffentlicht hat, im minäischen
Dialekt abgefasst sind^).
Anbei nun meine Transskription*) und Übersetzung (Anfang
der Inschrift fehlt):
[y I N-na I ]
1 1 1 man 1 DJTTT 1 n
2 nis 1 NTim 1 nno | bs
3 b-irisn 1 NTiai | nim
4 1 bD 1 a7:op 1 p 1 DIN 1
5 m 1 lä-inra | ^zyt
6 a 1 nrn | TrTip-nia
7 -lacN 1 Tnn | nabb
8 091 1 Tpiffiinn» 1 T
9 1 -inB 1 bsT 1 nis5T |
10 balil 1 Doori | ba | la
11 iNoäMi 1 ürtioi 1 D
12 1 Ta|BiD:\ij73T|D
13 Dainnan
d. i. [mit der Hilfe des 'A]mm von Dawwän (oder Daun)
und des Niswar (2) und des El von Phr, und mit der Hilfe
1) Glaser (in meiner Besprechung von Meissners Beitr. zum Altbabyl.
Privatrecht), ZDMG. 49 (1895), S. 525 f.
2) Glaser, Die Abessinier in Arabien und Afrika (MUnchen 1895), S. 72.
3) Ich transskribiere A durch (das etymol. entsprechende) 123, ^ durch
"il5, und Ji durch D.
1*
100 Hommel, Eine katabanische Inschrift.
seiner Sonnengöttin und mit der Hilfe und der Kraft (pl.,
ahjät) (4) des dtn Sohn des Käsim (oder von Leuten von K.?,
da D~6< sonst in den Inschriften stets Leute, Vasallen heisst),
alle (5) Stämme, in der Gnade (inMa) des Gottes ii und der
(6) Aufgangs - Sonnengöttin ; und es stellte N. N. (Dhu-Galab,
oder Banü G. ?, dann : es stellten die Söhne G.'s) diese In¬
schriften in den Schutz des aufgehenden ') Athtar und des
'Amm und des Niswar und des El Pljr vor jedem Verkleinerer
(eigtl. ingobile facientis) und Schädiger und Beseitiger und
Zerstörer und Änderer (derselben) weg von ihren Plätzen.
Interessant sind die neuen Verba ODf (vgl. ^j^) und nro
(vgl. als Synonyma von ban , ^nd IV und ids IV, besonders
aber die Göttemamen. Über das Epithetum omn wird uns jeden¬
falls Glaser aus seinen zahlreichen katabanischen Texten Auskunft
geben können, und wohl ebenso über ins bs: es hat vorher
keinen Zweck, nutzlose Vermutungen anzustellen, ebensowenig wie
über den Namen cnop "a ms und über den offenbar nicht genau
kopierten Namen des Stifters, Z. 7 (in den minäischen Texten steht
sonst nach nrn stets ahlu etc., also vielleicht | -a = banü Z. 6
Schluss zu restituieren?).
Dagegen ist es wohl erlaubt , zum Gottesnamen j_j->*ö , "ii w': , o -
scbon jetzt einiges zu bemerken. Ein jy^u-i o.aj kommt neben
einem Gl. 419/8, Z. 4, einer sich eng mit der Sirwäh-
s
Inschrift berührenden Mariber Marmorstele aus der Makärib-Zeit
vor; ausserdem ist noch Stammes- oder Familienname, vgl.
Aegyptiaca S. 28 (Hommel, Ägypten in den südarab. Inschriften),
imd zwar eines Stammes des Gebietes von Ausän. Da es einen
westlichen und östlichen Gott Nasr gab (entsprechend den zwei
Adlergestirnen am Himmel), so könnte ^jj*ö ein gebrochener Plural
Nasdwir von ^^.o sein, falls ^j-*o nicht eine besonders in Süd-
C" b
arabien beliebte Nebenform Jyis von y*J darstellt.
Falls isnnraa richtig kopiert ist, so möchte ich, des folgenden yiaJiy^A halber (vgl. Bibl. Nat. Nr. 1, Z. 2/3 ^yc^yi^ y-^Jl^J^j^
,bei ihrer Sonnengöttin, der vom Aufgang') ii von im:a (vgl.
jL^? , Gnade') abtrennen und in iä einen Gottesnamen (Mond oder
O '
Venusstem, cf. s-.io „Glanz") erblicken. Wir hätten dann den
1) Siehe dazu Mordtmann, ZDMG. 39, S. 235 OplTSb = Ö.LäJÜ).
Hommel, Eine katabanische Jnschrift. 101
palmyrenischen Gott (Wellhausen, Reste etc., 1. Aufl., S. 62)
und das hebräische, bisher missyerstandene Wort ii: Hos. 5, 11
(hinter her wandeln) zu vergleichen.
Zu D?, nach welchem Gott sich die Katabanen jJ. nennen
(so in der §irwäh-Inschrift) vgl. die stereotype Folge (ebenfalls in
-Cl
der Sirwäh-Inschrift) ^^ijü i^'^^^i ,'Amm und Anbaj
(= Nebo ?) und Warawa-il (König von Katabän zur Zeit des Mu¬
karrib Kariba-il Watar) und Katabän'; ähnlich von Hadhramaut:
sj./yi:5>-^ lil-cAj^ Sy='i »^'° l^ml (cf. hebr. bin ,Ehönix'
S
Hiob 29, 18, der ja vom Weihrauchlande stammt) und Jadi'a-il und
Hadramöt' (ebendaselbst). Und aus seinen katabanischen Inschriften
teilte mir seiner Zeit Glaser folgende Götteranrufung mit:
O'. . - . ,
^..s-j oAjj, ^^j^ oA^5 OlXj; Lr>j4* f**:^
„bei Athtar und bei 'Amm und bei Anbaj und bei Haukam
(oder Hauk?) und bei den Sonnengöttinnen von §ümat und
gahrän und Rahbän'
C - wr^ ^
(vgl. ein anderes Mal^j„.*.i:^ jUc , ebenfalls nach Glasers Mit¬
teilung und ohne genauere Angabe der Belegstelle).
Möge diese kleine Publikation dazu den Anstoss geben, dass
sich Glaser doch recht bald entschliessen möge, seine kostbaren
katabanischen Texte entweder selbst herauszugeben oder sie doch
wenigstens Freunden zur Herausgabe zu überlassen. Er wird damit
der semitischen Altertumskunde ein weiteres neues Peld eröffnen,
nachdem er schon durch seine früheren Mitteilungen über den Gott
den Schlüssel zur Erkenntnis so mancher Stellen gegeben und
dadurch auch die richtige Einreihung der oben veröffentlichten
Inschrift als katabanische ermöglicht hat.
München, 15. Dez. 1898.
io?
Nochmals zur syrischen Betonungs- und Verslehre.
Von flnbert Crrimme.
Nach den Forachungen der Neuzeit auf dem Gebiete der Metrik
konnte es für ausgemacht gelten, dass Verse ohne Rhythmus nicht
denkbar seien, weil gerade die rhythmische Regelung der Rede die
Basis der Verse schafft. Entweder hat sich aber die Forschung
geirrt, oder es giebt Leute, die ungescheut über Metrik schreiben,
ohne ihre obersten Gesetze zu kennen. Vielleicht, dass zu letzteren
Dr. C. Brockelmann gehört. Sein in Bd. 52, Heft 3, Seite 401
bis 408 dieser Zeitschrift veröffentlichter Aufsatz: „Zur syrischen
Betonungs- und Verslehre' läuft in die Behauptimg aus, dass die
Meinung gewisser Altvorderen, wonach im syrischen Versbau kein
anderes Prinzip als das der Silbenzählung vorhanden sei , voll und
ganz in Geltung bleiben müsse. Auf dem Wege zu dieser Rettung
standen ihm gewisse von mir aufgestellte Regeln über syrische
Betonung und Metrik im Wege, die er bei dieser Gelegenheit „nach¬
dem er lange darauf gewartet, dass etwa einer der anerkannten
Meister der syrischen Wissenschaft sich die Widerlegung dieser
Theorie würde angelegen sein lassen', ziemlich kurzer Hand abthun
zu können glaubt.
Ich vermag es nicht auf mich zu nehmen, Herm Brockelmann
zur Anerkennung der Allgemeingiltigkeit des oben erwähnten rhyth¬
mischen Gesetzes zu bringen; ich will mich darauf beschränken,
zunächst gewisse ünzuträglichkeiten, die die Annahme der von ihm
dagegen gesetzten Behauptung für die syrischen Verse im Gefolge
haben würde, kurz anzuführen.
Brockelmanns Behauptung muss zur Meinung führen, dass die
Syrer nicht Verse für das Ohr, um ihm einen ästhetischen Genuss
zu vermitteln , sondem für das lesende Auge oder den zählenden
Finger gedichtet hätten. Dagegen halte man einmal die Thatsache,
dass ein Ephräm, der klassische Meister der syrischen Dichtung,
alle seine Hymnen deutlich für den Chorälen Vortrag eingerichtet
hat ! Weiter ergäbe sich nach Brockelmann, dass das Syrische ein
Idiom darstellte, deren einzelne Worte und Silben in der Aus¬
sprache gleichberechtigte Teile wären, die der Dichter wie Rechen-