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Feedback stattFeindbilder

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Academic year: 2022

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HA N S U E L I SC H L Ä P F E R

In dieser neuen Rubrik wird aus dem Alltag von Hausarzt- netzen berichtet. Auch in Ärztenetzen wird mit Wasser gekocht – es kommen in der täglichen Praxis ja genau die gleichen Krankheiten und Probleme vor wie in allen andern Grundversorger- praxen auch.

Die Organisation als Netz ermöglicht aber einige Extras, zum Beispiel moderierte Überweisungsgespräche an den SäntiMed-Teamsitzungen.

«Die industriellen Gesundheitsanbie- ter, aber auch die Spezialisten sollen potenzielle Patienten erfassen kön- nen, bevor sie einem Hausarzt in die Fänge geraten. Dies gelingt am bes- ten, wenn der Hausarzt verschwin- det.» (Leserbrief in «Primary Care» 2005;

5: 628).

Im neu gegründeten Ärztenetz SäntiMed (Region St. Gallen/Appenzell) sehen wir

das anders: Grundversorger und Spezialis- ten sind keine Jäger, die sich gegenseitig die Patientenbeute streitig machen. Wir verstehen uns als Partner, die aufeinander angewiesen sind und nur gemeinsam gute Arbeit für die Patienten leisten kön- nen. Dies ist aber keine «prästabilierte Harmonie». Wir wissen, dass es zwischen Grundversorgern und Spezialisten Riva- litäten und unterschiedliche Auffassun- gen ihrer spezifischen Rollen gibt. Wir versuchen deshalb, an Teamsitzungen miteinander ins Gespräch zu kommen, die Unterschiede und Reibungsflächen offen zu legen und uns gegenseitig Feedbacks zu geben. Es ist das erklärte Ziel dieser Bemühungen, Feindbilder abzubauen, eine von beiden Seiten akzeptierte Auf- gabenteilung zu finden und die gegensei- tigen Kontakte zu erleichtern. Das ge- meinsame Interesse an einem solchen Prozess ist zunächst die qualifizierte Pa- tientenbetreuung. Sie allein genügt aber nicht, wenn gegensätzliche wirtschaft- liche Interessen bestehen. Wir versuchen also, die wirtschaftlichen Anreize zu ver- ändern: Als Aktionäre des Unternehmens SäntiMed AG haben beide, Grundversor- ger und Spezialisten, Interesse am wirt- schaftlichen Erfolg der vom Netz geführ- ten Budgetverträge mit den Versicherern.

Damit wird eine effiziente Rollenteilung zum Ziel beider Seiten, und der vom zitierten Grundversorger an die Wand gemalte «Kampf ums Überleben» wird hoffentlich überflüssig.

Ausgangslage

Wenn wir das Verhältnis zwischen Grund- versorgern und Spezialisten (Spitäler wären ein weiteres Kapitel) betrachten, so zeigt sich ein breites Spektrum von teils bewussten, teils unbewussten Vorstellun-

gen, die das gegenseitige Verhältnis prä- gen. Ein klassisches Muster ist das Besitz- standsdenken, das unweigerlich zu Zerr- bildern führt (siehe Kasten nebenan).

Diese gegenseitige Einschätzung, um nicht zu sagen Geringschätzung, wird oft nur dürftig durch Floskeln verdeckt («Ihr Ein- verständnis vorausgesetzt …» usw.). Das kann aber den Ärger und die Kränkung der andern Seite nicht aufheben. Die Faust im Sack zu machen ist einfacher und weniger zeitraubend, als Fragen und Kri- tik beim Absender anzubringen, wo sie eigentlich hingehören. Damit geht aller- dings ein grosses Lern- und Verbesse- rungspotenzial verloren, das wir zu nut- zen versuchen.

Wie es sein könnte

Ein wirklichkeitsnahes und positives Bild des Grundversorgers von sich selbst und vom Spezialisten, mit dem er zusammen- arbeitet, ist die Grundlage für eine gute und effiziente Kooperation im Interesse des Patienten. Das kommt gar nicht selten vor, ist aber keine Selbstverständlichkeit.

Es kann nur dort gedeihen, wo auch der Spezialist (oder das Spital) Gegenrecht hält und wo auf beiden Seiten die eigenen Fähigkeiten realistisch eingeschätzt wer- den (siehe Kasten nebenan).

Solche Idealbilder zum Normalfall werden zu lassen, ist keineswegs einfach. Eine Schwierigkeit ist die Rivalität der Helfer.

Jeder will möglichst viel Gutes für den Patienten tun, und unsere ärztliche (manchmal menschlich-eitle) Natur ver- trägt es schlecht, wenn andere besser hel- fen können oder gar gescheiter sind als wir selbst. Eine zweite Schwierigkeit ist die Definitionsmacht für Gesundheit und Krankheit. Lag sie früher weit gehend beim Grundversorger, so übertragen sie

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V E R N E T Z T B R A N C H É

F ORUM

Feedback statt Feindbilder

Grundversorger und Spezialisten im Gespräch

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heute die Patienten zunehmend und oft grundlos an Spezialisten oder mächtige und teure Diagnosemaschinen. Dies ist eine Zeiterscheinung, mit der wir umge- hen müssen, und kein persönliches Versa- gen. Trotzdem kränkt es manche Grund- versorger. Es macht aber eine gute Zusammenarbeit mit Spezialisten für sie umso wichtiger, sonst werden aus Mäu- sen Elefanten. Die wirtschaftlich ge- gensätzlichen Interessen wurden bereits oben vermerkt. Als Mittel zur Überwin- dung all dieser Schwierigkeiten sehen wir vor allem eines:

Institutionalisiertes Feedback An den Teamsitzungen unseres Netzes gibt es ein Traktandum «Feedback». Wir diskutieren Überweisungen anhand kon- kreter, anonymisierter Fälle, bei denen so- wohl der beteiligte Grundversorger wie der Spezialist anwesend sind. Die Über- weisung des Grundversorgers oder der Bericht des Spezialisten werden den Teil- nehmern vorher versandt, und die Bespre- chung ist moderiert. Dabei werden zum Beispiel folgende Fragen diskutiert:

●Hat die Überweisung einen Auftrag und eine klare Fragestellung? Enthält sie die wichtigen Informationen, sind es zu viele oder fehlt etwas? Erfolgte die Überweisung zum richtigen Zeitpunkt?

●Beantwortet der Bericht des Spezialis- ten die Fragestellung, und sind die Empfehlungen praktikabel? Hat er sich an den Auftrag des Zuweisers gehal- ten? Sind die durchgeführten Abklärun- gen adäquat? Ist die Rollenteilung zwi- schen den beiden Partnern effizient und für alle Beteiligten (inkl. Patient) befrie- digend?

●Hat der Spezialist Kontrollen empfohlen oder direkt mit dem Patienten verein- bart? Was ist ihre Indikation, und wie ist der Grundversorger dabei einbezogen?

●Wenn sich Patienten direkt an den Spe- zialisten wenden (Problem Daten- schutz): Gibt es dafür einen Grund? Hat der Grundversorger einem Patienten- wunsch nicht entsprochen, oder hält ihn der Patient für unzuständig?

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V E R N E T Z T B R A N C H É

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Feedback statt Feindbilder

G r u n d v e r s o r g e r s Z e r r b i l d e r

Verzerrtes Selbstbild Verzerrtes Spezialistenbild des Grundversorgers des Grundversorgers

●Der Patient gehört mir ●Der Spezialist will mir den Patienten

●wegnehmen

●Ich kenne den Patienten und seine ●Er sieht den Patienten röhrenförmig

●Familie ganzheitlich

●Ich bin auch Doktor und verstehe alles ●Er hält die Grundversorger für

●Wichtige in der Medizin ●Dilettanten

●Ich habe das Vertrauen des Patienten ●Er macht mich beim Patienten schlecht

●Ich mache massvolle Medizin ●Der Spezialist übertreibt mit Abklärung

●und Therapie

●Ich arbeite kostengünstig und effizient ●Der Spezialist arbeitet zu teuer und

●kompliziert. Seine Vorschläge sind in

●der Praxis oft nicht durchführbar NB: Für die Vorstellungen des Spezialisten gilt dasselbe mit umgekehrten Vorzeichen.

G r u n d v e r s o r g e r s I d e a l b i l d e r

Ideales Selbstbild Ideales Spezialistenbild des Grundversorgers des Grundversorgers

●Meine Stärke sind häufige Erkrankungen ●Die Stärke des Spezialisten ist sein

●Spezialgebiet

●Mein Wissen ist begrenzt ●Ich kann vom Spezialisten lernen

●Wenn ich unsicher bin, überweise ich ●Der Spezialist gibt mir und dem

●den Patienten ●Patienten Sicherheit

●Manche Patienten brauchen die ●Der Spezialist gibt sein Urteil ab,

●Meinung des Spezialisten ●damit ich besser weiterarbeiten kann

●Langes Pröbeln ist ineffizient und stellt ●Wenn ich rechtzeitig überweise,●

●das Vertrauen des Patienten in Frage ●bekomme ich den Patienten rascher

●zurück

NB: Auch hier gilt für die Spezialisten dasselbe im umgekehrten Sinn.

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Der Katalog liesse sich beliebig verlän- gern, die Antworten lassen sich aber nicht verallgemeinern. Entscheidend ist das gut geführte und respektvolle Gespräch.

Wenn die heiklen Punkte auf den Tisch kommen sollen, müssen von allen gewisse Regeln eingehalten werden:

1. Der Feedback-Geber spricht konkret in der Ich-Form. Er beschreibt Fakten und Gefühle ohne zu interpretieren, zu wer- ten oder zu verletzen. Er nennt das Ne- gative und das Positive und formuliert so, dass es umgekehrt auch für ihn ak- zeptabel wäre.

2. Das Schema «richtig-falsch» ist aufge- hoben. Es gibt nur persönliche Ansich- ten und keine absoluten Wahrheiten

(Dies verstehe ich nicht …; das finde ich gut … ; jenes hat mich geärgert etc.).

3. Der Feedback-Nehmer versucht, aktiv zuzuhören und zu verstehen. Bei Bedarf stellt er Gegenfragen. Er legt seinen Standpunkt dar, rechtfertigt sich aber nicht.

4. Der Moderator achtet darauf, dass die Diskussion nicht abschweift und die Re- geln eingehalten werden. Bei Verstös- sen und verletzenden Aussagen greift er ein. Am Schluss fasst er die Stand- punkte und die gewonnenen Erkennt- nisse zusammen.

Wenn das Gespräch gelingt, ist es ein Ge- winn für beide Seiten. Es entsteht eine Vertrauensbasis für die Beteiligten, und

die zukünftige Zusammenarbeit wird be- einflusst, auch wenn die Standpunkte nicht immer zur Übereinstimmung ge- bracht werden können. Das Ziel ist, einen Lernprozess in zu Gang setzen, der zu ei- ner besseren Kultur der Zusammenarbeit

führt. ●

Dr. med. Hansueli Schläpfer Kasernenstrasse 30 9100 Herisau E-Mail: schlaepfer11@bluewin.ch

Feedback statt Feindbilder

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