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Archiv "Kooperation von Ärzten mit Selbsthilfegruppen" (24.01.1991)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

URZBER1C11TE

ist dem Arzt eine neue Rolle zuge- wiesen. Mit rücksichtsloser Klarheit sehen Ärzte sich selbst als Richter und Henker (Claassen), als Außen- seiter, die in der „Einsamkeit des Henkers eine verachtenswerte Ar- beit für die Gesellschaft leisten"

(Claassen).

Vollkommene Ohnmacht

1.1111111b

Das Gefühlsleben der Ärzte ist vor allem durch ein Wort zu be- schreiben: Vollkommene Ohnmacht.

Die Rede von den hilflosen Helfern reicht hier nicht aus. Ärztinnen la- sten es sich als persönliches Versa- gen an, wenn bei einer Frau erneut eine ungeplante Schwangerschaft eintritt.

Wenn von der inneren Zerris- senheit und Ohnmacht der Seele und zugleich von der Solidarität des denkenden Herzens als der seeli- schen Wirklichkeit des Konfliktes für Ärztin und Arzt die Rede ist, so mag man ermessen, welche geistige Kraft diese Ärzte aufbringen müssen, ih- ren Beruf als Beraterin und Opera- teur mit der notwendigen Zuverläs- sigkeit und mit der angemessenen Aufmerksamkeit und Zuwendung für ihre Patientin weiter zu erfüllen.

Ärzte setzen sich — in der Ver- gangenheit meist allein, neuerdings auch zum Glück in Aussprachegrup- pen — mit ihren eigenen schwersten Schuldgefühlen und mit ihrer eige- nen Schuld angesichts des Schwan- gerschaftsabbruchs auseinander.

Klärende Hilfen sind ihnen dabei vor allem gekommen durch eine intensi- ve Psychotherapie, durch Selbster- fahrungsgruppen und durch Ansätze der tiefenpsychologischen und der anthropologischen Psychotherapie.

Es wird dabei deutlich: zwar handelt es sich für den Arzt um seine professionelle und wissenschaftliche Verantwortung, um seine personale Verantwortung gegenüber der Frau und dem Paar, und auch vor allem um seine persönliche Verantwortung gegenüber sich selbst; darüber hin- aus aber kann auch deutlich werden, daß der Arzt hier in der Übernahme von Verantwortung und Schuld eine Art Stellvertreterrolle für die gesam- te Gesellschaft übernommen hat.

Es wäre wesentlich, daß die Ge- sellschaft ihm diese Rolle nicht noch durch Vorwürfe erschwert, sondern durch geeignete Maßnahmen dafür sorgt, daß Schwangerschaftsabbrü- che einerseits seelisch besser verar- beitet werden, und auf der anderen Seite geeignete präventive Maßnah- men ergriffen werden. Der Gesetz- geber sollte die für den ausführen- den Arzt real vorhandenen Proble- me besser berücksichtigen und ent- sprechende Maßnahmen vorsehen.

Dazu gehört: verstärkte öffentliche Aufklärung über die Tatsache des ungeborenen Menschenlebens, über Empfängnisverhütung, über die Frühschwangerschaft und ihren Ab- bruch sowie bestimmte finanzielle Hilfen — nämlich Kontrazeption auf Krankenschein, mehr finanzielle und andere Hilfen bei unerwünschter Gravidität.

Eine strafrechtliche Regelung dagegen — ganz gleich welchen In- halts — wird für weitgehend wir- kungslos gehalten. Einhelligkeit be- steht bei den durchführenden Ärz- ten darüber, daß durch gesetzliche Regelungen die Eigenverantwort- lichkeit für den Eingriff dem Opera- teur nicht abgenommen werden kann.

Literatur

Anitenbrinly Britta: Der Schwangerschaftsab- bruch im Erleben des ausführenden Arztes (re- präsentative Umfrage unter besonderer Berück- sichtigung der Notlagenindikation). Dissertati- on, Medizinische Hochschule Hannover, 1989;

erscheint demnächst unter dem gleichen Titel im Enke Verlag, Stuttgart

Claassen, Margret: Erlebnisse und Erfahrungen von Ärztinnen und Ärzten, die Schwanger- schaftsabbrüche durchführen (eine kasuistische Studie). Dissertation, Medizinische Hochschule Hannover, 1989

Petersen, Peter: Schwangerschaftsabbruch: unser Bewußtsein vom Tod im Leben (tiefenpsycholo- gische und anthropologische Aspekte der Verar- beitung). Stuttgart, Urachhaus, 1986

Petersen, Peter: Meine Verantwortung als Arzt und Berater angesichts des Schwangerschafts- konflikts in psychologisch-anthropologischer Sicht; Der Frauenarzt 30: 477-487 (1989)

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Peter Petersen Arbeitsbereich Psychotherapie und Gynäkologische Psychosomatik Zentrum Frauenheilkunde

und Geburtshilfe der MHH

Pasteurallee 5, W-3000 Hannover 51

Kooperation von Ärzten mit Selbsthilfegruppen

„Wir arbeiten seit ungefähr drei Jahren mit Ärzten zusammen, das sind in erster Linie Frauenärzte, Chirurgen, aber auch Allgemeinärz- te, Internisten und sonstige Spezial- ärzte. Anfänglich waren viele Ärzte skeptisch hinsichtlich unserer Selbst- hilfegruppe. Sie dachten, daß die Pa- tientinnen, die in die Gruppe gehen, nicht mehr zur Nachsorge kämen".

Mit diesen Worten beginnt der Be- richt einer Gruppe für Krebskranke in Peter Röhrigs Studie „Kooperati- on von Arzten mit Selbsthilfegrup- pen".

Der Bedarf nach einer intensi- ven gegenseitigen Information ist groß. Im Auftrag des Bundesfor- schungsministeriums hat deshalb die Brendan-Schmittmann-Stiftung des NAV — Verband der niedergelasse- nen Ärzte Deutschlands unter Lei- tung von Dr. Brigitte Ernst und Dr.

Peter Röhrig das Forschungsprojekt

„Kooperation von Ärzten mit Selbst- hilfegruppen zur Effektivitätsverbes- serung der ambulanten Versorgung"

organisiert.

Gegenseitige Ergänzung

In der ersten Phase des For- schungsprojektes (Mai 1987 bis Juni 1989) sind die Erfahrungen der Zu- sammenarbeit in der Oberpfalz und in Frankfurt am Main untersucht worden. Dazu ließen sich 250 nieder- gelassene Ärzte, 93 Selbsthilfegrup- pen und zehn Vertreter von Institu- tionen, die mit Selbsthilfegruppen zusammenarbeiten, befragen.

Eine Gegenüberstellung der wichtigsten Befragungsergebnisse umreißt die derzeitige Kooperations- situation:

> Die überwiegende Mehrheit der Befragten sieht in ihren jeweili- gen Leistungen und Kompetenzen eine gegenseitige Ergänzung. Die Stärken des Arztes liegen dabei im wesentlichen in der medizinischen Aufklärung und Behandlung, die Möglichkeiten der Zusammenschlüs- Dt. Ärztebl. 88, Heft 4, 24. Januar 1991 (29) A-181

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se von Betroffenen in der ergänzen- den psychosozialen Unterstützung und im Erfahrungsaustausch über Alltagsprobleme der Krankheitsbe- wältigung.

D Der Wunsch nach mehr per- sönlichen Kontakten ist auf beiden Seiten groß. Gruppenmitglieder und Ärzte würden es begrüßen, wenn Kontakte durch einen fachkundigen Dritten vermittelt würden.

I> Der Zeitaufwand für die Ko- operation sollte klar begrenzt sein.

Das ist sowohl im Interesse der Ärz- te, die nicht an allen Gruppentreffen teilnehmen wollen, als auch von Selbsthilfegruppen, die keine regel- mäßige Anwesenheit der Ärzte wün- schen.

I> In der zweiten Phase des Forschungsprojektes, das 1992 abge-

Die perinatale Mortalität (Sterblichkeit vor, während und bis sieben Tage nach der Geburt) von 6,2 Promille im Jahr 1989 (1984: 9,3 Promille, 1988: 6,4 Promille) kann nur noch durch Prävention weiter gesenkt werden. Das ist das Ergebnis einer perinatologischen Erhebung in Westfalen-Lippe, die in Münster vor Journalisten vorgestellt wurde. Auf- grund einer statistischen Auswer- tung von rund 85 000 Geburten las- sen sich Entwicklungen erkennen und eventuell vorhandene Schwach- stellen aufdecken, so daß die ärztli- che Versorgung von Mutter und Kind weiter verbessert werden kann, betonte Peter Bußmann, Gynäkolo- ge in Arnsberg und Vorsitzender des Perinatologischen Arbeitskreises bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe.

Häufig ließen sich schon im Verlauf einer Schwangerschaft Anzeichen für eine spätere Risikogeburt fest- stellen:

• Ein bekannter, aber nach wie vor von den Schwangeren häufig mißachteter Risikofaktor sei das Rauchen. 16 Prozent der Frauen rau- chen auch nach Bekanntwerden ih- rer Schwangerschaft mehr als fünf Zigaretten täglich. Die Verringerung des kindlichen Gewichtes durch das Rauchen könnte besonders bei einer

schlossen sein wird, sollen neue For- men der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Selbsthilfegruppen vor Ort umgesetzt werden. In den Re- gionen Frankfurt, Köln und Ober- pfalz werden Modelle wissenschaft- lich begleitet, welche die praktische Zusammenarbeit von Ärzten und Selbsthilfegruppen verbessern sollen.

In der Studie „Kooperation von Ärzten mit Selbsthilfegruppen" sind die Ergebnisse der Befragungen so- wie die Projektziele ausführlich do- kumentiert. Das Buch kann gegen Einsendung von fünf DM in Brief- marken oder als Verrechnungs- scheck angefordert werden bei: Dr.

Peter Röhrig, Brendan-Schmitt- mann-Stiftung des NAV, Belfortstra- ße 9, W-5000 Köln 1, Telefon 02 21/72 70 72. EB

Frühgeburt ein ausschlaggebender Faktor für das Kind sein.

• Bei acht Prozent der Schwan- geren ist keine sichere Röteln-Immu- nität gegeben. Das verdeutlichten die immer noch auftretenden Fälle schwerer kindlicher Mißbildungen durch Röteln-Infektion in der Schwangerschaft. Um die Infektions- kette zu durchbrechen, sollten auch Jungen gegen diese Krankheit ge- impft werden.

Die regelmäßige und frühzei- tige Wahrnehmung der Vorsorgeun- tersuchungen werde immer mehr zur Regel. 1989 gingen 83 Prozent der Schwangeren bis zur zwölften Schwangerschaftswoche zur Erstun- tersuchung (1984: 78 Prozent). Die von den Geburtshelfern empfohle- nen mindestens zehn Vorsorgeunter- suchungen nahmen 71 Prozent der Schwangeren in Anspruch (1984: 64 Prozent).

Rechtzeitig die Risiken erkennen

Aufgabe der Ärzte sei es, so Bußmann, mögliche Gefahrenzu- stände für Mutter und Kind schon im Vorfeld zu verhindern, rechtzeitig zu erkennen und falls nötig stationär zu

behandeln. Die inzwischen in Nord- rhein-Westfalen angestrebte Gliede- rung der Geburtshilfe in Regelver- sorgung, Schwerpunktkrankenhäu- ser und Perinatalzentren könne da- bei eine wertvolle Hilfe werden. Die Erhebung zeigt, daß bei Frühgebore- nen unter 1500 Gramm, die in jedem Fall in einem Perinatalzentrum auf die Welt kommen sollten, bereits in der Schwangerschaft bestimmte Ri- sikofaktoren gehäuft auftreten.

Schwangere und Arzt sollten sich rechtzeitig darum bemühen, diese Risiken zu erkennen: „Diese Frauen haben viermal so oft eine Frühgeburt oder eine Mangelgeburt hinter sich, doppelt so oft eine Fehlgeburt."

Dr. med. Karl-Heinz Hennecke, Datteln, geht davon aus, daß die Überlebenschancen der Frühgebur- ten weiter verbessert werden könn- ten, wenn sie in Perinatalzentren entbunden werden, in denen eine Neugeborenen-Intensivstation in un- mittelbarer Nähe des Kreißsaals liegt.

Die Mortalität ist zurückgegangen

1989 wurden 88 Prozent der Kinder, die bis zur 31. Schwanger- schaftswoche geboren wurden, in ei- ne pädiatrische Klinik verlegt (1984:

84 Prozent). Nur 13 Prozent dieser Kinder sind gestorben (1988: 15 Pro- zent). Hennecke führt die gesunkene Mortalität unter anderem auf den Einsatz eines neu eingeführten Me- dikaments zurück, das die Lungen- funktion der Frühgeborenen unter- stützt.

Fast die Hälfte aller Neugebore- nen werden in Westfalen-Lippe be- reits in den ersten drei Lebenstagen von einem Kinderarzt untersucht.

Auf diese Weise könnten Störungen bei den Kindern rechtzeitig erkannt und behandelt werden.

„Aus der perinatologischen Er- hebung läßt sich entnehmen, daß Frühgeburten nicht immer schicksal- hafte Ereignisse sind", faßte Buß- mann die Ergebnisse der Statistik zu- sammen. Es gebe zahlreiche Fälle, bei denen sich ein Risikofaktor rechtzeitig erkennen und häufig auch beheben lasse. Kli

Frühgeburten sind keine schicksalhaften Ereignisse

A-184 (32) Dt. Ärztebl. 88, Heft 4, 24. Januar 1991

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