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enschen mit einem künstlichen Darmaus- gang waren bis zur Mit- te des 20. Jahrhunderts nicht nur körperlich stark beein- trächtigt, sondern wurden we- gen der schlechten medizini- schen Versorgungsmöglichkei- ten auch sozial ausgegrenzt.Die dänische Krankenschwe- ster Elise Sørensen pflegte in den 1950er-Jahren solche Sto- mapatienten, deren Schicksale sie sehr berührten. Um die Le- bensqualität der Betroffenen zu steigern, entwickelte Sø- rensen 1954 den weltweit er- sten selbsthaftenden Einweg- Stomabeutel. Drei Jahre spä- ter wurde Coloplast A/V in Dänemark gegründet. Die Krankenschwester hatte den Ingenieur und Unternehmer Aage Louis-Hansen von den Marktchancen ihrer Innovati- on überzeugt.
Produkte verhelfen Patienten zu mehr Unabhängigkeit Heute beschäftigt Coloplast weltweit mehr als 6 000 Mitar- beiter, hat Niederlassungen in 30 Ländern und Produktions- stätten in China, Costa Rica, Dänemark, Deutschland, Un- garn und den USA. Noch im- mer zielen die Produkte und Dienstleistungen darauf ab, den Patienten zu einer größe- ren Unabhängigkeit zu ver- helfen – inzwischen in den Be- reichen: Wund-, Stoma- und Inkontinenzversorgung, mit Brustimplantaten sowie im Bereich Hautpflege und Haut- schutz. Hauptsitz des Unter- nehmens, das seit 1983 an der Kopenhagener Börse notiert ist, ist Humlebaek, nahe der dänischen Hauptstadt.
Der Coloplast-Umsatz be- trug im Jahr 2005 rund 879 Millionen Euro. Davon wur- den etwa 118,7 Millionen Eu- ro in Deutschland umgesetzt, dem wichtigsten Markt des Hilfsmittelherstellers. Etwa 550 Mitarbeiter hat das Un- ternehmen hierzulande be- schäftigt. Der operative Kon- zerngewinn stieg 2005 um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr auf rund 134,7 Millio- nen Euro, die Gewinnspanne lag bei 15 Prozent.
In Deutschland wird der Verkauf der Hilfsmittel von der Tochtergesellschaft Coloplast GmbH, Hamburg, übernom- men. Die Coloplast GmbH verkauft die Produkte an Groß- und Einzelhändler, das heißt Homecare-Unterneh- men, Sanitätsfachhändler und Pharmagroßhandel. Ein Teil des Verkaufs wird über Colo- plasts eigenes Homecare-Un- ternehmen, HSC, abgewickelt, dessen Netzwerk von Pflege- kräften Stomaträger in deren Zuhause direkt mit Produkten beliefern und den Patienten gleichzeitig Vorsorge, Rat und Dienstleistungen bieten. Diese Beratungsdienstleistung ist für
Patienten kostenfrei und wird in Deutschland unter anderem von acht Rollstuhlfahrern er- bracht: „Denn die kennen die Bedürfnisse der Patienten am besten“, betont Coloplast- Deutschland-Chef Bernd-Tho- mas Hohmann.
Auf die deutsche Gesund- heitspolitik der vergangenen Jahre ist Hohmann nicht gut
zu sprechen: „Seit 2003 hat die Regierung eine Reihe von Entscheidungen getroffen, die enorme Auswirkungen auf un- sere Geschäfte im Bereich Sto- ma- und Inkontinenzversor- gung hatten“, erläutert Hoh- mann. Negativ ausgewirkt hätte sich vor allem die mit dem GKV-Modernisierungs- gesetz zum 1. Januar 2004 eingeführten Patientenzuzah- lungen in Höhe von bis zu zehn Euro für Hilfsmittel.Am 1. Januar 2005 sei zudem ein neues Festbetragsmodell für Stomaprodukte in Kraft ge- treten. Folge: Die Preise gin- gen um etwa 13 Prozent zurück. Für dieses Jahr seien
darüber hinaus Änderungen der Erstattungspreise für Ab- leitende Inkontinenzproduk- te geplant. Die endgültigen Preise sind noch nicht be- kannt, deutliche Absenkun- gen seien aber zu befürchten.
Hohmann: „Auch wenn wir derzeit Programme für ein schlankes Management in un- serer gesamten Organisation durchführen – solche Maß- nahmen können die Auswir- kungen von staatlich verord-
neten Preissenkungen allen- falls dämpfen.“ Hilfsmittel- hersteller wie Coloplast kä- men nicht umhin, die Dienst- leistungen und die Schulung von Pflegekräften zurückzu- schrauben. Auch Einschrän- kungen des Produktangebots für die Patienten seien nicht auszuschließen.
Trotz der staatlichen Preis- dämpfungspolitik – nicht nur in Deutschland – blickt das dä- nische Unternehmen optimi- stisch in die Zukunft: Alle fünf Jahre will Coloplast seinen Umsatz und den Gewinn ver- doppeln – das heißt, im Jahr 2012 sollen 1,7 Milliarden Eu- ro umgesetzt werden. Dazu passt, dass das Unternehmen dem US-Konkurrenten Men- tor Ende März für deren Uro- logie-Sparte ein Übernahme- angebot in Höhe von 463 Mil- lionen US-Dollar unterbrei- tet hat. Neben Übernahmen will Coloplast auch aus eigener Kraft wachsen. Dazu sollen die Bereiche Forschung und Ent- wicklung weiter gestärkt wer- den, um mit neuen Produkten Marktanteile zu gewinnen.
Aktuell „launcht“ Coloplast
eine Innovation im Bereich Wundauflagen: Durch ein lo- kal wirkendes Schmerzmittel auf der Wundauflage entsteht die Doppelwirkung von Hei- lung und Schmerzreduktion.
„Der Markt für Colo- plast-Produkte ist weltweit ein Wachstumsmarkt“, un- terstreicht Deutschland-Chef Hohmann und verweist auf die wachsende Anzahl älterer Menschen in unserer Gesell- schaft. Jens Flintrop V A R I A
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 14⏐⏐7. April 2006 AA953
Coloplast
Gute Geschäfte trotz staatlicher Eingriffe
Das dänische Unternehmen entwickelt medizinische Einwegprodukte, die Menschen mit einem
Handicap helfen. Größter Markt ist Deutschland.
Wirtschaft
Dass Coloplast heute Marktfüh- rer auf dem Ge- biet der Stoma- versorgung ist, geht auf eine In- novation der Krankenschwe- ster Elise Søren- sen im Jahr 1954 zurück.
Fotos:Coloplast