A 2540 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 50|
14. Dezember 2012E
in schlechtes Jahr geht für die Pharmaindustrie zu Ende.2012 wird die Branche durch das Auslaufen des Patentschutzes für wichtige Medikamente 67 Milliar- den Euro Umsatz einbüßen. Das prognostiziert die britische Markt- forschungsfirma Evaluate Pharma in einer aktuellen Studie. Umsatz- verluste in dieser Größenordnung hat es nie zuvor gegeben.
Vier der weltweit zehn umsatz- stärksten Medikamente haben ihren Patentschutz verloren. Jetzt dürfen Generikaanbieter preiswerte Ko- pien auf den Markt bringen. Wie viel Geld verloren geht, zeigt das Beispiel des US-Konzerns Bristol- Myers-Squibb: Im dritten Quartal 2012 brach der Umsatz um ein Drit- tel ein, weil im Mai der Patent- schutz für den Blutverdünner Pla- vix ausgelaufen war. Die bri- tische Firma Astra-Zeneca verlor im selben Zeitraum knapp 19 Prozent ihres Um- satzes, weil der Schutz für das Antipsychotikum Seroquel weg- fiel. Bisher war Plavix mit einem jährlichen Umsatz von zehn Mil - liarden US-Dollar das zweitumsatz- stärkste Medikament weltweit. Seit vielen Jahren auf Platz eins befand sich der Cholesterinsenker Lipitor von Pfizer. Mit diesem Medikament hatte der US-Pharmagigant jährlich bis zu 13,7 Milliarden Umsatz ge- neriert. Im November 2011 war es damit vorbei: Nachdem der Patent- schutz ausgelaufen war, büßte Pfi- zer die Hälfte seines Umsatzes sein.
Die Zeiten, in denen einige Block- buster ausreichten, um den Kon - zernen traumhafte Renditen zu be- scheren, sind vorbei. Dieses Modell erzeuge kein Wachstum mehr, ana - lysierten die Berater von Booz &
Company. Zuletzt sind nur wenige neue Medikamente auf den Markt gekommen, denen Spitzenumsätze zugetraut werden. Eines davon ist
der Blutverdünner Xarelto von Bay- er. Auch das Krebsmedikament Yer- voy von Bristol-Myers-Squibb gilt als Hoffnungsträger sowie das erste oral einzunehmende Multiple-Skle- rose-Mittel Gilenya. Der Trend aber läuft in die andere Richtung: Der Marktanteil der in den letzten fünf Jahren neu eingeführten Wirkstoffe ist zwischen 2004 und 2011 von 7,7 auf 4,6 Prozent gesunken, zeigen Daten des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa).
Die Pharmaindustrie sucht des- wegen nach neuen Wachstumsfel- dern und engagiert sich stärker in der Biotechnologie. Im Jahr 2016 werden acht der zehn umsatzstärks- ten Medikamente weltweit Biologi- ka sein, schätzen Analysten, deren Vorhersagen Evaluate Pharma zu- sammengetragen hat. Deutsche Un-
ternehmen haben sich darauf bereits eingestellt. „Die biopharmazeuti- schen Entwicklungsprojekte haben sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt auf mittlerweile 550.
Und fast jedes zweite davon be- tritt medizinisches Neuland“, sagte Frank Matthias, Geschäftsführer von vfa-bio im Oktober bei einer Ta- gung in Mainz. „Hochkomplexe Krankheiten wie Krebs und Auto - immunkrankheiten erfordern diversi- fizierte Behandlungsstrategien“, er- gänzte Rainer Wessel, Direktor des C13-Clustermanagements. C13 ver- netzt mehr als 120 Unternehmen aus den Bereichen Wirtschaft, For- schung, Krankenversorgung und Politik in der Rhein-Main-Region.
Die Entwicklung individualisierter Therapieansätze müsse mehrere Krankheitsfaktoren sowie die gene- tische Disposition berücksichtigen, betonte Wessels. Das könnten große
Pharmafirmen nicht im Alleingang bewältigen. Erfolgversprechend ist aus seiner Sicht der Verbund von kleinen und mittleren Unternehmen sowie Forschungsinstituten.
Bei der Produktion gentechnisch hergestellter Wirkstoffe (Biophar- mazeutika) nimmt Deutschland weltweit nach den USA den zwei- ten Platz ein. Im Jahr 2010 haben Biopharmazeutika in Deutschland bereits einen Umsatz von 5,2 Milli- arden Euro erbracht. Ihr Anteil am Gesamtpharmamarkt stieg von 16 auf 17 Prozent. In einigen Berei- chen ist ihr Anteil sogar noch deut- lich größer: In der Immunologie be- trägt er 74 Prozent, in den Berei- chen Stoffwechsel und Onkologie sind es jeweils etwa ein Drittel.
Beispiellos ist der Erfolg des gentechnisch hergestellten Anti - rheumatikums Humira. Im zweiten Quartal dieses Jahres hat der US- Konzern Abbott Laboratories damit 2,4 Milliarden Dollar erlöst – und damit das bisher weltweit umsatz- stärkste Medikament der Welt, den Cholesterinsenker Lipitor von Pfi- zer, übertroffen. Für das gesamte Jahr 2012 wird Humira ein Umsatz von zehn Milliarden Dollar pro - gnostiziert. Zugleich ist Humira aber auch ein Beispiel dafür, wie falsch deutsche Pharmakonzerne lange Zeit die Zukunft der Biotech- nologie einschätzten: Im Jahr 2000 hatte der Chemiekonzern BASF sei- ne Pharmasparte und damit auch das Patent für den Humira-Wirkstoff für knapp sieben Milliarden Dollar an Abbott Laboratories verkauft.
Aber auch Biopharmazeutika droht Konkurrenz durch Kopien.
Allerdings ist es schwieriger und teurer, die sogenannten Biosimilars herzustellen. Denn die gentechnisch hergestellten Proteine sind schon in der Produktionslinie der Original- präparate nicht identisch.
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Petra Prenzel
Umsatzverluste in dieser Größenordnung hat es nie zuvor gegeben.
PHARMAINDUSTRIE
Neue Wachstumsfelder gesucht
Die Zeiten, in denen einige Blockbuster ausreichten, um den Pharmakonzernen traumhafte Renditen zu bescheren, sind vorbei.
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