T H E M E N D E R Z E I T
Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 97½½Heft 33½½18. August 2000 AA2153
K
ein geringerer als Augustinus lie- ferte das Motto für den Deutschen Pavillon auf der Expo 2000 in Han- nover: „Zeiten sind drei: eine Gegen- wart von Vergangenem, eine Gegenwart von Gegenwärtigem, eine Gegenwart von Künftigem.“ Bereits die äußere Ge- stalt mit der aus 2 900 Glaselementen zusammengesetzten Fassade soll das Gebäude als „bewusste Distanzierung von der preußisch-starren Haltung der deutschen Vergangenheit und als Fort- setzung der demokratischen Tradition mit architektonischen Mitteln verstan- den wissen“, so die Trägergesellschaft Deutscher Pavillon.Deutschland im Aufbruch, geprägt von Menschen der Gegenwart und Zu- kunft, will die so genannte Ideenwerk- statt präsentieren. Womit gleichzeitig auch schon die Antwort auf die Frage gegeben ist, die sich manch einer gestellt haben wird: „Was ist der Sinn dieser chaotischen Halle?“ Auch die 47 halbfer- tigen oder fertigen Skulpturen und Bü- sten bekannter und weniger bekannter Deutscher stehen, so die Trägergesell- schaft, „für die Vergangenheit, Gegen- wart und Zukunft Deutschlands in sei- nen unterschiedlichen Facetten wie Po- litik, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft oder Sport“. Die Auswahl erscheint al- lerdings recht willkürlich. Zu sehen sind die Gipsskulpturen beispielsweise von Janosch, Heinrich Böll, Dr. Motte (Be- gründer der Love-Parade), Hans Beck (Erfinder der Playmobilmännchen), Reinhard Mohn, Thomas Mann, Albert Einstein, Stefanie Graf (aber nicht von Boris Becker), Erich Kästner, Romy Schneider, Konrad Adenauer, Marlene Dietrich, Ludwig van Beethoven (aber nicht von Johann Sebastian Bach). Zu sehen ist auch die Büste von Rupert Neudeck, dessen Organisation Cap Anamur in zahlreichen Krisengebieten
der Welt medizinische Hilfe gewährt.
Erinnert wird außerdem an Mildred Scheel, die 1974 die Deutsche Krebshilfe gegründet hatte. Der Ärztin, die 1985 selbst an Krebs starb, ist unter anderem die Einführung der Krebsfrüherken- nungsuntersuchungen zu verdanken. An das dunkelste Kapitel deutscher Ge- schichte gemahnt unter anderem die Skulptur der Studentin Sophie Scholl, die gemeinsam mit ihrem Bruder, dem Medizinstudenten Hans Scholl, und Freunden in den Flugblättern der
„Weißen Rose“ in der Münchener Uni- versität 1943 zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus aufrief. Die Mit- glieder der Organisation wurden verra- ten und vom NS-Regime ermordet.
Während die „Ideenwerkstatt“ das
„Denken“ ansprechen soll, sind für den Bereich „Fühlen“ die „Brücken der Zu- kunft“ zuständig, die dem gesamten deutschen Bereich den Namen gegeben haben. In dem „Erlebnisraum“ sind Leinwände oben, unten, rechts, links, vorn und hinten angebracht. Sechs
Brücken erschließen den 70 Meter lan- gen, 25 Meter breiten und 17 Meter ho- hen Raum, der gleichzeitig begehbarer Film und begehbares Bühnenbild ist.
Gezeigt wird im Erlebnisraum ein sechs- minütiger Film mit dem Titel „Deutsch- land mittendrin“. Ausgangspunkt dieses Films ist ein Nachbarschaftsfest in ei- nem Berliner Innenhof: Menschen kom- men zusammen, tauschen Erinnerungen aus und sprechen über ihre Wünsche an die Zukunft, ihre Gedanken, Träume und Visionen – ein Film allerdings, der den Zuschauer eher ratlos zurücklässt.
Im „Mosaik Deutschlands“, der dem Bereich „Handeln“ gewidmet ist, sollen die 16 Bundesländer in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit vorgestellt werden.
Rund um eine 15 Meter hohe Stahlkon- struktion, den „Baum des Wissens“, grup- pieren sich 16 Exponate, die jeweils ein Bundesland repräsentieren. Gezeigt wird zum Beispiel die Gutenberg-Bibel aus
Rheinland-Pfalz oder der erste Benz-Pa- tent-Motorwagen aus Baden-Württem- berg. Der Freistaat Sachsen ist durch den Gläsernen Menschen repräsentiert, der 1930 erstmals im Deutschen Hygiene- Museum ausgestellt wurde. Die „durch- sichtige Haut“ erlaubte zum ersten Mal eine dreidimensionale Sicht in das Innere des menschlichen Körpers – auf Nerven, Adern, Organe und Knochen.
Informationen: Tel.: 05 11/2 28 30-100, Fax: 05 11/2 28 30-1 09, Internet: www.
deutscher-pavillon.de Gisela Klinkhammer
Expo 2000 – Der Deutsche Pavillon
„Brücken in die Zukunft“
Der Pavillon des Gastgeberlandes folgt der Dramaturgie „Denken – Handeln – Fühlen“.
Die Fassade des Deutschen Pavillons ist aus 2 900 Glaselementen zusammengesetzt. Foto: Expo