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Archiv "Schadenersatzpflicht des Arztes bei einer durch fehlerhafte Sterilisation herbeigeführten ungewollten Schwangerschaft" (15.05.1980)

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RECHT FÜR DEN ARZT

Schadenersatzpflicht des Arztes

bei einer durch fehlerhafte Sterilisation herbeigeführten

ungewollten Schwangerschaft

In einem in der Öffentlichkeit stark beachteten Urteil vom 18.

März 1980 hat der Bundesge- richtshof entschieden, daß der Arzt, der eine Sterilisation nicht fachgerecht durchführt, wenn als Folge dieses Behandlungs- fehlers eine Schwangerschaft eintritt, den Eltern des gebore- nen Kindes schadenersatz- pflichtig ist.

Der Schaden umfaßt nach die- ser Entscheidung die Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Mutter wegen einer Körperver- letzung im Sinne des § 823 BGB sowie die Zahlung einer Unter- haltsrente an die Eltern als Er- satz für die diesen aus der Ge- burt des Kindes entstehenden Unterhaltslasten.

Diese Entscheidung des Bun- desgerichtshofes hat bei den gynäkologisch operativ tätigen Ärzten erhebliche Unruhe und Verunsicherung ausgelöst.

Die Verunsicherung ergibt sich insbesondere aus dem nicht eindeutig geklärten Versiche- rungsschutz für die zu zahlen- de Unterhaltsrente.

Die versicherungsrechtliche Einordnung dieses Schadens als Körperschaden mit vollem Versicherungsschutz oder als Vermögensschaden mit einem in der Regel nur sehr einge- grenzten Versicherungsschutz läßt sich erst nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe eindeutig beantworten, wenn auch die im folgenden abge- druckte Presseverlautbarung des Bundesgerichtshofs sehr stark auf die Annahme eines Vermögensschadens schließen läßt.

Daraus würde sich die Notwen- digkeit einer Erweiterung des Versicherungsschutzes für Ver- mögensschäden in diesen Fäl- len ergeben.

Voraussetzung für die Scha- denersatzpflicht des Arztes bzw. des Krankenhausträgers ist nach wie vor das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, das heißt einer fehlerhaften Sterili- sation.

Im folgenden wird als erste In- formation über diese Grund- satzentscheidung des Bundes- gerichtshofs die offizielle Pres- severlautbarung bekanntge- geben.

Eine Veröffentlichung und Kommentierung des Urteils wird unmittelbar nach Vorlage der schriftlichen Urteilsgründe erfolgen.

Unter dem Schlagwort „Kind als Schaden?" ist seit dem Ur- teil des Landgerichts Itzehoe vom 21. November 1968 (FamRZ 1969, 90) ein Haftungs- problem des modernen Lebens bekanntgeworden, das die Rechtspraxis seit einigen Jah- ren vermehrt beschäftigt.

Damals hatte eine Ehefrau, der zur Verhütung einer weiteren Schwangerschaft vom Arzt ein Hormonpräparat verschrieben worden war, den Apotheker verklagt, der Ihr versehentlich ein anderes, daher wirkungslo- ses Präparat verkauft hatte, so daß es zur Geburt eines nicht gewünschten Kindes kam.

Der Apotheker war in dem da- maligen Fall verurteilt worden, den Unterhalt zu ersetzen, den

die Frau für das Kind aufbrin- gen mußte.

Gestützt auf dieses damals um- strittene Urteil haben in letzter Zeit mehrfach Eltern den Arzt, der auf ihren Wunsch die Ehe- frau mittels Unterbrechung der Eileiter sterilisieren sollte, ver- klagt, nachdem es doch zur Ge- burt eines Kindes gekommen war, weil der Arzt den Eingriff nicht fachgerecht durchgeführt hatte.

Eine derartige Klage hat das Oberlandesgericht Bamberg (Urteil vom 6. Februar 1978 — NJW 1978, 1685) abgewiesen, weil ein Kind als „Wertverwirkli- chung" kein Schaden sein kön- ne und weil die Elternrolle auch nicht auf einen „Schadener- satzvater" und den „biologi- schen Vater" aufgeteilt werden könne. Anders hat das Oberlan- desgericht Karlsruhe (Urteil vom 19. Oktober 1978 — NJW 1979, 589) entschieden.

Es hat sowohl der Mutter wie dem Vater des Kindes je eine Rente von monatlich 75 DM zu- gesprochen (ähnlich schon das' Oberlandesgericht Celle — NJW 1978, 1688 in einem dort rechts- kräftig abgeschlossenen Fall).

Über die gegen die beiden Ur- teile aus Bamberg und Karlsru- he eingelegten Revisionen hat der Bundesgerichtshof nun- mehr entschieden.

Er hat das Urteil des Oberlan- desgerichts Bamberg aufgeho- ben (BGH Urteil VI ZR 105/78), dagegen das Urteil des Ober- landesgerichts Karlsruhe — im wesentlichen — bestätigt (BGH Urteil VI ZR 247/78). In dem letztgenannten Urteil hat der Bundesgerichtshof außerdem entschieden, daß eine durch fehlerhafte Sterilisation herbei- geführte, ungewollte Schwan- gerschaft eine Körperverlet- zung im Sinne des § 823 BGB

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 20 vom 15. Mai 1980 1307

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Schwangerschaft nach fehlerhafter Sterilisation

darstellt, so daß die Mutter auch Anspruch auf ein Schmer- zensgeld hat.

Nach der Ansicht des Bundes- gerichtshofs kann die Unter- haltsbelastung, die der Mutter, aber auch dem Vater eines un- erwünschten, nämlich aus Gründen der Familienplanung nicht gewollten (gesunden ehe- lichen) Kindes durch dessen Geburt erwächst, zu einem Schadenersatzanspruch gegen den für den fehlerhaften Ein- griff Verantwortlichen (Arzt be- ziehungsweise Krankenhaus) führen. Daß ein Kind, mag es auch „unerwünscht" gewesen sein, als solches kein Schaden ist, ist freilich selbstverständ- lich.

Fraglich kann nur sein, ob nicht die mit der Geburt des Kindes verbundene Unterhaltslast für die Eltern rechtlich von der Exi- stenz des Kindes losgelöst wer- den kann und ob dann dieser Vermögensnachteil ein Scha- den ist, den der schuldige Arzt (bzw. sein Krankenhaus oder dessen Träger) wegen Verlet- zung seiner Pflichten aus dem Arztvertrag (§§ 611, 276, 278 BGB) zu ersetzen hat.

Zur Beantwortung dieser Fra- ge, die angesichts des Überein- andergreifens von Haftpflicht- recht und den Eigengesetzlich- keiten des Familienrechts so- wie der zahlreichen noch offe- nen Einzelfragen erhebliche Schwierigkeiten bereitet, hält der Bundesgerichtshof an sich eine gesetzliche Regelung die- ses modernen Rechtsproblems für geboten.

Er glaubt sich aber nicht be- rechtigt, den betroffenen Eltern wegen des derzeitigen Fehlens einer gesetzlichen Regelung Ersatzansprüche schlicht ver- weigern zu dürfen. Er hat daher die Berechtigung solcher Er- satzansprüche dem Grunde nach bejaht.

Der Bundesgerichtshof sieht in der isolierten Betrachtung der Unterhaltsbelastung keine künstliche Aufspaltung der Rechtsstellung des Kindes.

Er meint weiter, daß der Anwen- dung der allgemeinen Sätze über den schuldrechtlichen Ausgleich von Vermögensschä- den durch einen Schädiger Grundsätze des Familienrechts nicht entgegenstehen, und hält das Bedenken, das Kind könnte ein seelisches Trauma erleiden, wenn es später erfährt, daß ein Dritter für seinen Unterhalt auf- kommt, weil es seinen Eltern unerwünscht gewesen sei, in diesem Zusammenhang für mindestens unerheblich.

Der Schädiger kann dem Er- satzanspruch auch nicht entge- genhalten, die Eltern hätten das Kind zur Adoption freigeben oder gar die Schwangerschaft abbrechen lassen sollen.

Ebensowenig ist es erheblich, daß die Eltern auch diesem Kind, obschon es unerwünscht war, ihre Liebe und Zuneigung zuwenden. Anderes kann wohl dann gelten, wenn der Schädi- ger nachweist, daß die Eltern ihre ursprüngliche Familienpla- nung nachträglich korrigiert haben.

Für die Berechtigung eines Er- satzanspruchs genügt freilich noch nicht allein, daß die Ge- burt des Kindes für die Eltern angesichts des Sterilisations- eingriffs unerwartet kam; viel- mehr muß das Kind deshalb

„unerwünscht" sein, weil seine Geburt die im konkreten Fall vom Richter festzustellende Fa- milienplanung der Eltern durchkreuzt hat.

Jedoch sind hinsichtlich der Höhe der der Mutter und dem Vater zuzusprechenden Scha- denersatzrente Schranken zu beachten, die sich aus der Überschneidung von Haft-

pflicht- und Familienrecht erge- ben. Hier hat der Bundesge- richtshof versucht, die an sich gebotene Ordnung der gesam- ten Rechtsprobleme solcher Fälle durch den Gesetzgeber durch eine Lösung zu regeln, die die Teilhabe des Kindes an seiner Familie mitberücksich- tigt. Der Unterhaltsaufwand, den der Schädiger den Eltern in solchen Fällen ersetzen muß, ist zu seinen Gunsten um dieje- nigen Faktoren zu bereinigen, die sich hinsichtlich der Höhe des konkret dem Kinde von den Eltern geschuldeten Unterhalts daraus ergeben, daß das Kind an der Gemeinschaft seiner Fa- milie teilhat, in der es auf- wächst.

Der Schädiger muß also nicht den Eltern Unterhalt in der Hö- he ersetzen, in der diese dem Kind konkret Unterhalt schul- den, wenn sie beispielsweise wirtschaftlich günstig gestellt sind. Die Verpflichtung des Schädigers zur Zahlung der Er- satzrente bemißt sich vielmehr danach, was nach durch- schnittlichen Anforderungen für das Auskommen des Kindes erforderlich ist. Hier bieten sich als Orientierungshilfe die Sätze der Regelunterhalts-Verord- nungen an, die gemäß §§ 1615 f BGB für den Regelbedarf eines nichtehelichen Kindes erlassen werden.

Zur Höhe der so zu ermitteln- den Schadenersatzrente ent- hält das Urteil VI ZR 247/78 nä- here Ausführungen (Höhe des Anspruchs der Mutter und des Anspruchs des Vaters; Anrech- nung von Kindergeld; etwaige Zu- und Abschläge). Der Bun- desgerichtshof hält es auch für geboten, die Verurteilung des Schädigers zur Rentenzahlung zunächst bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kin- des zu begrenzen.

(BGH Urteile vom 18. März 1980

—VI ZR 105/78 und VI ZR 247/78)

1308 Heft 20 vom 15. Mai 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 20 vom 15. Mai 1980

ur ort ung Aktuelle Medizin

Die gebräuchlichen Methoden der Kontrazeption

Eine kritische Übersicht

Gerd K. Döring

Aus der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung (Chefarzt: Professor Dr. med. Gerd K. Döring)

des Städtischen Krankenhauses München-Harlaching

Aus verschiedenen Gründen läßt sich daran zweifeln, daß ein Beitrag über Kontrazeption heute überhaupt noch nötig ist:

• In zwei Jahrzehnten sind unzähli- ge Publikationen zum Thema ent- standen.

43) Familienplanung wird als Grund- recht betrachtet, das heißt, weder staatliche noch kirchliche Instanzen können einen entscheidenden Ein- fluß auf Kinderzahl und Geburtenab- stände nehmen.

O Man sollte meinen, für die Auf- klärung der Bevölkerung sei durch die vielen für Laien geschriebenen Veröffentlichungen genug getan worden.

• Schließlich sind zuverlässige Kontrazeptiva schon lange jeder- mann zugänglich.

Dennoch: die Vorstellung, der Wis- sensstand der Bevölkerung über Fragen der Empfängnisverhütung sei befriedigend, ist falsch. Den Be- weis erbringen Statistiken wie die in Tabelle 1, aus denen sich ergibt, daß 50 bis 60 Prozent der Frauen, die mit dem Wunsch nach Schwanger- schaftsabbruch in die Klinik kom- men, überhaupt kein Kontrazepti- vum benutzt haben.

Daraus ergibt sich, daß die Beratung von Männern und Frauen oder auch von Paaren über geeignete Metho- den der Empfängnisverhütung auch heute noch eine wichtige ärztliche Aufgabe darstellt.

Nur auf diesem präventiven Weg kann man hoffen, die Zahl der Ab- treibungen zu reduzieren und der erkennbaren unseligen Vorstellung Die gebräuchlichen Methoden der Kontrazeption werden in der Rei- henfolge ihrer Zuverlässigkeit abgehandelt. Optimal ist allein die Sicherheit der Ovulationshemmer. Als „relativ zuverlässig" gelten lntrauterinpessar, Minipille, Temperaturmethode und Kondom. Zu den Methoden mittlerer Zuverlässigkeit rechnen Schaum-Ovulum, Scheiden-Diaphragma und Schaum-Spray. Die "unzuverlässigen Methoden" (Knaus-Ogino, Ovulationsmethode nach Billings, alte che- mische Mittel und Coitus interruptus) sollten vom Arzt wegen der hohen Versagerquote nicht empfohlen werden.

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