Lange Tischreihen: so etwas heißt im Jargon der Kongreßveranstalter „parlamentarische Sitzordnung". Bei Deutschen Ärztetagen sitzen derart parlamentarisch 250 stimmberech- tigte Delegierte (und schätzungsweise nochmal soviele Beobachter).
Die kleine Beratung am Rande: un- scheinbares, aber effektives „Instru- ment" der Meinungsbildung.
ein Arzt oder eine Ärztin in der Re- gel nur eine Facharztbezeichnung führen, auf Antrag gestattet die zu- ständige Ärztekammer das Führen mehrerer Bezeichnungen. Die letz- ten Wortbeiträge kreisten dann
schließlich um Teil I und II der (Mu- ster-)Weiterbildungsordnung, zu de- nen die Delegierten gar nicht mehr gekommen waren. Sollte man die beiden Komplexe, die sich mit der speziellen Regelung für alle Fächer befassen, auf dem nächsten Ärztetag ausführlich diskutieren? Oder sollte man dies den Gremien überlassen mit der Aufgabe, die hierzu einge- brachten Anträge so gut wie möglich einzuarbeiten?
Dr. Hoppe wies unmißverständ- lich darauf hin, daß eine Diskussion über alle Details ein Gremium wie den Deutschen Ärztetag überfor- dern würde. Einige Redner waren hingegen der Meinung, daß es auch dabei nicht nur um semantische Din- ge gehe und man deshalb auch hier- über beraten solle. Die Mehrheit war jedoch der Auffassung, daß man oh- ne eine grundsätzlich abgesegnete Weiterbildungsordnung nicht nach Hause kommen könne — und zog ei- nen Schlußstrich unter dreieinhalb Tage harte Arbeit. Diese kommt jetzt erneut auf jene zu, die zuvor den Entwurf erarbeitet hatten: den Ausschuß, die Ständige Konferenz
— und vor allem auf Dr. Jörg-Diet- rich Hoppe. Sabine Dauth
Grüße und Wünsche von Politikern
Das Gesundheitssystem in der Bundesrepublik zähle zu den besten der Welt. Das betonte Bundestags- präsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth in einem Grußwort an die Teilnehmer des 95. Deutschen Ärztetages in Köln. Dennoch stünden wir heute vor gewaltigen gesundheitspolitischen Problemen, vor allem im Bereich des Pflegenotstandes und in der Frage der Kostendämpfung.
Rita Süssmuth forderte die Ärzte auf, alle Möglichkeiten der Kosten- senkung und Kostenbegrenzung aus- zuschöpfen. „Ich denke in diesem Zusammenhang_ an die Prävention, für die gerade Arzte eine große Ver- antwortung haben, aber auch an Ko- stentransparenz sowie an Möglich- keiten der Kostensenkung durch ge- meinschaftliche Nutzung von Arztpra- xen und medizinischem Gerät."
Der Vorsitzende der SPD-Bun- destagsfraktion, Hans-Ulrich Klose, bezeichnete in seinem Grußwort das Gesundheits-Reformgesetz als
„schon im Ansatz verfehlt". Es habe sein erklärtes Ziel nicht erreicht, die steigenden Ausgaben der gesetzli- chen Krankenversicherung zu stop- pen, die Beitragssätze zu senken und dauerhaft zu stabilisieren. Für 1992 sei ein Defizit von zehn bis zwölf Mil- liarden DM zu befürchten, wenn nicht endlich ein echtes Strukturreformge- setz die Defizite und Unwirtschaft- lichkeiten beseitige.
Die Reform des Gesundheits- wesens dürfe auf keinen Fall zum
„Spielball von Polemik verkommen, die an die eigene politische Klientel appelliert", warnte der FDP-Vorsit- zende Dr. Otto Graf Lambsdorff.
Dann falle nämlich manchem nur ein, daß Ärzte und Pharma-Industrie zur Kasse gebeten werden müßten.
Wer in diesem Stil weitermache, der werde an Deckelungen, Verdre- hungen des Festbetragskonzepts, ge- spaltenem Arzneimittelmarkt und diri- gistischen Interventionsspiralen auch dann
noch kleben, wenn die Gesund- heitskosten vollends aus dem Ruder
gelaufen seien. KliDt. Ärztebl. 89, Heft 22, 29. Mai 1992 (59) A1-2045