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Archiv "Bernhard von Gudden: Ein ungeklärter Todesfall" (24.06.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 25

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24. Juni 2011 A 1439 BERNHARD VON GUDDEN

Ein ungeklärter Todesfall

D

ie Geschichte liest sich wie ein Krimi: 1884 sind in nur einem Jahr die Schulden der Kabi- nettskasse um sechs Millionen Mark gestiegen. Davon unbeein- druckt plant der bayerische König, zwei weitere Schlösser zu bauen.

Prinz Luitpold ist nervös. Die Kas- se seines Neffen, Ludwigs II. von Bayern, ist die Hauptquelle seiner Einkünfte. Wie kann man sich des Königs, der im Begriff ist, die Staatsfinanzen zu ruinieren, mög- lichst korrekt entledigen?

Eine Schlüsselfigur in dieser Ge- schichte, deren tragisches Ende nie ganz sicher geklärt wurde, ist der Psychiater Bernhard von Gudden.

1824 geboren, studiert er in Bonn und Halle Medizin und absolviert den größten Teil seiner psychiatri- schen Ausbildung in der badischen Anstalt Illenau. Der Forscher von Gudden konzentriert sich ganz auf die Neuroanatomie, der er „Heka- tomben von Thieren und buchstäb-

lich alle seine Mußestunden opferte“, wie sein Schwiegersohn schreibt.

Als Kliniker setzt von Gudden im unterfränkischen Werneck auf eine gewaltlose Behandlung und fördert die Arbeitstherapie.

Schon länger beobachtet man bei Patienten von „Irrenanstalten“ blu- tige Schwellungen der Ohrmuschel.

Etliche Psychiater diskutieren diese Verletzungen als Symptom von Geisteskrankheit oder Degenera - tion. Von Gudden schaut genauer hin und entlarvt die „Ohrblutge- schwulst“ als Folge von Schlägen.

Auch Rippenserienbrüche und De- kubitus führt er auf Gewalt und mangelhafte Pflege zurück.

Als Prinz Luitpold ihm im Juni 1886 befiehlt, über Ludwig II. ein psychiatrisches Gutachten zu er- stellen, ist von Gudden Professor für Psychiatrie in München. Der Bruder des Königs, Prinz Otto, ist zu dieser Zeit geistig schwer krank und unfähig, die Regierung zu über-

nehmen. Als Nachfolger kommt al- so nur der 65-jährige Prinz Luitpold infrage. Von Gudden hat den baye- rischen König vor zwölf Jahren ein- mal gesehen. Sein Gutachten ver- fasst er ohne persönliche Untersuchung Ludwigs.

Er befragt Mitarbeiter, doch nicht seine beiden Hausärzte. Im Gutachten vom 8. Juni kommen von Gudden und drei weitere Psychiater zum Schluss, dass Ludwig II. unter un- heilbarer Paranoia leidet.

Sie unterstellen einen wei- teren „Verfall der geistigen Kräfte“ und prognostizie- ren dauerhafte Regie- rungsunfähigkeit. Darauf wird Ludwig II. abgesetzt und entmündigt. Von Gud- den bringt den König im Auftrag des neuen Regen- ten nach Schloss Berg, um ihn dort zu behandeln. Am Abend des 13. Juni bre- chen Ludwig II. und von Gudden zu einem Spazier- gang auf. Als sie nicht zu- rückkommen, lässt man nach ihnen suchen und findet beide tot im Was- ser. Während Ludwig II. unverletzt ist, weist von Guddens Leiche ei- nen Bluterguss über der Stirn, Kratzwunden im Gesicht und Wür- gemale am Hals auf. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wollte der ehe- malige König sich im See erträn- ken. Von Guddens Versuch, ihn da- von abzuhalten, kostete ihn selbst das Leben. So jedenfalls deutete Wilhelm Wöbking 1986 („Der Tod König Ludwig II. von Bayern“) die Ermittlungsergebnisse. Ein Zeit- zeuge vermutete demgegenüber, ein Schlaganfall habe den König ge- troffen und seinen Tod durch Er - trinken verursacht. Angesichts der Datenlage scheint diese Hypothese jedoch wenig wahrscheinlich.

Einer umfassenden Studie (Häf- ner 2008) zufolge war Ludwig II.

indes nicht psychotisch erkrankt, sondern litt an einem narzisstisch übersteigerten Selbstbewusstsein und sozialer Phobie. Das Bauen von Schlössern habe zunehmend Merk- male einer Sucht angenommen. ■ Christof Goddemeier

Der Psychiater starb 1886 mit König Ludwig II. von Bayern im Starnberger See.

LITERATUR Häfner H:

Ein König wird beseitigt.

München 2008.

Zeichnung: Elke R. Steiner

K U L T U R

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