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Prüfung von Flupirtin im Vergleich mit analgetisch und sedativ wirksamen Stoffen in einem thermischen Schmerzmodell bei Katzen

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Prüfung von Flupirtin im Vergleich mit

analgetisch und sedativ wirksamen Stoffen in einem thermischen Schmerzmodell bei Katzen

INAUGURAL-DISSERTATION Zur Erlangung des Grades einer DOKTORIN DER VETERINÄRMEDIZIN

(Dr. med. vet.)

durch die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

Vorgelegt von Ute Spiecker-Hauser

aus Mettmann

Hannover 2004

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1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. M. Kietzmann

2. Gutachter: PD Dr. H. Sann

Tag der mündlichen Prüfung: 19.11.2004

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(4)
(5)

INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG...1

2 LITERATURÜBERSICHT...3

2.1 Schmerz...3

2.1.1 Schmerz bei Tieren – Einführung ...3

2.1.2 Physiologie ...4

2.1.3 Pathophysiologie und Reaktionen auf Schmerz...6

2.2 Tiermodelle für Schmerz...7

2.2.1 Allgemeines ...7

2.2.1.1 Der Reiz...8

2.2.1.2 Die Reaktion...9

2.2.2 Schmerzmodelltypen und Beispiele ...11

2.2.2.1 Thermische Reizung ...11

2.2.2.2 Mechanische Reizung ...12

2.2.2.3 Chemische Reizung ...13

2.2.2.4 Elektrische Reizung ...13

2.2.3 Schmerzmodelle an Katzen...14

2.3 Schmerzbehandlung bei Katzen / Testsubstanzen...15

2.3.1 Analgesie ...15

2.3.2 Status der derzeitigen Therapiemöglichkeiten bei Katzen...16

2.3.3 Opioide...17

2.3.3.1 Hydromorphon...18

2.3.4 NSAID’s...20

2.3.4.1 Meloxicam ...21

2.3.4.2 Sonstige analgetisch und/oder sedativ wirksame Testsubstanzen....23

2.3.4.3 Xylazin...23

2.3.4.4 Ketamin...25

2.3.4.5 Acepromazin ...27

2.3.5 Flupirtin...29

2.3.5.1 Chemie...29

(6)

2.3.5.2 Pharmakologie...30

2.3.5.2.1 Wirkmechanismus ...30

2.3.5.3 Pharmakodynamische Eigenschaften...32

2.3.5.3.1 Tierstudien zur analgetischen Wirksamkeit...32

2.3.5.3.2 Humanstudien zur analgetischen Wirksamkeit in Schmerzmodellen32 2.3.5.3.3 Muskelrelaxierende Wirkung...33

2.3.5.3.4 Antiinflammatorische und antipyretische Wirkung...33

2.3.5.3.5 Antikonvulsive Wirkung...34

2.3.5.3.6 Effekte auf psychomotorische und kognitive Funktionen...34

2.3.5.3.7 Sonstige Wirkungen ...34

2.3.5.3.8 Nebenwirkungen und Toxizität ...35

2.3.5.3.9 Toleranz-, Abhängigkeits- und Missbrauchspotential...36

2.3.5.4 Pharmakokinetische Eigenschaften...36

3 EIGENE UNTERSUCHUNGEN...38

3.1 Material...38

3.2 Thermisches Schmerzmodell...41

3.2.1 System- und Versuchsaufbau...41

3.2.2 Kalibrierung des Systems ...44

3.2.2.1 Eichung des Druckmeßsystems ...44

3.2.2.2 Eichung der Prüfsonden...45

3.2.2.3 Einstellung der Heizrate ...46

3.3 Versuchstiere, Haltung und Fütterung...46

3.4 Methode ...49

3.4.1 Training der Tiere ...49

3.4.2 Vorbereitung der Tiere...50

3.4.3 Bestimmung der Schmerzschwellenwert-Temperatur...50

3.4.4 Untersuchung der Reproduzierbarkeit...53

3.4.5 Scheintestung ...53

3.4.5.1 Untersuchung auf mögliche modellbedingte Folgeschäden...53

3.5 Untersuchung von Wirkstoffen im thermalen Schmerzmodell...54

3.5.1 Negativkontrolle: Natriumchloridlösung ...54

(7)

3.5.2 Positivkontrolle: Hydromorphon ...54

3.5.3 Vergleichssubstanzen: Meloxicam, Xylazin, Ketamin, Acepromazin....55

3.5.4 Flupirtin...55

3.6 Untersuchungen zur Pharmakokinetik von Flupirtin...57

3.6.1 Methode ...57

3.7 Untersuchungen zur Verträglichkeit von Flupirtin...58

3.7.1 Systemische Verträglichkeit nach oraler Applikation...58

3.7.2 Lokale Verträglichkeit nach subkutaner Injektion...61

3.8 Statistik...61

3.8.1 Schmerzmodell ...61

3.8.2 Körpermasse...62

3.8.3 Pharmakokinetik ...63

3.8.4 Verträglichkeit ...63

4 ERGEBNISSE ...64

4.1 Tiere...64

4.1.1 Schmerzreaktionen...64

4.1.2 Scheintestung ...65

4.1.3 Hautläsionen...66

4.2 Reproduzierbarkeit ...67

4.3 Wirkstoffe im thermalen Schmerzmodell ...69

4.3.1 Hydromorphon...69

4.3.2 Meloxicam...72

4.3.3 Xylazin...74

4.3.4 Ketamin...76

4.3.5 Acepromazin...77

4.3.6 Flupirtin...79

4.3.6.1 Subkutane Applikation...79

4.3.6.2 Orale Applikation...83

4.4 Pharmakokinetik von Flupirtin...86

4.5 Verträglichkeit von Flupirtin...89

4.5.1 Systemische Verträglichkeit von Flupirtin...89

(8)

4.5.2 Lokale Verträglichkeit von Flupirtin...90

5 DISKUSSION ...91

5.1 Bewertung des Modells...92

5.1.1 Allgemeine Kriterien...92

5.1.2 Einfluss der Hauttemperatur ...98

5.1.3 Sensitivität für Analgetika... 100

5.1.4 Einfluss einer Sedation... 103

5.2 Flupirtin... 103

5.3 Ausblick ... 108

6 ZUSAMMENFASSUNG... 111

7 SUMMARY ... 113

8 LITERATURVERZEICHNIS ... 115

9 ANHANG ... 144

10 DANKSAGUNG... 153

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Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen

Abb. Abbildung

ASH American Shorthair

AUC Fläche unter der Konzentrations-Zeitkurve

bzw. beziehungsweise

Cl Clearance

Cmax Maximale Plasma-/Serumkonzentration nach Einmalgabe

EEG Elektroenzephalogramm

EKH Europäisch Kurzhaar

Et al. Et alii

f Bioverfügbarkeit

h Stunde

KM Körpermasse

min Minute

mk Männlich kastriert

n Anzahl der Messungen

n. s. Nicht signifikant

NaCl Natriumchloridlösung, Kochsalzösung NSAID Nonsteroidal antiinflammatory drug,

Nichtsteroidales Antiphlogistikum

s Sekunde

SD Standardabweichung

t ½ Halbwertszeit

Tab. Tabelle

Tmax Zeitpunkt der maximalen Konzentration im Plasma/Serum

U/min Umdrehungen in der Minute

V Verteilungsvolumen

wk Weiblich kastriert

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Sonderzeichen:

°C Grad Celsius

x Mittelwert

 Warenzeichen

Definitionen:

Schmerzschwellentemperatur = Gemessene Hauttemperatur bei Auftreten einer nozifensiven Reaktion, Reaktionstemperatur Excursiontemperatur = Differenz aus Reaktionstemperatur und

Hauttemperatur

Latenzzeit = Gemessene Zeit zwischen Beginn der

Reizapplikation und Auftreten einer nozifensiven Reaktion

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1 E INLEITUNG

Dem Thema Schmerz beim Tier wurde sehr lange recht wenig Bedeutung beigemessen. Grund dafür war die Annahme, dass Tiere kein mit dem Menschen vergleichbares Schmerzempfinden haben, und dass Schmerzen das Tier vor weiteren Schäden schützen. In den letzten zehn Jahren wurden jedoch große Fortschritte in der Beurteilung von Schmerzen bei Tieren gemacht. Die Übertragung von Schmerzbehandlungskonzepten aus der Humanmedizin auf die Veterinärmedizin wie auch die Entwicklung neuer wirksamer und besser verträglicher Analgetika speziell für Tiere ist ein wichtiger Teil dieser Fortschritte.

Probleme bereitet zur Zeit noch die Katze als Schmerzpatient, vor allem auf Grund tierartspezifischer metabolischer Gegebenheiten und den daraus resultierenden Risiken für Nebenwirkungen. Katzen bekommen daher weitaus weniger Analgetika verabreicht als Hunde (DOHOO und DOHOO 1996, LASCELLES und WATERMAN 1997, WATSON et al. 1996). Somit ist der Bedarf an speziell für die Katze entwickelten Analgetika nach wie vor sehr hoch, was wiederum viele Untersuchungen zum Thema Schmerz bei Katzen erforderlich macht.

Opioide gelten seit langem als wirksamste Klasse der Analgetika (PASCOE 2000).

Auch die Gruppe der nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAIDs) der neueren Generation wird erfolgreich zur Behandlung schwerer Schmerzzustände eingesetzt (LASCELLES und WATERMAN 1997). In der Humanmedizin steht mit Flupirtin seit einigen Jahren ein weiterer Wirkstoff zur Verfügung, der keiner der beiden Klassen angehört. Dieses überwiegend zentralwirksame Analgetikum erscheint auf Grund seines guten Wirkungs- und seines geringen Nebenwirkungsprofils auch für den Einsatz in der Veterinärmedizin von Interesse.

Im Rahmen der Entwicklung von Arzneimitteln bedarf es vorklinischer Studien, bevor erste Studien an Patienten erfolgen. Derartige vorklinische Studien werden mit Hilfe von experimentellen Modellsituationen, den sogenannten Tiermodellen durchgeführt.

(12)

Zu Beginn der vorliegenden Arbeit soll daher die Einsatzfähigkeit eines neuartigen Schmerzmodells bei der Tierart Katze (DIXON et al. 2002) untersucht werden. Es handelt sich um ein Modell, welches mit Hilfe eines thermischen Reizes die Erfassung von Schmerzreaktionen am wachen, sich frei bewegenden Tier ermöglicht.

Ziel dieser Arbeit ist ein Beitrag zur Charakterisierung von Flupirtin als potentielles Analgetikum für Katzen. Hierbei sollen vor allem Informationen zur allgemeinen Wirksamkeit, zur Dosisabhängigkeit der Wirkung sowie zur Pharmakokinetik und Verträglichkeit an Katzen erfasst werden.

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2 L ITERATURÜBERSICHT

2.1 Schmerz

2.1.1 Schmerz bei Tieren – Einführung

Während in der Vergangenheit noch in Frage gestellt wurde, ob Tiere überhaupt Schmerz im Sinne der menschlichen Schmerzwahrnehmung empfinden, wird heute davon ausgegangen, dass das Schmerzempfinden aller Säugetiere vergleichbar ist, auch wenn ein sicherer Beweis dafür nicht erbracht werden kann (LASCELLES 1999, LAMONT et al. 2000a). Das nozizeptive System ist bei Mensch und Tier ähnlich strukturiert (GEBHART 1994, VAN HOOFF et al. 1995, FLECKNELL 1996).

Tiere zeigen Aversionen auf die Art von Reizen, welche beim Menschen zu Schmerzen führen (LASCELLES 1999). Das rechtfertigt eine Anwendung des sogenannten Prinzips der Analogie, z. B. bei der Entscheidung, prä- und postoperativ Analgetika einzusetzen.

Die vermehrte pharmakologische Forschung auf dem Gebiet der Analgetika wurde ausgelöst durch das in den letzten Jahrzehnten erlangte Verständnis der Schmerzmechanismen, wie u. a. der Entstehung der sogenannten „gate-control“

Theorie durch MELZACK und WALL (1965) oder der Entdeckung des Opiatrezeptors im Jahr 1973 (SCHNEIDER et al. 1990). Heute wird die Behandlung von Schmerz weitgehend als Standardtherapie bei Patienten angesehen

Im Durchschnitt durchläuft jede Katze mindestens einen operativen Eingriff in ihrem Leben, wie z. B. eine Kastration. Die Verabreichungshäufigkeit von Analgetika sowohl postoperativ als auch bei chronischen Schmerzzuständen liegt noch immer weit hinter der bei Hunden. (HANSEN und HARDIE 1993, DOHOO und DOHOO 1996, LASCELLES et al. 1999, HELLYER 2002). Häufig wird aufgrund Wissens- und

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Wirkstoffmangels eine vermehrt empirisch, oder auf Extrapolation der Dosierungen beim Hund basierende Analgesie durchgeführt (TAYLOR 1984, WRIGHT 2002).

Für den Verzicht vieler Tierärzte auf eine adäquate Analgesie speziell bei Katzen gibt es verschiedene Gründe (DOHOO und DOHOO 1996, LASCELLES und WATERMAN 1997). Schmerzerkennung ist bei Katzen eine besonders große Herausforderung, da die Zeichen für Schmerz bei dieser Spezies oft subtil und versteckt sind (SANFORD et al. 1986, CAMBRIDGE et al. 2000, MATHEWS 2000).

Aufgrund einiger Unterschiede in der Physiologie der Katze ist das Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen größer als bei anderen Tierarten. Die Katze hat im Vergleich zum Hund einen Mangel an der ortho- und para-Aminophenolform des Enzyms UDP-Glucuronyltransferase, welches zur Metabolisierung verschiedener Substanzen in der Leber im Rahmen der Phase-II-Reaktionen benötigt wird. Das führt zu einer niedrigeren Exkretionsrate, einer verlängerten Halbwertszeit bis hin zu toxischer Akkumulation einiger Wirkstoffe (BOOTHE 1990a). Betroffen sind vor allem Verbindungen mit Phenolen, aromatische Säuren und Amine wie z.B. Morphin, Acetaminophen (FINCO et al. 1975) und Acetylsalicylsäure (HERRGESELL 1967).

Somit wurde lange die Nutzung von NSAIDs als sehr riskant angesehen (BOOTHE 1990b). Mit der veralteten Theorie über die sogenannte Morphin-Manie der Katze (JOEL und ARNDTS 1925), nach welcher Morphin zu Erregungszuständen führen solle, wird ebenfalls noch häufig argumentiert (SLINGSBY und WATERMAN- PEARSON 1998). Eine Rolle spielen außerdem der administrative Aufwand bei der Anwendung von Opioiden, ideologische Dogmen wie: „Schmerz schütze vor weiteren Schäden“ (DOHOO und DOHOO 1996, SLINGSBY und WATERMAN-PEARSON 1998, LASCELLES 1999), sowie der Kostenfaktor (HENKE und ERHARDT 2004).

2.1.2 Physiologie

Grundlage für die Durchführung einer adäquaten Schmerzbehandlung und für das Verständnis der Funktionsweise von Schmerzmodellen sind die physiologischen und pathophysiologischen Zusammenhänge der Schmerzentstehung (LAMONT 2002).

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Die Definition für Schmerz lautet, modifiziert nach der International Association for the Study of Pain (IASP): Schmerz ist eine unangenehme Empfindung und ein emotionales Erlebnis, das mit einem aktuellen oder potentiellen Gewebeschaden einhergeht (MERSKY 1983). Das Schmerzerlebnis stellt die emotionale Verarbeitung der Nozizeption dar, welche definiert ist als neuraler Prozess, welcher zum Schmerz führt. (SANDKÜHLER und HEINKE 2000). Zu diesem Prozess zählen Transduktion, Transmission, Modulation und Perzeption. Die Transduktion am peripheren Schmerzrezeptor, dem Nozizeptor, beinhaltet die Umsetzung physikalischer Energie, z. B. die Umwandlung eines thermischen Stimulus in elektrische Aktivität.

Nozizeptoren, die auf thermische und mechanische Reize reagieren, sind freie Nervenendigungen myelinisierter Fasern vom Aδ-Typ, mit kleinem Durchmesser und hoher Leitungsgeschwindigkeit (5-30 m/s, scharfer, gut lokalisierter Erstschmerz) sowie nichtmyelinisierter polymodaler C-Fasern mit niedrigerer Leitungsgeschwindigkeit (0,5-2 m/s, dumpfer, brennender Zweitschmerz) (POTTHOFF und CARITHERS 1989, HELLEBREKERS 2001). Die großen, myelinisierten Aß-Fasern (50 m/s, Stimulation durch taktile Reize) sind synaptisch über Interneurone in den Prozess involviert und aktivieren lokale Flexorreflexe (POTTHOFF und CARITHERS 1989). Von den Nozizeptoren wird der Schmerzreiz durch afferente, sensible Nervenfasern über das Rückenmark zum Gehirn weitergeleitet. Eine Umschaltung auf das zweite Neuron, welches über den Tractus spinothalamicus zum Gehirn zieht, geschieht in der Substantia gelatinosa des Hinterhorns. Im Thalamus werden alle Nervenreize des Körpers erfasst, in verschiedene Gehirnzentren geleitet und dort verarbeitet: in der Formatio reticularis mit Beeinflussung des Atem- und Kreislaufzentrums, im aufsteigenden retikulären aktivierenden System, welches als Weckzentrum die Aufmerksamkeit steuert, in der Großhirnrinde, welche Schmerz bewusst macht, in der Hypophyse zur Ausschüttung von ACTH und β-Endorphin und schließlich im Limbischen System, das dem Schmerz beim Menschen seine emotionale Bedeutung verleiht.

Neurophysiologisch bewiesen ist, dass unterschiedliche Organe bzw. Gewebe unterschiedlich empfindlich für Schmerzreize sind. An der Haut wird der Schmerz

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über mechanische, thermische oder chemische Rezeptoren aufgenommen und kann sehr intensiv sein (HENKE u. ERHARDT 2001).

2.1.3 Pathophysiologie und Reaktionen auf Schmerz

Schmerz kann entweder durch Erregung von Schmerzrezeptoren, oder aber durch verminderte Schmerzhemmung entstehen. Dabei kodieren die Nozizeptoren die Intensität des einwirkenden Reizes über die Entladungsfrequenz (HENKE und ERHARDT 2004). Es gibt unterschiedliche Arten von Schmerz, sowohl physiologische, als auch pathologische. Zum einen gibt es den protektiven, bei Kontakt mit noxischen Reizen auftretenden physiologischen Schmerz, der die Aufgabe hat, den Körper vor Gewebeschäden zu schützen. Dieser Schmerz hat eine biologische Warnfunktion und dient mit Hilfe von Lehr- und Lerneffekt der Lebenserhaltung. Er löst eine sofortige Schutzreaktion aus und kann außerdem in Modellen zur experimentellen Auslösung von Schmerzen, den sogenannten Schmerzmodellen, genutzt werden (DUBNER 1994).

Davon zu unterscheiden ist der pathologische Schmerz, hervorgerufen durch jede Art von Gewebeverletzung. Dieser Schmerz verursacht neben der unangenehmen Empfindung weitere systemische Reaktionen des Körpers als Folge verschiedener sympathoadrenerger Effekte. Zusammenfassend können folgende Arten von Reaktionen des Körpers auf Schmerz hervorgerufen werden: spinale, lokale Muskelreflexe (z. B. Wegziehbewegung), supraspinale, autonome Reflexe (z. B.

Herzfrequenz- und Atemfrequenzveränderungen), endokrine sowie kortikale Reaktionen, und schließlich das eigentliche Schmerzempfinden aufgrund Weiterleitung aszendierender Nervenimpulse zu Thalamus und Kortex (Fluchtverhalten, Vokalisation, etc.) (WALL 1992, WOOLF 1991).

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2.2 Tiermodelle für Schmerz

2.2.1 Allgemeines

Die tierexperimentelle Forschung im Bereich der Medizin versucht zum Einen, Krankheiten des Menschen bei Tieren zu imitieren, um Erkenntnisse über Krankheitsverläufe zu erlangen, auf deren Basis Therapien entwickelt werden sollen.

Hier ist das Modell Tier als eine Annäherung an die morphologischen, physiologischen oder pathophysiologischen Verhältnisse des Originals Mensch zu verstehen. Können bestimmte Krankheiten wie beispielsweise Krebs reproduzierbar in Tieren ausgelöst werden, spricht man von "Tiermodellen“. Zum Anderen werden Tiermodelle in der vorklinischen tiermedizinischen Forschung eingesetzt, um erste Anhaltspunkte über die Wirksamkeit von Substanzen zu erhalten. Ein Modell in der jeweiligen Zieltierart ist hier vorteilhaft.

Tiermodelle zur Untersuchung von Schmerz bezeichnet man auch als analgesiometrische Testsysteme. Beurteilt werden soll die analgetische Wirksamkeit von Wirkstoffen über die Messung antinozizeptiver Effekte (ROUGHAN und FLECKNELL 2002). Bei diesen Tests werden mit Hilfe eines kurzfristigen, Schmerzreizes Schwellenwerte und Latenzzeiten gemessen, über deren Veränderungen die analgetische Wirksamkeit von Substanzen ermittelt werden kann.

Unter Schmerzschwelle ist die geringste Schmerzerfahrung, die ein Individuum gerade noch wahrnehmen kann, zu verstehen (HENKE und ERHARDT 2004). Es wurden eine Reihe von Testsystemen entwickelt, größtenteils zur Anwendung an Ratten und Mäusen. Die eingesetzten Schmerzreize variieren in ihrer Modalität:

thermisch, mechanisch, chemisch und elektrisch.

Nach Aussage von BEECHER (1957), DUBNER et al. (1976), VIERCK u. COOPER (1984), LINEBERRY (1981) und DUBNER (1985) sollte ein ideales, auf Verhaltensbeobachtungen basierendes Schmerzmodell folgende Kriterien erfüllen:

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Ø Reiz und Reaktion sollen natürlicher Art sein. Der Reiz soll messbar, mit definierbarem Start und Endpunkt, quantifizierbar, reproduzierbar und nicht invasiv sein. Er soll nach Auftreten der Reaktion sofort gestoppt werden. Von Vorteil ist eine automatische Vorrichtung zur Erkennung des Endpunktes (HARGREAVES et al. 1988).

Ø Es sollen nur selektiv Nozizeptoren aktiviert werden.

Ø Es soll ein Zusammenhang zwischen Reizintensität und Schmerzintensität bestehen. Die Art der Reaktion soll je nach Reizintensität eine Unterscheidung zwischen Schmerzschwelle und Toleranzschwelle ermöglichen.

Ø Das Modell soll empfindlich sein für Verhaltens- und pharmakologische Manipulation, welche die Intensität des Schmerzreizes verändern. Bei Tests von Analgetika soll ein automatischer Sicherheitsstop eingebaut sein, um Gewebeschaden zu vermeiden.

Ø Die Beeinflussung der Reaktionen durch nicht sensorische Faktoren soll von denen auf sensorische Ursachen trennbar sein.

Ø Die Stimulation soll wiederholt durchführbar sein, ohne Beeinflussung der Folgemessungen und keinen Gewebeschaden verursachen.

Ø Es soll an einer Körperstelle angewandt werden, die möglichst minimale Variationen zwischen den Tieren aufweist.

2.2.1.1 Der Reiz

Im Allgemeinen wird ein Reiz z. B. im Bereich der Haut gesetzt, von den Nozizeptoren in der Haut registriert und über afferente Fasern zum Dorsalhorn des Rückenmarks und weiter zum Hirnstamm, Thalamus und Cortex geleitet. Durch die Verabreichung von Substanzen, die Teile dieses Leitungs- und Verarbeitungssystems blockieren, steigt die Schmerzschwelle an oder verschwindet vollständig (SLINGSBY et al. 2001).

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ROUGHAN und FLECKNELL (2002) teilen die nozizeptiven Reize in zwei Gruppen ein: phasische und tonische Stimuli. Phasische Reize sind charakterisiert durch kurze Effekte, wie z. B beim Tail Flick Test (D'AMOUR und SMITH 1941); als tonisch werden anhaltende Stimulationen bezeichnet. Es wird postuliert, dass fundamentelle Unterschiede in der Neurophysiologie dieser beiden Gruppen bestehen (ABBOTT et al. 1982), z. B. dass phasische, v. a. auf thermische Stimulation basierende Reize lediglich zu einer spinalen Reflexantwort führen, wohingegen tonische Nozizeption vermehrt höhere Zentren einbezieht mit komplexeren Mechanismen. Der phasische Reflex tritt als Antwort auf einen schnell ansteigenden nozizeptiven Input bereits an der niedrigsten Schmerzschwelle auf. Auch die peripheren Transduktions- mechanismen unterscheiden sich. Phasische Testsysteme basieren hauptsächlich auf mechanisch-thermischen Aδ-Rezeptoren, aktiviert durch einen Stimulus hoher Intensität. Tonische Stimuli werden von polymodalen C-Fasern geleitet und aktiviert durch niedrige bis mittlere Frequenzen.

Des weiteren führt die Messung der Schmerzschwelle bei einem zunehmenden Reiz zu genaueren Ergebnissen als die Messung der Dauer bis zur Reaktion bei gleichbleibendem Stimulus. Die Sensitivität des Modells steht in engem Zusammenhang mit der Art des Reizes und der Rezeptoraktivität des jeweiligen Wirkstoffes.

2.2.1.2 Die Reaktion

Viele Schmerzmodelle nutzen das Auftreten bestimmter Verhaltensweisen auf Schmerzreize. Diese Reaktionen lassen sich grob unterteilen in zwei Gruppen:

einfache Rückzugs- oder Schutzreflexe und komplexe, willentlich beeinflussbare Reaktionen, welche entweder erlernte oder nicht erlernte Verhaltensweisen darstellen (CHAPMAN et al. 1985).

Beispiele für die einfachen Reflexe sind der Tail Flick Test (D’AMOUR und SMITH 1941), der Limb Withdrawal Reflex (BONNETT und PETERSON 1975) oder der J a w Opening Reflex (MITCHELL 1964). Das jeweilige gereizte Körperteil wird aufgrund

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eines ausgelösten Schutzreflexes der weiteren Stimulation entzogen. So hat das Tier Einfluss auf den Abbruch der Stimulation und kontrolliert das verabreichte Schmerzlevel.

Häufiger genutzt werden komplexe, aber nicht erlernte Verhaltensweisen zur Messung von Schmerz. Es handelt sich um willentlich beeinflussbares, gezieltes Verhalten, welches supraspinale sensorische Prozesse voraussetzt. Ein Beispiel ist der Hot Plate Test an Ratten (WOOLFE und MAC DONALDS 1944). Als Reaktionsverhalten wird das Lecken der Hinterpfote gemessen. Differenziertere Bewertung des Schmerzverhaltens wird beim modifizierten Hot Plate Test nach HARGRAVES et al. (1988) vorgenommen. Die erste Reaktion ist das reflexartige Wegziehen der Pfote, worauf komplexe Verhaltensweisen wie Lecken der Pfote und das daran anschließende, von der Schmerzintensität abhängige Schonverhalten der Pfote folgen. Vokalisation zählt ebenfalls zu den häufig verwendeten Reaktionen bei der Nutzung von Schmerzmodellen (KAYSER und GUILBAUD 1987).

Daneben gibt es Modelle, in denen die Schmerzintensität nicht vom Tier kontrolliert, beeinflusst oder abgebrochen werden kann. Beim Writhing Test nach VYKLICKY (1979), einem Modell für visceralen Schmerz, zeigt das Tier zwar charakteristische Reaktionen und Verhaltensweisen auf die entstehende Peritonitis, der Schmerz bleibt aber weiterhin bestehen und kann auch nicht vom Experimentator beendet werden.

Auch mit Hilfe von erlerntem Verhalten kann in Schmerzmodellen gearbeitet werden.

Ein Beispiel ist die Schock Titration Method nach WEISS und LATIES (1963), in welcher das Tier durch Drücken einer Taste die Intensität eines kontinuierlich ansteigenden Stimulus beeinflussen kann. Bei dieser Reaktion handelt es sich vermehrt um Vermeidungs- als um Fluchtverhalten.

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2.2.2 Schmerzmodelltypen und Beispiele

2.2.2.1 Thermische Reizung

Die Stimulation durch Hitze ist die häufigst genutzte Anwendung der natürlichen Reize (HANDWERKER und KOBAL 1993). Die beiden meist verbreiteten Methoden thermaler Stimulation sind die von OPPEL und HARDY (1937) angewendete Nutzung von Strahlungswärme und die von KENSHALO et al. (1967) entwickelte und von DARIAN-SMITH et al. (1973) und DUBNER et al. (1975) modifizierte Nutzung thermischer Kontaktelektroden. An Stelle von Strahlungswärme wird seit einiger Zeit auch vermehrt mit Lasersystemen gearbeitet (ARENDT-NIELSEN und BJERRING 1988, HERSKIN et al. 2002).

CASEY und MORROW (1983) beschreiben Hitzestimulation als brauchbarsten Reiz zur Untersuchung der Korrelation neurophysiologischer und verhaltensspezifischer Vorgänge im Zusammenhang mit Schmerz. Thermische Reize regen eine relativ spezifische Gruppe peripherer Nervenfasern und zentraler Nerven an und sind leicht quantifizierbar, kontrollierbar und standardisierbar.

Ein Beispiel ist der von D'AMOUR und SMITH (1941) erstmals beschriebene Tail Flick Test. Die Bestrahlung des Schwanzes eines Tieres führt bei Erreichen der Schmerzschwelle zu reflexartigem Wegziehen des Körperteils. Gemessen wird die Zeit bis zum Wegziehen (Latenzzeit).

Der 1944 von WOOLFE und MAC DONALDS konstruierte Hot Plate Test ist eines der am häufigsten genutzten Schmerzmodelle in Nagern. Ursprünglich wurde die nozizeptive Antwort von Mäusen beurteilt, welche auf eine konstant heiße Platte (55- 70°C) gesetzt wurden. Modifikationen, wie z. B. die Änderung des Reizes von konstant zu ansteigend mit einem Startpunkt unterhalb der Schmerzgrenze wurden u. a. von HUNSKAAR et al. (1986) vorgenommen. Gemessen wird hier die Temperatur bei Auftreten einer definierten Schmerzreaktion.

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HARGREAVES et al. (1988) entwickelten eine thermische Methode zur Nutzung an nicht fixierten Ratten in Form einer weiteren Modifikation des Hot Plate Test.

Strahlungswärme wurde an die Unterseite der Hinterpfoten gebracht und die durch Verhaltensänderung angezeigte Schmerzschwelle über einen automatischen Detektor gemessen und der Reiz gestoppt. Dieser modifizierte Test wird auch als Plantartest bezeichnet.

2.2.2.2 Mechanische Reizung

Die mechanische Reizung zur Schmerzschwellenwertermittlung ist weit verbreitet, sowohl in der klinischen, als auch in der experimentellen Forschung an verschiedenen Spezies (SLINGSBY et al. 2001). Zumeist werden Kleinnager eingesetzt, doch es existieren auch Modelle für Grosstiere (NOLAN et al. 1987, CHAMBERS et al. 1990). Eine der ältesten Methoden ist der von HAFFNER (1929) entwickelte und von BIANCHI und FRANCESCHINI (1954) modifizierte Tail clamp Test, der Reaktionen auf einen konstanten Druck, hervorgerufen durch eine Arterienklemme am Schwanz bei Mäusen, misst. Häufig verwendet wurde die Methode nach RANDALL und SELITTO (1957), bei welcher nach Injektion einer reizenden Substanz (Carragenan) in die Pfote und anschließender Applikation eines ansteigenden mechanischen, pneumatisch erzeugten Druckreizes eine Hyperalgesie erzeugt wird. Gemessen wird der erzeugte Druck bei Auftreten einer Schmerzreaktion.

Auf mechanischer Reizung basierende Schmerzschwellentests werden auch zu klinischen Zwecken genutzt: Untersuchung der Effektivität von Anesthesie- Analgesie-Regimen, Überwachung der Behandlung chronischer Schmerzen, Beurteilung der Hyperalgesie im Wundbereich nach Operationen und Untersuchung (SLINGSBY et al. 2001). Vorraussetzung ist in der Regel das Auftreten einer Entzündungsreaktion.

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Des Weiteren, auch an größeren Tierspezies anwendbar, ist z. B. die Kolondistension (GEBHART und NESS 1991), bei der ein visceraler Schmerz über einen im Kolon implantierten Ballon mit veränderbarem Lumen, ausgelöst wird.

2.2.2.3 Chemische Reizung

Häufig zum Einsatz kommt der Formalin Test bei verschiedenen Tierarten, basierend auf einer bereits von LEWIS und KELLGREN im Jahre 1939 eingesetzten Methode.

Nach Injektion einer Formalinlösung wurde das Verhalten der Tiere, i. d. R. Ratten oder Mäuse, beobachtet. Dabei konnten zwei Phasen unterschieden werden: die erste durch direkte chemische Stimulation der Nozizeptoren, und die zweite etwa 15 – 60 Minuten später durch die entstehende Entzündung. Die Verwendung von chemisch reizenden Stoffen wird auch in Modellen für Gelenkschmerz genutzt, in denen sie nach Applikation ins Gelenk eine künstliche Arthritis hervorrufen (OKUDA et al. 1984, CORDERRE und WALL 1987). Dabei handelt es sich überwiegend um Modelle für chronischen und tonischen Schmerz, der den klinischen Gegebenheiten relativ ähnlich ist.

2.2.2.4 Elektrische Reizung

Elektrische Reize sind quantifizierbar, reproduzierbar und nicht invasiv, aber es handelt sich nicht um natürliche Reize und sie stimulieren ein weites Spektrum unterschiedlicher peripherer Afferenzen (VIERCK und COOPER 1984). Es kommt zur Überbrückung der sensorischen Nervenendigungen und somit Umgehung der Transduktion (HANDWERKER und KOBAL 1993). Eine Ausnahme bildet hier die Zahnpulpastimulation. Diese wurde häufig genutzt, da man in diesem Gewebe reine Schmerzfasern vermutete. Neuere Untersuchungen belegen, dass auch hier Aβ- Fasern involviert sind, die unabhängig von Schmerz aktiviert werden können (MC GRATH et al. 1983, SESSLE 1979).

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Auf die zahlreichen Modelle für neuropathischen Schmerz soll hier nicht näher eingegangen werden.

2.2.3 Schmerzmodelle an Katzen

Im Jahr 1954 berichten BOOTH und RANKIN über den Einsatz eines bereits 1945 von Ercoli und Lewis entwickelten Modells zur Messung der Schmerzschwelle nach Verabreichung von Strahlungswärme im Bereich der geschorenen, gefärbten Haut des Oberschenkels bei Katzen. Gemessen wurde die Reaktionszeit und die Wirkung des Analgetikums Meperidin beurteilt. Eine von DAVIS und DONELLY (1968) angewandte und erstmals von HARDY et al. (1940) beschriebene Methode nutzte ebenfalls thermische Energie als schmerzhaften Stimulus. Ein dorsolumbarer Hautbezirk wurde geschoren, mit Tusche gefärbt, der Stimulus appliziert und das Verhalten des nicht fixierten, zum Liegen trainierten Tieres beobachtet. Endpunkt der Messung war eine Kontraktion des Hautmuskels.

GOLDSTEIN und MALSTEED entwickelten 1979 einen für Katzen abgewandelten Tail Flick Test, welcher als sensitiv, spezifisch und reproduzierbar zur Charakterisierung narkotischer, analgetischer Wirksamkeiten beschrieben wurde. Die Tiere wurden fixiert, benötigten eine Gewöhnungsphase im Bezug auf die Positionierung im Versuch und erlitten keine Gewebeschäden. Morphin zeigte in diesem Modell signifikant analgetische Wirkung im Gegensatz zu Placebo, Salizylsäure oder Pentobarbital.

CASEY und MORROW (1983) beschrieben ein Schmerzmodell für Katzen, welches mit Hilfe thermaler Hautstimulation arbeitete. Hier waren die Tiere am ganzen Körper in einem speziellen konstruierten Gestell fixiert.

Ein Beispiel für mechanische Reizung ist der Paw Pressure Test, welcher von SLINGSBY zur Anwendung an Katzen zur postoperativen Schmerzbeurteilung modifiziert wurde (2001). Der anhand eines implantierten Ballons gemessene viscerale Schmerz bei Katzen durch SAWYER und RECH (1987) bedingte zum

(25)

Einen die chirurgische Implantation eines Ballons und ließ zum Anderen nur Rückschlüsse auf länger anhaltende Schmerzen ziehen.

Der Einsatz elektrischer Stimulation (SAWYER und RECH 1987, WATTS et al. 1973, MITCHELL 1964, 1966 u. a.) bedeutet entweder invasive chirurgische Eingriffe zur Implantation der Elektroden oder das Anbringen von Hautelektroden am Tier, welche allerdings auf Opioid-Analgesie bei der Katze nicht ansprachen (SAWYER und RECH 1987, WATTS et al. 1973).

Eine Variante des Formalin Test wurde bereits im Jahr 1947 von Frankstein und 1964 von O'KEEFE bzw. von DUBUISSON und DENNIS (1977) modifiziert bei Katzen eingesetzt. Sie injizierten eine kleine Menge 5% Formalin in die Pfote und beurteilten das Verhalten des Tieres. OKUDA et al. (1984) arbeiteten mit Katzen in einem Modell für Monoarthritis, dabei handelt es sich um Untersuchungen zu akutem bis chronischen Entzündungsschmerz.

2.3 Schmerzbehandlung bei Katzen / Testsubstanzen

2.3.1 Analgesie

Analgesie ist die fehlende Schmerzempfindung bei physiologischerweise schmerzhaften Reizen (HENKE u. ERHARDT 2001). Eine zuverlässige Analgesie erfolgt u. a. mit Hilfe einer medikamentösen Schmerzbekämpfung durch Analgetika.

Es gibt verschiedene Klassen von Analgetika, die sich durch ihre unterschiedlichen Angriffspunkte im Ablauf der Schmerzentstehung und deren Weiterleitung unterscheiden. Generell unterscheidet man zwischen peripher wirksamen und zentral wirksamen Analgetika, wobei für die meisten keine klare Grenze gezogen werden kann und manche möglicherweise auch Mischformen darstellen. Zur Anwendung beim Tier kommen zur Zeit hauptsächlich Opioide, nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs) und Lokalanästhetika, sowie außerdem α2- selektive Sympathomimetika

(26)

und Ketamin. Die beiden letztgenannten werden nach TRANQUILLI et al. (2000) zu den analgetischen Hilfsstoffen (Hauptindikation nicht Schmerz, aber analgetisch wirksam) gerechnet und überwiegend im Bereich der Anästhesie eingesetzt.

2.3.2 Status der derzeitigen Therapiemöglichkeiten bei Katzen

Einer Umfrage bei britischen Tierärzten zufolge werden bei Katzen perioperativ signifikant seltener Analgetika verabreicht als bei vergleichbaren Eingriffen an Hunden (LASCELLES et al. 1999). Es wurde eine Fülle von wissenschaftlichen Arbeiten zur klinisch postoperativen Schmerztherapie bei Katzen angefertigt, mit Opioiden (LASCELLES et al. 1995, SLINGSBY u. WATERMAN-PEARSON 1998 oder CARROLL et al. 1998) sowie mit NSAIDs (BALMER et al. 1998, SLINGSBY u.

WATERMAN-PEARSON 2000 und 2002, LASCELLES et al. 2001). Im Bereich der Therapie chronischer Schmerzen bei Katzen gibt es bisher nur wenig Ergebnisse (LASCELLES et al. 2001) obgleich degenerative Gelenkerkrankungen auch bei dieser Tierart auftreten (HARDIE 1997, ALLAN 2000).

In Deutschland zugelassene NSAIDs zur Behandlung von Schmerz bei Katzen sind zur Zeit: Meloxicam (Metacam®; Boehringer Ingelheim Vetmedica) zur perioperativen Schmerzreduktion in Form einer einmaligen Injektion (0,3 mg/kg), und seit kurzem Carprofen (Rimadyl®, Pfizer) als Injektionslösung bei der Katze postoperativ einmalig (4,0 mg/kg) zur Linderung leichter bis mäßig starker Schmerzen. Meloxicam ist das einzige Analgetikum, das bei der Katze auch zur Langzeittherapie chronischer Schmerzen über einen Zeitraum von mehr als fünf Tagen mit reduzierter Dosierung empfohlen wird (MÜLLER 2001a). Bei Tolfenaminsäure (Tolfedine®; Vetoquinol GmbH) handelt es sich zwar um ein NSAID, es ist in Deutschland allerdings bei der Katze nur zur symptomatischen Fiebersenkung in einer Dosierung von 4 mg/kg, nicht zur Analgesie zugelassen.

Momentan gibt es kein Opioid außer Levomethadon, welches in Deutschland zur Schmerzmedikation bei Katzen zugelassen ist. Es werden lediglich im Rahmen der Umwidmung verschiedene Opioide angewendet, wie z. B. Buprenorphin,

(27)

Butorphanol, Piritramid, Hydromorphon, Oxymorphon, Pethidin und Fentanyl. Auch Morphin kann, entgegen der ursprünglichen Annahme Excitationen hervorzurufen (JOEL und ARNDTS 1925, DAVIS und DONELLY 1968), bei Katzen relativ gut verträglich verabreicht werden. Einzig zugelassen für Kleintiere ist Levomethadon (l- Polamivet®, Intervet), welches aber nur als Injektion und nur im Rahmen der Anästhesie eingesetzt werden kann.

2.3.3 Opioide

Opioide sind halb- und vollsynthetische Substanzen mit morphinartiger Wirkung. Sie blockieren spinal oder supraspinal die Transmission nozizeptiver Reize zu höheren Zentren über die Wirkung an verschiedenen prä- und postsynaptischen Rezeptoren im Bereich des zentralen und peripheren Nervensystems. Auch an höher geschalteten Zentren, sowie in der Peripherie befinden sich Opioidrezeptoren. Es gibt mindestens drei Gruppen von Opioidrezeptoren: µ bzw. OP3, δ bzw. OP1 und κ bzw. Op2 mit unterschiedlichen Wirkqualitäten, die in weitere Subtypen unterteilt sind und im ganzen Körper vorkommen (PASCOE 2000a, TRANQUILLI et al. 2000). Nach HENKE und ERHARDT (2001) gibt es beim µ-Rezeptor zwei Subtypen: µ1 vermittelt die Analgesie durch Bindung von Opiaten, Enkephalinen und β-Endorphinen, µ2 dagegen die atemdepressive Wirkung sowie das Suchtpotential; Naloxon blockiert beide Subtypen. Der κ-Rezeptor vermittelt die Sedation. Analgesie resultiert in erster Linie aus der Stimulation dieser beiden Rezeptorgruppen. Die Aktivierung der δ- Rezeptoren scheint nur die Effekte am µ- Rezeptor zu modulieren und die Kreislauf- und Atemdepressionen sowie die verhaltenstypischen Effekte hervorzurufen. Ein Opioid wird charakterisiert über seine Selektivität und Affinität zum jeweiligen Rezeptor sowie seine intrinsische Aktivität.

Die opioiden Analgetika werden in vier Klassen eingeteilt: Reine Agonisten, reine Antagonisten sowie partielle Agonisten und gemischte Agonisten-Antagonisten (JAFFE und MARTIN 1985). Morphin ist ein reiner Agonist und entfaltet seine Wirkung durch Bindung an den µ-Rezeptor. Bei dieser Klasse nimmt mit steigender

(28)

Dosierung sowohl die analgetische Wirkung, als auch die Intensität der Nebenwirkungen zu.

Morphinartige Substanzen lösen bei schmerzfreien Tieren einen euphorischen Zustand aus, selten gereizte Stimmung, bei gleichzeitiger moderater Sedation. Bei Katzen haben Opiate anregende Wirkung auf das ZNS, was u. a. an der auftretenden Mydriasis zu erkennen ist. Exzitationen, Ataxie und Krampfanfälle treten erst bei einer Dosierung von 20 mg/kg, also einer 10-20 fachen Überdosierung auf (DAVIES und DONELLY 1968, HEAVNER 1970, FERTZIGER et al. 1974, BROCK 1995). Auch die Annahme, die Substanz habe ein völlig anderes Wirkspektrum als bei anderen Spezies ist widerlegt (MÜLLER 2001b).

Im Bezug auf die Wirksamkeit der Opiate in Schmerzmodellen beobachtete TYERS (1980), dass die Gruppe der µ-Agonisten sowohl gegen thermische, als auch mechanische Reize effektive Wirksamkeit zeigten. Dagegen waren Substanzen mit vermehrter Wirkung am κ-Rezeptor wirksam gegen mechanische, aber deutlich weniger wirksam bis inaktiv gegen thermische Reize.

2.3.3.1 Hydromorphon

Hydromorphon , welches in der eigenen Arbeit als Testsubstanz aus der Gruppe der Opioide ausgewählt wurde, ist ein halbsynthetischer Morphinabkömmling und gehört zur Gruppe der reinen Agonisten mit vorherrschender Wirkung am µ- und nur geringer Wirkung am δ- Rezeptor. Es handelt sich um ein starkes Opioid, das bereits 1920 in Deutschland halbsynthetisch hergestellt wurde und seit 1926 in der Humanmedizin klinische Anwendung findet. Wie aus der Strukturformel (Abb. 1) ersichtlich handelt es sich um ein Dihydromorphin, welches sich strukturell durch die Substitution der 6-Hydroxylgruppe durch Sauerstoff und eine Hydrogenierung der 7- 8-Doppelbindung vom Morphin unterscheidet (BAEYENS et al. 2003).

(29)

N

O O C

H3

OH

Abb. 1: Strukturformel Hydromorphon

Hydromorphon ist etwa fünf bis sieben-fach potenter als Morphin (PASCOE 2000a).

PASCOE (2000b) und WRIGHT (2002) halten Hydromorphon neben Morphin und Oxymorphon für ein geeignetes Analgetikum zur perioperativen Behandlung moderater bis starker Schmerzen bei Katzen. Die empfohlenen Dosierungen für Katzen variieren von 0,05 – 0,1 mg/kg (LAMONT 2002), über 0,1 – 0,2 mg/kg (PASCOE 2000b) bis zu 0,3 mg/kg Körpermasse (HELLEBREKERS 2001). Die Wirkdauer umfasst einen Zeitraum von zwei bis vier bzw. sechs Stunden. Darüber hinaus gibt es zur Zeit noch wenig Information über die Anwendung von Hydromorphon bei Katzen. WEGENER und ROBERTSON (2003) beobachteten nach intravenöser Verabreichung von 0,1 mg/kg antinozizeptive Effekte über einen Zeitraum von 15 Minuten bis 7,5 Stunden. Es traten Nebenwirkungen wie Sedation, sowohl Dysphorie, als auch euphorisches Verhalten, Mydriasis und Übelkeit auf.

Untersuchungen bei Menschen zeigen eine Biotransformation vornehmlich in der Leber zu Hydromorphon-3-Glukuronid.

In der Humanmedizin wird Hydromorphon bei mittel bis starken Schmerzen eingesetzt, vor allem postoperativ und zur Behandlung von Krebspatienten. Aufgrund der Wirksamkeit bei starken Schmerzen ist es der Stufe III der WHO Empfehlungen zur Schmerztherapie zuzuordnen.

(30)

2.3.4 NSAID’s

Bei den NSAIDs handelt es sich um eine Gruppe von analgetisch-antiphlogistischen Arzneimitteln, die am Ort der Entzündung durch Beeinflussung von Entzündungsmediatoren wirken und pharmakologisch weder zu den Kortikosteroiden noch zu den Opioiden gerechnet werden (MÜLLER 2001a).

Schmerzen entstehen meist in Verbindung mit einer Gewebeschädigung. Die daraus resultierende Aktivierung der Phospholipasen A2 und C führt zur Freisetzung freier Fettsäuren, wie z.B. der Arachidonsäure. Arachidonsäure ist das Substrat für den Cyclooxygenase- und Lipoxygenase-Stoffwechsel, dessen Endprodukte die Prostaglandine PGE2, PGF2a, Prostacyclin, Thromboxane, Sauerstoffradikale und Leukotriene sind. Diese Entzündungsmediatoren haben unter anderem eine Sensibilisierung der Nozizeptoren zur Folge, was zum Auftreten von Schmerzen führt.

Die meisten NSAIDs greifen über eine Hemmung der Cyclooxygenase in das Entzündungsgeschehen ein. Sie zeigen analgetische, antiinflammatorische sowie antipyretische Wirkqualitäten, wobei die Intensität der jeweiligen Wirkung zwischen den einzelnen Vertretern stark variiert. Der therapeutische Effekt der NSAID’s resultiert aus der lokalen Hemmung der durch entzündliche Faktoren induzierten Form der Cyclooxygenase, der COX 2. Dagegen wird vermutet, dass die systemische Hemmung der konstitutiven, physiologischen Isoform des Enzyms, der COX 1 weitgehend verantwortlich für das Auftreten von Nebenwirkungen ist. COX 1 ist sowohl für die Modulation des Blutflusses der Niere, als auch für die Synthese des Magenschleims zuständig. Typische, durch NSAIDs hervorgerufene Nebenwirkungen sind das Auslösen gastro-intestinaler Symptome, die von Inappetenz bis hin zu Magen-Darmulzera und hämorrhagischer Enteritis führen.

Renale Dysfunktion oder das Auftreten von Blutungen sind ebenfalls möglich. Das Maß für Wirkung und Verträglichkeit der NSAID’s ist zum Teil bestimmt durch ihre Selektivität für eines der beiden Isoenzyme. Neueren Forschungsergebnissen zufolge ist diese Pauschalisierung allerdings zu relativieren, da man entdeckt hat,

(31)

das auch die COX 2 in einigen Organen physiologisch gebildet wird und für bestimmte Zellfunktionen unentbehrlich ist (MÜLLER 2001a).

Neben dem peripheren Wirkmechanismus wird bei einigen der NSAID’s heute zusätzlich auch eine zentralanalgetische Wirkung beschrieben (PADDLEFORD 1999). Hierzu existieren verschiedene Hypothesen, der genaue Mechanismus ist noch nicht ausreichend aufgeklärt. Es ist nachgewiesen, dass Prostaglandine eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung noxischer Reize in oder über das Rückenmark zu höheren Zentren spielen, was für ein Eingreifen der NSAID‘s in den Vorgang der Transmission spricht (MC CORMACK 1994).

2.3.4.1 Meloxicam

Das nichtsteroidale Antiphlogistikum Meloxicam gehört zur chemischen Gruppe der Oxicame und ist ein NSAID vom Typ der Enolsäurederivate (HENDERSON et al.

1994). Die chemische Bezeichnung lautet 4-hydroxy-2-methyl-N-(5-methyl-2- thiazolyl)-2H-1,2-benzothiazin-3-carboxamid-1,1-dioxid (BUSCH et al. 1998), siehe Abb. 2.

S N S N

OH

CH3

O NH

CH3

O O

Abb. 2: Strukturformel Meloxicam

Es werden analgetische, antipyretische und antiphlogistische Eigenschaften beschrieben (HENDERSON 1994, JUSTUS und QUIRKE 1995). Der

(32)

Wirkungsmechanismus von Meloxicam beruht wie bei den meisten NSAIDs auf einer Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase. Es gehört nach KAY-MUGFORD et al.

(2000) und RICKETTS et al. (1998) zu den präferentiellen COX-2 Entzündungshemmern, wobei es die COX-2 etwa 12-15-fach stärker als die COX-1 hemmt. Das Verhältnis zwischen der Affinität für COX-2 gegenüber COX-1 liegt mit einem Wert von 0,8 zwar relativ niedrig (VANE und BOTTING 1995), aber im Vergleich zu spezifischen COX-2 Hemmern, wie z. B. Rofecoxib mit 0,00125 (UNGEMACH 2003), noch sehr hoch.

Die Resorption von Meloxicam erfolgt nach oraler und subkutaner Applikation vollständig (POULSEN NAUTRUP und HORSTERMANN 1999). Der maximale Plasmaspiegel wird in ca. 1,5 Stunden erreicht, die Wirkdauer beträgt mindestens 24 Stunden (TACKE 2004). Ausgeschieden wird die Substanz sowohl renal, als auch fäkal. Die Eliminationshalbwertszeit bei der Katze liegt bei 11-21 Stunden (JUSTUS und QUIRKE 1995).

Indikationsgebiete für Meloxicam bei der Katze sind Fieber (JUSTUS und QUIRKE 1995), postoperative Schmerzbekämpfung (SLINGSBY und WATERMAN-PEARSON 2000) sowie akute und chronische Erkrankungen des Bewegungsapparates (LASCELLES 2001).

Als Besonderheit ist zu erwähnen, dass Meloxicam nach der initialen Dosierung im weiteren Behandlungsverlauf ohne Wirksamkeitsverlust deutlich niedriger dosiert werden kann und insbesondere bei der Katze aufgrund der vorliegenden Glukuronidierungsproblematik auch soll. Es bietet sich daher auch zur Behandlung chronischer Schmerzen über einen längeren Zeitraum als 24 Stunden (LASCELLES et al. 2001) bzw. fünf Tage (MÜLLER 2001a) bei der Katze an. Die Anfangsdosierung beträgt für Katzen 0,3 mg/kg, danach erfolgt eine Reduktion auf 0,1 mg/kg.

Zu den Nebenwirkungen bei der Katze zählen u. a. Erbrechen, Würgen und verminderte Futteraufnahme (LASCELLES et al. 2001).

(33)

2.3.4.2 Sonstige analgetisch und/oder sedativ wirksame Testsubstanzen

2.3.4.3 Xylazin

Chemisch handelt es sich um ein N-(2,6-Dimethylphenyl)-5,6-dihydro-4H-1,3-thiazin- 2-amin (Abb. 3).

S

N CH3

NH CH3

Abb. 3: Strukturformel Xylazin

Xylazin gehört zur Klasse der Alpha-2-Rezeptoragonisten und bindet an spezifische prä- und postsynaptische Rezeptoren im Dorsalhorn des Rückenmarks. Das führt zu reduzierter Ausschüttung verschiedener Neurotransmitter und Neuropeptide wie z. B.

Glutamat oder Substanz P sowie zur Hyperpolarisation von Ionenkanälen. Das Ergebnis ist eine verminderte Transmission aufsteigender nozizeptiver Impulse und somit unter anderem auch eine analgetische Wirkung (LAMONT et al. 2000b).

Klinisch wird Xylazin bereits seit über 40 Jahren genutzt, seit seiner Einführung im Jahr 1960 (CLARKE und HALL 1969).

Xylazin erzeugt einen dosisabhängigen, schlafähnlichen (sedativ-hypnotischen) Zustand, verbunden mit einer allgemeinen Muskelrelaxation und einer von Tierart zu Tierart sowie individuell unterschiedlich stark ausgeprägten Schmerzfreiheit (Analgesie/Anästhesie).

(34)

Der sedative Effekt wird hervorgerufen durch Aktivierung von α2-Rezeptoren im zentralen Nervensystem. Der Effekt ist dosis- und speziesabhängig; Rinder sind im Vergleich zu allen anderen Tierarten sehr sensibel, ab einer bestimmten Dosis ist aber bei allen Spezies tiefe Sedation zu beobachten.

Xylazin hat sich im Testlabor als potentes Analgetikum bewährt (NOLAN et al. 1985).

α2-Agonisten entfalten ihre analgetische Wirkung in erheblichen Maße auf spinaler Ebene, wo Rezeptoren in den gleichen Regionen gefunden wurden wie Opioidrezeptoren (KYLES et al. 1993). Die analgetische Wirkung beruht auf einer Hemmung der spinalen Reflexaktivität. Im klinischen Bereich ist die analgetische Wirkung des Xylazin für verschiedene Tierarten zwar beschrieben, v. a. bei visceralem Schmerz, allerdings auch sehr umstritten. Zum Teil wird schon für kleine Eingriffe die zusätzliche Verabreichung von lokal wirksamen Analgetika empfohlen (ARBEITER et al. 1972, FESSL 1970).

Xylazin kann intravenös, intramuskulär, subkutan, epidural sowie oral verabreicht werden. Die Wirkung ist bei intravenöser Injektion innerhalb fünf Minuten und nach intramuskulärer Applikation innerhalb von 5-15 Minuten voll ausgeprägt.

Xylazin wird im Organismus schnell absorbiert und verteilt. Unabhängig von der Tierspezies wird der maximale Plasmaspiegel innerhalb von 12-14 Minuten nach intramuskulärer und innerhalb von 1-6 Minuten nach intravenöser Injektion erreicht.

Die Bioverfügbarkeit variiert je nach Tierart stark. Die Plasma-Halbwertszeit beträgt 20 bis 50 Minuten bei allen Haustierarten. Xylazin wird nahezu vollständig in der Leber metabolisiert und über den Harn ausgeschieden (HALL und CLARKE 1991).

Bei Katzen und Hunden hält die analgetische Wirkung laut POTTHOFF und CARITHERS (1989) nur ca. 15-30 Minuten, die sedative Wirkung dagegen 1,5 – 2 Stunden an. Daher wird es kaum als reines Analgetikum eingesetzt. Die Angaben zur Dosierung bei der Katze sind recht unterschiedlich. Laut Hersteller (Bayer Vital GmbH, Leverkusen) wird bei Rompun 2% Lösung eine Dosierung von 2-4 mg/kg intramuskulär oder subkutan empfohlen. MÜLLER dagegen gibt in seiner Arbeit zum Thema Schmerztherapie bei der Katze (2001a) einen Dosisbereich von 0,1-1 mg/kg

(35)

an, ERHARDT et al. (2004) empfehlen eine Dosis von 0,2 bis 0,5 (-1,5) mg/kg Körpermasse.

Bei Katzen wird Xylazin hauptsächlich zur Sedation und Prämedikation eingesetzt.

Die Tiere sind geringgradig sensibel auf Geräusche, obwohl eine absolute Gleichgültigkeit der Umgebung gegenüber auftritt, bleiben sie dennoch jederzeit wieder erweckbar. Klinisch wird meist eine Kombinationsanästhesie mit Ketamin durchgeführt (CULLEN und JONES 1977).

Die wichtigsten Nebenwirkungen sind Abnahme der Herzfrequenz und Sinusbradykardie, atrioventrikulärer Block ersten bzw. zweiten Grades, sowie Herabsetzung von Atemfrequenz und Atemzugvolumen (MÜLLER 2001a), hervorgerufen durch die vorhandene Affinität zu α1-Rezeptoren. Initial steigt der Blutdruck leicht an, fällt dann aber relativ schnell wieder ab bis hin zu Hypotension.

Häufig beobachtet wird Vomitus (KLIDE et al. 1975, VOGTLI et al. 1993) als Folge einer Stimulation der Chemorezeptor Triggerzone im ZNS auf (COLBY et al. 1981).

Prädisponiert sind vor allem Katzen (NEWKIRK et al. 1974), ebenso wie zur Ausbildung einer Hypothermie (CULLEN und JONES 1977).

Es gibt keine negativen Berichte über Toxizitäten in den Zieltierarten, welche nicht einer erhebliche Überdosierung zuzuschreiben wären (WALKER 1995).

Die Wirkung von Xylazin kann mit Hilfe von α2-Antagonisten vollständig antagonisiert werden (MOHAMMAD 1987, BRONDTKE und KOWOLLIK 1988). Viele Jahre wurden Yohimbin und Tolazolin eingesetzt (THURMON et al. 1996), heute wird weitgehend der selektivere α2-Antagonist Atipamezol verwendet.

2.3.4.4 Ketamin

Ketamin wird allgemein zur Gruppe der Injektionsanästhetika gerechnet. Es gehört zur Wirkstoffklasse der Phencyclidinderivate, wobei es sich um ein 2-(o- Chlorophenyl)-2-(Methylamino)-Cyclohexanon-Hydrochlorid handelt (Abb. 4).

(36)

OCl

NH CH3

Abb. 4: Strukturformel Ketamin

Ketamin bewirkt eine Dissoziation zwischen dem thalamischen und limbischen System (MARTYN 1987). Das unter Monoanästhesie typische Phänomen der dissoziativen Anästhesie weicht vom gewohnten Bild der Narkose ab und kann als unvollständiger Bewusstseinsverlust mit fehlender Assoziations- und Koordinationsfähigkeit bezeichnet werden (ADAMS und WERNER 1997). Allgemein ruft Ketamin einen Zustand der Katalepsie hervor, der gekennzeichnet ist durch Analgesie, Sedation und Immobilisation.

Der entscheidende und klinisch relevante Wirkmechanismus ist der Effekt an der Phenzyklidin-Bindungsstelle des N-Methyl-D-Aspartat (NMDA) -Rezeptorkomplexes im ZNS in Form einer nicht-kompetitiven antagonistischen Wirkung. Bei dem Rezeptor handelt es sich um einen Subtyp des Glutamatrezeptors mit mehreren modulatorischen Bindungsstellen. Die Entstehung einer zentralen Sensibilisierung wird durch seine Inaktivierung verhindert und die nozizeptive Transmission moduliert (LAMONT 2000). Ketamin beeinflusst außerdem sowohl muskarinerge als auch nikotinerge Acetylcholinrezeptoren. Eine zusätzliche agonistische Wirkung an den Opiatrezeptoren wird noch diskutiert (ADAMS und WERNER 1997). Nach KRESS (1994) stellt auch der GABAA-Rezeptorkanal einen Wirkort für Ketamin dar. Des weiteren bewirkt es eine Hemmung der peripheren Wiederaufnahme von Katecholaminen mit Verstärkung endogener wie exogener Katecholamineffekte und eine Hemmung spannungsgesteuerter neuronaler Natrium-Kanäle mit lokalanästhetischer Wirkung (ADAMS und WERNER 1997).

Ketamin wirkt anästhetisch und löst durch Überstimulation des ZNS oder Induktion eines kataleptischen Stadiums eine Amnesie aus. Es verhindert im ZNS die GABA-

(37)

Freisetzung und vermutlich auch diejenige von Serotonin, Norepinephrin und Dopamin. Das thalamoneocorticale System wird gedämpft, während das limbische System aktiviert wird.

Der Wirkstoff wird unabhängig von der Art der Applikation sehr schnell resorbiert und verteilt sich rasch im Körper. Die Lipophilie der Substanz bewirkt schnell eine höhere Konzentration im ZNS als im Plasma (ADAMS und WERNER 1997). Es wird in der Leber zu Norketamin, einem aktiven Metaboliten, metabolisiert. Die Ausscheidung erfolgt über die Niere.

Die Dosisempfehlungen für die Katze zur Anästhesie liegen durchschnittlich bei 10- 30 mg/kg Körpermasse. Die Wirkung tritt innerhalb von zehn Minuten ein und dauert ca. 20-30 Minuten nach intramuskulärer Applikation an (PLUMB 1999, PADDLEFORD 1992).

Pharmakologisch bewirkt Ketamin schon bei subdissoziativer Dosierung eine Anästhesie mit ausgeprägter somatischer Analgesie. So zeigt Ketamin in einer Dosierung von 1-2 mg/kg analgetische Wirkung in der Katze, allerdings nur über einen Zeitraum von 30 Minuten (LASCELLES und WATERMAN 1997). Höhere Dosierungen haben zwar eine längere Wirkdauer, führen aber zur dissoziativen Anästhesie.

Zu den relevanten unerwünschten Wirkungen des Ketamin gehört zum Einen der auftretende Injektionsschmerz bei intramuskulärer Injektion, eine atemdepressive Wirkung, die Steigerung der Herzfrequenz, Hypothermie, Auftreten von tonisch- klonischen Krämpfen und Hypersalivation (PLUMB 1999).

2.3.4.5 Acepromazin

Acepromazin gehört zur Gruppe der Phenothiazine, wird bei Katzen zur Prämedikation genutzt und hat rein sedative aber keine analgetische Potenz (LASCELLES und WATERMAN 1997, MÜLLER 2001). Der Wirkstoff sollte in dieser Arbeit auf Grund seiner sedativen Effekte als Vergleichsubstanz untersucht werden.

(38)

Chemisch handelt es sich um 1-(10-(3-(Dimethylamino)propyl)-10H-phenothiazin-2- yl)ethanon (Abb. 5).

Die in der Veterinärmedizin relativ häufig zur Sedation, Neuroleptanalgesie und Narkoseprämedikation eingesetzten Phenothiazinderivate gehören zur Gruppe der Neuroleptika bzw. „major tranquillizer“. Sie entfalten ihre Wirkung zentral durch Hemmung der ascendierenden Formatio reticularis, zum Teil beeinflussen sie den Hypothalamus bzw. verursachen eine Dämpfung des limbischen Systems als Folge eines Dopamin-Antagonismus (EBERT et al. 2002). Sie wirken antiaggressiv, sedativ und hypnotisch sowie antipsychotisch, antiemetisch und kataleptisch und ausserdem Histamin-antagonistisch, anticholinerg und senken den Sympathikotonus in der Peripherie (LÖSCHER et al. 2003). Es gibt keine Möglichkeit, die Wirkung zu antagonisieren.

Die Wirkung tritt bei intramuskulärer Applikation nach 15 bis 20 Minuten ein und ist bei Katzen gekennzeichnet durch einen Vorfall der Nickhaut. Die Wirkungsdauer beträgt je nach Dosis bis zu 6 Stunden, bei einer Halbwertszeit von 11 Stunden (beim Hund) aufgrund Metabolisierung zu noch schwach wirksamen Metaboliten. Als wichtigste Nebenwirkung ist die Blutdrucksenkung zu nennen, verbunden mit einer ausgeprägten Hypothermie. Sie wird durch eine Blockade der α1- Adrenozeptoren verursacht. Außerdem kommt es teilweise zum Auftreten von paradoxen Reaktionen.

Acepromazin (Vetranquil) ist zugelassen zur Anwendung bei Pferd, Hund und Katze zur oralen bzw. parenteralen Applikation. Die Dosierungsvorgabe für die Katze liegt bei 0,02-0,2 mg/kg Körpermasse (ERHARDT et al. 2004) bzw. bis zu 0,3-0,6 mg/kg Körpermasse laut Herstellerangaben. Die Wirkung tritt nach intramuskulärer Applikation nach ca. 15 – 20 Minuten ein und hält für etwa drei bis vier Stunden an.

(39)

S N

N CH3 CH3 O

C H3

Abb. 5: Strukturformel Acepromazin

2.3.5 Flupirtin

Flupirtin ist ein zentral wirksames Analgetikum, welches seit ca. zehn Jahren als Arzneimittel zur Anwendung beim Menschen in Deutschland zugelassen ist. Es handelt sich um ein schwach bis mittel stark wirksames Analgetikum, welches sich in seinem Wirkmechanismus grundlegend von den bisher verfügbaren Analgetika unterscheidet.

2.3.5.1 Chemie

Die Substanz Flupirtin, (Flupirtinmaleat bzw. Flupirtin-D-Glukonat, Katadolon, Asta Medica AG, Deutschland) gehört zur Gruppe der Aminopyridine. Genauer gesagt handelt es sich um 2-Amino-3-ethoxycarbonylamino-6-(p-fluorobenzylamino)-pyridin- maleat (Abb. 6).

NH

N NH2

NH

CO2C2H5 F

Abb. 6: Strukturformel Flupirtin

(40)

2.3.5.2 Pharmakologie

Nach FRIEDEL und FITTON (1993) handelt es sich bei Flupirtin um ein zentral wirksames nicht opioides Analgetikum mit muskelrelaxierenden und neuroprotektiven Eigenschaften. Die wirksame Dosierung für akute schmerzhafte Zustände verschiedener Arten beim Menschen ist 100-200 mg oral bzw. 150 mg rektal 3-4mal täglich. Die maximale orale Tagesdosis beträgt 600 mg bei Erwachsenen und 300 mg bei Kindern. Zur Schmerzlinderung während operativer Eingriffe, bei traumatischen Verletzungen, Zahn-, Kopf-, und Migräneschmerzen, sowie abdominalen Spasmen hat sich Flupirtin als vergleichbar effektiv bewiesen wie die Opiate Codein, Dihydrocodein, Pentazocin bzw. wie die NSAID’s Suprofen, Diclofenac, Ketoprofen, Metamizol und Paracetamol. Im Bezug auf chronische Schmerzen wirkte Flupirtin gleichwertig zu Pentazocin bei Patienten mit Muskel- oder Nervenschmerz, Rheuma oder Krebsschmerz.

Die beim Menschen am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen sind Schläfrigkeit, Schwindelgefühl, Mundtrockenheit und gastrointestinale Beschwerden. Im Vergleich zu Opiaten erzeugt Flupirtin weniger zentralnervöse Effekte, keine Herz-Kreislauf Depression und keinerlei Gewöhnungs- bzw. Abhängigkeitspotentiale.

Zusammenfassend handelt es sich um ein wirksames Analgetikum, welches bisher gut zur Behandlung mittelstarker Schmerzen bei Menschen eingesetzt werden konnte, vor allem bei Schmerzen mit muskuloskeletalem Ursprung.

2.3.5.2.1 Wirkmechanismus

Aufgrund einer Vielzahl von Ergebnissen, wie z. B. Aktivität von Flupirtin im Hot Plate oder Haffner’s Test (JAKOLEV et al. 1985b; NICKEL 1987) spricht einiges dafür, dass es sich bei Flupirtin um ein zentral wirksames Analgetikum handelt. Der endgültige Wirkmechanismus der Substanz konnte bisher allerdings noch nicht vollständig geklärt werden. Schmerz, hervorgerufen durch elektrische Stimulation der Zahnpulpa bei der Katze, ein zentraler Schmerz, wurde wirksam blockiert durch Flupirtin, wohingegen Schmerz nach kontralateraler Ischias-Stimulation, ein

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peripherer Schmerz, nicht beeinflusst wurde (GORDON et al. 1987). Auch die Beeinflussung der Spontanaktivitäten im EEG gesunder Versuchspersonen nach Flupirtinapplikation weist auf einen zentralen Mechanismus hin (BROMM et al. 1987).

Es wird sowohl von einer Beteiligung α- adrenerger Mechanismen wie auch GABA und NMDA-Glutamat Modulation ausgegangen. Neben der analgetischen Wirkung zeigt Flupirtin ausgeprägte muskelrelaxierende (SCHWARZ et al. 1995, NICKEL et al. 1990), sowie zyto- und neuroprotektive Eigenschaften (SCHUSTER et al. 1998).

KORNHUBER et al. (1999) beschreiben einen funktionellen NMDA-Antagonismus, da Flupirtin zwar in funktionellen Untersuchungen wie ein NMDA-Rezeptorantagonist wirkt, in direkten Untersuchungen aber keine Wirkung am Rezeptor aufweist. Es wurde nachgewiesen, dass Flupirtin ein selektiver Öffner von Kalium-Kanälen ist (WEISER et al. 1992), womit die zentrale antinociceptive Wirkung teilweise begründet werden kann. Es lassen sich verschiedene Übereinstimmungen mit dem Wirkspektrum des experimentellen Kaliumkanalöffners Cromakalim erkennen (ZIMMER et al 1998); dieses Wirkungsspektrum umfasst analgetische, muskelrelaxierende und neuroprotektive Eigenschaften. Flupirtin aktiviert einwärts gleichrichtende Kaliumkanäle und bewirkt darüber eine Stabilisierung des Ruhemembranpotentials. Es unterdrückt den somit NMDA-induzierten intrazellulären Kalziumanstieg, moduliert das noradrenerge Schmerzhemmsystem und vermittelt eine polysynaptische, spinale Reflexhemmung (SCHWARZ et al. 1995).

Opioidmechanismen scheinen nicht in die analgetische Wirkung von Flupirtin involviert zu sein. Die Wirkung von Flupirtin bei Ratten und Hunden kann nicht mit Hilfe von Opiatantagonisten aufgehoben werden. Der Effekt ist nicht mit einer Entwicklung von Toleranz und Abhängigkeit verbunden (NICKEL et al. 1985, VAUPEL et al. 1989). Die Mediatoren Serotonin, Dopamin sowie Azetylcholin an zentralen muskarinergen und nikotinergen Rezeptoren haben keinen Einfluss auf die Wirkung von Flupirtin (NICKEL 1987, SZELENYI et al. 1989, FRIEDEL und FITTON 1993) und es ist unwahrscheinlich, dass es sich um eine direkte Wirkung an α- adrenergen Rezeptoren handelt, da keinerlei Affinität zu diesem Rezeptor besteht (SZELENYI et al. 1987, SWEDBERG et al. 1988).

(42)

2.3.5.3 Pharmakodynamische Eigenschaften

2.3.5.3.1 Tierstudien zur analgetischen Wirksamkeit

Die analgetische Wirksamkeit von Flupirtin wurde an Mäusen und Ratten in verschiedenen Schmerzmodellen demonstriert, z.B. Haffner’s Tail clamp Test, dem Hot Plate Test, dem Zahnpulpareizungsmodell und dem Randall-Selitto Test auf Entzündungsschmerz (JAKOLEV et al. 1985b; NICKEL 1987). In diesen Tiermodellen zeigte Flupirtin eine geringere Wirksamkeit als Dextromoramid, Methadon, Buprenorphin und Morphin, eine equivalente Wirksamkeit zu Pentazocin und eine stärkere Wirksamkeit als Pethidin, Dextropropoxyphen, Codein, Phenacetin und Paracetamol. Im Hot Plate Test zeigte sich Flupirtin halb so potent wie Morphin, doppelt so potent wie Codein und 10 mal potenter als Phenacetin und Paracetamol, bei einer ED50 von 32mg/kg oral. Im Zahnpulpareizungsmodell beim wachen Hund erwies sich die Wirksamkeit von Flupirtin bei einer ED50 von 3,5 mg/kg oral als vergleichbar mit Pentazocin aber geringer als Buprenorphin, die maximale Wirkstärke wurde 30 Minuten nach Applikation erreicht bei einer Wirkdauer von 75 Minuten.

Aufgrund dieser Ergebnisse ist Flupirtin als mittel- bis stark wirksames Analgetikum einzustufen.

2.3.5.3.2 Humanstudien zur analgetischen Wirksamkeit in Schmerzmodellen Es gibt Daten von GESSLER und HIEDL (1980), welche mit Hilfe von Hitzestimulationstests die Möglichkeiten von Flupirtin im Vergleich zu Pentazocin und Placebo anhand einer Steigerung der Schmerzschwelle an sechs gesunden Probanden untersuchten. Innerhalb eines Zeitraums von 60 Minuten stieg die Schmerzschwelle bei beiden Analgetika gleichmäßig an, wobei Flupirtin ein höheres Level erreichte. FEINGOLD et al. demonstrierten 1982 einen Anstieg der Schmerzschwelle bei 20 männlichen Probanden nach einmaliger oraler Verabreichung von 50 mg Flupirtin, sowohl im Elektrostimulationstest als auch in einem Modell für ischämischen Schmerz. Die analgetische Wirkung von Flupirtin, gemessen anhand visueller Analogskalen, war geringer als bei 50 mg Tramadol,

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aber höher als bei 500 mg Metamizol. GATTO und FRONTESPEZI (1986) arbeiteten mit thermischer Stimulation der Zahnpulpa zur Feststellung der Schmerzschwelle vor und bis 60 Minuten nach einmaliger Flupirtingabe im Vergleich zu Placebo. Flupirtin steigerte die Schmerzschwelle über 15-45 Minuten nach Dosierung. In neueren Untersuchungen von BROMM (1987) wurden Gehirnströme nach phasischer Schmerzstimulation gemessen und die Wirkung von Flupirtin (80 mg i.v.) und Pentazocin (30 mg) miteinander verglichen. Sowohl subjektive Schmerzskalen als auch die evozierten Hirnströme suggerierten vergleichbare Grade an Analgesie.

2.3.5.3.3 Muskelrelaxierende Wirkung

Für Flupirtin wurde eine muskelrelaxierende Wirkung u. a. an wachen Ratte nachgewiesen, welche bereits in Dosierungen mit analgetischer Wirksamkeit erkennbar ist (NICKEL et al. 1990). Diese Wirkung von Flupirtin ist vergleichbar mit der von GABA Agonisten wie Baclofen oder Benzodiazepinen wie Diazepam und Tetrazepam. Zusätzlich wird eine durch Reserpin induzierte Muskelsteifheit durch Flupirtin aufgehoben in einer dosisabhängigen Art, die mit der von Diazepam gleichzusetzen ist. Im Vergleich dazu erhöhen Opiatanalgetika wie Morphin, Codein und Tramadol den Muskeltonus (NICKEL et al. 1990).

2.3.5.3.4 Antiinflammatorische und antipyretische Wirkung

Im Carrageenin- bzw. Kaolin induzierten Pfotenödemtest bei der Ratte zeigte Flupirtin im Gegensatz zu Opiaten oder anderen zentral wirksamen Analgetika eine periphere anti-inflammatorische Wirksamkeit (JAKOLEV et al 1985b). Die ED50

Werte liegen allerdings in Bereichen zwischen 58,9 und 74,0 mg/kg bzw. >100 mg/kg oral im Adjuvant Arthritis Model. Ähnlich verhält es sich mit der antipyretischen Wirkung bei einer ED50 von 26,2 mg/kg. Da die Wirkungen erst bei Dosierungen auftreten, die weit oberhalb der analgetischen Dosierungen und im Bereich bereits auftretender Nebenwirkungen liegen, sind sie aus klinischer und therapeutischer Sicht nicht von Bedeutung.

(44)

2.3.5.3.5 Antikonvulsive Wirkung

Bei Mäusen wurde für Flupirtin eine vorbeugende Wirkung gegen Pentylentetrazol induzierte Anfälle (ED50 20,3 mg/kg oral) bzw. durch Pentylentetrazol (ED50 61,9 mg/kg oral) hervorgerufene Sterblichkeit nachgewiesen (PORTER et al 1983, JAKOLEV 1985a). Bei Kombination von Flupirtin (400 mg/Tag) mit einer bestehenden antiepileptischen Therapie konnte beim Menschen eine deutliche Abnahme der Anfallshäufigkeit gezeigt werden. Da allerdings eine stärkere Wirksamkeit bei Derrivaten der Substanz entdeckt wurde, sind keine weiteren Studien in diesem Zusammenhang mit Flupirtin mehr durchgeführt worden.

2.3.5.3.6 Effekte auf psychomotorische und kognitive Funktionen

Erst bei Dosierungen, die weit über der antinociceptiven Wirkung liegen, ruft Flupirtin zentral depressive Effekte hervor, wie Ataxie, Hypnose, Einschränkung der lokomotorischen Aktivität und Verlängerung von durch Hexobarbital induziertem Schlaf (JAKOLEV et al. 1985a). Ein Beweis für Schädigung der kognitiven Funktionen durch Flupirtin konnte nicht erbracht werden. Schläfrigkeit war der einzige regelmäßig beobachtete Effekt.

2.3.5.3.7 Sonstige Wirkungen

Flupirtin zeigt antidiuretische Aktivität in der Ratte, die zu vermehrter Natrium- und Chlorid-Retention führt (JAKOLEV et al 1985a); eine Antagonisierung des Diuretikums Furosemid konnte allerdings nicht beobachtet werden. Im anästhesierten Hund konnte ein sehr kurzer Anstieg der Herzfrequenz und Atemfrequenz bei gleichzeitigem Abfall der Körpertemperatur festgestellt werden (JAKOLEV et al. 1985a; VAUPEL et al. 1989). In einer Dosis abhängigen Studie wurde ein geringer Anstieg des systolischen Blutdrucks von ca. 10 mmHg beobachtet nach einmaliger Applikation von 200 mg Flupirtin (HUMMEL et al. 1991).

Andere Studien dagegen wiederlegten jegliche cardiovaskulären Wirkungen nach einmaliger Applikation (SEBENING et al 1991).

(45)

Flupirtin erzeugt geringe Mydriasis bei Mäusen ohne lokalanästhetische Wirkung (JAKOLEV et al. 1985a), hat aber an der Kaninchenkornea einen geringen lokalanästhetischen Effekt (DARIUS und SCHRÖR 1985). Auch bei nasaler Applikation zeigte sich geringe lokalanästhetische Wirkung (KOBAL et al. 1988).

Diese wird zurückgeführt auf eine direkte Aktivität von Flupirtin an der neuronalen Membran.

Flupirtin hat fast keine Wirkung gegen durch Histamin, Acetylcholin oder Bariumchlorid induzierte Spasmen an der isolierten Trachea bzw. glatten Ileusmuskulatur vom Meerschweinchen (JAKOLEV et al. 1985a). Im Zusammenhang mit der geringen entzündungshemmenden Wirkung von Flupirtin konnte keinerlei ulzerogene Aktivität nachgewiesen werden. Ebenso atemdepressive und antitussive Effekte wie sie bei Opioidanalgetika auftreten, konnten nicht beobachtet werden (JAKOLEV et al. 1985a,b).

2.3.5.3.8 Nebenwirkungen und Toxizität

Zu den oben beim Menschen beschriebenen Nebenwirkungen konnten vergleichbare Beobachtungen an Hunden gemacht werden. Dieser Arbeit vorhergehende unveröffentlichte Studien zur oralen Verträglichkeit am Hund ergaben, das vornehmlich Erbrechen, mit zunehmender Häufigkeit bei steigender Dosierung auftrat (Bayer HealthCare Report Nr. 143.051/072/077). Maßgeblichen Einfluss hatte eine der Applikation vorhergehende Fütterung der Tiere. Nüchtern trat das Erbrechen bei deutlich geringerer Dosierung auf als nach Fütterung. Des weiteren konnten mit zunehmender Dosis vermehrte Sedation und Ataxien beobachtet werden. Auch bei starker Überdosierung bis zu 240 mg/kg oral in Studien zur akuten Toxizität bei Hunden sowie nach mehrfacher Verabreichung über 52 Wochen waren die klinischen Nebenwirkungen auf diese Symptome beschränkt. Spezifische Organtoxizität wurde nicht beobachtet.

(46)

2.3.5.3.9 Toleranz-, Abhängigkeits- und Missbrauchspotential

JAKOLEV et al. (1985b) konnten in ihren Schmerzstudien keinerlei Entwicklung einer Toleranz bei Maus und Ratte erkennen. Fehlende Toleranz und Abhängigkeitsbildung konnte in Langzeit-Humanstudien durch HERRMANN et al.

(1987, 1992) bestätigt werden.

Alle Studien führten anhand des fehlenden Missbrauchspotentials im Bezug auf Gewöhnung und Abhängigkeit, zu der weiteren Bestätigung, Flupirtin als ein Nicht- Opioid-Analgetikum einzustufen, welches sich auch nicht durch Naloxon antagonisieren lässt.

2.3.5.4 Pharmakokinetische Eigenschaften

In der Literatur sind Daten zur Pharmakokinetik von Flupirtin bei Hund und Ratte sowie beim Menschen beschrieben. Untersuchungen von OBERMEIER et al. (1985) ergaben nach peroraler und intravenöser Gabe bei Ratte und Hund vergleichbare Daten für beide Tierarten in Form einer raschen und vollständigen Resorption. Die Kinetik im Plasma nach intravenöser Applikation zeigt eine kurze Verteilungsphase (0,8 bzw. 0,5 Stunden), welcher eine Eliminationsphase mit Halbwertszeiten von zwei bis drei Stunden folgt. Die intravenöse Gabe von 0,5 mg Flupirtinmaleat/kg Körpermasse führt beim Hund zu Blutspiegelverläufen, an die sich ein Zwei- Kompartimentenmodell anpassen lässt; bzw. nach peroraler Gabe von 1,0 mg/kg Körpermasse ein Ein-Kompartimentenmodell. Der Initialblutspiegel beträgt ein Äquivalent von 0,46 µg/ml (intravenös) bzw. 0,59 µg/ml (peroral). Die Substanz belegt ein zentrales Verteilungsvolumen von nahezu dem Gesamtkörpergewicht mit einer Eliminationshalbwertzeit von 3,2 Stunden (intravenös) und 2,6 Stunden (peroral) (OBERMEIER et al. 1985). Die Ausscheidung erfolgt überwiegend fäkal und in geringerem Anteil renal (20-22 % bei der Ratte bzw. 35-36% beim Hund je nach Applikationsart). Die Gewebeverteilung ist reversibel und es wurden vergleichbar hohe Konzentrationen in stark durchbluteten Organen gefunden. Mit einem

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