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2.3 Schmerzbehandlung bei Katzen / Testsubstanzen

2.3.5 Flupirtin

2.3.5.3 Pharmakodynamische Eigenschaften

2.3.5.3.1 Tierstudien zur analgetischen Wirksamkeit

Die analgetische Wirksamkeit von Flupirtin wurde an Mäusen und Ratten in verschiedenen Schmerzmodellen demonstriert, z.B. Haffner’s Tail clamp Test, dem Hot Plate Test, dem Zahnpulpareizungsmodell und dem Randall-Selitto Test auf Entzündungsschmerz (JAKOLEV et al. 1985b; NICKEL 1987). In diesen Tiermodellen zeigte Flupirtin eine geringere Wirksamkeit als Dextromoramid, Methadon, Buprenorphin und Morphin, eine equivalente Wirksamkeit zu Pentazocin und eine stärkere Wirksamkeit als Pethidin, Dextropropoxyphen, Codein, Phenacetin und Paracetamol. Im Hot Plate Test zeigte sich Flupirtin halb so potent wie Morphin, doppelt so potent wie Codein und 10 mal potenter als Phenacetin und Paracetamol, bei einer ED50 von 32mg/kg oral. Im Zahnpulpareizungsmodell beim wachen Hund erwies sich die Wirksamkeit von Flupirtin bei einer ED50 von 3,5 mg/kg oral als vergleichbar mit Pentazocin aber geringer als Buprenorphin, die maximale Wirkstärke wurde 30 Minuten nach Applikation erreicht bei einer Wirkdauer von 75 Minuten.

Aufgrund dieser Ergebnisse ist Flupirtin als mittel- bis stark wirksames Analgetikum einzustufen.

2.3.5.3.2 Humanstudien zur analgetischen Wirksamkeit in Schmerzmodellen Es gibt Daten von GESSLER und HIEDL (1980), welche mit Hilfe von Hitzestimulationstests die Möglichkeiten von Flupirtin im Vergleich zu Pentazocin und Placebo anhand einer Steigerung der Schmerzschwelle an sechs gesunden Probanden untersuchten. Innerhalb eines Zeitraums von 60 Minuten stieg die Schmerzschwelle bei beiden Analgetika gleichmäßig an, wobei Flupirtin ein höheres Level erreichte. FEINGOLD et al. demonstrierten 1982 einen Anstieg der Schmerzschwelle bei 20 männlichen Probanden nach einmaliger oraler Verabreichung von 50 mg Flupirtin, sowohl im Elektrostimulationstest als auch in einem Modell für ischämischen Schmerz. Die analgetische Wirkung von Flupirtin, gemessen anhand visueller Analogskalen, war geringer als bei 50 mg Tramadol,

aber höher als bei 500 mg Metamizol. GATTO und FRONTESPEZI (1986) arbeiteten mit thermischer Stimulation der Zahnpulpa zur Feststellung der Schmerzschwelle vor und bis 60 Minuten nach einmaliger Flupirtingabe im Vergleich zu Placebo. Flupirtin steigerte die Schmerzschwelle über 15-45 Minuten nach Dosierung. In neueren Untersuchungen von BROMM (1987) wurden Gehirnströme nach phasischer Schmerzstimulation gemessen und die Wirkung von Flupirtin (80 mg i.v.) und Pentazocin (30 mg) miteinander verglichen. Sowohl subjektive Schmerzskalen als auch die evozierten Hirnströme suggerierten vergleichbare Grade an Analgesie.

2.3.5.3.3 Muskelrelaxierende Wirkung

Für Flupirtin wurde eine muskelrelaxierende Wirkung u. a. an wachen Ratte nachgewiesen, welche bereits in Dosierungen mit analgetischer Wirksamkeit erkennbar ist (NICKEL et al. 1990). Diese Wirkung von Flupirtin ist vergleichbar mit der von GABA Agonisten wie Baclofen oder Benzodiazepinen wie Diazepam und Tetrazepam. Zusätzlich wird eine durch Reserpin induzierte Muskelsteifheit durch Flupirtin aufgehoben in einer dosisabhängigen Art, die mit der von Diazepam gleichzusetzen ist. Im Vergleich dazu erhöhen Opiatanalgetika wie Morphin, Codein und Tramadol den Muskeltonus (NICKEL et al. 1990).

2.3.5.3.4 Antiinflammatorische und antipyretische Wirkung

Im Carrageenin- bzw. Kaolin induzierten Pfotenödemtest bei der Ratte zeigte Flupirtin im Gegensatz zu Opiaten oder anderen zentral wirksamen Analgetika eine periphere anti-inflammatorische Wirksamkeit (JAKOLEV et al 1985b). Die ED50

Werte liegen allerdings in Bereichen zwischen 58,9 und 74,0 mg/kg bzw. >100 mg/kg oral im Adjuvant Arthritis Model. Ähnlich verhält es sich mit der antipyretischen Wirkung bei einer ED50 von 26,2 mg/kg. Da die Wirkungen erst bei Dosierungen auftreten, die weit oberhalb der analgetischen Dosierungen und im Bereich bereits auftretender Nebenwirkungen liegen, sind sie aus klinischer und therapeutischer Sicht nicht von Bedeutung.

2.3.5.3.5 Antikonvulsive Wirkung

Bei Mäusen wurde für Flupirtin eine vorbeugende Wirkung gegen Pentylentetrazol induzierte Anfälle (ED50 20,3 mg/kg oral) bzw. durch Pentylentetrazol (ED50 61,9 mg/kg oral) hervorgerufene Sterblichkeit nachgewiesen (PORTER et al 1983, JAKOLEV 1985a). Bei Kombination von Flupirtin (400 mg/Tag) mit einer bestehenden antiepileptischen Therapie konnte beim Menschen eine deutliche Abnahme der Anfallshäufigkeit gezeigt werden. Da allerdings eine stärkere Wirksamkeit bei Derrivaten der Substanz entdeckt wurde, sind keine weiteren Studien in diesem Zusammenhang mit Flupirtin mehr durchgeführt worden.

2.3.5.3.6 Effekte auf psychomotorische und kognitive Funktionen

Erst bei Dosierungen, die weit über der antinociceptiven Wirkung liegen, ruft Flupirtin zentral depressive Effekte hervor, wie Ataxie, Hypnose, Einschränkung der lokomotorischen Aktivität und Verlängerung von durch Hexobarbital induziertem Schlaf (JAKOLEV et al. 1985a). Ein Beweis für Schädigung der kognitiven Funktionen durch Flupirtin konnte nicht erbracht werden. Schläfrigkeit war der einzige regelmäßig beobachtete Effekt.

2.3.5.3.7 Sonstige Wirkungen

Flupirtin zeigt antidiuretische Aktivität in der Ratte, die zu vermehrter Natrium- und Chlorid-Retention führt (JAKOLEV et al 1985a); eine Antagonisierung des Diuretikums Furosemid konnte allerdings nicht beobachtet werden. Im anästhesierten Hund konnte ein sehr kurzer Anstieg der Herzfrequenz und Atemfrequenz bei gleichzeitigem Abfall der Körpertemperatur festgestellt werden (JAKOLEV et al. 1985a; VAUPEL et al. 1989). In einer Dosis abhängigen Studie wurde ein geringer Anstieg des systolischen Blutdrucks von ca. 10 mmHg beobachtet nach einmaliger Applikation von 200 mg Flupirtin (HUMMEL et al. 1991).

Andere Studien dagegen wiederlegten jegliche cardiovaskulären Wirkungen nach einmaliger Applikation (SEBENING et al 1991).

Flupirtin erzeugt geringe Mydriasis bei Mäusen ohne lokalanästhetische Wirkung (JAKOLEV et al. 1985a), hat aber an der Kaninchenkornea einen geringen lokalanästhetischen Effekt (DARIUS und SCHRÖR 1985). Auch bei nasaler Applikation zeigte sich geringe lokalanästhetische Wirkung (KOBAL et al. 1988).

Diese wird zurückgeführt auf eine direkte Aktivität von Flupirtin an der neuronalen Membran.

Flupirtin hat fast keine Wirkung gegen durch Histamin, Acetylcholin oder Bariumchlorid induzierte Spasmen an der isolierten Trachea bzw. glatten Ileusmuskulatur vom Meerschweinchen (JAKOLEV et al. 1985a). Im Zusammenhang mit der geringen entzündungshemmenden Wirkung von Flupirtin konnte keinerlei ulzerogene Aktivität nachgewiesen werden. Ebenso atemdepressive und antitussive Effekte wie sie bei Opioidanalgetika auftreten, konnten nicht beobachtet werden (JAKOLEV et al. 1985a,b).

2.3.5.3.8 Nebenwirkungen und Toxizität

Zu den oben beim Menschen beschriebenen Nebenwirkungen konnten vergleichbare Beobachtungen an Hunden gemacht werden. Dieser Arbeit vorhergehende unveröffentlichte Studien zur oralen Verträglichkeit am Hund ergaben, das vornehmlich Erbrechen, mit zunehmender Häufigkeit bei steigender Dosierung auftrat (Bayer HealthCare Report Nr. 143.051/072/077). Maßgeblichen Einfluss hatte eine der Applikation vorhergehende Fütterung der Tiere. Nüchtern trat das Erbrechen bei deutlich geringerer Dosierung auf als nach Fütterung. Des weiteren konnten mit zunehmender Dosis vermehrte Sedation und Ataxien beobachtet werden. Auch bei starker Überdosierung bis zu 240 mg/kg oral in Studien zur akuten Toxizität bei Hunden sowie nach mehrfacher Verabreichung über 52 Wochen waren die klinischen Nebenwirkungen auf diese Symptome beschränkt. Spezifische Organtoxizität wurde nicht beobachtet.

2.3.5.3.9 Toleranz-, Abhängigkeits- und Missbrauchspotential

JAKOLEV et al. (1985b) konnten in ihren Schmerzstudien keinerlei Entwicklung einer Toleranz bei Maus und Ratte erkennen. Fehlende Toleranz und Abhängigkeitsbildung konnte in Langzeit-Humanstudien durch HERRMANN et al.

(1987, 1992) bestätigt werden.

Alle Studien führten anhand des fehlenden Missbrauchspotentials im Bezug auf Gewöhnung und Abhängigkeit, zu der weiteren Bestätigung, Flupirtin als ein Nicht-Opioid-Analgetikum einzustufen, welches sich auch nicht durch Naloxon antagonisieren lässt.