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5.1 Bewertung des Modells

5.1.4 Einfluss einer Sedation

Acepromazin hat nur sedative, keine analgetische Wirkung und eignet sich daher zur Prüfung einer möglichen Beeinflussung einer Sedation auf Reaktionsverhalten und Schmerzschwelle (NOLAN et al. 1987, BARNHART et al. 2000). In diesem Modell führte es nicht zu einer Veränderung der Schmerzschwelle. Damit konnte bewiesen werden, dass die verzögerte Reaktion auf den nozizeptiven Stimulus nach Gabe von Opioidanalgetika nicht auf eine Sedation, wie sie häufig auch von dieser Substanzklasse hervorgerufen wird, zurückzuführen ist. Die Sedation hat keinen Einfluss auf die Schmerzschwelle, was aufgrund der Ergebnisse der Xylazintestung bestätigt wird. Untersuchungen von BARNHART et al. (2000) zeigen für Acepromazin nach mechanischer Reizung keine Veränderung in der Schmerzschwelle, nach thermischer Reizung allerdings war die Tendenz zu einer Erniedrigung der Schmerzschwelle erkennbar. Eine geringgradige Erniedrigung war auch im Thermalen Schmerzmodell für Katzen zwischen 30 und 180 Minuten zu beobachten (s. 4.3.5, Abb. 20). Die Ursache hierfür könnte in einer durch die Sedation verminderten Ablenkung der Tiere durch die Umgebung vermutet werden.

Da es sich nicht um statistisch signifikante Veränderungen handelt, ist die Entstehung einer echten Hyperalgesie unwahrscheinlich.

5.2 Flupirtin

Ziel dieser Arbeit war die Prüfung des Wirkstoffes Flupirtin auf seine Einsatzfähigkeit in der Schmerztherapie bei Katzen. Obwohl in den letzten Jahren die Schmerztherapie bei Tieren generell viele Fortschritte gemacht hat, stellt die Katze noch immer ein besonderes Problem dar. Zwar ist die Aufklärung der Tierärzte zum Thema Schmerz ständiger Verbesserung unterworfen, doch verzichten viele speziell bei dieser Tierart noch immer auf eine adäquate Analgesie (DOHOO und DOHOO 1996, LASCELLES und WATERMAN 1997, SLINGSBY und

WATERMAN-PEARSON 1998). Die Ursachen dafür liegen neben der Schwierigkeit der Schmerzerkennung (SANFORD et al. 1986, LASCELLES et al. 1995, SMITH et al.

1996, CAMBRIDGE et al. 2000, MATHEWS 2000) in der Angst vor Nebenwirkungen (BOOTHE 1990, SLINGSBY und WATERMAN-PEARSON 1998) und dem Mangel geeigneter, verträglicher und zugelassener Analgetika für diese Spezies (LASCELLES und WATERMAN 1997).

Nach DOHOO und DOHOO (1996) erfordert dieser momentane Status die Entwicklung eines wirksamen, verträglichen Analgetikums mit einer Wirkdauer von ca. 12-15 Stunden, als parenterale Formulierung zur postoperativen Applikation und als orale Formulierung, welche vom Tierbesitzer auch zuhause verabreicht werden kann. Dabei sollte es sich möglichst um einen nicht-opioiden Wirkstoff handeln, der nicht den administrativen Aufwand erfordert, den viele Praktiker beim Umgang mit Opioiden scheuen.

Der Wirkstoff Flupirtin schien in der Humanmedizin vielen dieser Anforderungen weitgehend zu entsprechen und wurde im Rahmen dieser Arbeit u. a. auf seine Wirksamkeit bei Katzen im Modell getestet. Da für die Katze keinerlei Daten im Bezug auf Dosierungen existierten, wurde im Vorfeld zuerst die tolerierbare Dosis ermittelt.

Die Ergebnisse zeigten eine gute sowohl orale als auch subkutane, systemische Verträglichkeit bis zu einer Dosis von 10 mg/kg Körpermasse. Damit war der wirksame Dosisbereich anderer Spezies von 2 bis 4 mg/kg (NICKEL 1987, FRIEDEL und FITTON 1993) abgedeckt. Ein wichtiger Einflussfaktor bei der Verabreichung an Katzen war der Fütterungsstatus der Tiere. Dieser zeigte eindeutigen Einfluss sowohl auf die Verträglichkeit, als auch auf die Anflutungsgeschwindigkeit der Substanz im Tier. Nach Fütterung war auch eine Dosierung von 20 mg/kg noch verträglich. Da aber vor allem Argumente zur späteren Anwendung der Substanz in der Praxis wie z.

B. eine oftmals schlechte Futteraufnahme von unter Schmerz leidenden Tieren für eine Nüchternapplikation sprachen, wurde die maximal tolerierte Dosis auf 10 mg/kg begrenzt. Überschreiten dieser Dosierung im nüchternen Zustand führte in erster

Linie zu gehäuftem Auftreten von Ataxien und Erbrechen. Das Abwehrverhalten während der Injektion lässt auf reizende Stoffe in der Injektionslösung schließen. Das Problem könnte über eine Veränderung in der Zusammensetzung der Lösung eventuell behoben werden.

Die Untersuchungen zu Flupirtin im thermalen Schmerzmodell ergab in keiner der eingesetzten Dosierungen (1, 3, 4.5, 6, 10 mg/kg) und Applikationsformen (oral, subkutan) einen Hinweis auf analgetische Wirkung bei Katzen. Das entsprach nicht den auf vorhergehender Recherche basierenden Erwartungen. In der Literatur sind Angaben zu finden, in denen beim Menschen eine mit Opioiden wie Codein, Dihydrocodein oder Pentazocin vergleichbare analgetische Potenz von Flupirtin vorhanden sei (GESSLER und HIEDL 1980, FRIEDEL und FITTON 1993). Im Zahnpulpareizungsmodell beim wachen Hund erwies sich die Wirksamkeit von Flupirtin als vergleichbar mit Pentazocin (NICKEL 1987). An Mäusen und Ratten wurde analgetische Wirksamkeit von Flupirtin in verschiedenen Schmerzmodellen demonstriert (JAKOLEV et al. 1985; NICKEL 1987), in welchen Flupirtin eine geringere Wirksamkeit als Dextromoramid, Methadon, Buprenorphin und Morphin, aber eine equivalente Wirksamkeit zu Pentazocin und eine stärkere Wirksamkeit als Pethidin, Dextropropoxyphen, Codein, Phenacetin und Paracetamol zeigte. Von den genannten Substanzen hat bisher zumindest Pethidin (DIXON et al. 2002) auch positiv im thermalen Schmerzmodell agiert, für die übrigen Vergleichssubstanzen gibt es noch keine Daten. Im Hot Plate Test an Ratten, einem ebenfalls auf thermischer Stimulation basierenden Modell, erwies sich Flupirtin als halb so potent wie Morphin, doppelt so potent wie Codein und zehn mal potenter als Phenacetin und Paracetamol, allerdings bei einer ED50 von 32 mg/kg oral. Die Dosierung erscheint extrem hoch, dabei muss aber beachtet werden, dass Dosierungen für Nager nicht direkt auf andere Spezies übertragen werden können. Aufgrund dieser Ergebnisse war Flupirtin vor Versuchsbeginn als mittel- bis stark wirksames Analgetikum eingestuft worden, mit ähnlichen Wirkungseigenschaften im Bezug auf Beginn, Wirkdauer und -stärke wie Codein. Ein sichtbarer Effekt in diesem Modell wurde durchaus auch bei der Katze erwartet.

Für das Ausbleiben dieses Effektes kann es verschiedene Ursachen geben. Die Möglichkeit, das Flupirtin generell keine analgetischen Eigenschaften in der Katze hat, ist mit den oben aufgezählten Nachweisen in anderen Spezies (Maus, Ratte, Hund, Mensch), inklusive der klinischen Erfahrungen in der Humanmedizin eher unwahrscheinlich. Das Problem könnte auf die Katze beschränkt sein und z. B. auf die unterschiedliche Metabolisierung oder auf eine generell fehlende Bioverfügbarkeit zurückzuführen sein. Mit den Ergebnissen der Pharmakokinetik konnte sowohl eine deutliche Anflutung als auch ein Anhalten der Blutspiegel über einen mit der Wirkdauer in anderen Spezies (ca. vier Stunden) vergleichbaren Zeitraum in der Katze sichergestellt werden. Eine ausreichend hohe Wirkstoffkonzentration am Wirkort ist damit allerdings noch nicht gewährleistet. Auch wenn die wirksame Dosis bei anderen Spezies (Mensch, Hund) im Bereich zwischen 2 und 4 mg/kg liegt (ED50 beim Hund 3,5 mg/kg im Zahnpulpareizungsmodell nach Nickel 1987), könnte es sein, dass das für die Katze nicht zutrifft. Die Untersuchungen im Schmerzmodell bezogen sich nur auf ein Dosisfenster im Bereich der verträglichen Dosis (1 bis 10 mg/kg). Es besteht die Möglichkeit, das bei höherer Dosierung Effekte in diesem Modell auftreten. Da aber im Hinblick auf die Nutzung der Substanz als Therapeutikum in der Praxis eine gute Verträglichkeit die wichtigste Grundvoraussetzung ist, wurde auf Untersuchungen in höheren Dosisbereichen verzichtet.

Gegen eine generelle Unterscheidung der Katze von allen anderen Spezies im Bezug auf Flupirtin sprechen die Übereinstimmungen der beobachteten Nebenwirkungen, z. B. mit dem Menschen, bezogen auf deren Art und Ausmaß. Die weitaus am häufigsten beschriebenen Nebenwirkungen bei der Katze waren Ataxien, gefolgt von Erbrechen. Das deckt sich mit den beim Menschen beobachteten Erscheinungen wie Schwindelgefühl, Mundtrockenheit und gastrointestinalen Beschwerden.

Ein weiterer möglicher Aspekt ist, dass die analgetische Potenz des Wirkstoffes nicht, wie in der Literatur angegeben, mit der von Opiatanalgetika gleichzusetzen ist.

Das thermische Schmerzmodell scheint wie oben bereits beschrieben in seiner

Sensitivität limitiert zu sein auf starke und zentralwirksame Analgetika. Diesem Kriterium entsprachen nur Opioidanalgetika (eigene Ergebnisse und ROBERTSON et al. 2002a, 2003a, c). Weder nach Applikation von NSAIDs (TAYLOR et al. 2003), noch anderer Wirkstoffe, deren analgetische Potenz klinisch nachgewiesen, aber den Opioiden unterlegen ist, wie Xylazin oder Ketamin (ROBERTSON et al. 2002b, 2003b), konnten Effekte in diesem Modell gesehen werden. Die Wirkstärke von Flupirtin scheint daher vorrangig im schwachen bis mittleren Bereich einzuordnen sein.

Der bisher teilweise ungeklärte Wirkmechanismus von Flupirtin stellt ein offensichtliches Problem dar. Aufgrund bisheriger Erkenntnisse handelt es sich um einen überwiegend zentralen Mechanismus (JAKOLEV et al. 1985, BROMM et al.

1987, GORDON et al. 1987). Dieser Umstand sprach dafür, dass es sich bei diesem Modell um einen zur Anzeige der Wirksamkeit von Flupirtin geeigneten Test handeln könnte.

Dies war nicht zutreffend, dennoch kann keine globale Aussage zur generellen Wirksamkeit von Flupirtin bei Katzen gemacht werden. Geht man davon aus, dass die analgetische Potenz von Flupirtin eher mit derer der NSAIDs zu vergleichen ist, so scheint das Modell nicht geeignet zur Charakterisierung der analgetischen Wirkung von Flupirtin. Eine fehlende Wirkung in diesem Modell ist aber keinesfalls aussagekräftig im Hinblick auf die Wirkung unter klinischen Gegebenheiten. Die klinische Wirksamkeit von Meloxicam ist seit langem für die Katze erwiesen (SLINGSBY und WATERMAN-PEARSON 2000, LASCELLES et al. 2001). Allerdings ist ein Effekt in diesem Modell aufgrund des Wirkmechanismus der NSAIDs eher unwahrscheinlich bzw. besteht die Möglichkeit, das es aufgrund der Pharmakokinetik erst nach einigen Stunden zu einem Wirkungseintritt kommt.

Um endgültige Aussagen zur analgetischen Wirksamkeit von Flupirtin bei Katzen treffen zu können, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man könnte auf ein anderes Modell mit unterschiedlicher Reizqualität umsteigen oder ein neues Modell entwickeln. Unterschiedliche Wirkstoffklassen und Wirkmechanismen erfordern

jeweils spezifische Modelleigenschaften. NSAIDs demonstrieren beispielsweise ihre anti-hyperalgetische Wirkung in mechanischen Schmerzmodellen unter Verwendung von Entzündungsschmerz am besten. Zu unterscheiden ist in diesem Falle zwischen den antiinflammatorischen und den analgetischen Eigenschaften.

Die Alternative, in klinischen Studien die Wirksamkeit direkt am Patienten zu testen, ist vor allem aus Sicht des Tierschutzes bedenklich. Ein Nachteil wäre, dass das Vorliegen von Wirksamkeit vorher nicht sichergestellt ist, und dass keine geeignete Dosierung bekannt ist. Das bedeutet eine wesentlich größere Zahl an klinischen Studien, die zum Einen nicht nötig gewesen wäre und vor allem ethisch nicht zu vertreten ist. Ein grundlegendes Problem bei der Diskussion beider Alternativen ist das fehlende Wissen um den Wirkmechanismus von Flupirtin. Das erschwert das Auffinden sowie die Entscheidung über weitere Möglichkeiten zum Nachweis der Wirksamkeit der Substanz.