DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
TAGUNGSBERICHT
der Auffassung, daß die Apartheid von innen und von der schwarzen Bevölkerung selbst angegriffen und abgeschafft werden müsse, und zwar mit den stärksten Waffen, über die die schwarze Bevölkerung verfügt:
wirtschaftlichen Druck.
Wie effektiv diese Waffe ist, zeigt bereits heute das Beispiel von Städten wie Boksburg und Carlton- ville, die praktisch am Rand des fi- nanziellen Ruins stehen, weil sich ei- ne wirtschaftlich starke schwarze Be- völkerungsgruppe geweigert hat, ihr Geld in Städten auszugeben, in de- nen Rassentrennung herrscht. Über die Hälfte der schwarzen Bevölke- rung Südafrikas ist zur Zeit unter 16 Jahre alt. Und diese riesige Gruppe läßt den Markt jetzt ihre Macht spü- ren.
Auch von der World Medical Association (WMA), dem Weltärzte- bund, werden wissenschaftliche Sanktionen und Boykotts abgelehnt, weil solche Maßnahmen zu den Hauptzielen der WMA im Wider- spruch stehen, nämlich in den Berei- chen der medizinischen Ausbildung, der medizinischen Wissenschaft, der medizinischen Kunst und der medi- zinischen Ethik international ein Ni- veau zu erreichen, das höchsten An- sprüchen genügt. Außerdem beein- trächtigen derartige Maßnahmen die Gesundheitsversorgung, beson- ders diejenige benachteiligter Grup- pen.
Ich habe versucht, den Sachver- halt so zu schildern, wie er sich im Augenblick darstellt, und ich hoffe, daß die Logik und der gesunde Men- schenverstand Sie dazu veranlassen werden, einen Wissenschaftsboykott abzulehnen, weil der für wahrschein- lich nicht mehr als eine bloße Geste zu zahlende Preis einfach zu hoch ist.
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. D. Danilewitz Energy Road/Energyweg 12084 Chloorkop, 1624 Johannesburg 2000 Republik Südafrika
Sitzmanns
Gedankenspiele
Auch bei den 8. „Hersbrucker Gesprächen", zu denen der AOK- Landesverband Bayern in sein Bil- dungsheim eingeladen hatte, kam es so, wie es kommen mußte — und wie es die Fachjournalisten auch erwar- tet hatten. Zentrale Figur der Ver- anstaltung war wiederum Hans Sitz- mann, der Geschäftsführer des Lan- desverbandes. Unter dem Stichwort
„Vertragspolitik mit Augenmaß"
deutete er nicht nur gegenwärtige Zustände und künftige Entwicklun- gen im Gesundheitswesen. Er war darüber hinaus wiederum die über- zeugende Personifikation der Politik, die er mit „seinen" Ortskrankenkas- sen in Bayern betreibt.
„Gemäß seiner fränxischen Art, Notwendiges deutlich auszuspre- chen", ging er robust, zuweilen auch scharf und rücksichtslos, sogar sol- che Tatbestände an, die manchen anderen Gesundheitspolitiker veran- laßt hätten, leiser zu treten. Unter anderem bekannte er freimütig, daß er mit seinem Plädoyer für einen
„Entscheidungsstrang" Hausarzt- Facharzt-Krankenhaus „fürchterlich unter die Räder gekommen" sei. Das lasse ihn jedoch an der Zweckmäßig- keit seines Vorschlags nicht zweifeln
— ebensowenig wie der Umstand, daß sich der Zorn der Gegner nunmehr gegen den Sachverständigenrat rich- te, weil der die Idee in seinem Jah- resgutachten 1989 aufgegriffen und konkretisiert habe.
Zweierlei stellte Sitzmann rich- tig. Erstens: es gebe keinen „AOK- Plan", der dem Patienten die freie Wahl des Arztes verwehren will (und der sich überdies mit dem „AOK- Auftrag" gar nicht vereinbaren lie- ße). Zweitens: sein Vorschlag sei le- diglich ein Denkmodell, das der Ärz- teschwemme begegnen könnte, „falls der Gesetzgeber weiterhin nicht bremsend einwirkt". Kritikern hielt er entgegen, daß sowohl Ärzte als auch Versicherte von seinem „Ent- scheidungsstrang" profitieren könn- ten. Allein um die eigenverantwort- liche, selbständige Tätigkeit der Ärz- te erhalten zu können, sei es nötig,
die Versorgungsstrukturen schärfer abzugrenzen. Mit der „scheinheili- gen Diskussion über die Freiheit der Arztwahl" komme man jedenfalls nicht weiter. Dieser Feststellung folgte ein besonders scharfer Biß in ärztliche Waden: oft werden damit ja auch nur „eigene materielle Interes- sen hinter dem vorgeschobenen Rük- ken eines Patientenwohls versteckt".
Daß jetzt in Bayern ein neuer Gesamtvertrag und — in Umsetzung von § 106 Sozialgesetzbuch V — eine neue Prüfungsvereinbarung „part- nerschaftlich und beiderseits kom- promißbereit" realisiert werden konnten, nannte Sitzmann ein Bei- spiel für Mut und Augenmaß, das Nachahmung verdiene: „Da läßt sich nichts finden, was für den verantwor- tungsbewußt tätigen Kassenarzt von Nachteil wäre."
Leider gerate die KV Bayerns seit Bekanntwerden der Verträge unter den Druck ärztlicher Subinter- essengruppen. Dabei zeige sich wie- der einmal, daß das „Kassenarztwe- sen in Massivbauweise erstellt ist, mit Schießscharten nach allen Seiten und einer grimmigen, durch die Angst vor Veränderung geeinten Festungsbesatzung". Ärztliche Op- ponenten sollten unter Fortschritt nicht länger die „Vervielfältigung ih- rer Wünsche bei Vereinfachung ih- rer Bemühungen" verstehen.
Überzeugt davon, daß sich Ein- sparungen in Milliardenhöhe erzie- len lassen, wenn die Ärzte bei der Arzneimittelverordnung preisbe- wußt und rationell vorgehen, sind die bayerischen Ortskrankenkassen auf einen Gedanken gekommen, den Hans Sitzmann in Hersbruck selbst- bewußt als „geradezu revolutionär"
einstufte: Man will Gespräche über Vergütungsregelungen aufnehmen, mit denen der Arbeitsaufwand des Kassenarztes bei der Einsparung von Arzneimitteln und Heilmittel-Thera- pie-Kosten honoriert wird. Die ein- gesparten Gelder sollen zur Hälfte den Ärzten, zur Hälfte den Versi- cherten zugutekommen Ungeteilt will man die Einsparungen nicht auf die Ärzte umlegen, weil diese „jetzt nur das machen sollen, was sie nach dem Gebot einer rationellen Arznei- mittel-Therapie schon immer hätten tun müssen". KG
ü Der Preis wäre zu hoch
Dt. Ärztebl. 87, Heft 11, 15. März 1990 (31) A-827