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Ich habe f er tig

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Academic year: 2022

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Der deutsche Männerfussball beschert uns immer wieder Höhepunkte. Spielerische und rhetorische.

Beckenbauer trat das Leder. Hoeness zieht vom Leder: diesmal auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern. Trotz Rekordgewinn von 18,9 Millionen Euro meckerten wieder ein paar Fans. Da legte der Manager los, gegen Fans und Sponsoren. Nach Giovanni Trappatonis «Flaschen leer» sicher der beste cholerische Ausbruch der letzten 10 Jahre. Als Hausärztin ist man versucht, den Wutschnauber zu kopieren. Stellen Sie sich vor, man würde die adap- tierten Originalzitate auf das Gesundheitswesen anwenden! Die ewig nörgelnden Patienten, die eine Spitzenmedizin zum Nulltarif fordern, mal anzi- schen: «Was glaubt ihr eigentlich, was wir das ganze Jahr machen, um euch für sieben Euro ins Spital/die Praxis zu lassen?» Oder die ewigen Kritiker der Pharmaindustrie aus allen Lagern mal anzublöken mit: «Euch finanzieren doch die Leute in der Pharmaindustrie, denen wir das Geld aus der Tasche ziehen!» Für alle Gruppierungen einsetzbar ist die Identitätsfrage: «Was glaubt ihr eigentlich alle, wer ihr seid?» Ab und zu hat die Hausärztin mit langem Berufsleben auch das Bedürfnis, mal in Richtung Medien oder Pflegedienst zu röhren: «Es kann nicht sein, dass wir uns jahrelang den Arsch aufreissen und dann so kritisiert werden.» In jeder Situation einsetzbar ist das Zitat: «Die Scheissstimmung, für die seid ihr doch zuständig und nicht wir!». In der Tat – man kann nicht alles an die Direktion delegie- ren, es ist die Belegschaft, die Stimmung machen sollte. Und das Management sollte das nicht sofort als Stimmungsmache ansehen. Kurz – dank Hoeness und Trappatoni wurde das Vokabular aller Choleriker bereichert. Bei meinem nächsten Wutausbruch werde ich neue Zitate einbauen und meine Schlötterlinge nicht nur bei Boston Legal klauen. Was mich immer fasziniert, ist, dass viele Nichtcholeriker allen Ernstes glauben, sie seien nicht aggressiv. Tagelanges Schweigen, Verweigern von Gesprächen, Gähnen und Weggehen sind auch aggressive Handlungen. Für Nicht-Choleriker sind sie so «normal» und «anstän- dig», wie für den Choleriker seine wiederkehrenden

Brüllminuten. Ich muss mir stets das Lachen verbeis- sen – selbst während eines Wutausbruchs – wenn ich den Appell höre: «Wir wollen jetzt mal alle sachlich bleiben!» NEIN, das wollen wir NICHT ALLE!

Zumindest wissen Choleriker, dass sie emotional sind. Nicht-Choleriker halten sich oft für «vernünf- tig», auch wenn sie vor unterdrückter Wut soma- tische Leiden bekommen oder ihr Schlaf von Hassträumen gestört wird. Ist dies für Leute, die der Emotion das Daseinsrecht im menschlichen Leben absprechen, die Sanktion, die aus dem Gefühlsleben kommt? Irrational sind auch die Erwartungen, die in einer immer brutaler werdenden Welt an das

«Emotions-Management» der Menschen gestellt wer- den. Soldaten sollen einerseits coole Killer sein, aber andererseits Freunde und Helfer. Kinder sollen in der Schule ehrgeizig und leistungsorientiert sein, aber gleichzeitig auch bitte lammfromm. Sportler sollen jedes Mal siegen – aber bitte ohne Fouls und Doping.

Manager sollen knallhart und gewinnorientiert sein – aber ohne Angestellte zu sanktionieren oder zu entlassen. Wer sagt einmal, dass diese Zielkonflikte unlösbar sind? Die Hausärztin! Sie sieht täglich Leute, die an ihren oder an den Emotionen anderer leiden, egal ob diese nun unterdrückt oder rausge- lassen werden. Ihre Haupttätigkeit im Kaleidoskop der Praxis ist das Trösten, Beruhigen, Ermuntern.

Hier dürfen Emotionen mal raus. Und ausserhalb der Praxis, wenn sie nicht mehr die Opfer, sondern die Täter vor sich hat, gönnt sich die Hausärztin ab und zu mal einen Trappatoni oder einen Hoeness. Nach dem Verursacherprinzip. Inkompetente, intrigante Abteilungsleiterinnen, die Leute verschleissen, aber die Schuld anderen zuschieben, kriegen dann ihr Fett ab. Kaltschnäuzige Zombies in Ämtern, Institutionen und Neoliberalismusterbetrieben erfahren, was sich eine unabhängige Hausärztin zu sagen traut. Und dabei denkt sie liebevoll an einen ehemaligen, ex- zellenten Vorgesetzen, der immer «Behalten Sie die Contenance!» schrie, bevor er sie verlor. Es lebe die Emotion!

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ARS MEDICI 23 2007

arsenicum

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