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15. September 1990

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Heute auf Seite 3: Moskau zwischen Chancen und Chaos

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UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND

Jahrgang 41 - Folge 37 Erscheint wöchentlich

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt

15. September 1990

Landsmannschaft Ostpreußen e.V. « 0 4 f>

Parkallee 84/86, 2000 Hamburg 13 3 3

Linksradikalismus:

Hetze gegen Vertriebene

Ungeheuerliche Entgleisungen eines grünen Ministers

Weniger als ein Monat noch trennt die Deutschen v o n jenem historischen Augen- blick, den Millionen v o n ihnen seit vierzig Jahren herbeigesehnt haben. Dann w i r d das Wort des Dichters Friedrich Hebbel z u r Wirklichkeit: „ N u r die Einheit Deutschlands führt z u seiner Freiheit als Nation." Doch für viele unserer vertriebenen Landsleute hat dieser frohe 3. Oktober auch einen bitteren Beigeschmack. Er k ö n n t e z u dem Tag wer- den, an dem deutsche Politiker in Bonn und anderswo beginnen, die völkerrechtswidri- ge Abtretung der deutschen Ostgebiete in die Wege z u leiten. Doch in bestimmten politischen Kreisen sind derzeit noch andere Machenschaften i m Gange. Dort w i l l man sich nicht mehr damit b e g n ü g e n , „ n u r " die politischen Ziele der Vertriebenen u n d das Recht auf ihre Heimatprovinz z u zerstören, dort geht es darum, die Vertriebenen auszu- grenzen, z u diffamieren, mundtot z u ma- chen und ihnen jede Möglichkeit der A r t i k u - lation z u rauben.

Eine dieser M a ß n a h m e n ist die von den rot-grün regierten B u n d e s l ä n d e r n geplante Gleichschaltung des N D R mittels eines neu- en Staatsvertrages, der den Hinauswurf der Vertreter der Vertriebenen aus den Rund- funkräten zugunsten von A u s l ä n d e r g r u p p e n vorsieht. U n d verschiedene sozialdemokra- tische Politiker haben bereits a n g e k ü n d i g t , im Falle eines Wahlsieges den Vertriebenen- v e r b ä n d e n sämtliche Finanzmittel und son- stigen Hilfen z u streichen. So soll auf den politischen V e r l u s t Ostdeutschlands d i e Ausmerzung der Erinnerung an die Heimat, also der ostdeutschen Kultur, noch draufge- sattelt werden.

Wie das alles noch weitergehen könnte, m u ß t e n die Ausrichter der diesjährigen E h - renmalfeier i m Göttinger Rosengarten erfah- ren (vergleiche dazu unseren ausführlichen Bericht auf Seite 24). Die dortigen Vertreter der Landsmannschaft hatten z u ihrer wie stets mit ehemaligen Kriegsgegnern (und heutigen Freunden) gemeinsam durchge- führten Veranstaltung auch den niedersäch- sischen Ministerpräsidenten Schröder (SPD) eingeladen. Was kam, war nicht Schröder, sondern ein Pamphlet widerlichster Sorte.

Darin war die Rede von „neofaschistischen Kräften", die bei der Göttinger Ehrenmalfei- er präsent seien. U n d die Veranstalter, also die Landsmannschaft O s t p r e u ß e n / L a n d e s - verband Niedersachsen, b e s t ü n d e aus Leu- ten, „die die B e m ü h u n g e n u m Völkerver- ständigung u n d ein friedliches Zusammen- leben des deutschen und polnischen Volkes untergrüben!" Der „preußische Untertanen- geist und Kadavergehorsam" des alljährlich

„dort vertretenen durchsetzten Spektrums finde seinen Widerpart in der Inschrift des Ehrenmals i m Rosengarten ,Getreu bis z u m Tode'". U n d weiter: „Dieses neofaschistische Spektrum d ü r f e nicht höffähig gemacht werden." Daher m ü s s e er, der Briefschrei- ber, von einer Teilnahme absehen, insbeson- dere „ v o r d e m H i n t e r g r u n d der v o n Deutschland begonnenen zwei Weltkriege samt den damit verbundenen Verbrechen."

Der dieses schrieb war natürlich nicht SPErs Schröder, auch nicht ein Irrsinniger oder Marsmensch, sondern Schröders „ M a n n fürs Grobe", der g r ü n e Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten der n i e d e r s ä c h s i - schen Landesregierung namens Trittin. U n d da Trittins Tiraden auch rechtzeitig in der Göttinger Tagespresse z u m Besten gegeben

worden waren, blieb das (gewünschte?) Re- sultat nicht aus: wieder einmal wurde das Göttinger Ehrenmal vor der Veranstaltung besudelt u n d g e s c h ä n d e t . O b z u diesem neofaschistischen Spektrum in G ö t t i n g e n denn auch die Präsidentin des Deutschen Bundestages, Frau S ü ß m u t h , zählt, die dan- kenswerterweise den Weg nach Göttingen gefunden hatte, weiß der westliche „Sudel- Ede" wahreheinlich selbst nicht.

Fast kann man es nicht glauben. In einem Moment, w o der deutsche Sonderweg i n Europa, die vierzig Jahre aufgezwungene T e ü u n g der Nation z u Ende geht, die Gegen- sätze zwischen West- u n d Osteuropa sich entkrampfen, gibt es politische Kräfte mitten in Deutschland, die nun den kalten Krieg gegen ihre eigenen Landsleute fortführen.

U n d wenn man daraus etwas lernen kann, ist es vielleicht das, d a ß die Feinde ihres eigenen Volkes nicht nur i n Ost-Berlin ge- sessen haben, die Honeckers und Krenz, oder ihre „Antifa"-Epigonen, die Gysis und wie sie alle heißen mögen. Nein, diese Gestalten sind auch i n Westdeutschland mitten unter uns. Sie werden noch eine schwere Erblast für das wiedervereinigte Deutschland be- deuten. Doch w ä h r e n d unsere mitteldeut- schen Landsleute bei den ersten und letzten freien Wahlen in der D D R , die nun gottlob ihr Ende findet, diesen Kräften g r ü n e r Camoufiage keine nennenswerte parlamen- tarische R e p r ä s e n t a n z verschafft haben, w ü r d e man sich dieses M a ß an politischer Vernunft auch i n Westdeutschland w ü n - schen. Denn hier haben die Volksverhetzer, wie man sehen kann, inzwischen Kabinetts- rang erreicht. Joachim Weber

Zeichnung aus „Frankfurter Allgemeine Zeitung"

Unser Fundament für die Zukunft

H . W. - Nichts wäre falscher als den Dissenz, der seit dem 21. Juni unter den Amtsträgern unserer Landsmannschaft bestand, unter den Teppich zu kehren oder etwa zu leugnen, daß seit diesem Tage in den Reihen der Ostpreu- ßen Unruhe und teils auch Unmut zu ver- zeichnen war. Seit dem Tage, da im Deutschen Bundestag und in der Volkskammer über den Zusammenschluß der Bundesrepublik Deutsch- land und der DDR beschlossen und hierbei die

Ostpreußische Landes

V e r t r e t u n g :

Dr. Hennig legt Amt nieder

Dank an Sprecher für 10 Jahre Einsatz im Dienst für die Heimat

Hamburg (EB) - Nach ü b e r z e h n j ä h r i g e r T ä t i g k e i t als Sprecher der Lands- mannschaft O s t p r e u ß e n hat D r . Ottfried Hennie M d B , Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, dieses Amt zur V e r f ü g u n g gestellt. Dr. Hennig gab seinen E n t s c h l u ß vor der am 8. Septem- ber i n Baa Honnef am Rhein tagenden O s t p r e u ß i s c h e n Landesvertretung be- kannt

A u c h der im Novem- ber 1989 z u einem der beiden stellvertreten- den Sprecher gewählte Landsmann Hubertus Hilgendorf ist von die- sem A m t zurückgetre- ten. Landsmann H i l - gendorf bleibt weiter- hin Kreisvertreter des Kreises Rastenburg und n i m m t sich der i h m ü b e r t r a g e n e n kultur- politischen Aufgaben

an. M i t seinem Rücktritt vom A m t des Spre- chers beendete Dr. Hennig die i m Zusam- menhang mit seinem Abstimmungsverhal- ten i m Deutschen Bundestag am 21. Juni 1990 innerhalb der Landsmannschaft aufgetrete- ne Diskussion. „Das Ostpreußenblatt" w i r d in einer der nächsten Folgen über die Ta- gung der Ostpreußischen Landesvertretung und dabei auch über den letzten Bericht des Sprechers Dr. Hennig ausführlich berichten.

Die Ostpreußische Landesvertretung, das oberste Beschlußorgan der Landsmannschaft Ostpreußen, hat nach Beendigung einer aus- führlichen Aussprache folgende Entschlie- ß u n g verabschiedet:

„ D i e O s t p r e u ß i s c h e Landesvertretung nimmt die Entscheidung D r . Hennigs, v o m A m t des Sprechers z u r ü c k z u t r e t e n , mit Re- spekt zur Kenntnis.

D i e O s t p r e u ß i s c h e Landesvertretung dankt D r . H e n n i g für ü b e r 10 Jahre uner- m ü d l i c h e r u n d aufopferungsvoller Arbeit für unsere o s t p r e u ß i s c h e Heimat an der Spitze der Landsmannschaft

D i e O s t p r e u ß i s c h e Landesvertretung er- k l ä r t a u s d r ü c k l i c h , d a ß dieser Rücktritt keinen Bruch i n der P o l i t i k der Lands- mannschaft O s t p r e u ß e n bedeutet, sondern d a ß ihre Politik auch i n Zukunft der der bisherigen wie aller ü b r i g e n Sprecher der Landsmannschaft O s t p r e u ß e n w i e ihrer Vorstände seit ihrer G r ü n d u n g folgen wird."

Oder-Neiße-Linie ab die Westgrenze der Re- publik Polen bezeichnet wurde.

Der Abgeordnete Dr. Ottfried Hennig, als Vertreter aes Wahlkreises Gütersloh direkt in den Bundestag gewählt - zu einem Zeitpunkt übrigens, als er noch nicht Sprecher der Lands- mannschaft Ostpreußen war - glaubte, seinem Gewissen folgen und für die Entschließung des Deutschen Bundestages stimmen zu müssen, weil bei einer Abstimmungsniederlage der Regierungsparteien es keine Lösung der deut- schen Frage gegeben haben würde und weü dann binnen Stunden die Flüchtlingsströme aus der DDR wieder angeschwollen wären. Einer sich versagenden Regierung Kohl wäre eine andere Regierung gefolgt. Für eine Regierung etwa unter Lafontaine wäre die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie zweifelsohne kein Pro- blem gewesen.

Der Konflikt, in dem sich Dr. Hennig befand, ist daraus entstanden, d a ß er zwischen der Entscheidung, die er als Abgeordneter, der nur seinem Gewissen verpflichtet ist, und der Sat- zung der Landsmannschaft Ostpreußen stand, die lnrerseits den rückhaltlosen Einsatz für die Wiedervereinigung Ostpreußens mit Deutsch- land verlangt. Der Zusammenschluß West- und Mitteldeutschlands kann von den Vertriebe- nen nicht als die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands gesehen werden; das hat denn auch in diesen Tagen zu einer Klage Dr. Czajas und anderen Abgeordneten des Deutschen Bundestages vor dem Bundesverfassungsge- richt gefunrt. Die Kläger wenden sich gegen die Anerkennung der polnischen Westgrenze sowie dagegen, daß durch den jetzt bevorste- henden Einigungsvertrag die staatliche Einheit Deutschlands als vollzogen angesehen werden soll.

Es besteht kein Zweifel daran, daß es zwi- schen Macht und Recht, Politik und Moral nicht nur „fließende Grenzen" gibt. Es geht in die- sem Falle jedoch darum, daß auf Unrecht keine Zukunft aufgebaut werden kann. Wenn Frau Minister Wams darauf hinweist, daß die sich nun abzeichnende Entwicklung bereits im Jah- re 1945 erkennbar gewesen sei, so möchten wir noch weiter gehen: die Zerstückelung Deutsch- lands, die Auslöschung Preußens und die Abtrennung der deutschen Ostgebiete sind als Kriegsziel der Allüerten bereits im Jahre 1943 artikuliert worden. Was 1918 nicht gelang, sollte 1945 gelingen. Man sollte sich auch keiner Täu- schung hingeben: Politik, Macht und Milliar-

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Politik

£ U 5 Cflprrufitnbfoii 15. September 1990 - Folge 37 - Seite 2

Bereits i n der ersten Zeile der dritten Stro- phe unserer Nationalhymne w i r d das Vater- fand angesprochen: „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland". Selbst- verständlich hat jeder v o n uns immer auch O s t p r e u ß e n , Pommern, Schlesien i n dieses deutsche Vaterland miteinbezogen. Was w ä r e das deutsche Vaterland ohne O s t p r e u ß e n , Pommern, Schlesien? Die Fremdbestimmung, die Fremdherrschaft ü b e r unsere Heimat als einen Teil unseres gemeinsamen deutschen Vaterlandes vermochte uns ü b e r die Jahr- zehnte hinweg nicht irre z u machen.

A b e r w i e sieht es heute aus? I m E i n i - gungsvertrag, der in den beiden Parlamen-

SONNEN- UNTERQANG C6.Uaupht\Jirn) ASfaqtettieaferT

Em Ibsen-Drama Die Stars: Honecker,

Mielke. Krenz.

MttgroflemCnor der Stasi-Agenten

Hymne an die Freunde

Anpassionata

in S-P-O-Dur

Leise flehen meine Lieder

in c-moll

Kleine Komödie den sind auch weiterhin schwergewichtig!

Dennoch bleibt das Recht der Schutzschild der Hilflosen! Wenn die (der N D R sprach in seiner Morgensendung vom 11. 9. schon von den

„früheren") Heimatvertriebenen darauf be- harren, das Recht zur Grundlage eines Zusam- menlebens auch mit dem polnischen Volk z u erheben, so bedeutet das keinerlei Revan- chismus. Es führt vielmehr zu der Frage: Wenn die Einheit Europas das große Ziel unserer Tage ist, wenn die Grenzen durchlässiger werden sollen, weshalb also die erneute ausdrückliche und feierliche Bestätigung einer polnischen Westgrenze? Die Alliierten hätten diese Ent- scheidung 1945 dekretieren können, die „frei- willige Abtretung" Ostdeutschlands aber den Deutschen selbst z u überlassen, erscheint uns als eine Politik, bei der Recht und Moral auf der Strecke bleiben.

Es mag sein, d a ß die kommenden Monate besonders schwer werden. D r . Hennig hat hierzu ausgeführt, es könne eine Phase der deutschen Politik geben, i n der es besser sei, wenn das Amt des Sprechers der Landsmann- schaft von einem Regierungsamt getrennt wäre.

Soweit es Unmut und Unruhe in den Reihen unser Landsleute gab, dürften diese nun beho- ben sein. Aufgabe unserer Amtsträger, die von Bad Honnef m ihre Heimatkreise zurückge- kehrt sind, w i r d es sein, unsere Landsleute wieder z u motivieren. Die Landsmannschaft O s t p r e u ß e n w i r d auch i n Zukunft keinen

„revanchistisch" oder „nationalistisch" z u verketzernden Kurs einschlagen. Sie wird sich einsetzen für Wahrheit und Recht und sie wird wirken i n der Hoffnung, im polnischen Volk möge die Erkenntnis Raum gewinnen, daß nach

„d em größten Verbrechen der Menschheitsge- schichte" (Alfred Dregger), worunter der Tod von 2 3 Millionen Deutschen noch nach 1945 verstanden w i r d , das Zusammenleben v o n Deutschen und Polen nicht auf Beharren von chauvinistischen Forderungen, sondern nur darauf ermöglicht werden kann, d a ß Vernunft und Recht das Fundament einer besseren Z u - kunft werden.

Parteien:

München ist auf die DSU angewiesen

Ohne Verbindung mit den Deutsch-Sozialen wird CSU zweitrangig

Die D S U scheint zunehmend ins politische Die CSU-Strategen wissen genau, d a ß Bay- Abseits z u geraten. Nachdem sie v o n ihren erns Bedeutung i n d e m g r ö ß e r e n Staat ab- beiden Ministern zugunsten der C D U i m Stich nehmen m u ß . M i t d e m Verschwinden der gelassen u n d z u d e m noch übel diffamiert D S U w ü r d e sich dieser Verlust an Macht wurde, soll sie nun offenbar keinen der vier u n d Einfluß auch auf die Bayern-Union als Bundesministerposten erhalten, die nach der Partei ü b e r t r a g e n . A n eine bundesweite C S U Vereinigung a m 3. Oktober an mitteldeut- m a g ohnehin i m M o m e n t niemand mehr sehe Politiker ü b e r g e h e n sollen. Stattdessen denken. Einerseits ist Kohls Ansehen derart sollen die DDR-Liberalen, die noch vor kur- gestiegen, d a ß er auch i n Bayern viele Für- zem die Ost-Berliner Koalition in einer äußerst Sprecher i m Wahlvolk erwarten k ö n n t e , an- schwierigen Situation h ä n g e n ließen, mit i h - dererseits fehlt den M ü n c h n e r n eine charis- rem Vorsitzenden Ortleb ins Kabinett einzie- mansche Figur ä la Strauß, die konservative hen. DSU-Vorsitzender Walther nannte dies W ä h l e r anlocken k ö n n t e . N a c h Streibls Es- denn auch schlicht ein „ U n d i n g " . kapaden i n der Hauptstadtfrage u n d ande- Was steckt dahinter? A l s sicher kann z u - r* m }st ihr Ansehen i n den für sie bundes- nächst betrachtet werden, d a ß die C D U sehr weit mteressanten Kreisen ohnehin stark ge- an einer Hurbereinigung i m b ü r g e r l i c h e n sunken. Sie gerat m den A u g e n v i e k r Rech Lager Mitteldeutschlands interessiert ist. Sie

duldet niemanden „rechts" v o n ihr. M i t ei-

ner Mischung aus U m a r m u n g , Nadelstichen u ^ ^ u " " ^ " ^1 Uc * ^c" U 1 C I U l u V ? '-'d U 1 oder auch einfach M i ß a c h t u n g , wie i n die- absehbare 7^it auf die Deutsch-Sozialen an- sem Fall, gelang es ihr auch in*aen 50er Jah- gewiesen wom^it diese durchaus wuchern ren Konkurrenten wie D P oder B H E auszu- *o n,n t e n- D?e A b h ä n g i g k e i t i n der Listenver- trocknen. Unabdingbar zur Seite steht den ^ m ^ g - B ^ i ^ - ^ ^ - ^ S ! r T Christdemokraten Hierbei die Fünf-Prozent- Verhältnis C D U - D P i n den spaten 50ern. Das

Einigungsvertrag:

Sind die Vertriebenen nun vaterlandslos?

Niemand kann die Heimat der Ostdeutschen aus unserem Land wirklich ausgrenzen

ten - Deutscher Bundestag u n d Ost-Berliner Volkskammer - mit Zweidrittelmehrheit z u beschließen sein w i r d , ist das Wiederverei- nigungsgebot gestrichen. Die Aufforderung an das „ D e u t s c h e V o l k , i n freier Selbstbe- stimmung die Einheit u n d Freiheit Deutsch- lands z u vollenden," ist laut neuer P r ä a m b e l des Grundgesetzes nunmehr hinfällig, denn durch den Beitritt der fünf L ä n d e r der bishe- rigen D D R ist „in freier Selbstbestimmung die Einheit u n d Freiheit Deutschlands v o l l - endet."

Das heißt, d a ß das Selbstbestimmungsrecht nach Auffassung der Bundesregierung u n d der mitteldeutscnen Regierung sowie einer

Neuinszenierung der Linken Liste/POS

Renaissance-Theater

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Opernbühne Ost

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(Richard Mrtfu^

Gesponsert von RWE, Proussen Etektra und

Wie

ANDERE es sehen:

„Derzeit auf D D R - B ü h n e n '

Zeichnung aus

„Kölnische Rundschau"

j e w e i l i g e n d e m n ä c h s t h e r z u s t e l l e n d e n Zweidrittelmehrheit verbraucht ist. Die E i n - heit u n d Freiheit Deutschlands ist vollzo- gen. D a r u m bedarf es, wie uns nun glauben gemacht w i r d , keiner Aufforderung mehr an das deutsche V o l k , v o m SelbstDestim- mungsrecht Gebrauch z u machen.

N o c h d e u t l i c h e r w i r d dies d u r c h d i e Streichung des bisherigen Artikels 23 des Grundgesetzes. E i n weiterer Beitritt v o n Teilen des Deutschen Reiches w i r d weder erwartet noch angestrebt. D a z u kommt noch der uns drohende Grenzvertrag, durch den die Endgültigkeit der Oder-Neiße-Linie als Grenze ausgesprochen werden soll.

Was ist n u n aus O s t p r e u ß e n oder Schle- sien geworden? Sie sind demzufolge keine Teile v o n Deutschland mehr. Das Selbstbe- stimmungsrecht für O s t p r e u ß e n oder Schle- sien i n A n s p r u c h z u nehmen, w i r d durch das Grundgesetz nicht abgesichert. F ü r das Selbstbestimmungsrecht ist i m neu gefaßten

Grundgesetz kein Platz mehr. D e r Grenz- vertrag tut dann d e m n ä c h s t noch ein Übri- ges.

N a c h all d e m ist z u folgen, d a ß das neue deutsche Vaterland an der O d e r u n d Görlit- zer N e i ß e i m Osten seine Begrenzung findet.

A l l e s was jenseits dieser Demarkationslinie, nein jenseits dieser neuen Grenze liegt, hat als A u s l a n d z u gelten. D i e Geschichte soll z w a r nicht, w i e u n s v o n h ö c h s t e r Stelle versichert w i r d , geleugnet werden, aber über den g e g e n w ä r t i g e n Zustand besagt dies gar nichts. , .

W i r O s t p r e u ß e n u n d Schlesier sind z u va- terlandslosen Gesellen geworden, denn das deutsche Vaterland bezieht nach d e m Eini- gungsvertrag u n d d e m alsbald folgenden Grenzdiktat O s t p r e u ß e n u n d Schlesien in das deutsche Vaterland nicht mehr ein! Selbst- v e r s t ä n d l i c h sind w i r nicht d a z u bereit, die R o l l e eines v a t e r l a n d s l o s e n G e s e l l e n z u spielen. W i r werden auch weiterhin, wenn v o m deutschen Vaterland gesprochen und dieses i n der dritten Strophe unserer Natio- nalhymne besungen w i r d , Deutschland in allen seinen Teilen miteinbeziehen, Ostpreu- ßen, Pommern, Schlesien i n unser deutsches Vaterland einbinden.

Dies auch schon deswegen, w e i l uns nie- m a n d plötzlich vorschreiben kann, w o das deutsche Vaterland nunmehr a u f z u h ö r e n hat.

F ü r uns ist das deutsche Vaterland ohne O s t p r e u ß e n , P o m m e r n u n d Schlesien nicht das deutsche Vaterland, sondern n u r ein Fragment des deutschen Vaterlandes.

A u ß e r d e m ist anzumerken, d a ß w i r auch den A n s p r u c h auf den Gebrauch des Selbst- bestimmungsrechts nicht aufzugeben bereit sind, auch wenn das Seltetbestirnmungsrecht angeblich bereits verbraucht sein soll.

Allerdings fällt es denen leicht, die Ost- deutschland jenseits v o n O d e r u n d Neiße noch selbst erlebt u n d erfahren haben, i n das deutsche Vaterland i m m e r auch alle Teile Deutschlands miteinzubeziehen. A b e r die nachgewachsenen Generationen werden sich an die neue Landkarte v o m angeblich gan- zen Deutschland u n d a n d i e Ausklamme- r u n g u n d A u s g r e n z u n g v o n O s t p r e u ß e n , Pommern u n d Schlesien schnell g e w ö h n e n , w e n n w i r nicht i m m e r wieder k u n d tun, d a ß der g e g e n w ä r t i g e Z u s t a n d Deutschlands w e d e r gerecht n o c h e n d g ü l t i g ist. Das deutsche Vaterland u m f a ß t nach wie vor auch O s t p r e u ß e n , P o m m e r n u n d Schlesien. N u r d a n n w ä r e n w i r vaterlandslose Gesellen, w e n n w i r dies vergessen u n d nichts fürs ganze deutsche Vaterland täten.

Herbert H u p k a ter immer mehr z u einer kleinkarierten Pro-

Zwangsarbeiter:

Auch deutsche Opfer entschädigen

Langsam tasten sich Polen zu den Schatten ihrer Vergangenheit vor

w i r d m a n i n der D S U durchaus

haben. U n d nach einer Konsolidierung der Partei w i r d man dort w o h l auch beginnen z u lernen, wie man als Kleiner g r o ß e Forde- rungen, etwa nach Kabinettsposten, durch- Die Chance der D S U besteht jedoch in der setzt. Ehe C S U w i r d das als erste merken, p r e k ä r e n Lage ihrer Schwester i n M ü n c h e n . Hans Heckel H ü r d e , die kleinere Parteien in „ H u c k e p a c k " -

M a n ö v e r oder Listenverbindungen zwingt, was diese i n eine t ö d l i c h e A b h ä n g i g k e i t bringen kann.

UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND Chefredakteur: Hugo Wellems

Verantwortlich für den redaktionellen Teil (32)

Politik, Zeitgeschehen, Jugend:

Peter Fischer (37), Ansgar Graw, Hans Heckel (30) Kultur, Unterhaltung, Frauenseite:

Silke Osman (33) Geschichte, Landeskunde,

Literatur und Aktuelles:

Horst Zander (34)

Heimatkreise, Gruppen, Mitteldeutschland und Leserforum:

Herbert Ronigkeit, Silke Berenthal (36) Ostpreußische Familie:

Ruth Geede Bonner Büro: Jürgen Liminski

Anzeigen (41) und Vertrieb (42): Karl-Heinz Blotkamp Anschrift für alle: Parkallee 84/86, 2000 Hamburg 13. Verlag: Landsmannschaft Ostpreußen e. V., Parkallee 86, 2000 Hamburg 13. Das Ostpreußenblatt ist das Organ der Landsmannschaft Ostpreußen und erscheint wöchentlich zur Information der Mitglieder des Förderkreises der Landsmannschaft Ost- preußen. - Bezugspreis Inland 7,90 DM monatlich einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 9,40 DM monatlich. Bankkonto: Landesbank Hamburg BLZ 200 500 00, Konto-Nr. 192 344. Postgirokon-

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Die polnische Regierung hat Bonn unlängst registriert a u fgefordert, erneut Wiedergutmachungszahlun- reg Strien a n ehemalige polnische Zwangsarbeiter zu leisten. An sich ist an einer finanziellen Fürsorge der deutschen Regierung zugunsten von Opfern deutscher Verfehlungen nichts auszusetzen. Bei der jüngsten Forderung Warschaus hätte unsere politische Führung jedoch allen Grund zur Zu- rückhaltung.

Vor vielen lahren waren bereits horrende Be- träge an Polen für den Zweck der Wiedergutma- chung an den Opfern gezahlt worden. Nichts davon erreichte die Adressaten. Das Geld ver- schwand in den dunklen Kanälen Warschauer Finanzschiebereien. Desweiteren ist endlich die Frage zu stellen, ob nicht auch unser östlicher Nachbar die von ihm nach dem Krieg so grauen- haft geschundenen deutschen Zwangsarbeiter entschädigen sollte. Davon ist bezeichnenderwei- se nie die Rede gewesen. Mehr noch: Polen war bis jetzt kaum bereit, die eigenen Verbrechen auch nur zuzugeben oder gar zu bedauern.

Hier zumindest deutet sich jedoch eine schlei- chende Wende an. So war kürzlich in der polni- schen Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny"

zu lesen, daß die Akten über die Kommandanten des Lagers Lamsdorf, in dem ab Juli 1945 minde- stens 6000 Deutsche zugrunde gerichtet wurden, an das Gericht in Oppeln zurückgegeben worden seien. Sie waren seit dem Freispruch der beiden Schinder von Lamsdorf am 18. April 1959 unter Verschluß gehalten worden.

Der „Prozeß" war ohnehin nur zustande ge- kommen, weil Informationen über das Lager ins westliche Ausland gelangen konnten und dort Polens Ruf zu gefährden drohten. So versuchte Warschau die Sache auf diese Weise zur Entglei- sung untergeordneter Stellen herunterzuspielen.

An einer Anndung der Verbrechen war von An-

fang an nicht gedacht. Deshalb verwundert es nicht, daß einer der beiden Lagerkommandanten, Czeslaw Geborski, bereits 1960 wieder beim Ge- heimdienst in Kattowitz arbeitete.

Bei den deutschen Opfern handelte es sich kei- neswegs um gezielt ausgesuchte Ex-Nazis oder ähnliches. Etwa in Lamsdorf waren sie wahllos aus den umliegenden Ortschaften zusammenge- trieben worden: Männer, Frauen, Kinder, ja selbst Säuglinge waren darunter. Von den Neugebore- nen überlebte nach Augenzeugenberichten kein einziges, Kinder bis zu drei Jahren nur ganz ver- einzelt. Die Säuglinge wurden in für die Öffent- lichkeit äußerlich erträglich hergerichteten Barak- ken untergebracht, in denen man sie verhungern oder erfrieren ließ. Der Ofen wurde nur für den Besuch von Kommissionen angeworfen.

Kinder von acht Jahren mußten bei polnischen Bauern arbeiten, wo sie geschlagen und anders mißhandelt wurden. Nur die, die dennoch einen einigermaßen kräftigen Eindruck machten, wur- den nach zwei Jahren nach Westdeutschland ge- lassen. So sollte vermieden werden, daß dort die Öffentlichkeit ein realistisches Bild von der Be- handlung der deutschen Kinder bekam. Was das zur Folge hatte, ist unschwer auszumalen: Die Zeugen des Grauens, das insbesondere die deutschen Kinder erlitten hatten, wurden als Lügner diffamiert. Eine wirkliche Aufarbeitung blieb lange aus, bis in den 50er Jahren Historiker im Auftrag der Bundesregierung eine umfangrei- che Dokumentation von Flucht und Vertreibung insgesamt erstellten, in der auch dieses Kapitel seinen Niederschlag fand. Es wird Zeit, dieses wichtige, wenn auch unvollständige Werk aus den hintersten Regalen der Bibliotheken heraus- zuholen und mit weiteren Erkenntnissen zu er- gänzen. Aus politischen Gründen war daran lan- ge kaum Interesse gezeigt worden. H . T.

(3)

15. September 1990 - Folge 37 - Seite 3 ÖBOIpmiSmWoit Analyse

M i c h a i l Gorbatschow i n M o s k a u mit Bundeskanzler K o h l : Der Westen m u ß die sowjetischen Reformen unterstützen, aber auch ihr mögliches Scheitern einkalkulieren

D

ie Reformpolitik Gorbatschows scheint in der UdSSR derzeit gefestigt. Bei v o r d e r g r ü n d i g e r Betrachtung eint der Staats- und Parteichef alle Macht in seinen H ä n d e n , seine reaktionären Gegner sind seit dem XXVIII. Parteitag kaltgestellt, die Ra- dikalreformer k ö n n e n ihm u. U . mehr nützen als schaden. Die westliche Welt schickt sich an, der UdSSR immense Hilfen z u leisten und d r ü c k t - welche Ironie des Schicksals! - Gorbatschow die Daumen für seine Politik.

Wer einer sich reformierenden Sowjetuni- on helfen und sich selbst nicht schaden w i l l , der m u ß völlig illusionsfrei die Bedingun- gen des „realen Gorbatschowismus" kennen und in sein Kalkül einbeziehen. Er m u ß , vor allen Dingen, die Möglichkeiten und Gren- zen dieser Politik richtig einschätzen.

Bei aller schwärmerischen Verehrung, die

„Gorbi" i m Westen - und besonders in der Bundesrepublik - genießt, sollte man nicht sein eigenes Selbstverständnis und seine reale Machtbasis aus den Augen verlieren. Immer wieder bezeichnet er sicn als „Enkel Lenins"

und als überzeugten „Marxisten-l^ninisten".

auf die Funktionäre der K P d S U abstützen, die er durch die Reformen ihrer jahrzehnte- langen Privilegien beraubt. Daraus entstehen millionenfache kleine Widerstände, die sich l ä h m e n d auswirken werden. Dieser N o - menklatura erscheint er als der unheimliche Zerstörer eines (angeblich) monolithenen Systems. Den Radikalreformern hingegen geht er z u langsam voran. Sie werfen ihm Halbherzigkeit vor u n d verweigern i h m darum oft die Unterstützung, wo er sie drin- gend nötig hätte. A l l e Gruppen müssen sich derzeit ieaoch zu Gorbatschow, mehr oder minder bereitwillig, bekennen, w e ü es keine personelle Alternative gibt. Oder wird sich Boris Jelzin zu einer solchen entwickeln?

Besonders erschwerend ist die z ö g e r n d e Haltung der sowjetischen Bevölkerung. Sie ist auf den Z u g der Reformpolitik (noch) nicht aufgesprungen. Das hängt einfach mit der Tatsache zusammen, d a ß die Menschen noch nicht wissen, wohin dieser Z u g fährt.

Die Sowjetbürger sind in den letzten Jahr- zehnten immer wieder z u großen Opfern für

„Reformen" aufgefordert worden und dabei

Beurteilungen der reformpolitischen Lage und Ziele.

r Perestroika heißt n a t ü r l i c h in formaler Ü b e r s e t z u n g soviel wie „ U m g e s t a l t u n g " ,

„neues Denken" und „neues Handeln". Der XXXVIII. Parteitag erwies erneut, d a ß das

„ n e u e Denken" noch weit von der Möglich- keit eines echten Mehrparteien-Systems entfernt ist. Gorbatschow versucht, die K P d S U zu retten. Er hat zwar auf ihre „füh- rende Rolle" formal verzichtet, möchte sie jedoch als wichtigste Reformkraft an die Spitze seiner Bewegung stellen. Anderen Parteien, womöglich echten Oppositions- bündnissen, steht er nach wie vor anlehnend gegenüber. Echte Vielfalt kann er sich nicht vorstellen, obgleich sie das Resultat echter Freiheit ist, von der er ab und zu spricht. Viel- falt gut für ihn nur im Rahmen des „Sozi- alismus".

Diese Haltung des sowjetischen Staats- und Parteichefs dürfte letztlich auf die Tatsache zurückzuführen sein, d a ß sich Sowjetbürger kaum einen freiheitlichen Pluralismus vor- stellen können. Sie haben durch die lange

Moskau zwischen Chancen und Chaos

Möglichkeiten und Grenzen der Reformpolitik Michail Gorbatschows

V O N Dr. J. K U R T K L E I N Es mag sein, d a ß diese Selbsteinordnung auch

einige taktische Z ü g e trägt, die seine ortho- doxen Gegner beruhigen sollen. A u f der anderen Seite hat er sich auf dem jüngsten Parteitag so demonstrativ auf den „realen Sozialismus" festgelegt, d a ß er bei einem Positionswechsel völlig sein Gesicht verlie- ren w ü r d e . So geht man sicherlich recht in der Annahme, d a ß Gorbatschow sich selbst - nach wie vor - als Kommunist, wenn auch als „ R e f o r m k o m m u n i s t " , versteht.

Dabei wirkt es irritierend, wenn er seine

„feste Ü b e r z e u g u n g " betont, "Sozialismus"

und „ M a r k t w i r t s c h a f t " unter einen H u t bringen z u k ö n n e n . Diese formulierte U n - möglichkeit wirft die Frage auf, was Gor- batschow falsch versteht. Da er den „Sozia- lismus" sicherlich sehr gut kennt, w i r d man ihm grundsätzliche Bildungslücken in bezug auf aie Marktwirtschaft attestieren müssen.

Eines hat er zumindest noch nicht begriffen, d a ß die Frage der Wirtschaftsverfassung untrennbar mit der Frage der Herrschafts- verfassung verbunden ist. Marktwirtschaft ist nur möglich bei einer pluralistisch-de- mokratischen Gesellschafts- und Staatsord- nung. Mischformen sind nur begrenzt le- bensfähig.

Michail Gorbatschows wichtigstes Ziel ist die E r h a l t u n g u n d M o d e r n i s i e r u n g der

„Union der Sozialistischen Sowjetrepubli- ken", selbst wenn er dabei auf Machtkompe- tenzen der Moskauer Zentralverwaltung verzichten m ü ß t e . Er w i l l die UdSSR als ge- stärkte Weltmacht ins 21. Jahrhundert füh- ren, auch wenn er dabei durch ein Tal der Schwäche marschieren m u ß . Sollte er dieses Ziel erreichen, so ist die Frage noch völlig offen, ob eine erstarkte Sowjetunion dem Frieden der Welt dienen kann und will, zumal sie i m Innern voller schwerster Spannungen steckt - man denke nur an die Nationalita- tenkonflikte - , die sich sehr schnell i m aus- serpolitischen Säbelrasseln kompensieren können. _ , . ,

Dem Anschein nach vereint Gorbatschow nach dem letzten Parteitag alle Macht in sei- nen H ä n d e n . Ist er darum schon unum- schränkter „Fürst aller Reußen' ? Keineswegs;

denn hinter seiner Macht stehen viele Fra- gezeichen! So m u ß er seine Reformpolitik

kräftig auf die Nase gefallen. Sie können das Wort „Reform" schon nicht mehr ohne aller- gische Reaktionen hören.

Darum benutzt Gorbatschow auch den Begriff „Perestroika", den schon Zar N i k o - laus I. gebrauchte. Die Bevölkerung der UdSSR w i r d erst dann auf den fahrenden Z u g aufspringen, wenn sie Erfolge seines Kurses ausmacht und an der materiellen Lage ablesen kann. U n d gerade in dieser Tatsache Uegt eine tragische Quadratur des Kreises:

U m seiner Reformen willen baute Gorba- tschow die Arbeitsdisziplinierungsmaßnah- men seiner Vorgänger ab, und schon setzten Schlendrian und Mißwirtschaft ein, deren Ergebnis als echte materielle Notlage emp- funden wird.

Das aufgerichtete Fragezeichen bezieht sich auch auf die anderen „Machtapparate" des Systems. Das bislang allmächtige K G B hat Gorbatschows Kurs lange Zeit unterstützt, zumal im alten Politbüro zwei KGB-Genera- le mit sehr großem Einfluß saßen, Scheward- naze und der frühere KGB-Chef Tschebrikow.

Die Macht dieses Apparates ist jedoch ge- schwächt und m u ß weitere Einflußverluste erwarten. Da bleibt es sehr fraglich, wie weit er die Perestroika auch in Zukunft unterstüt- zen wird.

Noch problematischer ist die Sowjetarmee als Machtapparat. Sie fühlt sich von Gorba- tschow in Stich gelassen. Das Afghanistan- Trauma wirkt stärker nach, als wir im Westen konstatieren können. Der Abzug sowjetischer Truppen aus den früheren Staaten des War- schauer Paktes erweckt das Gefühl einer Niederlage der „Siegerarmee". Hinzu kommt der sozialpolitische Zwang, unter den de- mobilisierte Soldaten gelangen. Jeder „abge- rüstete" Rotarmist ist ein Arbeitsloser und ein Wohnungssuchender mehr.

Z u den gefährlichen Fehlinterpretationen der Politik Gorbatschows gehört, d a ß man im Westen seinen drei politischen Zielbe-

f

riffen - Perestroika, Glasnost und Demo- ratisazija - westliche Begriffsinhalte unter- stellt. Offenbar hat das konkrete Wissen d a r ü b e r nachgelassen, d a ß die Begriffe des

„realen Sozialismus" eine eigene und spezi- fische sowjetideologische Semantik (Bedeu- tung) aufweisen. So kommt es zu falschen

Zeit, vom zaristischen Autokratismus über den kommunistischen Totalitarismus, auch keine Alternativ-Eliten entwickeln können.

Perestroika bedeutet damit letztlich nur A b l e h n u n g des A l t e n ohne Konzeption des Neuen.

Glasnost w i r d i m Westen mit „Offenheit"

und „Durchschaubarkeit" übersetzt. Formal ist dies auch richtig. U n d trotzdem gibt es einen gravierenden Unterschied, wenn nicht sogar Gegensatz, zwischen der Semantik in West una Ost. „Offenheit" ist bei uns eine Verpflichtung der Staatsmacht gegenüber der

„Öffentlichkeit", die ein verfassungsmäßig verbrieftes Recht auf diese Offenheit hat. In der Sowjetunion w i r d „Offenheit" ohne ech- te Öffentlichkeit proklamiert. Der Staat be- stimmt, was für Informationen veröffentlicht werden dürfen und sieht den tausendfachen Willen z u echter Offenheit nur mit Unbe- hagen. Nicht selten beantwortet er ihn mit Re- pressionen.

Allerdings darf hierbei nicht übersehen werden, d a ß die Inanspruchnahme von „Gl- asnost" z u unumkehrbaren Entwicklungen geführt hat. Die Sowjetbürger genießen die kleinen Spielräume der Meinungsfreiheit und bauen sie mit vitaler Energie immer weiter aus, bis einmal echte Meinungsfreiheit er- reicht ist. Glasnost ist damit praktisch nichts weiter als eine Zusage, deren Einlösung zur Zerstörung des sozialistischen Systems füh- ren m u ß .

Demokratisazija mit „Demokratisierung" im westlichen Sinne zu übersetzen, geht an der sowjetischen Realität völlig vorbei. Demo- kratie hieß Jahrzehnte hindurch „demokra- tischer Zentralismus". In ihm wurde von

„oben" befohlen, was man „demokratisch"

von „ u n t e n " wählen durfte. So bedeutete Demokratisazija ursprünglich nichts weiter als Lockerung des zentralistischen Prinzips.

Statt echter Wahlmöglichkeiten des Volkes oder der Parteibasis gab es nur Möglichkei- ten zur A u s w a h l vorherbestimmter Kandi- daten. So ist „Demokratisazija" letztlich nichts weiter als der Versuch, Willensbildungsvor- gänge einer Diktatur durch demokratische Methoden aufzulockern, ohne jedoch eine echte Demokratie aufzubauen. Wenn man die Möglichkeiten und Grenzen der Reform-

politik Gorbatschows verstehen w i l l , m u ß man die veränderbaren und unveränderba- ren Realitäten der sowjetischen Wirklichkeit genau kennen.

Die größten Probleme gibt den Reformern der neue „Sowjetmensen" auf. M a n hat es nicht mehr mit dem geduldigen und lei- densfähigen bäuerlichen „Russen" z u tun.

Seine alten S ü n d e n (Schlamperei, Bestech- lichkeit, Alkoholismus usw.) wirken nach und schaffen zahlreiche Probleme. Seine „ n e u e Seite" jedoch führt bei Gorbatschow glei- chermaßen zu Hoffnungen und Befürchtun- gen. Der neue Sowjetmensch ist bestimmt durch die seit 1945 rasant eintretende U r - banisierung (Verstädterung) und Industria- l i s i e r u n g . D a d u r c h entstand ein neuer Menschentyp. Er ist durch die größere Be- reitschaft zur Kritik - auch am Gesellschafts- und Staatssysten - gekennzeichnet: M a n kann nicht etwa 280 Millionen Menschen mit Zuk- kerbrot und Peitsche zur kritischen Distanz gegenüber Naturwissenschaft und Technik erziehen und dieselben Menschen in unkri- tischer Distanz g e g e n ü b e r Ideologie und politischer Wirklichkeit belassen.

Wenn der Westen die aufgeführten Tatsa- chen nüchtern und realistisch sieht, ist er gut beraten, Gorbatschows Politik nicht z u sa- botieren, sondern stattdessen, soweit es i m eigenen Interesse liegt, z u u n t e r s t ü t z e n . Scheitert der sowjetische Reformpolitiker, kann ein unberechenbares Chaos die Folge sein. Daran kann niemandem i m Westen gelegen sein.

A u f der anderen Seite rät der gesunde Menschenverstand zur Vorsicht: Das Re- formwerk Gorbatschows wird vom Westen sicherlich beeinflußt, aber nicht entschieden.

Die wesentlichen Entscheidungsfaktoren hegen innerhalb und nicht außerhalb der UdSSR. Kluge politische Weitsicht verlangt, d a ß man auch Mißlingen und Scheitern ei- ner solchen Politik einkalkuliert.

Vor einem Jahr hätte niemand voraussa- gen können, unter welchen Bedingungen heute die deutsche und europäische Politik

Unser Autor Dr. phil. J. Kurt Klein, Jahrgang 1925, Leitender

Wissenschaftler in Bonn, gilt als kompetenter Analytiker von Ostfragen. Seine jüngste Veröffentlichung: Der Gor- bische Knoten, Möglichkeiten und Grenzen des „realen Gorbatschowismus", Verlag des Instituts für politologisdie Zeitfragen, Zürich.

steht. Niemand hätte vor einem Jahr auch voraussagen können, wie sich der Zerfall des „Ostblocks" abspielt. Diese Erkenntnis führt zur nüchternen Folgerung, d a ß auch heute noch niemand voraussagen kann, welche Bedingungen i n einem Jahr in der Welt - und besonders in der UdSSR - vor- herrschen. Wenn auch nicht wahrscheinlich, so ist ein totaler Rückschlag für Gorbatschow doch möglich. Für solche Entwicklungen m u ß man gerüstet sein; denn die vielzitierte „Kunst der Politik" besteht darin, die Entwicklun- gen von morgen in die Planungen von heute einzubeziehen.

Anmerkung: Dr. phil. J. Kurt Klein, Bonn, Leitender Wissenschaftücher Direktor, hat sich in zahlreichen Büchern und Publikatio- nen zu Ostfragen kompetent geäußert. Z u m Thema Gorbatschow gab er i m vergangenen Jahr eine höchst lesenswerte Schrift in der Schweiz heraus:

J. Kurt Klein: Der Gorbische Knoten, Mög- lichkeiten und Grenzen des „realen Gorba- tschowismus". Sie erschien i m Verlag des Instituts für politologische Zeitfragen, Stehl- gasse 33, C H 8001 Zürich. (Preis 17 SFr)

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Politik £>05 Olpnufirnbfau 15. September 1990 - Folge 37 - Seite 4

In Kürze

Volksabstimmung

F ü r eine V o l k s a b s t i m m u n g ü b e r eine k ü n f t i g e gesamtdeutsche Verfassung spre- chen sich jetzt auch zunehmend M i t g l i e d e r der U n i o n s f r a k t i o n im B u n d e s t a g aus.

Bisher war dies vor allem von der S P D vorgeschlagen, von C D U und C S U aber abgelehnt worden.

JU-Spitze gegen Wehrpflicht

Hermann G r ö h e , Bundesvorsitzender der Jungen U n i o n , forderte jetzt die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht. Stattdessen solle i m Interesse der A b r ü s t u n g nur noch eine Freiwilligenarmee installiert werden, meint G r ö h e , der den Bundesvorstand des Unions- nachwuchses i n dieser Frage hinter sich w e i ß . Bei Redaktionsschluß stand noch nicht fest, ob diese Haltung auf dem diese Woche i n Leipzig stattfinden Deutschlandtag der J U v o n der Mehrheit der 400 Delegierten geteilt w i r d .

Todesstrafe noch häufiger

D i e A n z a h l der D e l i k t e , die in den V e r - einigten Staaten mit der Todesstrafe, etwa auf d e m elektrischen S t u h l oder in der G a s k a m m e r , geahndet w e r d e n k ö n n e n , w u r d e j ü n g s t durch den US-Senat v o n 23 auf 34 e r h ö h t 94 v o n 100 Senatoren stimmten e i n e m e n t s p r e c h e n d e n A n t r a g z u . D i e deutliche M e h r h e i t ist auf die stark ge- wachsene Z a h l der Gewaltverbrechen in den U S A z u r ü c k z u f ü h r e n .

Preußische Volkspartei

Eine „Preußische Volkspartei" (PVP) ist j ü n g s t i n Berlin g e g r ü n d e t w o r d e n . D i e G r ü n d u n g s m i t g l i e d e r streben unter anderem eine „ehrliche Aufarbeitung der p r e u ß i s c h e n Geschichte" sowie eine „Synthese v o n Tra- dition u n d Fortschritt" i n der Politik an.. Den alten Parteien traut die P V P nicht die Über- w i n d u n g der „tiefen R i ß w u n d e n i m deut- schen V o l k e " z u , w i e d e m G r u n d s a t z - programm z u entnehmen ist.

Falsche Juden aus Moskau

Israel hat w o m ö g l i c h m i t der massen- haften E i n w a n d e r u n g „ n a c h g e m a c h t e r "

Juden z u rechnen. F ü r 60 R u b e l s i n d auf dem M o s k a u e r Schwarzmarkt mittlerweile gefälschte Dokumente z u erlangen, die eine j ü d i s c h e A b s t a m m u n g vorspiegeln. N a c h S c h ä t z u n g e n s i n d bereits Tausende v o n Nicht-Juden auf diese Weise nach Israel eingewandert

Musterparlamentarier:

Deutschland:

Sport fördert nationalen Zusammenhalt

Auch die gesamtdeutschen Mannschaften werden den Gegner und seine Herkunftsnation achten

p h ä e . Es habe sich dabei auch u m eine Rück- terlicher Sportlichkeit, den Gegner z u re- kehr Deutschlands i n den Kreis der Völker spektieren u n d seine Herkunftsnation zu u n d Nationen gehandelt. Welche Signale achten. N a t ü r l i c h k o m m t es immer wieder In den letzten Wochen u n d Monaten gab

es eine Reihe v o n s p e k t a k u l ä r e n sportlichen Ereignissen, die das Interesse weiter Bevöl- kerungskreise i n ganz Deutschland hervor- riefen. A n der Spitze stand natürlich die Fußballweltmeisterschaft i n Italien, die mit dem Sieg der deutschen Mannschaft endete.

Das Fernsehen registrierte für das Endspiel eine Einschaltquote v o n ü b e r 60 Prozent.

A u c h die Gewerkschaften, die sonst dem Sport eine nur begrenzte Aufmerksamkeit schenken u n d es oft sehr eilig haben, i m Falle g r o ß e r Erfolge vor Ü b e r m u t u n d G r o ß - mannssucht z u warnen, sind an diesem Er- eignis nicht achtlos vorbeigegangen. Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft M e - tall, Franz Steinkühler, widmete der F u ß - ball-Weltmeisterschaft sogar einen Leitarti- kel, der unter der Überschrift „ N a c h d e n k e n nach dem Titelgewinn" i n der Zeitung „ M e - tall" erschien. Deutschland stehe vor der staatlichen Einheit, - ein Deutschland, das allein schon mit seinem bundesrepublikani- schen Teil z u den stärksten Wirtschaftsna- tionen der Welt zähle, schreibt Steinkühler.

U n d n u n sei dieses Deutschland auch noch Fußballweltmeister geworden.

Aufmerksam hat der oberste R e p r ä s e n t a n t der Metallgewerkschaft, der g r ö ß t e n M i t - gliedergewerkschaft innerhalb des D G B , festgestellt, d a ß noch nie i n den Stadien, auf den Straßen und den Plätzen so viele schwarz- rot-goldene Fahnen geschwungen worden seien w i e i n diesem Fall. Besorgt fragt der Gewerkschaftsführer: W ä c h s t hier ein neuer deutscher Nationalismus heran? Steinküh- ler m u ß sich die Gegenfrage gefallen lassen:

M i t welchen Zeichen u n d Emblemen sollen die Menschen i n unserem Lande eigentlich ihre Freude ü b e r den sportlichen Erfolg z u m A u s d r u c k bringen? Ist es nicht positiv z u werten, d a ß Sportfreunde u n d interessierte G ä s t e die Fahne der Nation bei diesem A n - laß zeigten? Der negativ aufgeladene Begriff

„ N a t i o n a l i s m u s " ist hier offenkundig fehl a m Platze.

A u c h S t e i n k ü h l e r hat diesen Eindruck.

E i n s c h r ä n k e n d fügt er hinzu, d a ß seine Fra- ge übertrieben klingen m ö g e . Er blickt i n diesem Zusammenhang auf die Vergangen- heit, vor allem auf die Weltmeisterschaft 1954.

Der damalige Sieg der Herberger-Elf sei für viele Deutsche u n d auch für A n g e h ö r i g e anderer Nationen mehr gewesen als nur der G e w i n n einer sportlich bedeutsamen Tro-

werden v o n dem neuerlichen Titelgewinn ausgehen, fragt Steinkühler. Seine A n t w o r t lautet: „Ich hoffe sehr, d a ß es nicht deutsche G r o ß m a n n s s u c h t u n d Überheblichkeit ge- g e n ü b e r anderen Nationen sein m ö g e n . "

Steinkühler meint weiter, es sei schön, d a ß sich die Menschen hierzulande u n d i m an- deren Teü Deutschlands ü b e r diesen Titel- g e w i n n gefreut h ä t t e n . In dieser Freude manifestierte sich ein T e ü der wiederge- wonnenen Einheit unseres Landes, u n d es werde deutlich, d a ß sportliche Erfolge die- ser Qualität Freude u n d Stolz bei M i l l i o n e n ausgelöst hätten.

Doch es waren nicht nur die Fußballer, die B e g e i s t e r u n g s s t ü r m e auf G r u n d sportlicher Erfolge a u s l ö s t e n . A u c h ein erfolgreiches weibliches Trio fand Respekt u n d Anerken- nung. Weit vorne stand dabei die derzeit allein dominierende Tennisspielerin Steffi Graf. Z u ihr gesellen sich Anja Fichtel, die einen Weltmeistertitel i m Fechten errang, und Nicole Uphoff, die sich i n Stockholm einmal mehr als weitbeste Dressurreiterin dem er- staunten P u b l i k u m präsentierte. Sie erzielte bei diesem Wettbewerb eine Punktzahl, die noch nie bei einem internationalen Wett- kampf der Dressurreiter erreicht worden war.

Franz Steinkühler mag beruhigt sein. Das Adjektiv „international" deutet schon an, d a ß die Welt- u n d Europameisterschaften z w i - schen den Nationen dieser Erde ausgetra- gen werden. Es g e h ö r t z u den Regeln rit-

Behörden:

mal vor, d a ß der eine oder andere Sportler in der H i t z e des Gefechts aus der Rolle fällt.

A b e r das soll bei Gewerkschaften u n d U n - ternehmen nicht anders sein.

Der Sport hat nicht nur internationale Be- deutung. Er spielt auch eine nicht unerheb- liche Rolle i m deutschen E i n i g u n g s p r o z e ß unserer Tage. Gerade haben die Schwimmer v e r k ü n d e t , d a ß sie i m n ä c h s t e n Jahr mit ei- ner gesamtdeutschen Mannschaft auf dem internationalen Parkett erscheinen werden.

H i e r u n d da behindern noch kleinkarierter Provinzialismus u n d eine ü b e r z o g e n e K o m - merzialisierung ein z ü g i g e s Voranschreiten der Integration i m sportlichen Bereich. Aber der P r o z e ß läßt sich nicht aufhalten, w i e ein zeitkritischer Beobachter feststellte. A u c h i m Sport nicht. D i e Leichtathletik-Europamei- sterschaft, die i n der letzten Augustwoche in Split stattfand, w a r für die beiden deutschen Mannschaften eine A r t v o n Abschiedsver- anstaltung. Sie traten z u m G l ü c k das letzte M a l getrennt auf. W i r sehen: D i e Fahne und die Freude, der Stolz auf den Erfolg u n d die Begeisterung der Menschen, die zuschauen, g e h ö r e n z u den sportlichen W e t t k ä m p f e n u n d sind eine B e w ä h r u n g s p r o b e für ritterli- ches Verhalten auch i m Leistungssport. Aber sie sind auch - i m Falle Deutschlands ganz besonders - ein Teil des Prozesses der natio- nalen Identität u n d der Begegriung der Völker u n d N a t i o n e n i m f r i e d l i c h e n W e t t b e - werb. W e r n e r M ü h l b r a d t

Petition - ein möglicher Rechtsweg

1989 sind 13 607 Eingaben im Deutschen Bundestag eingegangen

Wer hat sich nicht schon einmal durch Entscheidungen v o n B e h ö r d e n ungerecht behandelt gefühlt. Es kommt auch vor, d a ß ein entsprechender Bescheid lange auf sich warten läßt. Verwaltungsentscheidungen m ü s s e n eine Rechtsbelehrung ü b e r d e n Rechtsweg enthalten. W i r d ein Rechtsbehelf eingelegt, so ü b e r p r ü f e n die n ä c h s t h ö h e r e B e h ö r d e u n d das Verwaltungsgericht das Handeln der Verwaltung.

Es gibt jedoch noch emen anderen W e g ,

Belehrungen fallen nicht darunter. A u c h darf i m Rahmen einer z u l ä s s i g e n Petition nichts Verbotenes gefordert werden.

Über die eingereichten Petitionen beschließt der P e t i t i o n s a u s s c h u ß . D i e A n t r ä g e dieses Ausschusses werden d e m P l e n u m z u r Be- s c h l u ß f a s s u n g ü b e r w i e s e n . N a c h A b s c h l u ß des Verfahrens erhält die betreffende Person v o n der P r ä s i d e n t i n des Deutschen Bundes- tages eine Mitteilung d a r ü b e r , welcher Be- s c n l u ß ü b e r die Petition gefaßt w u r d e . Der

Amateure mit Gespür für Realitäten

Volkskammerabgeordnete wollen einen Teil ihrer Diäten spenden

Z w e i Monate lang - v o m 4. Oktober bis 2.

Dezember - werden die 144 ehemaligen Volkskammerabgeordneten als nachgewählte Bundestagsabgeordnete sich als „Kapitali- sten" fühlen k ö n n e n : Die monatlichen Diä- ten werden v o n 5900 auf 14 495 D M steigen.

Es ehrt die Neu-Parlamentarier, d a ß ihnen das peinlich ist u n d sich die S P D - u n d C D U - Abgeordneten mit dem Gedanken tragen, den Unterschiedsbetrag für Hilfsprojekte z u spenden. W e n n alle mitmachen, ergibt das einen Gesamtbetrag v o n 2 475 360 D M .

Amateure haben offensichtlich noch ein G e s p ü r für die Realitäten, dafür, d a ß eine durch 40jährige SED-Zwangsherrschaft ver- unsicherte u n d verarmte Bevölkerung, die sich g r o ß e Sorgen u m die Sicherung des Lebensstandards macht, kein Verständnis für g r o ß z ü g i g e Selbstbedienung der Volksver- treter hat. Es ist ein Glück, d a ß es i n der Volkskammer i n Ostberlin so viele Amateu- re gibt.

Wie w ä r e es, wenn die Profis in Bonn dem Beispiel der Amateure folgten? Wenigstens für z w e i Monate! K e i n Bundestagsabgeord- neter m ü ß t e am Hungertuch nagen, wenn er i m Oktober u n d November mit nur knapp 41 Prozent seiner normalen Bezüge a u s k ä m e . Bei 519 Bundestagsabgeordneten k ä m e i n z w e i Monaten ein Betrag v o n 8 921 610 D M z u s a m m e n , alle 663 A b g e o r d n e t e n w ü r d e n knapp 11,4 M i l l i o n e n D M aufbrin- gen - viel Geld für die Finanzierung wichti- ger Hilfsprojekte i n Mitteldeutschland.

A l l e Bundestagsabgeordneten k ö n n t e n mit einer derartigen Geste den Bürgern i n Ge-

samtdeutschland zeigen, d a ß sie sich nicht nur bei Abstimmungen ü b e r D i ä t e n e r h ö h u n - gen schnell einig sind.

Dann w ä r e dies eine fast beispiellose par-

sein Recht z u suchen. Das Grundgesetz der entsprechende Bescheid ist i n der Regel mit Bundesrepublik Deutschland garantiert je- G r ü n d e n versehen.

d e m Bürger das Recht, sich schriftlich mit Im Jahre 1989 sind beim P e t i t i o n s a u s s c h u ß einer Bitte oder einer Beschwerde an die des Deutschen Bundestages insgesamt 13 607 V o l k s v e r t r e t u n g (Deutscher B u n d e s t a g , Petitionen eingegangen. Der Schwerpunkt Landtage) z u wenden (Petitionsrecht). Beim der Eingaben, die sich für eine parlamenta- Deutschen Bundestag i n Bonn werden Peti- rische P r ü f u n g eigneten, lag i m Bereich des tionen i n einem besonderen A u s s c h u ß , dem Bundesministers für Arbeit u n d Sozialord- Petitionsausschuß behandelt. Diesem A u s - nung mit 37,08 Prozent. H a u p t s ä c h l i c h be- s c h u ß sind durch Gesetz bestimmte Befug- Schwerfen sich die B ü r g e r ü b e r die K ü r z u n g nisse e i n g e r ä u m t worden. So kann der Peti- oder den Wegfall bestimmter Leistungen nach t i o n s a u s s c h u ß v o n der Bundesregierung u n d dem Gesundneitsreformgesetz.

v o n den z u s t ä n d i g e n Behörden A u s k ü n f t e A l l e r d m g s m u ß t e sich der Petitionsaus- fast verlorengegangenen Solidargemeinschaft

zwischen Bevölkerung u n d den Politikern förderlich sein k ö n n t e , sondern auch jenen u n e r l ä ß l i c h e n nationalen Z u s a m m e n h a l t steigerte, der ia letztlich Ziel u n d Zweck des Zusammenschlusses v o n West- u n d Mittel- deutschland war u n d ist. Siegfried Löffler

Einrichtungen verlangen. Der A u s s c h u ß darf auch Zeugen u n d S a c h v e r s t ä n d i g e a n h ö r e n . Eine Petition wegen einer Bitte oder Be- schwerde ist formlos einzureichen. Sie ist an keine Frist gebunden. D i e Eingabe m u ß aber in jedem Fall eine Bitte oder eine Beschwer- de beinhalten. Mitteilungen, V o r w ü r f e u n d

lamentarische Tat, die nicht nur der mitunter einholen, A k t e n anfordern u n d Zutritt z u s c h u ß auch mit ausgefallenen A n l i e g e n be-

c fassen. W i e aus d e m Jahresbericht der Bun- d e s t a g s p r ä s i d e n t i n hervorgeht, wandte sich eine Berlinerin an den P e t i t i o n s a u s s c h u ß . Sie hatte unter starkem A l k o h o l e i n f l u ß für die Heirat ihres Sohnes bei einem Partyservice für „800 000 M i l l i a r d e n D M " ein Hochzeits- m e n ü bestellt. D i e Frau w a r besorgt, ihr Angebot k ö n n e v o m Lieferanten tatsächlich akzeptiert werden. V o n dieser Sorge, so heißt es i m Jahresbericht, habe die Petentin befreit werden k ö n n e n . Sie sei darauf aufmerksam gemacht w o r d e n , d a ß der U m f a n g ihres Auftrages ausreichen w ü r d e , „ s ä m t l i c h e E r n ä h r u n g s p r o b l e m e der Dritten Welt z u lösen u n d somit auch die Lieferkapazität des Partyservices hoffnungslos ü b e r s t e i g e " . Da sich die Petentin nicht wieder meldete, ver- mutete der Petitionsausschuß i n dem Bericht, d a ß sich das Problem „ d e m n a c h i n emen kuhnarischen A l p t r a u m verflüchtigt" habe.

Dieser Fall w u r d e in dem Bericht aufgeführt, u m z u zeigen was sich nicht zur parlamen- tarischen Beratung i m P e t i t i o n s a u s s c h u ß eignet.

Nicht behandelt werden k ö n n e n v o m Pe- t i t i o n s a u s s c h u ß des Deutschen Bundestages Anliegen, die i n die Z u s t ä n d i g k e i t der Bun- d e s l ä n d e r fallen. Solche Eingaben werden dann v o m P e t i t i o n s a u s s c h u ß automatisch an die entsprechenden Stellen der L ä n d e r p a r - lamente weitergeleitet. A d o l f W o l f

Wie

ANDERE es sehen:

Lafontaine auf dem W e g zur

Wiedervereinigung

Zeichnung aus

„Die Welt7 ,

(5)

15. September 1990 - Folge 37 - Seite 5

Zeitgeschichte:

Roosevelt und die katholischen Bischöfe

Eine „antipreußische" Einstellung sicherte oft den Neuanfang einer politischen Karriere

Wie man weiß, haben die Amerikaner kurz nach der Einnahme M ü n c h e n s K a r d i n a l Faulhaber aufgesucht, u m sich nach einem geeigneten Kandidaten für das Ministerprä- sidentenamt in Bayern z u erkundigen. Der ihnen empfohlene Fritz Schäffer wurde dann auch tatsächlich von den amerikanischen Besatzern z u m ersten bayerischen Regie- rungschef ernannt und regierte den Freistaat bis z u seiner Amtsenthebung. Was sich auf Landesebene vollzog, wiederholte sich auf der Ebene der Gemeinden und Kreise. Die amerikanischen Ortskommandanten holten sich vor der Ernennung neuer Bürgermei- ster jeweüs bei den Pfarrern Rat und folgten den ihnen gegebenen Empfehlungen. U n d w o sie sich auf ihren eigenen politischen Spürsinn verließen, konnte es vorkommen, d a ß sie auf politische Schwindler hereinfie- len und zweifelhafte Existenzen z u Bürger- meistern machten. Eine mittelbayerische Stadt an der Donau wurde durch eine solche Fehl- besetzung landesweit bekannt.

Daß sich die Amerikaner bei ihren Perso- nalentscheidungen mit V o r z u g an die B i - schöfe u n d Pfarrer wandten, ging i m we- sentlichen auf die E i n f l u ß n a h m e dreier M ä n n e r zurück: auf Papst Pius XII., den Erz- bischof von N e w York u n d amerikanischen Müitärbischof, Francis J. Spellman, und den Bischof von Fort Wayne (Indiana), John N o l l . Das bezeugen soeben ausgewertete Akten der Roosevelt-Forschungsstätte in N e w York.

Sie finden sich i n den „Persönlichen Papie- ren" F. D . Roosevelts und liegen in Fotoko-

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>ie der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle ngolstadt vor.

Danach nutzte Pius XII. die Entsendung eines „Persönlichen Vertreters" des US-Prä- sidenten beim Heiligen Stuhl für wiederhol- te Interventionen zugunsten des deutschen Volkes und ließ der amerikanischen Regie- rung sowie den amerikanischen Bischöfen Predigten deutscher Kirchenführer vermit- teln. So machten in Washington schon in den früheren vierziger Jahren Ansprachen der Bischöfe v o n Trier u n d M ü n s t e r die Runde und untermauerten das, was Erzbi- schof John N o l l von Fort Wayne in einem persönlichen Brief am 8. November 1944 an P r ä s i d e n t Roosevelt schrieb, nämlich d a ß

„ K a r d i n a l F a u l h a b e r u n d d i e Bischöfe Deutschlands dafür bekannt" seien, „Anti- N a z i und antipreußisch eingestellt" z u sein.

Weil dem so sei, empfahl der Oberhirte von

Rumänien:

Wie ANDERE es sehen:

Alles i m Fluß

Fort Wayne seinem Präsidenten, so bald wie möglich „einen freundlichen Emissär" zur katholischen K i r c h e i n Deutschland z u schicken, u m „keinen weiteren Ärger mit Deutschland" mehr z u haben.

Wenn Erzbischof N o l l seinen deutschen A m t s b r ü d e r n „antipreußische Einstellung"

als besonderes Merkmal bescheinigte, dann mit Rücksicht auf die mülionenstarke polni- sche Lobby in den U S A , welche den „häßli- chen Deutschen" vornehmlich mit dem

„ P r e u ß e n " gleichsetzte und mit dieser Identifikation schon bis hinein in das Weiße Haus das Bild von den Deutschen vorge- p r ä g t hatte. Bekanntlich wollte Präsident Roosevelt Preußen nach dem Krieg „unter besonders strenge Bestimmungen" stellen, da er es als „ H o r t des Müitarismus und des Imperalismus" betrachtete. Die Zerschlagung des Freistaates Preußen und seine Auflösung i n die „ B i n d e s t r i c h - L ä n d e r " N o r d r h e i n - Westfalen, Schleswig-Holstein und Rhein- land-Pfalz in den westlichen Zonen waren noch Auswirkungen dieses antipreußischen Affekts der Anglo-Amerikaner.

Erzbischof N o l l , i n dessen Diözese H u n - derttausende von polnisch-stämmigen K a - tholiken lebten, m u ß t e diese ü b e r k o m m e n e p o l n i s c h - p r e u ß i s c h e Feindschaft b e r ü c k - sichtigen. Dazu kam, d a ß sich die Polnisch- Amerikaner damals z u hohen Prozenten als Parteigänger der regierenden Demokraten profilierten, worauf John N o l l in seinem Brief

Stürzten die Sowjets Ceausescu?

Securitate-Mitarbeiter noch ungehindert in Staatsbehörden tätig

Wie aus gut unterrichteten Kreisen i n R u - m ä n i e n bekannt wurde, soll der sowjetische Geheimdienst, K G B , am Sturz Ceausescus beteiligt gewesen sein. Augenzeugen be- richteten, Anfang November 1989 seien in Siebenbürgen z w e i Z ü g e mit KGB-Agenten angekommen. Die KGB-Leute hätte man mit Bussen in Richtung Klausenburg, Temesch- war und Bukarest gebracht. KGB-Agenten sollen dann das G e r ü c h t verbreitet haben, Pfarrer Tökes solle verhaftet werden. A u f diese Weise sei die Bevölkerung aufgewie- gelt worden.

Verschiedene Kreise in R u m ä n i e n nehmen an, d a ß Iliescu v o m K G B eingesetzt wurde.

A n der Vorbereitung des Putsches soll der frühere r u m ä n i s c h e Innenminister beteiligt

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ewesen sein, der einen Dissidenten nach loskau schickte, u m Instruktionen einzu- holen. Die Instruktionen seien jedoch nicht an den früheren r u m ä n i s c h e n Innenminister, sondern an Iliescu geleitet worden. Iliescu soll sich w ä h r e n d dieser Zeit in der sowjeti- schen Botschaft i n Bukarest aufgehalten ha- ben. Es wurde beobachtet, wie Iliescu mit vier weiteren Limousinen die sowjetische Botschaft in Bukarest verließ.

V o n der r u m ä n i s c h e n Regierung wurde die Auflösung des gefürchteten rumänischen Geheimdienstes, Securitate, verkündet. Nach zugegangenen Informationen arbeitet die Securitate aber ungehindert weiter. N a c h einer Geheimverordnung des r u m ä n i s c h e n Innenministeriums wurden die Angehörigen der Securitate auf verschiedene Bereiche verteilt, w o sie verdeckt weiter arbeiten.

So sollen 1700 Securitate-Agenten z u m r u m ä n i s c h e n Z o l l versetzt worden sein.

Weitere 900 wurden als Studenten registriert.

Sie nehmen ihre bisherigen Aufgaben weiter konspirativ wahr. Offiziell wurde in Rumä- nien ein A m t für innere Sicherheit eingerich- tet. V o n dort sollen die verdeckt arbeitenden Securitate-Agenten geführt werden. A u c h besteht nach wie vor m Rumänien eine K o n - trolle des Postverkehrs durch eine neu ein- gerichtete Zensurbehörde. Die Kontrolle der Briefe zeigt sich daran, d a ß heute ein Brief aus Rumänien 20 Tage benötigt, u m in die Bundesrepublik zu gelangen. Chef der neuen Z e n s u r b e n ö r d e ist General Eichmann. Diese neue Ü b e r w a c h u n g s b e h ö r d e soll mit mo- dernen technischen Hilfsmitteln ausgestat- tet werden.

Wer heute nach Rumänien reist, sollte sich vor Augen halten, d a ß der rumänische Ge- heimdienst Securitate weiter arbeitet. U m Erpressungsversuche durch die Securitate auszuschließen, sollte man sich strikt an die r u m ä n i s c h e n Gesetze halten. A u c h sind Anbahnungsversuche anderer A r t nicht auszuschließen.

Wer nach einer Rumänienreise glaubt, mit dem Geheimdienst Securitate in Verbindung gekommen z u sein, sollte sich nach der Rückkehr in die Bundesrepublik an die z u - ständige Verfassungsbehörde wenden. N u r auf diese Weise kann eine drohende nach- richtendienstliche Verstrickung verhindert werden. A d o l f W o l f

Zeichnung aus

„Die Welt7,

auch Bezug nimmt. Der andere einflußrei- che Kirchenführer, der N e w Yorker Erzbi- schof u n d nachmalige K a r d i n a l Francis Spellman, hat nicht nur seinen drei deut- schen A m t s b r ü d e r n Frings, von Galen und von Preysing ein Sonderflugzeug der ameri- kanischen Armee zur Kardinalserhebung i n Rom zur Verfügung gestellt, sondern auch dafür gesorgt, d a ß die Westdeutschen i m Bischof von Fargo, Aloysius M ü n c h , als Apostolischen Visitator einen Anwalt ihrer kulturellen Anliegen bekamen. Ü b e r d i e s stand Spellman im engen Austausch mit dem Persönlichen Vertreter des amerikanischen Präsidenten beim Heüigen Stuhl, M y r o n C.

Taylor, der in seiner Biscnofsstadt (New York 71 Broadway) seinen privaten Wohnsitz hat- te.

Beide, Taylor wie Spellman, hegten große Hochachtung vor dem Münchener Erzbischof K a r d i n a l Faulhaber, dem auch Pius XII.

freundschaftlich verbunden war, wie es auch eine enge persönliche Beziehung zwischen dem Münchener Oberhirten und dem Erzbi- schof von Chicago, Kardinal George M u n - delein, gab. Dieser war wiederum ein per- sönlicher Freund Präsident Roosevelts und hat die katholische Kennedy-Familie i m Weißen Haus empfohlen. Joseph Kennedy bestärkte seinerseits F. D . Roosevelt, einen persönlichen Vertreter z u m Papst z u schik- ken und die seit dem letzten Jahrhundert unterbrochenen Verbindungen zwischen Washington und Rom wieder neu z u k n ü p - fen.

So hatten die katholischen Bischöfe Ame- rikas auf Roosevelt und seine Politik nach den Zeugnissen nunmehr freigegebener Dokumente einen ungleich größeren Einfluß als die Trennung von Kirche und Staat und der Konfessionen-Pluralismus in den U S A bisher vermuten ließen. Alfred Schickel

Memelland:

Georgien:

Stalins Enkel wählen

A m 28. Oktober finden in der Sowjetre- publik Georgien die ersten demokratischen Wahlen statt. Sie werden v o m „ R u n d e n Tisch", der „Organisation zugunsten demo- kratischer Wahlen in Georgien", dem „Hel- sinki-Verband" sowie einem „Koordinati- onszentrum" vorbereitet.

Die „Organisation", an deren Spitze der p o p u l ä r e Wissenschaftler Schawischwili Stent, versucht, die gemäßigten politischen und nationalen Gruppen unter einen Hut z u bringen. Sie hat aucn ein neues Wahlrecht vorbereitet, das der georgische „Oberste Sowjet" noch bestätigen m u ß .

Natürlich sind da noch die Kommunisten, die sich nach Angaben des Sekretärs für ideologische Fragen, Washa Gurgienidse, geläutert haben, eine Loslösung Georgiens von M o s k a u fordern und sich 40 bis 60 Prozent der Stimmen ausrechnen! „Die Op- position ist nicht unser Feind", erklärte er einer polnischen Zeitung. A u c h ein neues Parlament wird es nicht leicht haben in dieser Republik mit fünf Millionen Einwohnern.

Rund 70 Prozent der Einwohner sind Geor- gier, der Rest sind meistens hier zwangsan- gesiedelte andere Minderheiten wie Osseten, Armenier, Aserer, Abchsen, Juden, Russen, Ukrainer und sogar Griechen.

Obwohl Stalin, der einst Dschugaschwili hieß, i m georgischen Gori geboren ist, war die Russinzierung hier enorm. Schawischwili weist darauf hin, d a ß die Industrialisierung meist ein Vorwand für die Russifizierung war. Ein Beispiel: In Tiflis wurde eine Weberei eingerichtet und dorthin dann 2000 junge Russinnen verbracht. Alexander Russietzkij von der „Nationalen Eintracht" erklärte, dafs die nationalen Konflikte von Moskau hoch- gespielt werden und es mehr Beispiele des guten Zusammenlebens zwischen den M i n - derheiten als Konflikte gibt.

Der Vorsitzende des „Helsinki-Verbandes", der Schriftsteller Swiad Gamshadarie, der als erster Präsident eines freien Georgiens gehandelt wird, ist der Meinung, d a ß die Konflikte weiterhin von Moskau angeheizt werden: A n g e h ö r i g e der M i n d e r h e i t e n w ü r d e n weiterhin bei der Zuteilung von Wohnungen sowie am Arbeitsplatz bevor- zugt. Es gebe zudem eine eigene Mafia, die eng mit der alten Nomenklatura verknüpft sei und auch die Wirtschaft des Landes be- einflusse. Sie versuche zunehmend die U n - abhängigkeitsbewegung z u unterwandern.

Im extremen „Koordinationszentrum" habe sie gar die Oberhand. Sie verfüge zudem über eigene gutbewaffnete Terrorbanden, die von der Polizei u n d dem K G B gedeckt w ü r d e n . In einigen Regionen Georgiens gebe es sogar einen richtigen „Minderheitsfa- schismus". Nicht nur seiner Meinung nach befindet sich Georgien vor einem Bürgerkrieg.

Insofern halten es viele Oppositionelle nicht für ausgeschlossen, d a ß sich die Kommuni- sten als Ordnungsfaktor anbieten und bei den W a h l e n gut abschneiden w e r d e n . Gamshadurie wollen folglich die K o m m u - nisten erst dann z u den Wahlen zulassen, wenn sie sich offiziell von der K P d S U tren- nen. Joachim Georg Görlich

Wilna öffnet die Kurische Nehrung

Litauischer Alleingang mit Verteidigungsministerium nicht abgestimmt

Die Regierung der baltischen Republik Litauen hatjetzt den unter ihrer Verwaltung stehenden Teil der Kurischen Nehrung für den touristischen Verkehr freigegeben. Der Regierung in Wilna untersteht der nördliche Teü der langgestreckten Halbinsel zwischen Nidden und dem Memeler Tief. Er war, wie der von Rußland verwaltete Süd teil, seit Kriegsende militärisches Sperrgebiet. Zur Zeit Hegt jedoch noch keine Stellungnahme des sowjetischen Verteidigungsministeriums vor, so d a ß die Wirksamkeit dieser Entscheidung erst abgewartet werden sollte.

Angesichts des Beispiels Königsberg, w o ebenfalls die örtlichen zivilen Instanzen eine Öffnung der Stadt i m Alleingang verkün- deten, m u ß an der Endgültigkeit des Wilnaer Entschlusses vorerst gezweifelt werden. In Königsberg hatte das Moskauer Verteidi- gungsministerium die Öffnung der Stadt hintertrieben, woraufhin bis jetzt unklar blieb, ob die ostpreußische Metropole nun wirklich und endgültig zugänglich ist oder nicht.

Die Kurische Nehrung gehört zu einer der reizvollsten Landschaften Deutschlands. Die jetzt von dem Öffnungsbeschluß betroffene

nördliche Hälfte war als Bestandteil des so- genannten Memellandes 1920 dem Deutschen Reich ohne Volksabstimmung entrissen worden. Bis 1923 stand es unter der Verwal- tung des Völkerbundes. Dann besetzte die junge litauische Republik das deutsch be- siedelte Gebiet, vor allem u m mit Memel einen „eigenen" Seehafen zu bekommen. Im Jahre 1939 besetzte wiederum die Wehrmacht unter dem Jubel der einheimischen Bevöl- kerung das Memelland und gewann es für Deutschland zurück. Nach dem Kriege wurde das Gebiet, durch M o r d , Flucht und Ver- treibung von seiner deutschen Bevölkerung weitgehend entblößt, unter die Verwaltung der Litauischen Sowjetrepublik gestellt.

Erst i n der letzten Zeit wurde es der deutschen Restbevölkerung ermöglicht, sich in einer eigenen Vereinigung zusammenzu- finden, u m ihre Kultur und Sprache wieder zu pflegen. Der Entschluß zur Öffnung der Kurischen Nehrung sollte jedoch auch als Signal der litauischen Regierung gewertet werden, die Beziehungen z u Deutschland und zu den Deutschen - hier und dort - z u verbessern. H . T.

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