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Archiv "Patientenverfügungen: Vorrang der Autonomie" (10.06.2005)

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er Wunsch der Regierungsspitze, die Bundestagswahl von 2006 auf diesen Herbst vorzuziehen, bleibt nicht ohne Einfluss auf die Diskussion um Patientenverfügungen. In einer Zeit vieler politischer und verfassungsrecht- licher Fragezeichen ist zumindest klar:

Die geplante gesetzliche Regelung zu Patientenverfügungen wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr zustande kommen. Die Bemühungen um einen Gruppen-Gesetzentwurf, der einen Kontrapunkt zu dem von Joachim Stün- ker (SPD) verfassten und an die Vorstel- lungen von Justizministerin Brigitte Zy- pries angelehnten Gesetzentwurf bilden sollte, wurden vorerst abgebrochen.

Nichtsdestotrotz stellte am 2. Juni ein weiteres Gremium seine Überlegungen zu Patientenverfügungen vor. Der von Bundeskanzler Gerhard Schröder 2001 eingesetzte Nationale Ethikrat sprach sich in seiner Stellungnahme „Patien- tenverfügung – Ein Instrument der Selbstbestimmung“ für eine nahezu un- begrenzte Reichweite und Verbindlich- keit von Willensbekundungen von Pati- enten aus. Die Gültigkeit von Verfügun- gen soll nach Ansicht des „ganz über- wiegenden Teils“ der Mitglieder nicht an einen irreversibel zum Tode führen- den Krankheitsverlauf gebunden sein.

Dies hatte die Enquetekommission

„Ethik und Recht der modernen Medi- zin“ im August 2004 vorgeschlagen.

Nach deren Mehrheitsvotum sollte zu- dem vor dem Unterbleiben einer ärztli- chen Maßnahme immer ein Vormund- schaftsgericht entscheiden.

Einen solchen Passus findet man in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrates nicht. Sie weist vielmehr auf Parallelen zu den Gesetzentwürfen von Zypries und Stünker hin. Eine entschei- dungsfähige Person müsse das Recht haben, in einer Patientenverfügung

Festlegungen für oder gegen eine späte- re medizinische Behandlung zu treffen, unterstrich Prof. Dr. Spiros Simitis, Vor- sitzender des Nationalen Ethikrates, das Votum des Gremiums. Keinesfalls gelte dies jedoch für Maßnahmen der aktiven Sterbehilfe. Deren Verbot dürfe nicht infrage gestellt werden.

Mehrheitlich ist der Nationale Ethik- rat der Auffassung, dass eine Patienten- verfügung für Ärztinnen und Ärzte so- wie Pflegepersonal verbindlich sein soll. Auch für Betreuer oder Bevoll- mächtigte soll die Verfügung verbind- lich sein, und zwar selbst dann, wenn aus deren Sicht die Entscheidung nicht dem Wohl des Patienten entspricht. Ein Vormundschaftsgericht soll nur einge- schaltet werden, wenn Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Verwendung der Patientenverfügung durch Bevoll- mächtigte oder Betreuer bestehen oder es zu Meinungsverschiedenheiten mit Ärzten und Pflegekräften kommt.

Freiräume statt Vorgaben

Der Nationale Ethikrat empfiehlt den Patienten, sich vor dem Abfassen einer Verfügung fachkundig beraten zu las- sen und für deren Aktualität zu sorgen.

Beides sollte nach Ansicht der Mehr- heit jedoch nicht gesetzlich vorgeschrie- ben werden. Mit Blick auf zunehmende Demenzerkrankungen soll ein künfti- ges Gesetz ferner klarstellen, dass An- zeichen von Lebenswillen bei einem entscheidungsunfähigen Patienten eine Verfügung aufheben. Bindend soll diese nur sein, wenn sie nach Beratung schriftlich abgefasst wurde, die medizi- nische Entscheidungssituation „hinrei- chend konkret“ beschreibt und Anzei- chen des Lebenswillens definitiv als Entscheidungsgrundlage ausschließt.

Wie auch immer ein Gesetz zu Pati- entenverfügungen ausfallen wird, kei- nen Zweifel lässt der Nationale Ethik- rat daran, dass er eine gesetzliche Rege- lung als dringlich ansieht. „Man kann in dieser Frage inhaltlich unterschiedli- cher Meinung sein, aber nicht gegen ei- ne Regelung“, sagte Simitis. „Der Ge- setzgeber kann nicht weiter abwarten.“

Nach Ansicht des Gremiums sollten gleichzeitig die Kompetenzen von Be- treuern und Bevollmächtigten gesetz- lich präzisiert werden. Sie sollen legiti- miert werden, die in einer Patientenver- fügung festgelegten Behandlungsmo- dalitäten durchzusetzen. „Liegt keine Verfügung vor, muss immer für das Le- ben entschieden werden“, erklärte Ratsmitglied Prof. Dr. med. Eckhard Nagel. Die Entscheidungsbefugnisse des Bevollmächtigten sollen sich aus der schriftlichen Vollmacht ergeben.

Inwieweit das Votum des Ethikrates die Gesetzgebung im Falle von Neu- wahlen beeinflussen wird, ist unklar.

Viele Unions-Politiker machen keinen Hehl daraus, dass sie gut auf das als

„Organ der Regierung“ bezeichnete und „nicht demokratisch legitimierte Gremium“ verzichten könnten. Der stellvertretende Enquete-Vorsitzende, Hubert Hüppe, bezeichnete das jetzt vorgelegte Papier zu Patientenverfü- gungen als „überflüssig“. „Auch die Neukonstituierung des Gremiums soll- te besser vertagt werden“, sagte er ge- genüber dem Deutschen Ärzteblatt.

Auf jeden Fall wird sich der Rat je- doch am 23. Juni in Berlin zusammenfin- den, um sich nach dem Ausscheiden von zwei Mitgliedern für weitere vier Jahre zu konstituieren. „Wir verkennen nicht die Situation, dass wir von der Bundes- regierung eingesetzt sind“, sagte Simitis.

Sie entscheide über Weiterarbeit oder Auflösung. Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 2310. Juni 2005 AA1633

Patientenverfügungen

Vorrang der Autonomie

Der Nationale Ethikrat votiert gegen enge Regelungen bei Patientenverfügungen. Die Zukunft des Gremiums ist durch

die angekündigten Neuwahlen allerdings ungewiss.

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