A 184 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 5|
1. Februar 2013IGEL
Individuelle Gesund- heitsleistungen sind Gegenstand heftiger Diskussionen (DÄ 46/2012: „Deu- tungshoheit zurück- gewinnen“ von Thomas Gerst und DÄ 44/2012: „Ärzte rücken ihr Bild gerade“ von Heike Korzi- lius).
Die Sicht des Patienten
Herr Gerst hat recht. Aber sollte man die Messlatte des belegten Nutzens nicht auf die ganze Medi- zin anlegen? Woblieben dann Ho- möopathie, Akupunktur, Psychothe- rapie? Wie evidenzbasiert ist der Placeboeffekt? Und worin besteht der Nutzen von Therapie über- haupt? Wie kann ich ihn beweisen?
Doppelblind-endpunktorientiert?
Aber was hat der einzelne Patient davon, der konkret in seiner Krank- heit Hilfe erwartet? Vor vielen Jah- ren, als es noch kaum Bypässe und keine Stents gab, nahm ich einem schwerkranken Herzpatienten Blut ab, um die Herzchemie zu überprü- fen. Er sagte: „Vielen Dank, Herr Doktor, so gut hat mir noch keine Spritze geholfen!“
Evidenzbasiert habe ich falsch ge- handelt und eine Fehleinschätzung nicht korrigiert.
Ich bin aber dem lieben Gott heute noch dankbar, dass er mich so ärzt- lich richtig handeln ließ.
Dr. med. Constantin Röser, 53474 Bad Neuenahr
Gestörtes
Vertrauensverhältnis
In der Tat sind altruistische Aspekte in der Berufswahl des Mediziners und der Wille, sich mit Empathie seinem Gegenüber zu widmen und sich für seine Patienten einzusetzen integrale Persönlichkeitsbestandteile im Schaffen von Ärztinnen und Ärz- ten. Es verärgert mich jedoch, wenn dieses Engagement die Basis bildet, einer ganzen Berufsgruppe abzuver- langen, dass sie ihre Leistungen im GKV-System zu „Schleuderpreisen“
anbieten muss . . . Die mageren Ho- norare in der Basisversorgung ma- chen eine Querfinanzierung der Pra- xisliquidität durch PKV-Patienten und IGeL-Leistungen zwingend not- wendig – ansonsten wären meines Erachtens ein großer Teil der Praxen am Rande der Insolvenz oder hätten erheblichen Investitionsstau.
IGeL-Angebote sollten natürlich mit dem Patienten besprochen und
vertraglich vereinbart werden. Evi- denz hin oder her – man wird sich auch in Zukunft über die Sinnhaf- tigkeit von IGeL-Angeboten lange streiten können. Meiner Meinung nach sollte jedoch der Bürger nicht ständig durch staatliche Reglemen- tierung entmündigt werden. Zumin- dest in den zahlreichen Ballungs- räumen unserer Republik hat jeder Patient ein Abstimmungsrecht mit den Füßen, falls er sich bei seiner Ärztin/seinem Arzt nicht mehr gut aufgehoben fühlt.
Die ständigen Diskussionen um die- ses Thema, oftmals aus Kreisen der GKV-Führungsspitzen angeregt, wobei diese durch unverhältnismä- ßige Budgetierung und Streichung von Leistungen an diesem Phäno- men ursächlich selbst beteiligt sind, richten erheblichen Schaden im Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient an. Leider fallen die Diffamierungskampagnen auch oft auf fruchtbaren Boden, da diese das vermeintliche Gefälle „Klein gegen Groß – Patient gegen Arzt“ nähren – wobei die Ärzte in diesem Spiel durchaus die „Kleinen“ sind und mit dem Patienten in einem Boot sitzen, gegenüber einem übermäch- tigen GKV-Apparat.
Carsten Braun, 45879 Gelsenkirchen
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I h G D 4 t g Thomas GerstundD
KLINI SC HE STUDIEN
Der Arbeitskreis me- dizinischer Ethik- Kommissionen übt Kritik an einem Ent- wurf der Europä - ischen Union (DÄ 47/2012: „Rückfall in vergangene Zeiten“ von Gisela Klink- hammer).
Ethische Prüfung bleibt erhalten
Als akademische klinische For- schungsorganisation betreut das Hannover Clinical Trial Center auf dem Campus der Medizinischen Hochschule Hannover internationa- le klinische Studien, zum Beispiel bei seltenen Erkrankungen oder pädiatrisch -hämatologischen Leu- kämien. Wir begrüßen sehr, dass
jetzt Ansätze entwickelt werden, die Durchführung multinationaler Stu- dien in der EU zu harmonisieren.
Ich hatte Gelegenheit, an einer Ver- anstaltung des European Forum for Good Clinical Practice in Brüssel teilzunehmen, an der neben Vertre- tern der EU auch zahlreiche Vertre- ter verschiedener nationaler Ethik- kommissionen teilnahmen. Der Ver- treter der EU führte dabei sehr klar aus, dass die neue Regulation auf dem Boden der Deklaration von Helsinki und ICH-GCP steht. Kei- nesfalls sei daran gedacht, die dan- kenswerten Aufgaben der Ethik- kommissionen im Rahmen einer klinischen Prüfung zu verringern, gar abzuschaffen. Da aber die Ar- beit einer nationalen Ethikkommis- sion entsprechend nationalem Ge- setz geregelt ist, kann hier die EU keine Vorgaben machen. Vielmehr
wurde klargestellt, dass es nach Vorgabe der neuen Regulation Auf- gabe der einzelnen Mitgliedstaaten sein soll, die Zusammenarbeit zwi- schen Behörde und Ethikkommissi- on im Rahmen einer klinischen Stu- die zu regeln. Vonseiten der Patien- tenvertreter, die gerade im Hinblick auf seltene Erkrankungen von mul- tinationalen Studien profitieren, wurde angeführt, dass es schwer zu verstehen ist, dass zum Beispiel in Deutschland mehr als 50 Ethikkom- missionen oder in Italien gar 1 200 Ethikkommissionen ethische As- pekte einer klinischen Studie beur- teilen. Man hätte sich eher vorge- stellt, dass es in Europa einheitliche ethische Standards zur Durchfüh- rung klinischer Studien gibt.
Prof. Dr. Heiko von der Leyen, Geschäftsführer/
CEO, Hannover Clinical Trial Center GmbH, 30625 Hannover
SC S
D d K K w i 4 in vergangene Zeiten