Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 44|
5. November 2010 783M E D I Z I N
DISKUSSION
Urteil von gesetzlich Versicherten
Mit ihrer Arbeit legen die Autoren einige interessante Daten und Deutungen vor, vermeiden es aber offen- sichtlich, einen wesentlichen Umstand zu interpretie- ren:
Die gegenüber anderen Ländern höhere Unzufrie- denheit deutscher Patienten mit dem Gesundheitswesen korreliert mit dem (statistischen) Versichertenstatus.
Mit 11 Prozent Privatversicherten weist Deutschland eine mehrfach geringere Quote Privatversicher- ter auf, als in den anderen Ländern, in denen die glei- chen Befragungen – mit dem Ergebnis höherer Zufrie- denheit – durchgeführt wurden.
Dieser Umstand wird keineswegs dadurch relati- viert, dass die Autoren in einer weiteren Tabelle die Zu- satzversicherungen in Deutschland zu einem scheinbar höheren Prozentsatz Privatversicherter eingerechnet haben. Die Befragung galt überwiegend der Zufrieden- heit mit der ambulanten Versorgung und insofern sind Zusatzversicherungen, die in Deutschland für stationä- re Leistungen angeboten werden, in diesem Zusam- menhang wenig relevant.
Wenn also die überwiegende Mehrheit der in Deutschland Befragten sich für wesentliche, teilweise sogar grundlegende Änderungen im Gesundheitswesen aussprechen, so handelt es sich nach den vorgelegten Daten überwiegend um ein Urteil, das von gesetzlich Krankenversicherten abgegeben worden ist.
Eine genaue Differenzierung der Bewertungen des deutschen Gesundheitswesens nach dem Versicherten- status sollte möglich sein und wäre aufschlussreich.
DOI: 10.3238/arztebl.2010.0783a
LITERATUR
1. Koch K, Schürmann C, Sawicki P: The German health care system in international comparison—a patient perspective. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(24): 427–34.
Dr. med. Jürgen Schmidt Kaiser-Wilhelm-Allee 2a 22926 Ahrensburg
E-Mail: Schmidt-Ahrensburg@t-online.de
Schlusswort
Wir folgen gern der Anregung von Herrn Dr. Schmidt zur genaueren Differenzierung unserer Daten nach der Versicherungsart. In Deutschland sind 38,7 % der privat Versicherten (PKV) der Ansicht, dass alles in allem unser Gesundheitssystem nicht schlecht funk- tioniert und nur Kleinigkeiten zu ändern sind; dies sind bei den rein gesetzlich Versicherten (GKV) mit 22,5 % deutlich weniger, ähnlich wie bei den gesetz- lich Versicherten mit Zusatzversicherung (GKV + ZV) (24,8 %). Grundlegende Änderungen des Gesund- heitssystems halten 41,8 % (PKV), 51,4 % (GKV) und 51,9 % (GKV + ZV) für notwendig. 19,5 % (PKV), 26,1 % (GKV) und 23,4 % (GKV + ZV) mei- nen, dass bei unserem Gesundheitssystem so viel ver- kehrt sei, dass es komplett reformiert werden muss.
Die Qualität ihrer Versorgung in den letzten zwölf Monaten bewerten 53,7 % der PKV-Patienten mit ausgezeichnet oder sehr gut. Dies sind deutlich mehr als bei GKV-Patienten (31,2 %) und bei GKV + ZV- Patienten (42,2 %); als gut bezeichnen es 41 % (PKV), 55,7 % (GKV) und 49,6 % (GKV + ZV). Eine Rolle bei der höheren Zufriedenheit der PKV-Patien- ten könnten kürzere Wartezeiten und frühere Be - handlungstermine spielen. So bekamen PKV- und GKV+ZV-Patienten mit 76 % und 72 % häufiger ei- nen Arzttermin am gleichen oder am nächsten Tag, verglichen mit 56 % der GKV-Patienten. Auf einen Termin beim Facharzt mussten auffällig weniger PKV-Patienten (6,9 %) länger als vier Wochen war- ten, im Vergleich zu 33,2 % (GKV) und 25,5 % (GKV + ZV). Die Einfachheit des Behandlungszu- gangs ist im Notfall, am Wochenende oder an einem Feiertag in Deutschland allerdings unabhängig vom Versicherungsstatus. Den Zugang zur telefonischen häuslichen Beratung bewerten Zweidrittel der Be- fragten als leicht oder sehr leicht, und auch dies unab- hängig von der Versicherungsart.
DOI: 10.3238/arztebl.2010.0783b
LITERATUR
1. Koch K, Schürmann C, Sawicki P: The German health care system in international comparison—a patient perspective. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(24): 427–34.
Prof. Dr. med. Peter T. Sawicki
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Dillenburger Straße 27
51105 Köln
E-Mail: consuela.jacobi-yniguez@iqwig.de
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
zu dem Beitrag
Das deutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich – Die Perspektive der Patienten
von Dr. rer. medic. Klaus Koch, Dr. rer. nat. Christoph Schürmann, Prof. Dr. med. Peter T. Sawicki in Heft 24/2010