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Archiv "Ein Krankenhaus für Schwarze in Südafrika" (23.03.1978)

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Homöopathie

nabaris D.3 oder Kalium bichromic.

D.5, je nach Krankheitsbild — behan- delt. Die auf diese Art gewonnenen Abwehrstoffe bedeuten eine Besse- rung der Konstitution und damit zweifellos auch einen Schutz gegen Neuerkrankungen.

Im übrigen habe ich nie an der

„Wirksamkeit der schulmedizini- schen Behandlungsmethoden" ge- zweifelt; mir ist unklar, wie Herr T. zu dieser irrigen Ansicht kommt. Im Ge- genteil — die schulmedizinischen Mittel wirken durchaus, aber leider ohne zu heilen! Im Gegenteil — in sehr vielen Fällen ist eine längere schulmedizinische Behandlung ein ziemlich sicheres Verfahren, um ei- ne echte Heilung zu verhindern!

Die Entwicklung der Patienten zu oft lebenslangen Konsumenten sehr belastender Arzneistoffe ist eine Er- rungenschaft der modernen Schul- medizin, die sich von dem Ziel einer natürlichen Heilung als Aufgabe ärztlichen Handelns leider mehr und mehr entfernt hat.

Dr. med. Karl v. Petzinger homöopathischer Arzt Kaiserstraße 39 3250 Hameln 1

E

Wie kommt denn dieser ulkige Arti- kel über Homöopathie in Ihre Zei- tung? Ist er im Stadium des Eigen- versuchs bei Einnahme von Barium carb. D 6 oder Bufo rana D 6 ent- standen? Dem Autor scheint weni- ger die Homöopathie, mehr eine ho- möopathische Privatpraxis in der Nachbarschaft ins Auge gestochen

zu haben. — PS: Darf in Ihrer Zeit- schrift jede Meinung veröffentlicht werden? [So was schon; gelegent- lich. Die Red.]

Dr. med. Rasso Schnitzler Badearzt

Raiffeisenhaus 8962 Pfronten

• Die Leserdiskussion über diesen Fragenkomplex ist damit beendet.

BLICK ÜBER DIE GRENZEN

Ein Krankenhaus für Schwarze in Südafrika

Stanley S.

B.

Gilder

Der Verfasser war lange Jahre in London Chefredakteur des World Medical Journal, der Zeitschrift des Weltärztebundes, und darüber hinaus in vielfältiger Weise als Medizinjournalist tätig. Dann brach er seine Zelte in London ab und fing wieder „ganz vorn" an: als Arzt in einem neuen Regierungskrankenhaus in einem Vorort der südafrika- nischen Großstadt Pretoria. Dieser Bericht ist eine Bilanz dieser mehr- jährigen Tätigkeit; Dr. Gilder hat jetzt die Redaktion des südafrikani- schen Ärzteblattes übernommen.

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Nicht viele Ärzte, die für einige Jahre die unmittelbare ärztliche Tätigkeit aufgegeben hatten, erhalten das Pri- vileg, zu ihrer „ersten Liebe" zu- rückzukehren. Nach vielen Jahren als Redakteur einer medizinischen Zeitschrift, während deren ich nur ab und zu Kontakt mit Patienten hat- te, fand ich mich in Südafrika wieder in einer Gruppe von Ärzten in einem neuen und sich entwickelnden Kran- kenhaus. Ich hätte keinen besseren Ort für meinen Neubeginn finden können, da der Patientenkreis riesig war und das Spektrum der Krankhei- ten weit über das europäische hin- ausging. Was hier folgt, ist ein Über- blick über dreijährige Erfahrungen, in denen ich jeden Tag etwas dazu- lernte.

Das Ga-Rankuwa Krankenhaus liegt etwa 30 km von der großen Stadt Pretoria entfernt und wird vom Ge- sundheitsministerium geführt. Es war dazu bestimmt, die neuentstan- dene schwarze Stadt an der Grenze zum zukünftig unabhängigen Bo-

phutatswana mit ärztlicher Hilfe zu versorgen. Es war außerdem als Uni- versitätsklinik für die Ausbildung schwarzer Studenten gedacht. 1973 öffnete es seine Türen, und ich kam einige Monate später, als das Kran- kenhaus sich noch im Aufbau be- fand. Über die ambulante und statio- näre Behandlung hinaus bildete

das Krankenhaus bereits Kran- kenschwestern, Physiotherapeuten, Röntgenassistenten und Labortech- niker aus. Abgesehen von den Ärz- ten und einigen Verwaltungsbeam- ten wird das Krankenhaus völlig von schwarzem Personal geführt. Die Tatsache, daß im Endeffekt unge- fähr 100 weiße Ärzte dort arbeiten, zeigt, wie lächerlich die oft zitierten Zahlenverhältnisse von Ärzten und Patienten in den verschiedenen eth- nischen Gruppen innerhalb Südafri- kas sind. Tatsächlich gibt es Hun- derte von weißen Ärzten, die aus- schließlich für schwarze Patienten arbeiten.

Das Krankenhaus eröffnete nach und nach immer mehr Stationen, bis es annähernd 1300 Betten hatte zu dem Zeitpunkt, als ich es verließ; die Ambulanz behandelte bis zu 1000 Patienten am Tag, von denen unge- fähr die Hälfte Kinder waren. So wa- ren die Ärzte, die in der Ambulanz arbeiteten, vollauf beschäftigt, ob- wohl die genaue Zahl der Patienten- besuche in gewissem Maße fluktu- ierte, vor allem mit dem Wetter.

Schwarze Patienten lassen sich von Regen nicht stören und kommen an regnerischen Tagen ins Kranken- haus, aber sie haben etwas gegen Kälte. An einem frostigen Tag im Winter geht die Besucherzahl zu- rück.

722 Heft 12 vom 23. März 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Ein Krankenhaus für Schwarze

Mein Patientenkreis bestand haupt- sächlich aus Tswanas, da in dieser Gegend vor allem Menschen dieser Rasse wohnen sollen. Es gibt jedoch Vertreter vieler anderer südafrikani- scher ethnischer Gruppen, wie Zu- lus, Xhosas, Vendas, Shangaans und Sothos. Es muß betont werden, daß die südafrikanischen Schwar- zen — im Gegensatz zu den amerika- nischen Negern — keine homogene Rasse sind. Es gibt eine Vielfalt von Rassen mit unterschiedlichen Cha- rakteristika, unterschiedlichen Spra- chen und sogar unterschiedlichen Lebensauffassungen. Die Situation ist in der Tat ähnlich wie in Europa, mit den verschiedenen Gruppen, die die Sprachen der anderen nicht ver- stehen. Ich hatte immer eine schwarze Krankenschwester als As- sistentin und Dolmetscherin, aber es war durchaus üblich, daß die Kran- kenschwester den Patienten nicht verstand. Das bedeutet dann, daß man im ganzen Krankenhaus nach jemandem fahndete, der die Spra- che des Patienten sprach. Glück- licherweise sind die Südafrikaner sprachbegabt, und man findet häu- fig Krankenschwestern, die mehrere Sprachen beherrschen. Die meisten Patienten dieser Gegend verstanden jedoch Afrikaans, und eine kleinere Anzahl konnte Englisch. Das Bil- dungsniveau variierte extrem, vom völligen Analphabetismus, vor allem bei älteren Leuten, bis hin zum Unk- versitätsabschluß. Es war immer ein Vergnügen, einen der gebildeteren Patienten zu treffen, so wie den Leh- rer der Gegend, da dann die Sprach- barriere fiel und man die Beschwer- den des Patienten in derselben Art bereden konnte, wie man es in Euro- pa getan hätte. Das war besonders hilfreich, wenn as sich um psycholo- gische Probleme handelte.

Die Einstellung der Patienten Man könnte die Frage stellen, warum die Ärzte nicht den Versuch unternahmen, die Eingeborenen- sprachen zu lernen. Zum ersten wä- re es notwendig, wie ich schon er- klärt habe, mehrere Sprachen zu ler- nen. Zum zweiten birgt das Spre- chen der lokalen Sprachen in einer

außerordentlich beschäftigten Am- bulanz gewisse Gefahren in sich. Ei- ner meiner Kollegen, der Sotho konnte, stellte fest, daß die Länge seiner Konsultationen über das zu- lässige Maß hinausging, weil die Pa- tienten darauf bestanden, ihm lang- atmige Berichte über ihre Sympto- me zu liefern, was zur Diagnose we- nig beitrug.

Der Neuling im Ga-Rankuwa lernt schnell, daß sein schwarzer Patient nicht einfach ein europäischer Pa- tient mit schwarzer Haut ist. Es exi- stieren fundamentale Unterschiede, denen man Rechnung tragen muß.

Der erste ist, daß die meisten Patien- ten, außer den Gebildeten, an Krank- heitsgeschichte und Untersuchung wenig interessiert sind. Sie kommen zum weißen Arzt, um Medizin zu er- halten, und gehen dann häufig zum Medizinmann, um ihre Diagnose zu erfahren. Obwohl sie zu höflich sind, die Erklärung des Arztes, etwa das ihre Tuberkulose vom Bazillus her- rührt, den sie ausspucken, in Frage zu stellen, so müssen sie doch oft fühlen, daß das alles Unsinn ist und daß sie natürlich verhext worden sind. Sie müssen außerdem erstaunt sein, daß eine ausführliche Krank-

heitsgeschichte aufgenommen wird und müssen dabei die gleiche Reak- tion haben wie mancher ungebildete Europäer, nämlich, daß der Arzt sei- nen Beruf nicht versteht, wenn er so viele Fragen stellt. Der schwarze Pa- tient besitzt einen rührenden Glau- ben an Spritzen und ist unglücklich, solange die Behandlung nicht eine intramuskuläre oder subkutane Spritze beinhaltet. Er ist noch viel unglücklicher, wenn er erfährt, daß er gar keine Medikamente braucht.

Auf der anderen Seite haben schwarze Patienten eine Heiden- angst vor Operationen. Es ist nichts Außergewöhnliches, daß ein Patient in ernstem Zustand, der eine Opera- tion notwendig macht, etwa eine

bösartige Geschwulst, die Operation verweigert, weil er glaubt, daß eine Operation ihm etwas von seiner Per- sönlichkeit wegnimmt und er dann den Respekt seiner Nachbarn und seiner Familie verliert. Es ist oft ver- hängnisvoll, einen Patienten nach

Hause gehen zu lassen, damit er über die Operation nachdenkt; nor- malerweise kehrt er erst dann ins Krankenhaus zurück, wenn er im Sterben liegt. Glücklicherweise ist die Organisation im Ga-Rankuwa Krankenhaus sehr gut, und so ist es möglich, fast alle Patienten fast so- fort zu operieren, selbst bei nicht dringenden Operationen.

Das Spektrum der Krankheiten In der Ambulanz in Ga-Rankuwa sieht man fast alles, was man in Eu- ropa auch sieht, zusammen mit eini- gen klinischen Bildern, die man nur noch in älteren Lehrbüchern findet, und einige Krankheiten, von denen ein europäischer Arzt nur gelesen hat. Das bedeutet, daß ein Neuling in der südafrikanischen Praxis sehr schnell das lokale Muster der Krank- heitsbilder kennenlernen muß.

Eine der Faszinationen der Arbeit in einer Ambulanz ist, daß man nie weiß, was als nächstes passieren wird. An einem typischen Montag- morgen kann eine Gruppe junger Männer mit einem Kater erscheinen, die eine Bestätigung der Arbeitsun- fähigkeit haben möchten, die dafür eine Vielfalt seltsamer Symptome vorweisen, wobei Rückenschmerzen vorherrschen. Während dieser Sze- ne mag eine Patientin hereingerollt werden, die nach einer von einem Laien durchgeführten Abtreibung zu Tode blutet, oder ein gewalttätiger Schizophrener, der von seinen Ver- wandten gebändigt wird. Als ich nach Ga-Rankuwa kam, war das am- bulante System noch nicht völlig entwickelt, so daß ich nicht nur Er- wachsene behandelte, sondern auch Kinder und Verunglückte. Spä- ter wurde die Kinderambulanz aus- gegliedert, zu meiner großen Er- leichterung. Die Kombination von rötlichem Gesicht und weißem Kittel produziert mit absoluter Sicherheit eine heftige Reaktion bei allen schwarzen Babies, die anfangen zu weinen, sobald man den Raum be- tritt, und erst wieder aufhören, wenn man ihn wieder verläßt. Keine Art der Überredung bringt sie dazu, aufzu- hören. Man sollte hinzufügen, daß

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 12 vom 23. März 1978

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

Ein Krankenhaus für Schwarze

schwarze Kinder im allgemeinen sehr gut erzogen und sogar von ih- ren Eltern verwöhnt werden. Die Mehrheit ist sauber und gut angezo- gen, wenn sie ins Krankenhaus ge- bracht wird,obwohl es in der Nach- barschaft ein paar Gegenden gab, die mit Sicherheit vernachlässigte, schmutzige, zerlumpte Kinder hervorbringen.

Die Unfallstation, die bald von der allgemeinen Ambulanz getrennt wurde, ist ein außergewöhnlich in- teressanter Ort für jüngere Kollegen, da jede Art von chirurgischem Not- fall früher oder später auftritt. An Wochenenden gleicht sie einer Feld- ambulanz in einem Weltkrieg, nur daß die meisten Verletzungen durch Messer, Äxte, zerbrochene Fla- schen, Stöcke und Steine entstan- den sind anstatt durch Feuerwaffen.

Ein Phänomen europäischer Un- fallstationen fehlt fast ganz, nämlich versuchter Selbstmord. In England sieht heute jeder Unfallarzt täglich mehrere Selbstmordversuche, hauptsächlich mit Medikamenten.

Während der drei Jahre im Ga-Ran- kuwa sah ich jedoch praktisch nie einen Selbstmordversuch, und man sagte mir, daß Selbstmord auf starke gesellschaftliche Ablehnung stößt.

Auf jeden Fall müssen einsame und verzweifelte Leute rar gesät sein in dem eng zusammenhaltenden Fami- liensystem der schwarzen Gemein- schaft.

Gynäkologie

Mindestens ein Fünftel meines Pa- tientenkreises waren Frauen, die an gynäkologischen Beschwerden lit- ten. Die überwältigende Mehrheit von ihnen hatte Beckeninfektionen.

Der erfahrene Arzt erkennt diese Pa- tientinnen schon, wenn sie zur Tür hereinkommen, ihre Decke um die Mitte geschlungen und vornüberge- beugt vor Schmerzen. Sie stellen oft ein ernstes Problem dar. Die Entfer- nung des Infektionsherdes kommt meistens nicht in Frage, daher ist die Hauptbehandlung: Antibiotika. Die Infektion kann sich in allen Stärke- graden darstellen bis hin zur Bauch- fellentzündung und reagiert glück-

licherweise meist auf große Dosen eines entsprechenden Antibioti- kums. Kurzwellenbestrahlung hilft auch, aber die Häufigkeit der Krank- heit ist so groß, daß die Bestrah- lungsstation es oft schwierig fand, mit der großen Anzahl der Patientin- nen fertigzuwerden. Normalerweise wird die Frau von ihren Symptomen geheilt und kommt dann — oft ist es nur eine Frage von Wochen — zu- rück, es geht ihr mindestens so schlecht wie vorher, und sie fordert erneute Behandlung. Wieviel davon auf Geschlechtskrankheiten zurück- zuführen ist, ist schwer zu sagen.

Selbst in hochentwickelten amerika- nischen Kliniken hat man Schwierig- keiten gehabt, in solchen Fällen den Infektionserreger zu identifizieren.

Gonorrhöe ist jedoch in der Gemein- de weit verbreitet, und wahrschein- lich ist mindestens die Hälfte der Fälle auf Gonokokkus zurückzufüh- ren. Zervixkarzinome sind bei schwarzen Patienten auch wesent- lich verbreiteter als bei Europäern, und bei jeder Patientin, die an eine gynäkologische Klinik überwiesen wird, wird automatisch ein Abstrich vorgenommen. Unglücklicherweise kommen viele dieser Patientinnen nicht wieder, und so häufen sich auf der Station stapelweise Laborbe- richte, deren Eigentümer unauffind- bar sind.

Schwangere Frauen sollen ihre lo- kale Vorsorgeklinik aufsuchen, aber viele geben vor, dies nicht zu wis- sen, und kommen ins Krankenhaus, um sich vom Arzt untersuchen zu lassen. Deshalb sieht man ziemlich viele Entbindungen, sowohl normale als auch komplizierte. Schwanger- schaftstoxämie kommt nicht selten vor, ebenso wie extrauterine Schwangerschaften.

Infektionen

Um den immensen Wert der Entdek- kung der Antibiotika richtig schät- zen zu lernen, muß man in einem afrikanischen Krankenhaus arbei- ten, wo man dauernd mit Infektionen aller Art konfrontiert wird. Strepto- kokken-Pharyngitis und follikuläre Tonsillitis sind weit verbreitet und

reagieren sehr schnell auf Penizillin.

Mandelabszesse gibt es häufiger als in Europa, und man trifft auf eine große Vielfalt von Hautinfektionen.

Zwei große Geißeln der Gesellschaft findet man häufig, Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten. Die Tuber- kulose stellt ein sehr großes Pro- blem dar, trotz aller Bemühungen, durch ein System von Ambulanzen und Krankenhäusern diese Krank- heit unter Kontrolle zu bringen. Das liegt hauptsächlich daran, daß der Prozentsatz der Patienten, die nicht wiederkommen, sehr groß ist. Fast jeden Tag erscheint in der Ambulanz ein Patient mit verdächtigen Anzei- chen, die durch Röntgenuntersu- chung als Tuberkulose bestätigt werden. Die Behandlung wird im Krankenhaus sofort begonnen, und später wird der Patient mit der strik-

ten Anweisung entlassen, seine ört- liche Ambulanz aufzusuchen. Allzu- oft erscheint der Patient dort nur kurze Zeit und verschwindet dann.

Die Adressen werden oft nur sehr ungenau angegeben, und es ist un- möglich, den Patienten zu finden, bis er einige Monate später in sehr viel schlechterem Zustand auf der Bahre wieder eingeliefert wird. Die meisten schwarzen Patienten ver- stehen das Prinzip einer chroni- schen Krankheit nicht; wenn die Be- handlung nicht anschlägt, dann ist es die Schuld des Arztes. Dann ver- sucht der Patient es mit einem Medi- zinmann.

Gonorrhöe ist auch eine ganz alltäg- liche Beschwerde, und das hängt nicht, wie das manchmal angenom- men wird, mit der Trennung der Männer von ihren Familien zusam- men. Im Ga-Rankuwa-Gebiet woh- nen und arbeiten alle Männer in der Nähe. Glücklicherweise reagieren die meisten Fälle gut auf Penizillin, und unspezifische Urethritis ist nicht so verbreitet wie in Europa. Auch das Problem des penizillinresisten- ten Gonokokkus ist bis jetzt noch

nicht groß. Die Möglichkeit einer Sy- philis muß der Arzt bei der Diagnose ständig in Betracht ziehen, und er wird auch viel mehr Schanker sehen als in Europa. Die anderen klassi- schen Befunde sekundärer und ter-

724 Heft 12 vom 23. März 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Ein Krankenhaus für Schwarze

tiärer Syphilis sind auch nicht unüb- lich. Bei Zweifeln sind Blutuntersu- chungen obligatorisch, und oft gibt es Überraschungen. Die einzige Tro- penkrankheit, die man allgemein sieht in der Gegend von Ga-Ranku- wa ist die Bilharziose, meist in Ver- bindung mit M. Mansoni.

Neurologie und Psychiatrie

Ein häufiger neurologischer Befund ist Epilepsie, und die Behandlung ist kompliziert, weil so viele Patienten nicht zur richtigen Zeit zurückkom- men, um ihren nächsten Vorrat an Pillen zu holen. Sie warten oft einen oder mehrere Anfälle ab, bis sie um weitere Behandlung ersuchen. Mul- tiple Sklerose sieht man nie, aber die Parkinsonsche Krankheit ist durch- aus geläufig. Schlaganfälle sind weitaus verbreitet, und es scheint so, als ob bei einem schwarzen Pa- tienten der Schlaganfall die häufig- ste Folgekrankheit des Bluthoch- drucks sei.

Fast jeden psychiatrischen Zustand, den man in Europa sieht, findet man auch bei schwarzen Patienten. Vor- sichtige Nachforschungen unter den Gebildeteren zeigen, daß die Haut- farbe keinen Unterschied für neuro- tische oder psychotische Symptome macht. Ein schwarzer Patient wird von den gleichen Angstzuständen und Depressionen berichten, die man in jedem europäischen Konsul- tationszimmer hört. Dies ist noch nicht allgemein anerkannt, selbst nicht in Südafrika. Depressionen und Schizophrenie sind beide ziem- lich verbreitet unter den Kranken- hauspatienten. Schwere Hysterien, die man heute in Europa kaum mehr findet, sind auch ziemlich häufig.

Patienten mit seltsamer Körperhal- tung und Gangart, die Charcot ent- zückt hätten, treten manchmal auf, genauso wie hysterische Schulmäd- chen, die vorgeben, im Klassenzim- mer ohnmächtig geworden zu sein.

Neurologische und psychiatrische Symptome als Auswirkung von Alko- hol sind ziemlich verbreitet. Einmal besuchte ich die Station eines ande- ren Krankenhauses für schwarze Pa- tienten, wo fast 50 Prozent der Pa-

tienten an irgendeiner Auswirkung des Alkoholmißbrauchs litten. Dro- genvergiftungen kommen selten vor, aber ab und zu sieht man eine Cannabisvergiftung.

Herzgefäßkrankheiten

Rheumatische Fieber existieren un- ter den Afrikanern immer noch, und es ist charakteristisch, daß, wie in Indien, Herzklappenfehler sehr früh auftreten, manchmal schon vor der Pubertät. Kranzgefäßkrankheiten sieht man kaum, ich kann mich nur an einen einzigen Patienten inner- halb von drei Jahren erinnern. Man beklagt sich oft über Schmerzen in der Brust, aber die Möglichkeit, daß dies Angina pectoris bedeutet, ist fast gleich Null. Die meisten Schmerzen rühren entweder von den Muskeln oder von der Verdau- ung her. Hochdruck ist immer weiter verbreitet, und in mehreren Fällen war der systolische Druck so hoch, daß er über das Ende der Skala hin- ausging. Die geläufige Kombination von Bluthochdruck, Diabetes und Osteoarthritis bei übergewichtigen Frauen kam so oft vor, daß die Kran- kenschwestärn angehalten wurden, jede dicke Frau auf Zucker im Urin und erhöhten Blutdruck hin zu untersuchen.

Tumoren

Lungenkrebs bei starken Rauchern ist nichts Ungewöhnliches, aber das Schreckgespenst ist das Speiseröh- renkarzinom. Dieses tritt weit häufi- ger auf als bei Europäern, und die Diagnose wird dadurch erschwert, daß er Patient oft keine Schluckbe- schwerden angibt, sondern sagt, er habe einen rauhen Hals oder einen Husten. Wenn man nicht sehr auf- paßt, verpaßt man die Möglichkeit einer richtigen Diagnose, obwohl man hinzusagen muß, daß die Pa- tienten meist erst in einem Stadium kommen, wo eine Operation unmög- lich ist. Der Grund für das Vorherr- schen von Speiseröhrenkarzinomen liegt noch völlig im dunkeln. Ein in- ternationales Symposium über die- ses Thema, das dieses Jahr in Kap- stadt stattfand, brachte zwar viele Hypothesen, aber wenig Beweise.

Mit der Urbanisierung der schwar- zen Rassen erscheinen nun auch Krankheiten, die bisher nur in Euro- pa zu sehen waren. Eine davon ist das Magengeschwür, daß vor eini- gen Jahren noch außergewöhnlich selten war, heute jedoch schon ziemlich häufig auftritt. Es ist anzu- nehmen, daß, wie in Deutschland, mit höherem Lebensstandard und einem mehr westlichen Lebensstil auch Herzkrankheiten en masse und Gicht auftreten werden.

Ein anderer Tumor bei schwarzen Patienten ist der Leberkrebs. Auch hier kommt der Patient mit einer großen Leber und fortgeschrittener Krankheit an, die man nur palliativ behandeln kann. Hautkarzinome, Melanome und andere Hauttumoren sind auch sehr verbreitet.

Zusammenfassend kann ich nur sa- gen, daß ich in den drei Jahren im Ga-Rankuwa-Krankenhaus minde- stens so viel empfangen wie gege- ben habe. Ich wurde in ein völlig neues Spektrum des Lebens und der Krankheiten eingeführt, und ich kann anderen nur empfehlen, mit schwarzen Patienten zu arbeiten.

Das Bedürfnis ist groß, und die Gele- genheiten zur Hilfe sind zahlreich.

An einem Ort wie Ga-Rankuwa hat man, obwohl man manchmal ganz schön frustriert sein kann, immer ei- ne Befriedigung, daß man eine Or- ganisation mit guten Möglichkeiten, guter Ausrüstung und hochqualifi- zierten Spezialisten hinter sich weiß.

Neben der Behandlung besteht auch gute Möglichkeit zur Lehre. Viele schwarze Studenten sind sehr lern- willig, und das ist schon ein Vorteil, den man nicht verachten sollte.

Schwarze Patienten und Kranken- schwestern erkennen sehr schnell, ob ein Arzt wirklich interessiert ist;

ist er es, so wird er schnell einen großen Kreis Hilfsbereiter aufbauen, schneller als sein Kollege in Europa.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Stanley S. B. Gilder Medical House

35 Wale Street 8001 Cape Town Südafrika

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