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Archiv "Forensische DNA-Analyse: Fall eines Phantoms – und die Folgen" (12.06.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 24⏐⏐12. Juni 2009 A1239

M E D I Z I N R E P O R T

D

er Fall des weiblichen „Phan- toms“, dessen DNA-Spur im Zusammenhang mit dem Heilbron- ner Polizistenmord sowie circa 40 weiteren Straftaten vom Kapitalde- likt bis zum Laubeneinbruch in ei- nem Zeitraum von mehr als 15 Jahren nachgewiesen worden war, hat die deutsche Öffentlichkeit in den letzten Wochen intensiv beschäftigt. Nach- dem zwei neue Spuren – eine davon in Österreich und eine weitere im Saarland – mit diesen Merkmalen ge- funden worden waren, bei denen si- cher ausgeschlossen werden konnte, das hier die sogenannte uwP (= unbe- kannte weibliche Person) in irgend- einer Weise an der Verursachung be- teiligt gewesen sein konnte, erhärte- te sich der Verdacht, dass es sich bei dem gefundenen DNA-Profil nicht um echte Tatortspuren handeln konnte. Die Vermutung, dass es sich um eine Verunreinigung der bei der Spurensicherung verwendeten Ab- riebtupfer aus Baumwollwatte mit DNA einer Person handeln könnte, die bereits beim Hersteller entstan- den sein muss, lag nahe und war intern bereits als mögliche Ursache in Betracht gezogen worden (1).

Nachdem schließlich entsprechen- de Vergleichsproben beim Personal des Herstellers der Abriebtupfer ent- nommen und analysiert worden waren, konnte eindeutig nachgewie- sen werden, dass es sich bei dieser Trugspur um die Merkmale einer weiblichen Mitarbeiterin der Her- stellerfirma gehandelt hat, die mit der Verpackung dieser auch „Bakte- rietten“ genannten Abriebtupfer be- traut war. Sie werden für den medizi- nischen Gebrauch sterilisiert, also keimfrei gemacht, sind damit jedoch keineswegs frei von DNA.

Diese spektakuläre, wenn auch für die zuständigen Ermittlungsbe- hörden sicherlich unerfreuliche Auf-

klärung der Identität des „Phantoms“

ist letztendlich dennoch ein überzeu- gender Beweis für die Leistungs- fähigkeit der DNA-Analyse. Schließ- lich wurde das DNA-Profil der nun- mehr identifizierten Mitarbeiterin über mehrere Jahre von einer Reihe unabhängiger DNA-Labore in zwei Ländern zuverlässig und in überein- stimmender Form an vermuteten Abriebspuren nachgewiesen. Dies belegt die Empfindlichkeit und si- chere Reproduzierbarkeit der DNA- Analyse bei solchen Minimalspuren.

Mögliche Falle: Im Asservat war nur DNA der Phantomfrau

Es ist davon auszugehen, dass bei den von der Spurensicherung ange- fertigten Abrieben an den Tator- ten beziehungsweise Asservaten der 40 nicht zusammenhängenden Er- mittlungsfälle jeweils gar keine DNA eines möglichen Spurenlegers

erfasst wurde. Die Laboranalysen hätten dann ausschließlich die be- reits vorhandene, kontaminierende DNA der Firmenmitarbeiterin nach- gewiesen. Das Problem war also nicht die DNA-Analyse selbst, son- dern die Art der Anwendung und die falschen Schlussfolgerungen aus im Prinzip richtigen Ergebnissen. Als unmittelbares Fazit sind sowohl die Einführung eines noch zu definie- renden „DNA-freien“ Standards für alle verwendeten Materialien bei der Spurensicherung und im Labor als auch eine wesentlich kritischere Be- trachtung der Analysenergebnisse bei Minimalspuren zu fordern.

Die Serie von erfolgreich auf- geklärten Straftaten auch bei Fällen, die 20 Jahre und länger zurücklie- gen, verbunden mit der publikums- wirksamen Darstellung diverser kri- minalistischer „Hightech“-Laborver- fahren in populären Fernsehserien, hat diesem Werkzeug in der Öffent- lichkeit den Ruf der Unfehlbarkeit eingebracht. In der Praxis werden immer mehr sogenannte Kontakt- oder Hautabriebspuren durch die Spurensicherung mithilfe der nun- mehr inkriminierten Wattetupfer von Gegenständen oder Oberflächen ab- genommen, bei denen man zunächst nicht weiß, ob und wie viel DNA ei- nes oder auch mehrerer möglicher Spurenleger gesichert werden konn- te. Dies kann erst anhand des Ergeb- nisses der DNA-Analyse festgestellt werden: Sie ergibt entweder keinen Befund (somit konnte keine Spur gesichert werden) oder in anderen Fällen das Teil- oder Vollprofil im Idealfall einer einzigen, in der Rea- lität aber häufig auch von mehreren unbekannten Personen. Nur wenn das möglichst vollständige DNA- Profil einer einzelnen Person nach- gewiesen wurde, kann dieses zur Re- cherche in die DNA-Analyse-Datei

FORENSISCHE DNA-ANALYSE

Fall eines Phantoms – und die Folgen

Jahrelang fahndeten Ermittler nach einer unbekannten Frau, die mehrerer Raubüberfälle und Tötungsdelikte verdächtigt wurde. Aber das „Phantom“ gab es nur als DNA-Profil, und dieses erwies sich als Trugspur. Der Fall sollte Konsequenzen haben.

Forensische DNA- Analyse: Eine Probe wird für die Amplifikation mit- tels PCR vorbereitet.

Foto:dpa

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A1240 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 24⏐⏐12. Juni 2009

M E D I Z I N R E P O R T

(DAD) beim Bundeskriminalamt eingestellt werden, was im Fall der

„uwP“ offensichtlich immer wieder geschehen ist. Dabei muss berück- sichtigt werden, dass solche Konta- mination nur eine sehr geringe Men- ge an DNA darstellt. Wird ein der- artig kontaminierter Tupfer zur Si- cherung einer Tatortspur mit hohem DNA-Gehalt, wie zum Beispiel einer Blut- oder Speichelspur, verwendet, so ist davon auszugehen, dass die la- tent vorhandene kontaminierende DNA nach der Analyse nicht sicht- bar wird, da sie bei der Amplifikation während der Polymerase-Kettenre- aktion (PCR) durch die Konkurrenz der im Überschuss vorhandenen Spuren-DNA nicht ausreichend er- fasst würde. Der auch von einigen Fachleuten vorgebrachte Vorwurf, es seien nicht aureichend Leerkontrol- len untersucht worden, wirft per se Fragen auf. Schließlich ist es unklar, wie viele der von der Firma ausgelie- ferten Abriebtupfer tatsächlich kon- taminiert waren. Selbst wenn man zu jeder gesicherten Spur einen nicht benutzten Tupfer an das DNA-Labor geschickt hätte, wäre die Verunreini- gung nicht zwingend sichtbar gewor- den. Die Laborkosten hätten sich aber verdoppelt.

Es ist daher wesentlich sinnvoller, gezielte Strategien zu entwickeln, um solche Kontaminationen zu vermei- den sowie unvermeidbare Kontami- nationen frühzeitig zu erkennen. Da- zu gehört zunächst die Etablierung ei- nes DNA-freien Standards für alle Verbrauchsmaterialien der Spurensi- cherung und der Laboranalytik ein- schließlich der biochemischen und molekulargenetischen Reagenzien.

Dieser sollte gemeinsam mit der In- dustrie erarbeitet und durch eine aner- kannte Zertifizierung belegt werden.

„DNA-frei“ kann in diesem Kontext nur die Abwesenheit von menschli- cher DNA bedeuten, die mittels PCR amplifizierbar ist, denn eine vollstän- dige Abwesenheit jeglicher DNA ist weder machbar noch notwendig.

Neben der Einführung eines Pro- duktionsprozesses, der überwiegend automatisiert sein sollte, kann eine anschließende Behandlung des Mate- rials, zum Beispiel mit Ethylenoxid, eine Zerstörung eventuell vorhande- ner DNA-Kontaminationen größten-

teils sicherstellen. Diese Verfahren sind etabliert und auch für die An- wendung in der forensischen DNA- Analyse validiert (2).

Dennoch sind Kontaminationen nie völlig auszuschließen. Und so sollten zusätzlich intelligente da- tenbankbezogene Analyseverfahren eingesetzt werden, um wenig plau- sible Befunde wie Treffer zwischen offensichtlich unzusammenhängen- den Straftaten frühzeitig herauszufil- tern. Dies muss auf mehreren Ebenen geschehen und wurde bereits vor ei- nigen Jahren in Großbritannien durch den Forensic Science Service (FSS) dokumentiert. Dort wurde eine DNA- Spur aus einem Kapitaldelikt mit ei- ner Serie von offensichtlich nicht zu- sammenhängenden DNA-Spuren aus anderen Straftaten in der National- DNA-Database identifiziert (3). Diese Trefferserie führte zu einer kritischen Überprüfung aller Befunde und der möglichen Quelle, die schließlich bei einem Hersteller von Plastikröhrchen gefunden wurde. Bei der Aufklärung waren verschiedene sogenannte elimi- nation databases von großem Nutzen.

Sie dienen nur zum Zweck des Ab- gleichs mit fraglichen Kontaminati- onsprofilen. Dabei werden sowohl An- gehörige der Spurensicherung bei der Polizei erfasst als auch Personen aus dem Produktionsprozess der Herstel- ler von Verbrauchsmaterial. Die Ein- beziehung der Industrie beruht auf einer Selbstverpflichtung namhafter Hersteller, auf freiwilliger Basis ei- ne Datenbank mit anonymisierten DNA-Profilen ihrer Mitarbeiter vor- zuhalten. Um den Belangen des Da- tenschutzes Rechnung zu tragen, wä- re vorstellbar, dass diese DNA-Pro- file weder bei der Polizei noch bei den Firmen gespeichert werden, son- dern bei einer externen Einrichtung als Treuhänder, die dafür sorgt, dass ein mögliches Kontaminationsprofil anonym mit Mitarbeiterdaten abge- glichen wird. Für DNA-Analyse- Labore war es immer schon selbst- verständlich, dass die DNA-Profile der mit der Spurenbearbeitung be- fassten Mitarbeiter zum Ausschluss möglicher laborinterner Kontami- nationen erhoben wurden.

Als letztes und wesentliches Ele- ment zur Kontaminationserkennung sollten die in den Laboren in den je-

weiligen Negativ- und Leerkontrol- len möglicherweise sporadisch er- fassten DNA-Signale systematisch gesammelt und überregional in einer

„Kontaminationsdatenbank“ zusam- mengefasst und ausgewertet werden, wie es der FSS schon lange prakti- ziert (3). Dort wurden zum Beispiel in einem Zeitraum von drei Jahren bei circa drei Millionen verbrauchten Plastikröhrchen die DNA-Profile von insgesamt 20 Mitarbeitern des Her- stellers in den Negativkontrollen die- ser Röhrchen gefunden und darüber hinaus in 14 nicht zugeordneten Tat- ortspuren in der nationalen Daten- bank. Eine Umstellung des Produk- tionsprozesses hin zu einer weitest- gehenden Automatisierung hat bei den Kontrolluntersuchungen zu einer Reduktion der nachweisbaren Verun- reinigungen auf ein Zehntel geführt.

Kontaminationen könnten in Datenbanken erfasst werden

Es liegt in der Natur solcher Konta- minationen, dass sie nur punktuell auftreten, sodass ein einzelnes Labor vielleicht nur einmal im Jahr einen solchen unerwarteten und somit nicht reproduzierbaren Befund erhebt. Wenn aber alle Labore diese Daten sammeln und gemeinsam auswerten, so kön- nen in solchen isolierten Befunden eventuell systematische Verunreini- gungen erkannt und gegebenenfalls mit nicht zusammenhängenden Spur- Spur-Treffern der DAD sowie mit den entsprechenden Eliminationsda- tenbanken verglichen werden. Der

„Phantomfall“ sollte zum Anlass die- nen, diese Maßnahmen möglichst zeitnah in die Praxis umzusetzen. I Prof. Dr. Peter M. Schneider Institut für Rechtsmedizin Universitätsklinikum Köln

LITERATUR

1. Lt. Pressemitteilung des LKA Baden-Würt- temberg vom 27. 3. 2009 waren bereits über 300 unbenutzte Wattestäbchen des Herstellers ohne Hinweis auf eine Kontami- nation analysiert worden.

2. Shaw K, Sesardic I, Bristol N, Ames C, Dagnall K, Ellis C, Whittaker F, Daniel B:

Comparison of the effects of sterilisation techniques on subsequent DNA profiling.

Int J Legal Med 2008; 122: 29–33.

3. Sullivan K, Johnson P, Rowlands D, Allen H:

New developments and challenges in the use of the UK DNA Database: addressing the issue of contaminated consumables.

Forensic Sci Int 2004; 146 S: S 175–6.

Referenzen

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