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Archiv "Nächtliche Wadenkrämpfe" (20.12.1979)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

In der täglichen Praxis sind nächtli- che Wadenkrämpfe häufig Grund zu wiederholten ärztlichen Konsultatio- nen. Es handelt sich dabei oft um ein äußerst unangenehmes, hartnäcki- ges und therapieresistentes Sym- ptom, das eine echte Crux medico- rum darstellen kann.

Prinzipiell kann jeder Muskel von Krämpfen befallen werden. Mit Ab- stand am häufigsten werden jedoch die Muskelgruppen der unteren Ex- tremitäten davon betroffen (Gifford).

Ursachen

nächtlicher Wadenkrämpfe Zunächst gilt es, als Ursache nächtli- cher Wadenkrämpfe organische Er- krankungen zu erfassen und zu be- handeln. In Frage kommen in erster Linie Krampfadern, obwohl diese nicht so häufig, wie ihre Bezeich- nung dies erwarten ließe, zu Krämp- fen neigen.

Tatsache ist jedoch, daß nächtliche Wadenkrämpfe (Crampi) bei venöser Insuffizienz bevorzugt beobachtet werden, wobei zur Erklärung ver- schiedene Mechanismen wie beglei- tende arterielle Spasmen oder Über- dehnung der Muskelvenensinus her- angezogen werden.

Weitere organische Ursachen wären statische Beschwerden, so insbe- sondere Knick-Senk-Spreizfüße, Gonarthrosen, Diskopathien der Lendenwirbelsäule. Auch das radi- kuläre Reizsyndrom muß in diesem Zusammenhang genannt werden.

Aber periphere Nervenerkrankun-

gen und arterielle Durchblutungs- störungen kommen ebenfalls in Fra- ge. Bei letzteren ist zu unterschei- den zwischen der typischen Claudi- catio intermittens bei Belastung und den nächtlichen Wadenkrämpfen, die nicht dem Ruheschmerz des Sta- diums III nach Fontaine entspre- chen.

Neben den statischen, vaskulären und nervalen Ursachen sind Crampi als Begleiterscheinungen rheumati- scher Erkrankungen zu nennen. Sel- tener treten sie im Zusammenhang mit Tetanie oder anderen Stoffwech- selerkrankungen wie Diabetes melli- tus und Gicht auf.

Bei der Fahndung nach den Ursa- chen nächtlicher Wadenkrämpfe muß nach Ausschluß dieser organi- schen Möglichkeiten dann der Blick auf Stoffwechselstörungen gerichtet werden.

In vielen Fällen dürfte eine metaboli- sche Azidose, also eine Ansamm- lung saurer Stoffwechselprodukte vorliegen, die den „(Pain)-Faktoren"

von Lewis zuzurechnen sind (Typ Laktat-Pyruvat). In diesem Zusam- menhang waren auch die nach Alko- hol- oder Nikotinabusus auftreten- den nächtlichen Wadenkrämpfe er- klärbar.

Die Krämpfe können aber auch Fol- geerscheinungen eines zu niedrigen Kalziumspiegels oder Kaliumspie- gels im Plasma sein, oder aber auf einem Natriummangel und/oder Na- triumverlust beruhen. Dies ist häufig der Fall bei längerem therapeuti- schen Einsatz von Diuretika, Antihy-

Nächtliche Wadenkrämpfe sind oft sehr therapieresistent.

Nach Ausschluß organischer Ursachen wie venösen, arte- riellen, statischen, nervalen, rheumatischen und metaboli- schen Erkrankungen bleibt immer noch ein beträchtlicher Anteil sogenannter idiopathi- scher Crampi übrig. Neben der Behandlung der mögli- chen Grundkrankheiten hat sich die Applikation einer Kombination von Chininsulfat und Aminophyllin praktisch bewährt.

pertonika und Laxantien. Selbst wenn die Kalium-, Kalzium- und Chloridkonzentrationen im Plasma im Normbereich liegen sollten, käme dafür eine sogenannte isotone De- hydration in Betracht. Bei isotoner Dehydration, die im Fall forcierter Diuretikatherapie durchaus auftre- ten kann, findet sich bei gleichzeiti- ger Hypovolämie und Natriumman- gel die Natriumkonzentration im Plasma im Normbereich (Zumkley).

Es ist bekannt, daß zur Symptomatik der isotonen Dehydration neben Apathie, Schwäche, Hypertonie, Ta- chykardie auch gelegentlich Waden- krämpfe zählen können. Therapeu- tisch kommt hier die Zufuhr von Kochsalz in Frage, wobei natürlich dann die Diurese gestoppt wird.

Ein weiterer metabolischer Grund für die Crampi wäre des weiteren die Hypomagnesiämie, die gelegentlich ähnliche Symptome wie eine Hypo- kalzämie verursachen kann. Ferner- hin sind entsprechende Symptome bei einer Sideropenie beschrieben worden.

Bei einem großen Teil der nächtli- chen Wadenkrämpfe lassen sich je- doch keine derartigen organischen oder metabolischen Ursachen fin- den. Diese sogenannten „idiopathi- schen Crampi" befallen demnach gesunde Menschen, wobei der Ent- stehungsmechanismus in seiner Vielfältigkeit noch nicht abgeklärt ist.

Nächtliche Wadenkrämpfe

Hubert Mörl

Aus der Medizinischen Universitätsklinik (Ludolf-Krehl-Klinik) (Direktor: Professor Dr. Dr. h. c. mult. Gotthard Schettler) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

3374 Heft 51/52 vom 20. Dezember 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Zur Fortbildung Aktuelle: Medizin Nächtliche Wadenkrämpfe

Behandlung

Bei offensichtlichen organischen Er- krankungen, wie arteriellen und ve- nösen Durchblutungsstörungen, statischen Deformitäten, Lendenwir- belsäulen-(LWS-)Syndrom, Neuriti- den usw. wird selbstverständlich in erster Linie eine Behandlung des Grundleidens erfolgen.

Die trotzdem weiterbestehenden und ebenso die idiopathischen Krampfanfälle sind durch eine Viel- zahl von Medikamenten unter- schiedlicher Wirkungsweise ange- gangen worden.

Zu nennen wären hier Sedativa, An- algetika, Antirheumatika, Vasodila- tatoren, Muskelrelaxantien und Anti- histaminika. Mit allen diesen Mitteln sind jedoch bisher keine zufrieden- stellenden Ergebnisse zu erzielen gewesen.

Auch die mitunter hilfreiche Abwin- kelung der Kniegelenke durch unter- gelegte Kissen während des Schla- fes ist nur als symptomatische Maß- nahme anzusehen.

Eine spezifische kausale Therapie gegen die lästigen und quälenden Schmerzen gibt es nicht, wenn kei- ne organische oder metabolische Erkrankung aufgedeckt werden konnte.

Am wirksamsten haben sich bisher Chininkuren sowie eine Kombina- tion von Muskelrelaxantien und Be- ruhigungsmitteln erwiesen.

Vor allem ist aus der täglichen ärztli- chen Praxis sowie aus mehreren kli- nischen Studien bekannt, daß bei Patienten, die an Krampfzuständen, besonders an nächtlichen Waden- krämpfen litten, ein guter therapeu- tischer Erfolg mit der Kombination von Chininum sulfuricum 260 mg und Aminophyllin 195 mg (Limptar®) in der Dosierung von 1 bis 2 Tablet- ten abends erzielt werden kann.

Seit langem gesicherte ärztliche Er- fahrung ist, daß Chinin auf die quer- gestreifte Muskulatur einwirkt. Es verlängert die Refraktärzeit des

Muskels. Dadurch wird die Neigung zu tetanischen Kontraktionen ver- mindert. Chinin führt zu einem Ka- liumeinstrom in die Zelle, wodurch der Polarisationsgrad erhöht und die Erregbarkeit der Muskelzelle herabgesetzt wird (Rawls).

Es reduziert durch seinen kurare- ähnlichen Effekt an der motorischen Endplatte die Reaktion auf repetitive Reize, die von den motorischen Ner- ven der Muskulatur zugeleitet wer- den. Die Folge davon ist, daß nur selten oder überhaupt nie entspre- chende Kontraktionen des Muskels ausgelöst werden, wenn dieser un- ter Einfluß von Chinin steht.

Die Wirkung von Chinin auf die Mus- kulatur hat besonderes Interesse er- langt, seitdem man beobachtet hat, daß es in der Lage ist, die Spasmen bei Myotonia congenita zu hemmen oder mitunter sogar vollständig auf- zuheben.

Theophyllin greift unter anderem di- rekt am Atemzentrum an. Die Atem- frequenz und das Atemvolumen wer- den erhöht, und dadurch wird eine Verbesserung des Zellstoffwechsels bewirkt.

Therapeutische Dosen von Theo- phyllinäthylendiamin fördern über den erhöhten Zellstoffwechsel die Arbeit der quergestreiften Muskula- tur, stabilisieren das Natrium-Ka- lium-Gleichgewicht in der Muskel- zelle und setzen auf diese Weise die Erregbarkeit herab. Darüber hinaus steigern grundsätzlich alle Xanthine die periphere Durchblutung.

Geht man davon aus, daß ein Mus- kelkrampf durch lokale Vasokon- striktion mit dadurch bewirkter Ischämie ausgelöst wird, dann müß- te gerade eine Gefäßdilatation und die damit verbundene Behebung der lschämie den Muskelkrampf lösen.

Zudem wird durch Theophyllin die Membranpermeabilität und damit die Wirkung für zahlreiche Pharma- ka erhöht. In diesem Sinne ist die Kombination mit dem krampflösen- den Chinin als durchaus additiv an- zusehen.

Zusammenfassung

In der täglichen Praxis sind Patien- ten mit nächtlichen Wadenkrämpfen oft eine therapeutische Crux medi- corum.

An organischen Ursachen müssen zunächst venöse, arterielle, stati- sche, nervale und rheumatische Er- krankungen, ferner Stoffwechsel- krankheiten wie Tetanie, Diabetes mellitus und Gicht ausgeschlossen werden, desgleichen Elektrolytstö- rungen im Rahmen einer medika- mentösen Behandlung, besonders mit Diuretika. Übrig bleibt ein nicht unbeträchtlicher Rest sogenannter idiopathischer Crampi.

Bei offensichtlichen organischen Er- krankungen, wie arteriellen und ve- nösen Durchblutungsstörungen, statischen Deformitäten, Neuritiden usw. muß selbstverständlich eine Behandlung des Grundleidens er- folgen.

Bei den idiopathischen Crampi zeig- ten alle bisherigen Behandlungsver- suche — sie wurden mit verschiede- nen Medikamenten unternommen — nur wenig Erfolg. Am besten scheint noch die Kombination von Chinin- sulfat und Aminophyllin zu wirken.

Literatur

Gifford jr., R. W.: J. Amer. med. Ass. 177 (1961) 738 — Rawls, W. B.; Evans, W. L.; Mistretta, C.

V.; D'Alessandro, F. M.: Nocturnal of recum- bency muscle cramps, Med. Tms. N.Y. 87 (1959) 818 — Rawls, W. B.: Management of nocturnal leg cramps, West. Med. 7 (1966) 153

— Zumkley, H. (Hrsg.): Wasser-Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt, Thieme, Stuttgart 1976

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Hubert Mörl

Medizinische Universitätsklinik Bergheimer Straße 58

6900 Heidelberg 1

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 51/52 vom 20. Dezember 1979 3375

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