DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
FÜR SIE GELESEN Überleben in der Kälte
es, vor allem bei tiefer Hypother- mie, zum „after-drop" (Wiederer- wärmungskollaps) kommen: Wird bei Kerntemperaturen unter 30° C die Hauttemperatur erhöht und der periphere Kältereiz genom- men, sinkt der Blutdruck auf ei- nen durch Lähmung des zerebra- len Vasomotorenzentrums be- stimmten Wert, bei gleichzeitig reduziertem Herz-Minuten-Volu- men. Deshalb werden vielfach zentrale Wiedererwärmungsme- thoden wie Peritonealdialyse (19) und Wärmeinhalation (11) vorge- schlagen. Die Methoden sind aber wenig praktikabel.
Effektiver ist bei tiefer Hyperther- mie der Einsatz einer Herz-Lun- gen-Maschine. Sie bietet den Vor- teil, daß durch assistierte Zirkula- tion auch schwere Schockzustän- de infolge unzureichender Myo- kardkontraktilität behoben oder bei rechtzeitigem Einsatz vermie- den werden können.
Schwere Verletzungen mit dro- hender Massenblutung stellen al- lerdings eine Kontraindikation für die erforderliche Systemheparini- sierung dar. Althaus et al. (3, 4) be- schreiben, daß durch zentrale Wiedererwärmung sogar Lawi- nenverschüttete mit Rektaltempe- raturen von 19° C gerettet werden konnten. Nur wenige Krankenhäu- ser bieten diese Behandlungs- möglichkeit. Die internationale Kommission für alpines Rettungs- wesen empfiehlt deshalb Wärme- packungen, die schon am Unfall- ort angelegt werden können. Ge- eignet sind in eine Decke einge- schlagene chemische Wärmebeu- tel (Kärntener Wärmebeutel des Österreichischen Bergrettungs- dienstes, Villach, oder Wärme- beutel der US-Army, Medical Fa- brics Co) (18), die auf den Rumpf aufgelegt werden, oder die feuch- te Wärmepackung nach Hibler, bei der ein fünfmal zusammenge- legtes Leinentuch mit heißem Wasser von innen her angefeuch- tet und die auf die Unterwäsche von Brust und Bauch (nicht auf die nackte Haut!) gelegt wird. Pull- over und Anorak darüberziehen,
dann eine Wärmeschutzfolie um den Rumpf schlagen, die Extremi- täten dabei außerhalb lassen! Der gesamte Körper einschließlich der Arme und Beine wird dann in mehrere Decken straff eingewik- kelt. Am Hals muß die Decke eng anschließen. Der Unterkühlte kann so, in einem Biwaksack ver- schnürt, auch mit dem Bergschlit- ten (Ackja) transportiert oder vom Rettungshubschrauber aufge- nommen werden. Bei längerem Transport sind chemische Wär- mebeutel (trockene Wärme) vor- zuziehen. Die Wärmepackung muß nach einer Stunde erneuert werden (17). Ist keine Erwärmung möglich, muß der Unterkühlte we- nigstens gegen weitere Ausküh- lung geschützt werden. Feuchte Kleidung gegen trockene austau- schen; um dabei unnötige Bewe- gungen zu vermeiden, Kleidung am besten aufschneiden. Es ist bekannt, daß allein durch Strek- kung gebeugter Beine ein Abfall der Kerntemperatur von 30 auf 27° C erfolgen kann (17).
Unterstützend können bei Wie- dererwärmung überkörperwarme Glukoseinfusionen gegeben wer- den. Sie lassen sich einfach durch Umwickeln der Plastikflasche mit dem Wärmebeutel oder nach dem Prinzip des Durchlauferhitzers herstellen. Es eignen sich aber nur der US-Army- und der Kärtner Wärmebeutel (18). Es soll lang- sam mit Lösungstemperaturen von 43 bis 45° C infundiert wer- den. Eine weitere Erwärmungs- methode, die Durchblutung mit Kurzwellen sei erwähnt (14); bis- lang liegen aber zu wenig prakti- sche Erfahrungen vor.
Literatur im Sonderdruck, zu beziehen über die Verfasser.
Anschrift für die Verfasser:
Oberstabsarzt
Dr. med. Wilhelm Kahle Chirurgische Abteilung am Bundeswehr-Krankenhaus Ulm Oberer Eselsberg 40
7900 Ulm/Donau
Lassen sich
nächtliche Notfalleingriffe reduzieren?
An den meisten Krankenhäusern werden chirurgische Notfallein- griffe von den diensthabenden Chirurgen, die sich häufig noch in der Ausbildung befinden, ausge- führt. Da diese zumeist bereits tagsüber im Operationssaal tätig waren, lassen sich gewisse Ermü- dungserscheinungen kaum ver- meiden.
Die britischen Autoren versuch- ten, in einer prospektiven Studie an einem großen kommunalen Krankenhaus, das eine Bevölke- rung von 300 000 Personen medi- zinisch betreut, herauszufinden, wie häufig Notfalleingriffe erfor- derlich waren, und wie viele die- ser Eingriffe auf das Routinepro- gramm des nächsten Tages hät- ten verschoben werden können.
Drei Monate lang wurden alle au- ßerhalb der üblichen Dienstzeit vorgenommenen operativen Ein- griffe registriert (251 Operatio- nen), wobei sich der Chirurg zuvor festzulegen hatte, ob er eine Ver- schiebung der Operation für ver- tretbar halten würde, wenn der OP-Plan des nächsten Tages dies zuließe. Dies war bei 62 Eingriffen der Fall. Eine unabhängige Analy- se ergab 24 weitere Fälle, die auf das Tagesprogramm hätten ge- setzt werden können. Somit hät- ten 35 Prozent der Eingriffe ver- schoben werden können. 71 Ope- rationen wurden zwischen 23 Uhr und 9 Uhr vorgenommen, darun- ter 51 (71 Prozent) große Eingriffe, die einen erfahrenen Chirurgen erforderten. — Die Autoren schla- gen vor, im täglichen Operations- programm Platz für Notfalleingrif- fe zu lassen, die aus dem Nacht- dienst in das Routineprogramm verlegt werden könnten.
Sherlock, D. J., J. Randle, M. Playforth, R. Cox, R. T. J. Holl-Allen: Can nocturnal emergency surgery be reduced? Br. med. 289 (1984) 170-171 — Department of Surgery, Fast Bir- mingham Hospital, Birmingham, B 9 5ST, Eng- land
3748 (56) Heft 50 vom 12. Dezember 1984 81. Jahrgang Ausgabe A