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er nicht funktioniert, wird„eingetackert“ – so nen- nen es die jungen Klinikärzte, wenn sie mit zweifelhaften Me- thoden ihrer Vorgesetzten ge- fügig gemacht werden sollen.
Dies widerfährt gerade Dr.
med. Peter Doktore (35, der richtige Name ist der Redakti- on bekannt), Arzt in Weiterbil- dung an einem großen Univer- sitätsklinikum: Angeforderte Befunde verschwinden aus sei- nem Fach, Computerdateien verändern sich wie von Gei- sterhand, Krankenschwestern halten Informationen zurück, zuletzt öffnete ein konkurrie- render Kollege mit einem Zweitschlüssel seinen Spind und durchwühlte ihn. Der an- gehende Orthopäde fühlt sich gemobbt.
Ein Einzelfall? Wahr- scheinlich nicht. In den Krankenhäusern herr- schen eine überspitzte Hierarchie und be- rufsbedingte Abschot- tung. Der Konkur-
renzkampf ist groß. Wer be- rufliche und wissenschaftliche Karriere machen will, ist auf die Unterstützung und das Wohlwollen seiner Vorgesetz- ten angewiesen, die das teil- weise schamlos ausnutzen und dabei gegen die Berufs- ordnung verstoßen. Perspekti- ven fehlen. War die Weiter- bildungszeit im Krankenhaus früher nur eine Zwischen- station auf dem Weg zu ei- ner eigenen Praxis, so ha- ben sich die Rahmenbe- dingungen mit Einfüh- rung der verschärften Bedarfsplanung (1993) grundlegend verändert – faktisch gilt in vielen Be-
reichen eine Niederlassungs- sperre. Der Arbeitsplatz Kran- kenhaus ist zum Dauerarbeits- platz auch für Assistenzärzte geworden. Den ideellen Ge- genwert für die „harten Lehr- jahre“ gibt es nicht mehr.
Die Redaktion des Deut- schen Ärzteblattes möchte
„gemobbten“ Krankenhaus- ärztinnen und -ärzten ein Fo- rum bieten. Ziel ist es, aus den Einsendungen ein Stimmungs- bild über das Arbeitsklima in den Kliniken zu zeichnen. Die Namen der Einsender wer- den vertraulich behandelt. Zur Teilnahme aufgerufen sind natürlich auch Ärztinnen und Ärzte, deren Weiterbildung abgeschlossen ist und die ihre Erfahrungen mit zeitlichem Abstand schildern wollen.
❃Bitte schicken Sie Ihre Er- fahrungsberichte an die Re- daktion des Deutschen Ärzte- blattes, Ottostraße 12, 50859 Köln, Stichwort „Mobbing“, oder per E-Mail an: Mobbing
@aerzteblatt.de.
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A3376 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 50½½½½15. Dezember 2000
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atienten mussten 1999 rund sechs Jahre auf eine Nieren- transplantation warten (1995:viereinhalb Jahre). Im selben Zeitraum ist die Zahl der auf eine Niere wartenden Patien- ten von rund 9 500 auf mehr als 11 000 gestiegen. Zwischen 1994 und 1999 sind während der Wartezeit 2 122 Nieren- patienten, 1 461 Herzpatien- ten sowie 739 auf eine Le- bertransplantation wartende Patienten gestorben. Diese Zahlen gehen aus einer Ant- wort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion hervor.
Nach einer repräsentati- ven Umfrage der Bundes- zentrale für gesundheitliche Aufklärung haben im Jahr 1999 elf Prozent der Bevölke- rung einen Organspendeaus-
weis ausgefüllt. Die Zahl der- jenigen, die auf diese Weise schriftlich ihre Entscheidung über eine postmortale Organ- spende niedergelegt haben, sei gegenüber früheren Unter- suchungen deutlich gestiegen
(drei bis fünf Prozent). Den- noch sei, so die Bundesregie- rung, „ein Anteil von elf Pro- zent noch keineswegs als be- friedigend anzusehen“.
Krankenhäuser
Kassen keine Ausfall-Bürgen
Ersatzkassen weisen Ansprüche der DKG ab.
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er Verband der Angestellten-Krankenkassen hat den Absichten der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) widersprochen, dass die Krankenhäuser Einnah- meausfälle, die ihnen infolge reduzierter Zuschläge bei der Wahlleistung „Ein- oder Zweibettzimmer“ entstehen, zu- lasten der Krankenkassen ausgleichen. Der stellvertreten- de Vorstandsvorsitzende, Dr. Werner Gerdelmann, sagte, es sei realitätsfern anzunehmen, dass die Krankenhäuser bisher auf ihren gesetzlichen Anspruch verzichtet hätten, mit den Krankenkassen kostendeckende Vergütungen zu vereinbaren. Die Krankenhäuser hätten mit den relativ ho- hen Komfortzuschlägen für Ein- oder Zweibettzimmer er- hebliche Gewinne erzielt. Damit seien zum Teil Defizite bei Investitionen ausgeglichen worden, oder die Gewinne sei- en in Projekte investiert worden, vor allem in medizinische Großgeräte, um Vorteile bei der Auslastung zu erzielen.Oft seien die Gelder in Investitionen geflossen, die in der Krankenhausplanung des Landes nicht vorgesehen waren.
Das Landgericht Hannover sei jetzt gefordert, auf der Basis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 4.August die Höhe der Komfortzuschläge zu klären. Zurzeit verhandelt die DKG mit dem Verband der privaten Kran- kenversicherung über Eckpunkte für künftige Regelungen.
Mobbing im Krankenhaus
Druck ohne Ende?
Das Arbeitsklima in den Krankenhäusern wird rauer.
Die DÄ-Redaktion ruft „gemobbte“ Ärztinnen und Ärzte auf, ihre Erlebnisse/Erfahrungen zu schildern.
Transplantationen
Längere Wartelisten
Elf Prozent der Bevölkerung
haben einen Organspendeausweis ausgefüllt.
Foto: Hans Nelemann/Image Bank
Pharmaverband
Öffnung für Start-ups
Verband setzt verstärkt auf Gentechnik.
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er Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) will sich künftig für jun- ge Biotech-Unternehmen öff-nen. Durch geringere Beiträge soll für sie die Mitgliedschaft im Verband attraktiv gemacht werden. In der Biotechnologie sieht der VFA einen Garanten
für den therapeutischen Fort- schritt. „In Zukunft wird über- haupt kein neues Medikament mehr auf den Markt kommen, an dessen Entwicklung die mo- lekulare Biotechnologie nicht beteiligt war“, sagte der Vor- standsvorsitzende des Verban- des, Patrick Schwarz-Schütte, anlässlich der Mitgliederver- sammlung in Berlin.
Schwarz-Schütte kritisierte Bestrebungen der Bundesre- gierung und des Bundesrates, sich auf europäischer Ebene für eine Änderung der EU- Patentrichtlinie einzusetzen.
Die Biotech-Firmen seien auf einen effektiven Patentschutz angewiesen. Der Anteil bio- technologisch hergestellter Wirkstoffe steige bei den Neu- zulassungen drastisch an, von 13 Prozent 1998 auf mehr als 30 Prozent 1999. Derzeit sind in Deutschland 68 gentech- nisch hergestellte Medikamen- te zugelassen.
Deutschland stehe in Sa- chen Biotechnologie inner- halb Europas noch an der Spitze. Die Zahl der Patent- anmeldungen sei im vergan- genen Jahr um 36 Prozent ge- stiegen. Diesen Vorsprung dür- fe man nicht aufgeben.
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Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 50½½½½15. Dezember 2000 AA3377
Ebola-Virusinfektion
Impfstoff in Sicht
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ur langsam gelingt es den Behörden in Uganda, die Ebola-Epidemie ein- zudämmen. Vor allem die von Bürger- kriegen heimgesuchten Regionen Zen- tralafrikas bieten dem tödlichen Erre- ger immer wieder die Gelegenheit zu erneuten Ausbrüchen. Zwar könnten einfache Hygieneschutzmaßnahmen die Ausbreitung eindämmen, doch die politischen Voraussetzungen hierfür lassen sich nur schwer herstellen. Eine Alternative wäre eine Impfung gegen Ebola. Einen wichtigen Teilerfolg auf dem Weg hierhin ist jetzt Forschern des amerikanischen National Institute of Health gelungen. Mit einem neuartigen Impfstoff verhinderte die Arbeitsgrup- pe um Gary Nabel erstmals bei Men- schenaffen einen Ausbruch der Er- krankung. Vier Makaken blieben nacheiner Inokulation mit den Viren ge- sund, während vier weitere ungeimpfte Tiere nach Exposition mit der gleichen Virenmenge innerhalb einer Woche verendeten (Nature 2000; 408: 605).
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ei dem Impfstoff handelte es sich um eine Kombination aus einer DNA- Vakzine und einem gentechnischen Impfstoff. Die Bestandteile des tödli- chen Virus (Gene und äußere Hülle) wurden dabei getrennt verabreicht.Zunächst erhielten die Tiere im Ab- stand von vier Wochen dreimal nackte Virusgene (ohne Hüllprotein) injiziert, zwölf Wochen später erfolgte ein Boo- ster mit einem rekombinanten Adeno- virus, den die Forscher mit dem Hüll- protein GP(Z) des Ebolavirus verse- hen hatten. Die geimpften Tiere ent- wickelten etwa einen Monat nach der letzten DNA-Injektion eine antigen- spezifische Antikörperantwort, die durch den Booster weiter verstärkt wurde. Der Schutz setzt also erst lang-
sam ein, und zur Eindämmung einer frischen Epidemie, die sich bei Ebola innerhalb weniger Tage ausbreitet, kä- me der Impfstoff wohl zu spät. Die wirtschaftlich desolaten Volkswirt- schaften könnten sich den Impfstoff vermutlich noch weniger leisten als La- texhandschuhe und Schutzkleidung.
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m ehesten würden Forscher und Tropenmediziner, die den Ländern im Fall einer Epidemie zur Hilfe eilen, von dem Impfstoff profitieren. In ei- nem Kommentar der gleichen Ausgabe (Seite 527) warnen Dennis Burton und Paul Parren vom Scripps Research In- stitute in La Jolla (Kalifornien) jedoch vor übertriebenen Erwartungen. Noch sei unklar, ob der Impfstoff auch bei hohen Virusmengen wirkt, wie sie während einer Epidemie auftreten.Weitere Tierversuche werden deshalb notwendig sein, bevor der Impfstoff frühestens in einigen Jahren verfügbar sein wird. Rüdiger Meyer Akut
Luftqualität im November 2000
Gesundheitsrelevante Beeinträchtigungen der Luftqualität mit Grenz- wertüberschreitungen wurden im November durch erhöhte Stickstoffdio- xid- und Staubeinträge verursacht. Betroffen waren vor allem die Citybe- reiche. Es handelte sich um einen Luftschadstoffmix, der auf hohes Ver- kehrsaufkommen schließen ließ und weitere Luftbelastungen wie Koh- lenwasserstoffe und Ruß nach sich zog.
Patrick Schwarz-Schütte Foto:
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