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Archiv "Berufspolitik in Grado: Vorsichtige Experimente" (20.06.1987)

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as wird aus der Einzel- leistungsvergütung?

Zur Zeit ist sie be- kanntlich ausgesetzt.

Die Kassen zahlen an die Kassen- ärztlichen Vereinigungen je Versi- cherten eine Kopfpauschale. Ledig- lich die Honorarverteilung - im In- nenverhältnis Arzt/Kassenärztliche Vereinigung - geschieht nach den erbrachten Einzelleistungen. Das führt, je nach der "Mengenentwick- lung" bei den erbrachten Leistun- gen, zu einer Fluktuation des Punkt- wertes. Die Kassenverbände haben freilich zugesichert, zur echten Ein- zeUeistungsregulierung zurückzu- kehren, sobald die Experimentier- phase mit den neuen kassenärzt- lic en Gebührenordnungen - BMÄ und E-GO treten am 1. Oktober in der reformierten Form in Kraft-be- endet ist.

Wird es aber dazu kommen?

Beim Berufspolitischen Seminar des Fortbildungskongresses der Bundes- ärztekammer in Grado Anfang Juni gab es eine optimistische und eine pessimistische Antwort. Pessimi- stisch äußerte sich Professor Dr. Dr.

h. c. Hans J. Sewering; optimistisch Dr. Ulrich Oesingmann. Während KBV- Vorstandsmitglied Oesing- mann auf das Versprechen der Kas- senverbände setzt, glaubt BÄK- Vorstandsmitglied Sewering, der po- litische Trend gehe in die andere Richtung.

Sewering wies darauf hin, daß die Kassenverbände in ihren Posi- tionspapieren zur Strukturreform im Gesundheitswesen einen direkten Zusammenhang zwischen Kassen- arztzahl und Einzelleistungsvergü- tung proklamiert haben. Ganz ähn- lich hat sich vor der Vertreterver- sammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Karlsruhe im Mai der Ministerialdirektor im Bun- desarbeitsministerium Kar! Jung ge- äußert (Sewering: "Eine der härte- sten Aussagen zu dem Thema").

Beide Aussagen liefen, so Sewering, darauf hinaus, daß die Einzellei- stungsvergütung nur dann zu halten sei, wenn es gelinge, die Zahl der Kassenärzte zu begrenzen. Das wird aber, befürchtet Sewering, nicht ge- lingen. Wörtlich: "Ich sehe weder politisch noch rechtlich die Möglich-

DEUTSCHES ARZTEBLATT

keit, den Zustrom ins Medizinstudi- um und zur Kassenpraxis einzu- schränken." Die Folge werde also, solange der "maßlose Zustrom" an- halte, sein: "wir werden bei der Pauschale festgenagelt bleiben."

Die Ärzteschaft sollte sich bei der anstehenden Strukturreform im Gesundheitswesen darauf beschrän-

ken, nur jene Punkte vorzubringen,

die sie besonders beträfen, riet Se- wering. Es sei zum Beispiel nicht Sa- che der Ärzte, Finanzierungsvor- schläge zu machen, vor allem nicht solche, die auf eine zusätzliche Bela- stung der Versicherten hinauslau- fen. Dadurch wird das Vertrauens- verhältnis Arzt-Patient gestört. Die

Berufspolitik in Grado

Vorsichtige Experimente

ärztlichen Kernpunkte sind, laut Professor Sewering, dagegen:

~ der Zugang des Versicherten zum Kassenarzt muß unbehindert frei bleiben;

~ das Gesamtspektrum der na- turwissenschaftlich begründeten Medizin muß in der gesetzlichen Krankenversicherung weiterhin zur Verfügung stehen.

Folglich lehnte Sewering den Vorschlag, die Kassen sollten mit ausgewählten Ärzten Einzelverträge schließen, genauso ab wie die Idee, die Versicherungsleistungen in Grund- und zusätzliche Leistungen aufzusplitten. Professor Sewering verteidigte nachdrücklich das Sach- leistungsprinzip. Kostenerstattung und Wahltarife passen seiner Mei- nung nach nicht in die gesetzliche Krankenversicherung. Ausnahmen vom Sachleistungsprinzip könne es lediglich bei den gleichsam als "Wa- re" verordneten Leistungen geben:

prozentuale Selbstbeteiligung bei den Arzneimitteln, Festbeträge bei den Heil- und Hilfsmitteln. Sewe- ring warnt allerdings davor, sich von der Selbstbeteiligung bei Arzneimit- teln allzuviel zu versprechen. Ein

Drittel der Versicherten verursache nun mal 90 Prozent der Arzneimit- telausgaben. Da bei einer Selbstbe- teiligung Höchstgrenzen und Härte- fallklausein eingeführt werden müß-

ten, könne es bei einer solchen Ver-

ordnungsstruktur keine großen Aus- wirkungen auf die Arzneimittelaus- gaben geben.

Auch bei einer vorsichtigen Strukturreform dürfte auf , ,Trans- parenz" der ärztlichen Leistungen gedrungen werden. Professor Sewe- ring rechnet mit einem Datenträger- austausch zwischen Kassenärzt- lichen Vereinigungen und Kranken- kassen. Das heißt, daß die Daten al- ler je Patient erbrachten oder veran- Jaßten Leistungen zusammengeführt werden können.

Dr. Ulrich Oesingmann, Vorsit- zender der Kassenärztlichen Verei- nigung Westfalen-Lippe, setzte sich in Grado dafür ein, daß Kassen und KVen auch heute schon bei Trans- parenzmodellen gemeinsam vorge- hen. Es gehe nicht an, daß einzelne Kassen aufgrund von Patientenbe- fragungen gegen einzelne Kassen- ärzte ermitteln. Verdachtsfälle soll- ten vielmehr zusammen mit der KV abgeklärt werden. Oesingmann ver- teidigte auch die Aufstellung von so- genannten Tagesprofilen, also die tagesmäßige Erfassung der von ei- nem bestimmten Kassenarzt abge- rechneten Leistungen. Diese seien ein wirkungsvolles Mittel, echten Betrügern auf die Spur zu kommen.

Der bayerische KV- Vorsitzende Professor Sewering ergänzte vor- sichtig: in Einzelfällen, wenn Ver- dachtsgründe vorlägen, seien Tages- profile nützlich.

Sewering wie Oesingmann rie- ten in Grado eindringlich den Kas- senärzten, sich mit den neuen Struk- turen von BMÄ und E-GO vertraut zu machen und die landauf, landab demnächst anlaufenden Schulungen zu besuchen, möglichst mit der Arzt- helferin. BMÄ und E-GO sind so- eben im Deutschen Ärzte-Verlag er- schienen. Oesingmann (er leitete die Kommission des KBV-Vorstandes, welche die Umstrukturierung der kassenärztlichen Gebührenordnun- gen vorbereitete) schwenkte in Gra- do die ersten Exemplare fast wie ei-

ne Siegestrophäe. NJ

Dt. Ärztebl. 84, Heft 25/26, 20. Juni 1987 (25) A-1809

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