• Keine Ergebnisse gefunden

Grundlagen der Diskreten Mathematik und Algebra 1

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Aktie "Grundlagen der Diskreten Mathematik und Algebra 1"

Copied!
98
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Grundlagen der Diskreten Mathematik und Algebra 1

Prof. Udo Hebisch WS 2010/11

Dieses Skript enth¨ alt nur den “roten Faden”

der Vorlesung. Wesentliche Inhalte werden ausschließlich in der Vorlesung vermittelt. Daher ist dieses

Skript nicht zum Selbststudium gedacht, sondern

nur als “Erinnerungsst¨ utze”.

(2)

INHALTSVERZEICHNIS 2

Inhaltsverzeichnis

1 Aussagen und Mengen 3

1.1 Aussagenlogik . . . . 3

1.2 Pr¨ adikatenlogik . . . . 11

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra . . . . 15

1.4 Relationen und Abbildungen . . . . 27

1.4.1 Kartesische Produkte . . . . 27

1.4.2 Korrespondenzen und Relationen . . . . 29

1.4.3 Aquivalenz- und Ordnungsrelationen . . . . ¨ 34

1.4.4 Abbildungen . . . . 44

1.4.5 Kardinalzahlen . . . . 48

1.4.6 Verkn¨ upfungen . . . . 53

1.5 Verallgemeinerte mengentheoretische Operationen . . . . 56

2 Gruppen, Ringe, K¨ orper 59 2.1 Gruppen . . . . 59

2.1.1 Elementare Eigenschaften . . . . 59

2.1.2 Untergruppen und Homomorphie . . . . 65

2.1.3 Permutationsgruppen . . . . 73

2.2 Ringe . . . . 77

2.3 K¨ orper . . . . 83

3 Aufgaben 86

(3)

1 Aussagen und Mengen 3

1 Aussagen und Mengen

Weiterf¨ uhrende Informationen zu den Inhalten dieses Kapitels findet man unter www.mathecafe.de/logik/

1.1 Aussagenlogik

In diesem Abschnitt werden haupts¨ achlich f¨ ur veranschaulichende Beispiele Kenntnisse aus der elementaren Arithmetik vorausgesetzt, also Vertrautheit mit den Rechengesetzen in den nat¨ urlichen Zahlen N 0 , den ganzen Zahlen Z und den rationalen Zahlen Q .

Eine ausf¨ uhrlichere Behandlung dieser Zahlenbereiche und ihrer Rechengesetze findet man in dem Skript zur Zahlentheorie

www.mathe.tu-freiberg.de/∼hebisch/skripte/zahlenth/zahlenth.pdf Unter einer “Aussage” versteht man in der Mathematik einen in einer nat¨ urli- chen oder formalen Sprache formulierten Satz, f¨ ur den eindeutig festgestellt wer- den kann, ob er in einer gewissen “realen Welt” wahr oder falsch ist. Typische Aussagen (aus der “Welt der nat¨ urlichen Zahlen”) sind etwa

A: 3 ist eine Primzahl.

B: 9 ist keine Primzahl.

C: 2 teilt 9 (als Formel: 2 | 9).

D: Es gibt unendlich viele Primzahlen.

E: Es gibt unendlich viele Primzahlzwillinge.

Die Wahrheit oder Falschheit von A, B und C kann dabei sehr schnell bestimmt werden, sobald die in den Aussagen auftretenden Begriffe “Primzahl” und “teilt”

gekl¨ art sind. Dagegen ist es erheblich schwieriger, die Wahrheit von D festzustel- len, wenn der Begriff “unendlich” pr¨ azisiert worden ist, was f¨ ur sich genommen schon schwierig genug ist und hier in Definition 1.30 geschieht.

E wird ebenfalls als Aussage betrachtet, obwohl bis heute noch niemand entschei-

den konnte, ob dieser Satz wahr oder falsch ist.

(4)

1.1 Aussagenlogik 4

Dagegen betrachtet man ¨ ublicherweise umgangssprachlich ebenfalls durchaus sinnvolle S¨ atze wie “3 ist keine wertvolle Primzahl.” oder “Primzahlen sind sch¨ on.” nicht als Aussagen.

Man kann nun “elementare” Aussagen zu komplizierteren zusammensetzen, die dann ebenfalls stets wahr oder falsch sind, z. B. “Wenn 2 die 9 teilt, dann ist 9 keine Primzahl” kurz: “wenn C, dann B”, was eine wahre Aussage ist. Diese Ideen werden nun formalisiert.

Definition 1.1 Es sei B = {0, 1} die Menge der Booleschen Wahrheitswerte (George Boole, 1815 - 1864). Weiterhin sei V = {A, B, C, . . .} eine Menge von (Aussagen-)Variablen (lat. varius = vielf¨ altig). Dann werden die aussagenlogi- schen Formeln wie folgt erkl¨ art:

(1) Jeder der Wahrheitswerte und jede Variable ist eine aussagenlogische For- mel. Sie werden atomare Formeln oder kurz Atome (grch. atomos = unteilbar) genannt.

(2) Sind p und q aussagenlogische Formeln, dann auch (¬p), (p ∧ q), (p ∨ q), (p → q), (p ↔ q).

(3) Nur die durch wiederholte Anwendung von (1) und (2) definierten Zeichenket- ten sind aussagenlogische Formeln. Die Gesamtheit aller so definierten Formeln werde mit F = F (V) bezeichnet

Bemerkung 1.2 a) Da es genau zwei Wahrheitswerte gibt, handelt es sich bei der hier betrachteten klassischen Aussagenlogik um eine zweiwertige Logik (grch.

logos = Lehre, Aussage). Entsprechend kann man mehrwertige Logiken definie- ren. Man interpretiert den Wahrheitswert 1 als “wahr” und entsprechend 0 als

“falsch”. Daher kommen in der Literatur auch andere Bezeichnungen vor: “W”

oder “T” oder “true” oder “>” anstelle von 1 und “F” oder “false” oder “⊥”

anstelle von 0.

b) Die Menge der Variablen wird als abz¨ ahlbar unendlich (in einem sp¨ ater noch zu pr¨ azisierenden Sinn) vorausgesetzt, so daß man immer “gen¨ ugend” viele Varia- blen zur freien Verf¨ ugung hat, aber andererseits sie auch durchnumerieren kann.

Man schreibt daher auch oft V = {v 0 , v 1 , v 2 , . . .} oder V = {x 0 , x 1 , x 2 , . . .}. Zur

Vermeidung von Indizes sind aber die hier und in der Literatur h¨ aufig verwende-

ten Großbuchstaben bequemer. Jede Variable kann jeweils mit genau einem der

Wahrheitswerte belegt werden. (Auch dies werden wir sp¨ ater pr¨ aziser ausdr¨ ucken

k¨ onnen, indem wir Variablenbelegungen als Abbildungen val : V → B definieren.)

(5)

1.1 Aussagenlogik 5

c) Die aussagenlogischen Formeln sind rekursiv (lat. recurrere = zur¨ ucklaufen) definiert. Jede nicht atomare Formel besitzt einen eindeutigen Aufbau aus k¨ urze- ren Bestandteilen, die selbst wieder Formeln sind. Man kann daher Aussagen ¨ uber s¨ amtliche Formeln durch Induktion ¨ uber diesen Aufbau beweisen oder Eigenschaf- ten f¨ ur Formeln induktiv definieren. Insbesondere kann durch programmierbare Verfahren (Algorithmen) entschieden werden, ob eine vorgelegte Zeichenkette, die ausschließlich aus Variablen, Klammern und Junktoren gebildet wurde, zu F (V) geh¨ ort oder nicht.

d) Die Symbole ¬, ∧, ∨, → und ↔ werden logische Junktoren (lat. iungere = ver- binden) genannt und der Reihe nach “nicht”, “und”, “oder”, “wenn..., dann...”

sowie “genau dann..., wenn...” gelesen. Ihre exakte Bedeutung wird gleich defi- niert. Man nennt ¬p die Negation (lat. negare = verneinen), p∧ q die Konjunktion (lat. coniungere = miteinander verbinden), p ∨ q die Disjunktion (lat. disiungere

= trennen, unterscheiden), p → q die Implikation (lat. implicare = einwickeln) oder Subjunktion (lat. subiungere = unterordnen) und p ↔ q die Aquivalenz ¨ (lat.

aequus = gleich, valere = bewerten) der Formeln p und q. In der Literatur werden auch andere Symbole f¨ ur diese Junktoren verwendet, beispielsweise “∼ A” oder

“A” f¨ ur “¬A”, “&” oder “·” f¨ ur “∧”, “+” f¨ ur “∨”, “⊃” oder “⇒” f¨ ur “→”, “⇔”

oder “≡” f¨ ur “↔”.

e) Zur Erleichterung der Lesbarkeit und Vermeidung “¨ uberfl¨ ussiger” Klammern legt man fest, daß die ¨ außeren Klammern stets weggelassen werden d¨ urfen und der in d) jeweils weiter links stehende Junktor “st¨ arker bindet” als der rechts stehende. Man schreibt also beispielsweise A∧¬A → B anstelle von ((A∧(¬A)) → B).

Eine ausf¨ uhrliche Diskussion weiterer m¨ oglicher Junktoren und ihre Bezeichnun- gen in der Literatur findet man unter

www.mathecafe.de/logik/booleschefunktionen.html

Aufgabe 1.3 Man versuche, den Begriff “arithmetischer Term”, der in fast je- der Programmiersprache verwendet wird, in ¨ ahnlicher Weise wie in Definition 1.1 formal zu pr¨ azisieren, damit durch ein automatisches Verfahren ¨ uberpr¨ uft wer- den kann, ob eine vorgelegte Zeichenkette ein korrekter Term ist. Dabei k¨ onnen arithmetische Variablen x, y, z, . . . verwendet werden, die jetzt reelle (oder bei- spielsweise auch nur ganzzahlige) Werte annehmen d¨ urfen, und bestimmte arith- metische Operatoren wie +, −, ∗, /, max, min. Man nimmt dann diese speziellen Symbole mit einer ganz festen Bedeutung in die Signatur mit auf.

Wie k¨ onnte man diese Definition erweitern, wenn auch Vergleiche zwischen Ter-

men mit den Vergleichsoperatoren =, 6=, <, ≤, >, ≥ zugelassen werden sollen?

(6)

1.1 Aussagenlogik 6

Definition 1.4 Die Verkn¨ upfung der Wahrheitswerte von belegten Aussagen- variablen A und B bei Verwendung der jeweiligen Junktoren wird durch die folgenden Wahrheitswertetafeln festgelegt.

A ¬A

0 1

1 0

A B A ∧ B A ∨ B A → B A ↔ B

0 0 0 0 1 1

0 1 0 1 1 0

1 0 0 1 0 0

1 1 1 1 1 1

Wird also jede Variable mit einem festen Wahrheitswert belegt, dann wird durch Rekursion auch jeder aussagenlogischen Formel eindeutig ein Wahrheitswert zu- geordnet.

Beispiel 1.5 In diesem Beispiel beachte man bei der ¨ Uberpr¨ ufung der angege- benen Werte besonders die getroffenen Klammerkonventionen.

A B A ∧ ¬A A ∨ ¬A ¬B → ¬A ¬A ∨ B ¬(A → B)

0 0 0 1 1 1 0

0 1 0 1 1 1 0

1 0 0 1 0 0 1

1 1 0 1 1 1 0

Definition 1.6 Zwei aussagenlogische Formeln p und q heißen gleichwertig oder (semantisch) ¨ aquivalent, in Zeichen p ≡ q, wenn beide bei jeder Belegung der (in ihnen vorkommenden) Variablen denselben Wahrheitswert besitzen.

Eine aussagenlogische Formel p heißt allgemeing¨ ultig oder eine Tautologie (grch.

tautologia = dasselbe sagend), wenn p ≡ 1 gilt. Dagegen spricht man bei p ≡ 0 von einer widerspr¨ uchlichen Formel oder einer Kontradiktion (lat. contra = gegen, dicere = sagen, sprechen). Eine nicht widerspr¨ uchliche Formel heißt erf¨ ullbar.

Aufgabe 1.7 Wie w¨ urde man entsprechend die “Term¨ aquivalenz” f¨ ur Terme aus Aufgabe 1.3 definieren?

Durch Aufstellen der entsprechenden Wahrheitswertetafeln beweist man den fol-

genden Hilfssatz. Diese und weitere ¨ Aquivalenzen werden diskutiert auf

(7)

1.1 Aussagenlogik 7

www.mathecafe.de/logik/formelaequivalenz.html

Lemma 1.8 F¨ ur aussagenlogische Formeln x gelten die folgenden ¨ Aquivalenzen

¬0 ≡ 1, (1)

¬1 ≡ 0, (2)

¬(¬x) ≡ x, (3)

x ∧ ¬x ≡ 0, (4)

x ∨ ¬x ≡ 1, (5)

x ↔ ¬x ≡ 0, (6)

0 ∧ x ≡ 0, (7)

1 ∧ x ≡ x, (8)

0 ∨ x ≡ x, (9)

1 ∨ x ≡ 1, (10)

0 → x ≡ 1, (11)

1 → x ≡ x, (12)

x → 0 ≡ ¬x, (13)

x → 1 ≡ 1, (14)

x → x ≡ 1, (15)

x ↔ 0 ≡ ¬x, (16)

x ↔ 1 ≡ x.

(17)

Beweis:

x 0 1 ¬x ¬0 ¬1 ¬(¬x) x ∧ ¬x x ∨ ¬x x ↔ ¬x

0 0 1 1 1 0 0 0 1 0

1 0 1 0 1 0 1 0 1 0

x 0 1 ¬x 0 ∧ x 1 ∧ x 0 ∨ x 1 ∨ x 0 → x 1 → x

0 0 1 1 0 0 0 1 1 0

1 0 1 0 0 1 1 1 1 1

x 0 1 ¬x x → 0 x → 1 x → x x ↔ 0 x ↔ 1

0 0 1 1 1 1 1 1 0

1 0 1 0 0 1 1 0 1

(8)

1.1 Aussagenlogik 8

Bemerkung 1.9 Aufgrund der Definition des Junktors ↔ und der ¨ Aquivalenz

≡ von Formeln gilt p ≡ q genau dann, wenn p ↔ q eine Tautologie ist.

Aus (1) und (2) folgt insbesondere, daß die Tautologien gerade die Negationen der Widerspr¨ uche sind und umgekehrt.

Die Formel (3) beschreibt die “doppelte Verneinung”, welche wieder die urspr¨ ung- liche Aussage ergibt.

Die Formel (5) ist auch als “tertium non datur” bekannt: Jede Aussage kann nur wahr oder falsch sein, eine dritte M¨ oglichkeit gibt es nicht. (Dies liegt nat¨ urlich an der vorausgesetzten Zweiwertigkeit der Logik!)

Die Formel (11) zeigt, daß aus einem Widerspruch jede beliebige Aussage folgt:

“ex contradictione quodlibet” oder k¨ urzer aber nicht ganz korrekt “ex falso quod- libet”.

Die Formel (13) begr¨ undet das Prinzip des Widerspruchsbeweises: Wenn aus einer (als wahr angenommenen) Aussage ein Widerspruch gefolgert werden kann, muß diese Aussage falsch sein, “tertium non datur”.

Die Formel (15) beschreibt die “Selbstimplikation”, also jede Formel impliziert sich selbst.

Satz 1.10 F¨ ur aussagenlogische Formeln x, y, z gelten die folgenden ¨ Aquivalen- zen

x ∧ x ≡ x, (18)

x ∨ x ≡ x, (19)

x ∧ y ≡ y ∧ x, (20)

x ∨ y ≡ y ∨ x, (21)

x ↔ y ≡ y ↔ x, (22)

x ∧ (y ∧ z) ≡ (x ∧ y) ∧ z, (23)

x ∨ (y ∨ z) ≡ (x ∨ y) ∨ z, (24)

x ↔ (y ↔ z) ≡ (x ↔ y) ↔ z, (25)

x ∧ (x ∨ y) ≡ x, (26)

x ∨ (x ∧ y) ≡ x, (27)

x → (x → y) ≡ x → y, (28)

x ∧ (y ∨ z) ≡ (x ∧ y) ∨ (x ∧ z), (29)

x ∨ (y ∧ z) ≡ (x ∨ y) ∧ (x ∨ z),

(30)

(9)

1.1 Aussagenlogik 9

x → (y ∧ z) ≡ (x → y) ∧ (x → z), (31)

x → (y ∨ z) ≡ (x → y) ∨ (x → z), (32)

x ∧ y → z ≡ (x → z) ∨ (x → z), (33)

x ∨ y → z ≡ (x → z) ∧ (x → z), (34)

¬(x ∧ y) ≡ ¬x ∨ ¬y, (35)

¬(x ∨ y) ≡ ¬x ∧ ¬y, (36)

¬(x → y) ≡ x ∧ ¬y, (37)

¬(x ↔ y) ≡ ¬x ↔ y, (38)

(x ∧ ¬y) ∨ (y ∧ ¬x) ≡ (x ∨ y) ∧ ¬(x ∧ y).

(39)

Beweis: Ubungsaufgabe! ¨

Bemerkung 1.11 Die ¨ Aquivalenzen (35) und (36) werden auch De Morgansche Regeln genannt, nach Augustus de Morgan (1806 - 1871).

Folgerung 1.12 F¨ ur aussagenlogische Formeln x, y gelten die folgenden ¨ Aqui- valenzen

x ↔ y ≡ (x → y) ∧ (y → x), (40)

x → y ≡ ¬x ∨ y, (41)

x ∨ y ≡ ¬(¬x ∧ ¬y), (42)

x ∧ y ≡ ¬(¬x ∨ ¬y).

(43)

Beweis: (40) ergibt sich aus der folgenden Wahrheitswertetafel:

x y x ↔ y x → y y → x (x → y) ∧ (y → x)

0 0 1 1 1 1

0 1 0 1 0 0

1 0 0 0 1 0

1 1 1 1 1 1

(41) folgt aus (37) mittels (35) und doppelter Verneinung (3).

(42) und (43) folgen aus (36) bzw. (35) ebenfalls durch doppelte Verneinung.

(10)

1.1 Aussagenlogik 10

Bemerkung 1.13 Diese Folgerung zeigt, daß sich nacheinander ↔, → und ∧ aus allen Formeln entfernen lassen, so daß man “eigentlich” nur die Junktoren

¬ und ∨ in der Definition 1.1 (2) ben¨ otigt. Dasselbe gilt aber auch f¨ ur ¬ und

∧. Es ist nur eine Frage der Bequemlichkeit, die anderen Junktoren ebenfalls zu benutzen. Man bezeichnet die jeweils verwendete Menge von Junktoren, also Σ = {¬, ∧, ∨, →, ↔} bzw. Σ = {¬, ∧} usw. auch als logische Signatur (lat. signum

= Zeichen, Kennzeichen) der gerade betrachteten Logik.

Definition 1.14 Atomare Formeln und deren Negationen heißen Literale. Eine Disjunktion p 1 ∨ . . . ∨ p n , wobei jede Teilformel p i eine Konjunktion von Literalen ist, heißt eine disjunktive Normalform oder alternative Normalform. Eine Kon- junktion q 1 ∧ . . . ∧ q n , wobei jede Teilformel q i eine Disjunktion von Literalen ist, heißt eine konjunktive Normalform.

Ohne Beweis sei der folgende Satz mitgeteilt, der dann nat¨ urlich auch verwendet werden darf.

Satz 1.15 Zu jeder aussagenlogischen Formel gibt es eine ¨ aquivalente in disjunk- tiver Normalform und eine ¨ aquivalente in konjunktiver Normalform.

Satz 1.16 F¨ ur aussagenlogische Formeln x, y, z gelten die folgenden Tautologien x → (y → x),

(44)

((x → y) → x) → x, (45)

(x → (y → z)) → (y → (x → z)), (46)

(x → y) ↔ ((¬y) → (¬x)), (47)

(x → y) → ((y → z) → (x → z)), (48)

(x → (y → z)) → ((x → y) → (x → z)), (49)

(x → y) ∧ (x → z) → (x → y ∧ z), (50)

(x → z) ∧ (y → z) → (x ∨ y → z), (51)

(x → y) ∧ (x → ¬y) → ¬x, (52)

(x → y) ∧ (¬x → y) → y.

(53)

Beweis: Einige Formeln lassen sich statt durch Wahrheitswertetafeln auch k¨ urzer durch Fallunterscheidungen beweisen:

(44): Ist x wahr, dann auch y → x f¨ ur jede Formel y und daher (44). Ist x aber

falsch, so gilt diese Implikation wegen “ex falso quodlibet”.

(11)

1.2 Pr¨ adikatenlogik 11

(45): Ist x wahr, so gilt die Implikation. Ist x falsch, so gilt x → y f¨ ur jedes y, womit dann aber (x → y) → x falsch ist. Daher gilt aber die gesamte Implikation.

Rest: ¨ Ubungsaufgabe!

Bemerkung 1.17 In diesem Satz sind einige Beweismethoden angegeben. (44) beschreibt das Prinzip der “Pr¨ amissenbelastung”, (45) ist als “Formel von Peirce”

(C. S. Peirce, 1839 - 1914) bekannt, (46) als “Pr¨ amissenvertauschung”. (47) stellt den “Beweis durch Kontraposition” dar. (48) beschreibt den sogenannten “Ket- tenschluß”, (49) den “Fregeschen Kettenschluß” (Gottlob Frege, 1848 - 1925).

(52) stellt das “Platonische Falschheitskriterium” (Platon, 428/27 - 348/47 v.

Chr.) dar, (53) das “Euklidische Wahrheitskriterium” (Euklid, um 360 - um 280 v. Chr.)

Bemerkung 1.18 Die Methode der Wahrheitswertetafeln stellt eine universel- le Beweismethode f¨ ur aussagenlogische Formeln dar, jedoch steigt der Aufwand exponentiell mit der Anzahl der auftretenden Variablen. Man ist daher an Verfah- ren (Algorithmen) interessiert, die “wesentlich schneller” die Wahrheit, Falschheit oder Erf¨ ullbarkeit einer Formel feststellen. Daß die Suche nach derartigen Algo- rithmen nicht nur f¨ ur die Aussagenlogik große Bedeutung hat, sondern f¨ ur fast alle Bereiche der Mathematik (und ihrer Anwendungen), zeigt die Komplexit¨ ats- theorie.

1.2 Pr¨ adikatenlogik

Sei E ein Grundbereich von Objekten auch Universum genannt. Dann ist eine Variable x uber ¨ E ein Zeichen, f¨ ur welches jedes Objekt aus E eingesetzt werden kann. Eine Aussageform oder Pr¨ adikat P ¨ uber E ist ein sprachliches Gebilde einer nat¨ urlichen oder formalen Sprache, in dem wenigstens eine Variable ¨ uber E auftritt und aus dem beim Einsetzen von Objekten aus E f¨ ur alle Variablen aus P eine Aussage entsteht. Wenn in dem Pr¨ adikat P genau die Variablen x 1 , . . . , x n auftreten, schreibt man P (x 1 , . . . , x n ), nennt P ein n-stelliges Pr¨ adikat und sagt, daß die Variablen x 1 , . . . , x n in P frei vorkommen.

Eine Aussageform hat noch keinen Wahrheitswert, sondern dieser wird erst fest-

gelegt, wenn jede Variable in ihr durch einen Wert aus E ersetzt wird. ( ¨ Ahnlich

haben die in Aufgabe 1.3 betrachteten arithmetischen Terme erst dann einen

Wert, wenn jeder Variablen eine (reelle) Zahl zugeordnet wurde. Man beachte

auch, daß die im zweiten Teil dieser Aufgabe betrachteten Vergleichsoperatoren

gerade zweistellige Pr¨ adikate sind.)

(12)

1.2 Pr¨ adikatenlogik 12

Sei E = N 0 die Gesamtheit aller nat¨ urlichen Zahlen.

P (x): x ist eine Primzahl.

T (x, y): x teilt y.

G(x) : T (2, x), also “x ist gerade”.

P (9) ist also die falsche Aussage “9 ist eine Primzahl”, P (3) die wahre Aussage

“3 ist eine Primzahl”. Ebenso ist T (2, 9) eine falsche Aussage, aber T (2, x) ist noch keine Aussage.

Definition 1.19 Es sei E eine nichtleere Menge von Objekten und V E = {x 0 , x 1 , x 2 . . .} eine Menge von (Objekt-)Variablen uber ¨ E. Weiterhin sei P = {P, Q, R, . . .} eine Menge von Pr¨ adikaten, in denen nur Variablen aus V E auftre- ten. Dann werden die pr¨ adikatenlogischen Formeln wie folgt erkl¨ art:

(1) Jeder der Wahrheitswerte und jedes Pr¨ adikat ist eine pr¨ adikatenlogische For- mel. Sie werden atomare Formeln oder kurz Atome genannt.

(2) Sind p und q pr¨ adikatenlogische Formeln, dann auch (¬p), (p ∧ q), (p ∨ q), (p → q), (p ↔ q).

(3) Ist p(x) eine pr¨ adikatenlogische Formel, in der die Variable x frei vorkommt, dann sind auch (∀x p(x)) und (∃x p(x)) pr¨ adikatenlogische Formeln, in denen die Variable x nicht mehr frei sondern gebunden ist. Alle anderen in p frei vorkom- menden Variablen bleiben frei.

(4) Nur die durch wiederholte Anwendung von (1) - (3) definierten Zeichenketten sind pr¨ adikatenlogische Formeln. Die Gesamtheit aller so definierten Formeln werde mit F P = F P (V E ) bezeichnet

Aufgabe 1.20 Man versuche nun noch einmal eine Formalisierung f¨ ur den zwei- ten Teil von Aufgabe 1.3.

Bemerkung 1.21 Man liest ∀x p(x) als “f¨ ur alle x (aus E) gilt p(x)” und nennt diese Formel eine Allaussage. Dagegen liest man die Existenzaussage ∃x p(x) als

“es gibt ein x (aus E), f¨ ur das p(x) gilt”. Weiterhin heißt ∀ der Allquantor oder Generalisator und ∃ der Existenzquantor oder Partikularisator.

Man schreibt auch oft knapper: Statt ∀x(x ∈ N → x ≤ 2x) kurz ∀x ∈ N (x ≤ 2x)

oder ∀x ∈ N : x ≤ 2x.

(13)

1.2 Pr¨ adikatenlogik 13

F¨ ur manche Zwecke ist es n¨ utzlich, den Existenzquantor noch zu modifizieren durch ∃!x p(x) mit der Lesart “es gibt h¨ ochstens ein x (aus E), f¨ ur das p(x) gilt” und ∃!!x p(x) f¨ ur “es gibt genau ein x (aus E), f¨ ur das p(x) gilt”. Man kann aber beide Formeln durch zusammengesetzte Formeln allein mit Hilfe des Existenzquantors ausdr¨ ucken:

∃!x p(x) ↔ ((∃x p(x) ∧ ∃y p(y)) → x = y)

∃!!x p(x) ↔ (∃x p(x)) ∧ (∃x p(x) ∧ ∃y p(y) → x = y).

Die exakte Festlegung der formalen Semantik der Quantoren und damit der Wahr- heitswerte von pr¨ adikatenlogischen Formeln w¨ urde den Rahmen dieser kurzen Einf¨ uhrung sprengen. Man findet dies aber in dem Skript zur Logischen Pro- grammierung, das unter www.mathecafe.de/logik/ verlinkt ist.

Es werden auch Alternativen zur Pr¨ adikatenlogik untersucht (Fuzzylogik, Mo- dallogik, Temporallogik, Kausallogik), in denen neben anderen Wahrheitswerten auch andere Quantoren eingef¨ uhrt werden.

Der folgende Satz kann nur mit Hilfe der oben erw¨ ahnten Pr¨ azisierungen streng bewiesen werden. Er darf jedoch im weiteren Verlauf dieser und anderer Vorle- sungen angewandt werden.

Satz 1.22 Es sei p(x, y) eine Formel, die von den zwei verschiedenen Variablen x und y abh¨ angt und q(x) eine Formel, die von x abh¨ angt. Dann gelten die folgenden Aquivalenzen: ¨

∀x∀y p(x, y) ≡ ∀y∀x p(x, y), (54)

∃x∃y p(x, y) ≡ ∃y∃x p(x, y), (55)

¬∃x q(x) ≡ ∀x ¬q(x), (56)

¬∀x q(x) ≡ ∃x ¬q(x).

(57)

Außerdem gilt die Implikation

∃x∀y p(x, y) → ∀y∃x p(x, y).

(58)

(14)

1.2 Pr¨ adikatenlogik 14

Beispiel 1.23 Uber dem Bereich ¨ E = Z der ganzen Zahlen bezeichne p(x, y) die Aussageform x + y = 0. Dann ist ∀y∃x p(x, y), also ∀y∃x x + y = 0 eine wahre Aussage, denn man kann zu jeder ganzen Zahl y immer die ebenfalls ganze Zahl x = −y w¨ ahlen. Dagegen ist im Bereich E = N 0 der nat¨ urlichen Zahlen diese Aussage nicht wahr. Dies zeigt also, daß die Wahrheit oder Falschheit einer Formel von E abh¨ angt. In beiden Bereichen ist aber die Formel ∃x∀y x + y = 0 falsch.

Daher gilt die Umkehrung in (58) nicht. In allen diesen Aussagen tritt neben dem mathematischen Standardpr¨ adikat “=” noch das weitere (Verkn¨ upfungs-)Symbol

“+” auf, dem hier eine ganz bestimmte Bedeutung unterstellt wird, n¨ amlich die der Addition von (ganzen oder nat¨ urlichen) Zahlen, vgl. Aufgabe 1.3.

Beispiel 1.24 Uber dem Bereich ¨ E = F aller aussagenlogischen Formeln stellt die ¨ Aquivalenz ≡ gem¨ aß Definition 1.6 ebenfalls ein zweistelliges Pr¨ adikat in In- fixnotation dar. F¨ ur Variablen p, q, r aus V E lassen sich dann die Aussagen des folgenden Lemmas beweisen. Hier werden also Aussagen ¨ uber Aussagen formali- siert!

Lemma 1.25 F¨ ur aussagenlogische Formeln p, q, r gelten die folgenden Aussa- gen:

∀p p ≡ p, (59)

∀p∀q p ≡ q → q ≡ p, (60)

∀p∀q∀r p ≡ q ∧ q ≡ r → p ≡ r.

(61)

Beweis: (59) ist trivial! (Jede Formel p hat bei jeder Variablenbelegung denselben Wahrheitswert wie sie selbst.)

(60) ist ebenfalls trivial. (Wenn die Formeln p und q bei jeder Variablenbele- gung denselben Wahrheitswert besitzen, dann besitzen auch q und p bei jeder Variablenbelegung denselben Wahrheitswert.)

(61): Wenn p ≡ q und q ≡ r wahr sind, dann besitzen sowohl p und q als auch q und r bei jeder Variablenbelegung denselben Wahrheitswert. Dann besitzen aber auch p und r bei jeder Variablenbelegung denselben Wahrheitswert.

Aufgabe 1.26 Man formalisiere m¨ oglichst weitgehend mit Hilfe geeigneter

pr¨ adikatenlogischer Formeln die Begriffe “Teiler”, “Primzahl” und “gr¨ oßter ge-

meinsamer Teiler” innerhalb der ganzen Zahlen Z und der nat¨ urlichen Zahlen N 0 .

Es d¨ urfen also die Pr¨ adikate ganz(x) und nat(x) als gegeben betrachtet werden.

(15)

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 15

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra

Wir gehen zun¨ achst einmal von der Mengendefinition nach Georg Cantor (1845 - 1918), dem “Vater der Mengenlehre”, aus:

Unter einer Menge verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten wohl- unterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die Elemente von M genannt werden) zu einem Ganzen.

Man notiert diesen Sachverhalt formal durch m ∈ M , gelesen: “m ist Element von M ” oder “M enth¨ alt m”. Das Symbol ∈ ist ein stilisiertes griechisches ε (“Epsilon”) wegen der Bedeutung “Element” (lat. elementum = Grundstoff).

In einer axiomatischen Mengenlehre (grch. axiomata = als wahr angenommener Grundsatz) wird diese “naive” Vorstellung nun formal pr¨ azisiert. Hier wird eine m¨ ogliche Pr¨ azisierung angegeben, die von Ernst Zermelo (1871 - 1953) und Abra- ham Adolf Fraenkel (1891 - 1965) entwickelt wurde und als “ZFC-Mengenlehre”

bezeichnet wird. Dabei steht “C” f¨ ur das Auswahlaxiom (”axiom of choice”).

Da eine Menge M nach Cantors Vorschlag genau aus ihren Elementen besteht, fordert man das Extensionalit¨ atsaxiom (lat. extensio = Umfang), d. h. jede Menge ist durch ihren Umfang bereits eindeutig bestimmt, auf die “inhaltliche Bedeutung” ihrer Elemente kommt es also nicht an:

∀M∀N (∀x(x ∈ M ↔ x ∈ N ) ↔ M = N ).

Dies hat weiterhin zur Folge, daß jedes Element einer Menge in dieser Menge nur einmal vorkommt und daß es auf die Reihenfolge der Elemente einer Menge ebenfalls nicht ankommt!

Weiterhin pr¨ azisiert man die Idee des “Zusammenfassens” von Elementen zu einer Menge in einem m¨ oglichst schwachen Sinn, indem man fordert, daß man mindestens zwei (nicht notwendig verschiedene) Objekte immer zu einer Menge zusammenfassen kann. Man formuliert daher das Paarmengenaxiom:

∀a∀b(∃M (∀x x ∈ M ↔ x = a ∨ x = b)).

Nach dem Extensionalit¨ atsaxiom ist M durch a und b jeweils eindeutig bestimmt.

Man nennt diese Menge eine Zweiermenge und notiert sie als M = {a, b}, speziell f¨ ur a = b als M = {a}, wobei sie dann als Einermenge bezeichnet wird.

Da es bisher nicht gesichert ist, ob es ¨ uberhaupt Mengen gibt, fordert man axio-

matisch die Existenz von mindestens einer Menge. Man kann sich hierbei prinzi-

piell auf eine sehr “kleine” Menge beschr¨ anken, in der ¨ uberhaupt keine Elemente

liegen und fordert daher im Nullmengenaxiom:

(16)

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 16

∃M∀x ¬x ∈ M .

Nach dem Extensionalit¨ atsaxiom gibt es genau eine derartige Menge; diese wird leere Menge genannt und mit ∅ oder {} bezeichnet.

Damit gibt es wenigstens die paarweise verschiedenen Mengen ∅, {∅}, {{∅}}, {∅, {∅}} usw.

Nennt man nun eine Menge M Teilmenge einer Menge N , wenn jedes Element von M auch ein Element von N ist, und notiert dies als M ⊆ N , so ist jede Menge Teilmenge von sich selbt, die leere Menge ist Teilmenge jeder Menge, und f¨ ur die oben genannten Beispiele gelten beispielsweise {∅} ⊆ {∅, {∅}} usw.

Man m¨ ochte aber auch die Elemente, die in verschiedenen Mengen zusammenge- faßt wurden, immer zu einer einzigen Menge zusammenfassen d¨ urfen. Wiederum fordert man in dem kleinen Vereinigungsmengenaxiom m¨ oglichst vorsichtig, daß dies zumindest f¨ ur zwei Mengen stets erlaubt ist:

∀A∀B∃M (x ∈ M ↔ x ∈ A ∨ x ∈ B)

Wiederum nach dem Extensionalit¨ atsaxiom ist M durch A und B eindeutig be- stimmt und man schreibt M = A ∪ B .

Nun kann man f¨ ur jede Menge M den eindeutig bestimmten Nachfolger M + :=

M ∪{M} definieren. Es gelten dann immer M ∈ M + und M ⊆ M + . Insbesondere hat man dann die “Folge” von paarweise verschiedenen Mengen 0 := ∅, 1 := ∅ + =

∅ ∪ {∅} = {∅} = {0}, 2 := (∅ + ) + = {∅} + = {∅} ∪ {{∅}} = {∅, {∅}} = {0, 1} usw.

Man m¨ ochte nun auch diese “unendlich vielen” Mengen wieder zu einer Menge zusammenfassen k¨ onnen und fordert das Unendlichkeitsaxiom:

∃M(∅ ∈ M ∧ ∀x(x ∈ M → x + ∈ M )).

Hiernach muß M nicht genau aus den Elementen der oben genannten Folge be- stehen, sondern k¨ onnte noch mehr Elemente enthalten. Man nennt daher jede Menge mit dieser Eigenschaft eine Nachfolgermenge. Jetzt kann man die Menge der nat¨ urlichen Zahlen N 0 als eindeutig bestimmte Nachfolgermenge definieren, die in jeder Nachfolgermenge enthalten ist. Speziell in der Mengenlehre wird an- stelle von N 0 auch das Symbol ω benutzt.

Aufgabe 1.27 Man beweise, daß die nat¨ urlichen Zahlen in der angegebenen Form tats¨ achlich existieren. Dabei darf auch die in Definition 1.32 eingef¨ uhrte Durchschnittsbildung benutzt werden.

Weiterhin zeige man, daß die Peano-Axiome (Guiseppe Peano, 1858 - 1932) erf¨ ullt

sind:

(17)

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 17

(P1) ∅ ∈ N 0 .

(P2) n ∈ N 0 → n + ∈ N 0 .

(P3) ∀n ∈ N 0 ∀m ∈ N 0 (n + = m + → n = m).

(P4) ¬∃n ∈ N 0 : 0 = n + .

(P5) ∀N ⊆ N 0 (N Nachfolgermenge → N = N 0 ).

Daß die oben zitierte Cantorsche Definition, wenn man sie zu naiv ganz w¨ ortlich nimmt, schnell zu Widerspr¨ uchen (Antinomien) f¨ uhrt, stellte sich bald heraus.

Ein besonders bekanntes Beispiel f¨ ur eine derartige Antinomie fand Bertrand Russell (1872 - 1970) mit der sogenannten Russellschen Menge R wie folgt:

Russell definierte zun¨ achst die Allmenge X, also die “Menge aller Mengen”. Da jede Menge ja ein Objekt unseres Geistes ist, schien diese Mengenbildung nach der Cantorschen Definition m¨ oglich. Diese Menge mußte sich dann notwendiger- weise selbst enthalten, also X ∈ X erf¨ ullen. Dies sieht zwar ungew¨ ohnlich aus, scheint aber noch nicht unm¨ oglich zu sein. Russell bildete nun die Menge R aller

“gew¨ ohnlichen” Mengen M , die also ¬M ∈ M , oder kurz M 6∈ M erf¨ ullen. Jetzt fragte er: “Ist R eine “gew¨ ohnliche” Menge, gilt also R 6∈ R, oder nicht?”

W¨ are R eine gew¨ ohnliche Menge, also R 6∈ R, dann m¨ usste sie aber Element von R sein, also R ∈ R erf¨ ullen, was nicht sein kann.

W¨ are aber R eine ungew¨ ohnliche Menge, so w¨ are R nicht in R enthalten, also R 6∈ R und damit R eine gew¨ ohnliche Menge, was ebenfalls nicht sein kann.

Daher ist die Bildung von R und damit auch von X widerspr¨ uchlich, man darf also nicht so “uferlos” Mengen bilden.

Ebenfalls von Russell, der ¨ ubrigens 1950 als bisher einziger Mathematiker den Literaturnobelpreis erhielt, stammt die h¨ ubsche Veranschaulichung dieses “Rus- selschen Paradoxons” mit dem Dorfbarbier, der genau die M¨ anner eines Dorfes rasiert, die sich nicht selbst rasieren. (Die Aufl¨ osung dieses Paradoxons durch die Annahme, daß “der” Dorfbarbier eine emanzipierte Frau ist, war damals wohl noch undenkbar!)

Russell schlug dann als Ausweg (alternativ zu dem oben begonnenen axiomati- schen) einen stufenweisen Aufbau aller Mengen vor.

Zun¨ achst ging Russell von gegebenen Objekten, sogenannten Urelementen oder

Urmengen aus, die er als Mengen 0. Stufe bezeichnete: X 0 , Y 0 , Z 0 , . . . oder

(18)

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 18

x, y, z, . . . in ¨ ublicher Schreibweise. Dies sind die Elemente der gew¨ ohnlichen Men- gen. (Mit der Bezeichnungsweise “Urmengen” bringt man zum Ausdruck, daß es nur Mengen gibt, keine anderen Objekte!)

Dann ging er zu den gew¨ ohnlichen Mengen der 1. Stufe uber: ¨ X 1 , Y 1 , Z 1 , . . . oder X, Y, Z, . . ..

Jetzt folgten Mengensysteme als Mengen der 2. Stufe: X 2 , Y 2 , Z 2 , . . . oder

X , Y , Z , . . .. Ihre Elemente sind gerade die gew¨ ohnlichen Mengen oder deren Ele- mente.

So fortfahrend gelangte er zu den Mengen der n. Stufe: X n , Y n , Z n , . . ..

Da jede Menge M einer Stufe n auf diese Weise nur Elemente einer niedrigeren Stufe enthalten kann, ist M ∈ M ausgeschlossen und die oben dargestellte Anti- nomie kann nicht mehr auftreten. Es bleibt aber unklar, ob nicht andere Wider- spr¨ uche durch zu großz¨ ugige Mengenbildung auftreten k¨ onnen. Daher schr¨ ankt man die Bildung von Mengen durch das folgende Mengenbildungsaxiom n¨ aher ein. Es handelt sich hierbei nicht um ein einzelnes Axiom sondern um ein Axio- menschema, aus dem (je nach Wahl der gleich beschriebenen Aussageform P ) unendlich viele verschiedene konkrete Axiome entstehen.

Zun¨ achst bezeichne M n f¨ ur jede Stufe eine Mengenvariable f¨ ur Mengen der n.

Stufe. Weiterhin sei P (M n ) eine Aussageform ¨ uber Mengen n. Stufe, in der also keine Mengen h¨ oherer Stufe auftreten d¨ urfen. Dann soll gelten:

∃M n+1 ∀M n (M n ∈ M n+1 ↔ P (M n )).

Mit dem Extensionalit¨ atsaxiom folgt sogar, daß jede nach dem Mengenbildungs- axiom gebildete Menge eindeutig bestimmt ist:

Satz 1.28 ∃!!M n+1 ∀M n (M n ∈ M n+1 ↔ P (M n )).

Beweis: Seien M 1 n+1 und M 2 n+1 beides Mengen (n + 1). Stufe, die diese Bedin- gung erf¨ ullen. Dann ist f¨ ur alle Mengen M n n. Stufe die Aussage M n ∈ M 1 n+1 gleichwertig zu P (M n ) und die Aussage M n ∈ M 2 n+1 gleichwertig zu P (M n ).

Wegen Lemma 1.25 folgt hieraus M n ∈ M 1 n+1 ↔ M n ∈ M 2 n+1 , also nach dem Extensionalit¨ atsaxiom die behauptete Gleichheit.

In der axiomatischen Mengenlehre, in der man keine Stufen betrachtet, formuliert man anstelle des Mengenbildungsaxioms etwas vorsichtiger das Aussonderungs- axiom:

∀N∃M ∀x(x ∈ M ↔ x ∈ N ∧ P (x, x 1 , . . . , x n )).

(19)

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 19

Nach dem Extensionalit¨ atsaxiom ist M als Teilmenge von N eindeutig bestimmt und man schreibt M = {x ∈ N | P (x, x 1 , . . . , x n )}. Man nennt P (x, x 1 , . . . , x n ) einen definierenden Ausdruck von M .

Beispiel 1.29 In der Russelschen Mengenlehre bezeichne P (x) die Aussageform x = x f¨ ur eine Mengenvariable x 0. Stufe. Dann ist E = {x | x = x} die Allmenge, die alle Urmengen enth¨ alt und ∅ = {x | x 6= x} die leere Menge, die keine Elemente enth¨ alt. Beides sind Mengen 1. Stufe.

In der axiomatischen Mengenlehre ist die Bildung der Allmenge nur innerhalb ei- ner bereits gegebenen Menge m¨ oglich und stimmt dann nat¨ urlich mit dieser gege- benen Menge ¨ uberein. “Allmengen” im naiven Sinn, die zu Widerspr¨ uchen f¨ uhren k¨ onnen, wenn man zu großz¨ ugig mit ihnen umgeht, werden dann als Unmen- gen bezeichnet. Man kann aber Mengen und Unmengen zu sogenannten Klassen zusammenfassen und den widerspruchsfreien Umgang mit ihnen in einer “Klas- senlogik” mathematisch korrekt formulieren. Dies ¨ uberschreitet aber den Rahmen dieser Vorlesung bei weitem. Die “Russellsche Menge” ist dann ¨ ubrigens ebenfalls eine Unmenge.

Bei der Bestimmung einer Menge mit Hilfe einer definierenden Eigenschaft sind oft auch andere suggestive Schreibweisen ¨ ublich: Statt n N 0 := {x | x ∈ N 0 ∧ n | x}

schreibt man auch n N 0 := {x ∈ N 0 | n | x} oder n N 0 := {nm | m ∈ N 0 }.

Definition 1.30 Es sei n > 0 eine nat¨ urliche Zahl und a i f¨ ur i = 1, . . . , n Ele- mente aus E mit a i 6= a j f¨ ur alle i 6= j . Man nennt derartige Elemente auch paarweise verschieden, wobei diese Bedingung f¨ ur n = 1 immer erf¨ ullt sein soll.

Bezeichnet P (x) := x = a 1 ∨ x = a 2 ∨ . . . ∨ x = a n , so schreibt man f¨ ur die Menge M = {x | P (x)} auch M = {a 1 , . . . , a n } und nennt sie eine n-elementige Menge. Eine Menge M heißt endlich, wenn sie leer ist (0-elementig) oder eine n-elementige Menge f¨ ur irgend eine nat¨ urliche Zahl n > 0. Alle anderen Mengen heißen unendlich. F¨ ur n = 1 ergeben sich nochmals die oben schon definierten Einermengen, f¨ ur n = 2 die Zweiermengen. Man schreibt |M | := n f¨ ur jede n- elementige Menge und nennt diese Anzahl ihrer Elemente ihre M¨ achtigkeit oder Kardinalit¨ at und |M | eine Kardinalzahl. F¨ ur alle unendlichen Mengen M schreibt man |M | = ∞, wobei dieses Symbol keine konkrete Kardinalzahl darstellt, son- dern nur eine Abk¨ urzung f¨ ur die Aussage ¬∃n ∈ N 0 : |M | = n ist.

Insbesondere ist also die Menge {1, . . . , n} f¨ ur jede nat¨ urliche Zahl n endlich.

Wir werden sp¨ ater sehen, daß diese Mengen gewissermaßen die “Prototypen” der

endlichen Mengen sind.

(20)

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 20

Aufgabe 1.31 Zeigen Sie, daß f¨ ur die Kardinalit¨ aten beliebiger endlicher Men- gen A und B und dem in Definition 1.32 eingef¨ uhrten Durchschnitt A ∩ B und der Vereinigung A ∪ B gilt

|A ∪ B | = |A| + |B| − |A ∩ B |.

Versuchen Sie anschließend, eine Verallgemeinerung dieser Formel f¨ ur |A 1 ∪ . . . ∪ A n | bei endlich vielen endlichen Mengen A i zu finden.

Ersetzt man in einer Mengendefinition M := {x | P (x)} den definierenden Aus- druck P (x) durch einen dazu gleichwertigen Q(x), so wird wegen des Extensio- nalit¨ atsaxioms durch Q(x) dieselbe Menge M beschrieben. Insbesondere kann man die leere Menge auch durch den Ausdruck Q(x) = 0 und die Allmenge durch R(x) = 1 definieren. Außerdem wird jede Menge M durch den Ausdruck M(x) := x ∈ M beschrieben. Diese M¨ oglichkeit gestattet es, Verkn¨ upfungen von Mengen A ◦ B gem¨ aß

(A ◦ B)(x) = A(x) ◦ B(x)

durch Verkn¨ upfungen von Pr¨ adikaten durch logische Junktoren ◦ zu definieren, wobei ◦ sogar eine beliebige zweistellige Boolesche Funktion sein kann. Dabei

¨ ubertragen sich die Eigenschaften der Junktoren unmittelbar auf die Eigenschaf- ten der mengentheoretischen Verkn¨ upfungen. ¨ Ublicherweise f¨ uhrt man allerdings aus historischen Gr¨ unden neue Symbole f¨ ur die Mengenverkn¨ upfungen ein.

Definition 1.32 F¨ ur Mengen A und B Mengen definiert man den Durchschnitt A ∩ B = {x | (A ∧ B)(x)} = {x | x ∈ A ∧ x ∈ B}, die Vereinigung A ∪ B = {x | (A ∨ B)(x)} = {x | x ∈ A ∨ x ∈ B}, das Komplement A = −A = {x | ¬A(x)} = {x | x 6∈ A},

die (mengentheoretische) Differenz A \ B = A ∩ B = {x | x ∈ A ∧ ¬(x ∈ B)}, die symmetrische Differenz A∆B = {x | x ∈ (A \ B) ∪ (B \ A)}.

Zwei Mengen A und B mit A ∩ B = ∅ nennt man disjunkt, und die Elemente eines Mengensystems M heißen paarweise disjunkt, wenn je zwei Elemente A 6= B aus M disjunkt sind.

Bemerkung 1.33 Die Veranschaulichung dieser mengentheoretischen Verkn¨ up- fungen geschieht meist durch Venn-Diagramme (John Venn, 1834 - 1923).

Menge A und Komplement −A

(21)

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 21

E

E A

−A A

Durchschnitt A ∩ B

E

A B

Vereinigung A ∪ B

E

A B

Differenz A \ B

E

A B

Symmetrische Differenz A∆B

(22)

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 22

E

A B

Die Aussagen des folgenden Satzes ergeben sich unmittelbar aus den entsprechen- den Aussagen f¨ ur die logischen Junktoren.

Satz 1.34 F¨ ur Mengen A, B, C gelten A ∩ A = A,

(62)

A ∪ A = A, (63)

A ∩ B = B ∩ A, (64)

A ∪ B = B ∪ A, (65)

(A ∩ B ) ∩ C = A ∩ (B ∩ C), (66)

(A ∪ B ) ∪ C = A ∪ (B ∪ C), (67)

A ∩ (A ∪ B) = A, (68)

A ∪ (A ∩ B) = A, (69)

A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C), (70)

A ∪ (B ∩ C) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C), (71)

A ∪ ∅ = A, (72)

A ∩ E = A, (73)

A ∩ ∅ = ∅, (74)

A ∪ E = E, (75)

A ∩ A = ∅, (76)

A ∪ A = E, (77)

A = A, (78)

∅ = E, (79)

E = ∅, (80)

A ∩ B = A ∪ B, (81)

A ∪ B = A ∩ B.

(82)

Beweis: (62) und (63) folgen aus (18) und (19).

(64) und (65) folgen aus (20) und (21).

(23)

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 23

(66) und (67) folgen aus (23) und (24).

(68) und (69) folgen aus (26) und (27).

(70) und (71) folgen aus (29) und (30).

(72) folgt aus (9) mit (65), (73) aus (8) mit (64).

(74) folgt aus (7), (75) aus (10).

(76) folgt aus (4), (77) aus (5).

(78) folgt aus (3).

(79) folgt aus (1), (80) aus (2).

(81) folgt auch (35), (82) aus (36).

Bemerkung 1.35 (62) und (63) besagen, daß Durchschnitt bzw. Vereinigung von Mengen idempotent sind.

(64) und (65) stellen fest, daß beide Operationen auch kommutativ sind.

(66) und (67) beschreiben die Assoziativit¨ at der beiden Operationen.

Die Gleichungen (69) und (68) werden Absorptionsgesetze genannt, die Gleichun- gen (70) und (71) Distributivgesetze.

Schließlich nennt man (76) und (77) die Komplementgesetze.

Gelten ganz allgemein auf einer Menge M f¨ ur zwei Operationen ∩ und ∪ die Gesetze (64) - (69), so spricht man von einem Verband. Gelten dazu noch (71) und (70), so heißt der Verband distributiv.

Ist jedem Element dieses distributiven Verbandes dann noch eindeutig ein “Kom- plement” zugeordnet und gibt es zwei ausgezeichnete Elemente (meist mit “o”

und “e” bezeichnet), so daß die Komplementgesetze gelten, so spricht man von einer Booleschen Algebra.

Jede Potenzmenge ist also eine Boolesche Algebra.

Eine ausf¨ uhrlichere Behandlung dieser algebraischen Strukturen findet man in dem Skript zur Verbandstheorie

www.mathe.tu-freiberg.de/∼hebisch/skripte/verbtheorie/verb.pdf

(24)

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 24

Die Assoziativ- und Kommutativgesetze f¨ ur Durchschnitt und Vereinigung ge- statten auch die bekannten Schreibweisen f¨ ur Durchschnitte und Vereinigungen endlich vieler Mengen A 1 , . . . , A n :

T n

i=1 A i := (. . . (A 1 ∩ A 2 ) ∩ . . . ∩ A n−1 ) ∩ A n ,

S n

i=1 A i := (. . . (A 1 ∪ A 2 ) ∪ . . . ∪ A n−1 ) ∪ A n . Folgerung 1.36 F¨ ur Mengen A, B, C gelten

A \ ∅ = A, (83)

A \ E = ∅, (84)

∅ \ A = ∅, (85)

E \ A = A, (86)

A \ A = ∅, (87)

A \ B = A ∪ B, (88)

(A ∩ B ) \ C = (A \ C) ∩ (B \ C), (89)

(A ∪ B ) \ C = (A \ C) ∪ (B \ C), (90)

A \ (B ∩ C) = (A \ B) ∪ (A \ C), (91)

A \ (B ∪ C) = (A \ B) ∩ (A \ C), (92)

A \ (B \ C) = (A \ B) ∪ (A \ C).

(93)

Beweis: Die ersten f¨ unf Aussagen sind trivial!

(88): Wegen A \ B = A ∩ B folgt aus (81) A \ B = A ∩ B = A ∪ B, wobei in der letzten Gleichheit noch (78) benutzt wurde.

Rest: ¨ Ubung!

Folgerung 1.37 F¨ ur Mengen A, B, C gelten A∆B = (A ∪ B ) \ (A ∩ B ), (94)

A∆B = B∆A, (95)

(A∆B )∆C = A∆(B∆C), (96)

A∆∅ = A, (97)

A∆A = ∅, (98)

A∆B = A∆B, (99)

A ∩ (B ∆C) = (A ∩ B )∆(A ∩ C).

(100)

(25)

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 25

Beweis: (94): Es ist nach Definition der symmetrischen und der mengentheore- tischen Differenz A∆B = (A ∩ B) ∪ (B ∩ A). Mit (70) und (71) folgt hieraus A∆B = (A ∩ B) ∪ (A ∩ A) ∪ (B ∩ B ) ∪ (B ∩ A). Wegen A ∩ A = B ∩ B = ∅ gilt also A∆B = (A ∪ B ) ∩ (A ∪ B ) = (A ∪ B) ∩ A ∩ B , wobei die letzte Gleichheit aus (81) kommt. Mit der Definition der mengentheoretischen Differenz folgt nun die Behauptung.

(95): Nach Definition der symmetrischen Differenz und wegen (65) gilt A∆B = (A \ B) ∪ (B \ A) = (B \ A) ∪ (A \ B) = B∆A.

(97): Es ist mit der vorhergehenden Folgerung A∆∅ = (A\∅)∪(∅\A) = A∪∅ = A.

(98): Es ist mit der vorhergehenden Folgerung A∆A = (A\A)∪(A\A) = ∅∪∅ = ∅.

Rest: ¨ Ubung!

Definition 1.38 Seien A und B Mengen. Man nennt A eine Teilmenge oder Untermenge von B und B dann eine Obermenge von A, in Zeichen: A ⊆ B , wenn

∀x(x ∈ A → x ∈ B) gilt. Hat man dann noch A 6= B, so heißt A echte Teilmenge von B, in Zeichen: A ⊂ B. Diese Beziehung zwischen zwei Mengen nennt man auch Inklusion (lat. includere = einschließen).

Folgerung 1.39 F¨ ur alle Mengen A, B, C gelten

∅ ⊆ A, (101)

A ⊆ A, (102)

A ⊆ B ∧ B ⊆ A → A = B, (103)

A ⊆ B ∧ B ⊆ C → A ⊆ C.

(104)

Beweis: Da x ∈ ∅ f¨ ur alle x falsch ist, gilt x ∈ ∅ → x ∈ A wegen “ex falso quodlibet”, also ist (101) richtig. (102) und (103) folgen aus (40) und dem Ex-

tensionalit¨ atsaxiom, (104) folgt aus (48).

Beispiel 1.40 F¨ ur jede nat¨ urliche Zahl n ∈ N 0 ist n Z := {x | ∃z(z ∈ Z ∧ x = n · z)} eine Teilmenge von Z und ebenso ist n N 0 = n ZN 0 eine Teilmenge von

N 0 . Nat¨ urlich ist 0 Z = {0} und 1 Z = Z . Weiterhin gilt n | m ↔ m Z ⊆ n Z , wodurch man die in (102) - (104) enthaltenen Aussagen ¨ uber die Inklusion direkt in Aussagen ¨ uber die Teilbarkeit in den nat¨ urlichen Zahlen ¨ ubersetzen kann.

Entsprechende Aussagen ¨ uber Teilmengen von N 0 erh¨ alt man, wenn man die

Mengen n N 0 = N 0 ∩ n Z betrachtet.

(26)

1.3 Mengenbildung und Mengenalgebra 26

Die Aussage (103) wird sehr oft verwendet, um die Gleichheit von zwei Mengen zu zeigen.

F¨ ur unendliche Mengen ist durch die bisherigen Axiome nicht gesichert, daß man s¨ amtliche Teilmengen einer Menge wieder zu einer Menge zusammenfassen darf.

Daher fordert man noch das Potenzmengenaxiom:

∀M∃P ∀X(X ∈ P ↔ ∀y(y ∈ X → y ∈ M)).

Definition 1.41 F¨ ur jede Menge M sei P (M ) = {A | A ⊆ M } die Potenzmenge von M , also die Menge aller Teilmengen von M .

Beispiel 1.42 Es ist P (∅) = {∅}, P ({a}) = {∅, {a}}, P ({a, b}) = {∅, {a}, {b}, {a, b}}, P ({a, b, c}) = {∅, {a}, {b}, {a, b}, {c}, {a, c}, {b, c}, {a, b, c}}.

Folgerung 1.43 F¨ ur Mengen A und B und ihre Potenzmengen gelten

P (A) ∩ P (B) = P (A ∩ B), (105)

P (A) ∪ P (B) ⊆ P (A ∪ B).

(106)

Beweis: Sei X ⊆ A ∩ B , dann gilt auch X ⊆ A und X ⊆ B. Also liegt jedes X ∈ P (A ∩ B) sowohl in P (A) als auch in P (B). Ist andererseits Y eine Menge, die sowohl in P (A) als auch in P (B ) liegt, dann ist Y Teilmenge von A und Teilmenge von B. Also ist jedes y ∈ Y sowohl in A als auch in B enthalten und liegt daher im Durchschnitt A ∩ B. Dies zeigt dann Y ∈ P (A ∩ B ). Daher sind beide Seiten gleich.

Rest: ¨ Ubung!

Um auch Vereinigungen ¨ uber unendlich viele Mengen bilden zu k¨ onnen fordert man das große Vereinigungsmengenaxiom, woraus nat¨ urlich das kleine sofort folgt:

∀ M ∃X∀x(x ∈ X ↔ ∃M (M ∈ M ∧ x ∈ M )).

Definition 1.44 Es sei M ein Mengensystem. Man definiert die Vereinigung ¨ uber M als S M = {x | ∃X (X ∈ M ∧ x ∈ X)} und den Durchschnitt ¨ uber M 6= ∅ als T M = {x | ∀X (X ∈ M → x ∈ X)}.

Speziell f¨ ur Mengensysteme M = {A n | n ∈ N 0 } schreibt man auch S M =

S ∞

n=0 A n bzw. T M = T n=0 A n .

(27)

1.4 Relationen und Abbildungen 27

Bemerkung 1.45 F¨ ur Zweiermengen M = {A, B} stimmt S M mit der Vereini- gung A ∪ B und T M mit dem Durchschnitt A ∩ B uberein. ¨

S und T erniedrigen in einer gestuften Mengenlehre die Stufe der Menge um 1.

F¨ ur M = ∅ w¨ urde sich T ∅ = E, die Allmenge, ergeben. Man verzichtet ¨ ublicher- weise in einer nicht gestuften Mengenlehre auf derartige Durchschnittsbildungen, wenn das Mengensystem nicht einer festen Potenzmenge entstammt!

Aufgabe 1.46 Man beweise durch vollst¨ andige Induktion: Ist M eine n- elementige Menge, so ist die Potenzmenge P (M ) 2 n -elementig, kurz: | P (M )| = 2 |M| . Man schreibt daher auch 2 A oder 2 A f¨ ur P (A) bei beliebigen Mengen A.

Aufgabe 1.47 Versuchen Sie, den Beweis des Euklid f¨ ur die Aussage, daß es nicht nur endlich viele Primzahlen gibt, m¨ oglichst weitgehend mit mengentheo- retischen und pr¨ adikatenlogischen Mitteln zu formalisieren

Aufgabe 1.48 Man beweise die M¨ oglichkeit der sogenannten Division mit Rest:

Zu a, b ∈ Z mit b 6= 0 existieren ein eindeutig bestimmtes q ∈ Z , der Quotient, und ein eindeutig bestimmtes r ∈ Z , der Rest mit a = q · b + r und 0 ≤ r < |b|. (Man kann also a stets durch b 6= 0 eindeutig mit Rest r dividieren.) Sei n > 0 eine ganze Zahl, also eine nat¨ urliche Zahl n 6= 0. Definiert man f¨ ur r = 0, 1, . . . , n − 1 die (nichtleeren!) Mengen [r] n = {x ∈ Z | x l¨ aßt bei Division durch n den Rest r}, dann sind diese Restklassen modulo n nicht leer und paarweise disjunkt und f¨ ur das Mengensystem Z /(n) = {[r] n | r = 0, . . . , n − 1} gilt Z = S Z /(n).

1.4 Relationen und Abbildungen

1.4.1 Kartesische Produkte

Die folgende Definition des geordneten Paares und damit des kartesischen Pro- duktes (Ren´ e Descartes, 1596 - 1650) geht auf Kazimierz Kuratowski (1896 - 1980) zur¨ uck.

Definition 1.49 F¨ ur beliebige Elemente a und b (aus E) sei das geordnete Paar (a, b) definiert als Zweiermenge (a, b) = {{a}, {a, b}}.

Sind A und B Mengen, dann heißt A × B = {(a, b) | a ∈ A ∧ b ∈ B} das

kartesische Produkt oder Kreuzprodukt oder direktes Produkt von A und B.

(28)

1.4 Relationen und Abbildungen 28

Bemerkung 1.50 Das geordnete Paar (a, b) ist eine Menge 2. Stufe und das kartesische Produkt daher eine Menge 3. Stufe.

F¨ ur a 6= b ist (a, b) eine Zweiermenge, f¨ ur den Spezialfall a = b ist (a, a) = {{a}}

eine Einermenge.

Man kann geordnete Paare (M n , M m ) (und damit Kreuzprodukte) auch f¨ ur Men- gen M n , M m beliebiger, sogar verschiedener, Stufen definieren.

Folgerung 1.51 F¨ ur geordnete Paare gilt (a, b) = (a 0 , b 0 ) ↔ (a = a 0 ) ∧ (b = b 0 ).

Beweis: Nat¨ urlich folgt aus (a = a 0 )∧(b = b 0 ) sofort die Gleichheit (a, b) = (a 0 , b 0 ) und es ist nur die umgekehrte Implikation zu zeigen.

Wir unterscheiden zwei F¨ alle: 1. Es ist a = b. Dann ist (a, a) einelementig und daher auch (a, a) = (a 0 , b 0 ). Dies ist nur f¨ ur a 0 = b 0 der Fall. Also gilt {{a}} = {{a 0 }}, woraus zun¨ achst {a} = {a 0 } und damit auch a = a 0 folgt.

2. Es ist a 6= b. Dann ist (a, b) eine Zweiermenge und damit auch (a 0 , b 0 ). Also gilt ebenfalls a 0 6= b 0 . Daher sind {a} und {a 0 } Einermengen und {a, b} sowie {a 0 , b 0 } Zweiermengen. F¨ ur die beiden Elemente der gleichen Zweiermengen {{a}, {a, b}}

und {{a 0 }, {a 0 , b 0 }} kann daher nur {a} = {a 0 } und {a, b} = {a 0 , b 0 } gelten. Aus der ersten Gleichung folgt dann schon a = a 0 und hieraus {a, b} = {a, b 0 }. Durch Subtraktion von {a} folgt dann {b} = {b 0 } und damit b = b 0 . Satz 1.52 F¨ ur Mengen A, B, C, D gelten die folgenden Aussagen

A × B = ∅ ↔ A = ∅ ∨ B = ∅, (107)

C 6= ∅ ∧ A × C = B × C → A = B, (108)

(A ∩ B) × C = (A × C) ∩ (B × C), (109)

A × (B ∩ C) = (A × B) ∩ (A × C), (110)

(A ∪ B) × C = (A × C) ∪ (B × C), (111)

A × (B ∪ C) = (A × B) ∪ (A × C), (112)

(A × B) ∩ (C × D) = (A ∩ C) × (B ∩ D), (113)

(A × B) ∪ (C × D) ⊆ (A ∪ C) × (B ∪ D), (114)

(A \ C) × (B \ D) ⊆ (A × B) \ (C × D).

(115)

Sind A und B in einer gemeinsamen Obermenge M enthalten und beziehen sich die Komplemente auf M bzw. M × M, so gilt

A × B ⊆ A × B.

(116)

(29)

1.4 Relationen und Abbildungen 29

Beweis: (107): Ist A = ∅ oder B = ∅, so kann es nat¨ urlich kein Element (a, b) ∈ A × B geben, denn dann m¨ ußte a ∈ A und b ∈ B gelten. Also folgt dann A × B = ∅. Sind andererseits sowohl A als auch B nicht leer, dann gibt es wenigstens ein a ∈ A und ein b ∈ B. Dann liegt aber (a, b) in A × B und diese Menge ist nicht leer.

(108): Gelte also C 6= ∅ ∧ A × C = B × C und sei x ∈ A. Dann gibt es ein c ∈ C und (x, c) ∈ A × C = B × C zeigt x ∈ B . Also gilt A ⊆ B. Durch Vertauschung der Rollen von A und B folgt auch die umgekehrte Inklusion und damit die Gleichheit.

(116) Aus (115) folgt (M \ A) × (M \ B) ⊆ (M × M ) \ (A × B), und dies ist gerade die Behauptung.

Rest: ¨ Ubung!

Definition 1.53 F¨ ur nat¨ urliche Zahlen n ≥ 3 und Mengen M i , i = 1, . . . , n sowie Elemente x i ∈ M i seien n-Tupel rekursiv definiert durch

(x 1 , x 2 , x 3 ) := ((x 1 , x 2 ), x 3 ) f¨ ur n = 3 und

(x 1 , x 2 , . . . , x n ) := ((x 1 , . . . , x n−1 ), x n ) f¨ ur n > 3.

Weiterhin sei M 1 × M 2 × . . . × M n := {(x 1 , . . . , x n ) | x 1 ∈ M 1 ∧ . . . ∧ x n ∈ M n } das kartesische Produkt der M i .

Speziell f¨ ur M 1 = M 2 = . . . = M n = A schreibt man hierf¨ ur A n und nennt dies die n-te Potenz von A mit den Randf¨ allen A 2 = A × A, A 1 = A und A 0 = {∅}.

In der Informatik werden die Elemente (a 1 , . . . , a n ) von A n auch Listen der L¨ ange n genannt und als [a 1 , . . . , a n ] notiert. Speziell bezeichnet [ ] dann die leere Liste aus A 0 . Die Menge A heißt in diesem Zusammenhang auch ein Datentyp. Es ist dann A = S n=0 A n die Menge aller Listen ¨ uber A.

Aufgabe 1.54 Man beweise durch vollst¨ andige Induktion: Ist A eine m- elementige Menge, so ist A n eine m n -elementige Menge, kurz: |A n | = |A| n f¨ ur alle endlichen Mengen A und n ∈ N 0 .

1.4.2 Korrespondenzen und Relationen

Definition 1.55 Es seien A und B Mengen. Eine Teilmenge R ⊆ A × B nennt

man auch eine Korrespondenz oder Relation aus A in B und dazu R −1 := {(b, a) |

(a, b) ∈ R} ⊆ B × A die inverse Korrespondenz. Weiterhin heißen

(30)

1.4 Relationen und Abbildungen 30

D(R) := {x | x ∈ A ∧ ∃y ∈ B : (x, y) ∈ R} der Definitionsbereich und W (R) := {y | y ∈ B ∧ ∃x ∈ A : (x, y) ∈ R} der Wertebereich von R.

Eine Korrespondenz R ⊆ A × B heißt Korrespondenz von A in B oder linkstotal, falls D(R) = A gilt, aus A auf B oder rechtstotal, falls W (R) = B gilt, von A auf B, falls D(R) = A und W (R) = B gelten.

Schließlich setzt man noch R(x) := {y | (x, y) ∈ R} f¨ ur alle x ∈ D(R) und nennt R rechtseindeutig, wenn R(x) einelementig f¨ ur alle x ∈ D(R) ist.

F¨ ur Teilmengen A 0 ⊆ A und B 0 ⊆ B bezeichnet R| A

0

×B

0

:= R ∩ (A 0 × B 0 ) = {(a 0 , b 0 ) ∈ A 0 × B 0 | (a 0 , b 0 ) ∈ R} die Einschr¨ ankung von R auf A 0 × B 0 .

Beispiel 1.56 F¨ ur A = {1, 2, 3, 4, 5} und B = {a, b, c, d} sei R = {(1, a), (1, c), (3, b), (4, b)}, also D(R) = {1, 3, 4} und W (R) = {a, b, c}.

1 2 3 4 5

a b c d

A

B R

D(R) W(R)

Dann gilt beispielsweise R(1) = {a, b}, R(3) = R(4) = {b} und R(2) = R(5) = ∅ sowie R −1 (a) = {1} = R −1 (c), R −1 (b) = {3, 4} und R −1 (d) = ∅.

Bemerkung 1.57 Ist R ⊆ A × B eine beliebige Korrespondenz und setzt man A 0 := {x ∈ A | ∃y ∈ B ∧ (x, y) ∈ R} = D(R) sowie B 0 := {y ∈ B | ∃x ∈ A ∧ (x, y) ∈ R} = W (R), dann ist R 0 = R ∩ (A 0 × B 0 ) eine Korrespondenz von A 0 auf B 0 , also eine auf diesen Mengen links- und rechtstotale Korrespondenz.

Daher wird oft eine oder sogar beide dieser Eigenschaften allgemein vorausgesetzt,

insbesondere bei Abbildungen.

(31)

1.4 Relationen und Abbildungen 31

Definition 1.58 F¨ ur eine beliebige Korrespondenz R ⊆ A × B werde die Erwei- terung R b ⊆ P (A) × P (B ) definiert durch R(X) := b {y ∈ B | ∃x ∈ X : (x, y) ∈ R} = S {R(x) | x ∈ X}. Daher hat man auch R d −1 (Y ) := {x ∈ A | ∃y ∈ Y : (x, y) ∈ R} = S {R −1 (y) | y ∈ Y }.

Folgerung 1.59 F¨ ur jede Korrespondenz R ⊆ A × B ist R b linkstotal und rechts- eindeutig. Es ist stets R(∅) = b ∅ und damit auch R d −1 (∅) = ∅. Weiterhin hat man R(A) = b W (R) und R d −1 (B) = D(R).

F¨ ur alle X 1 , X 2 ⊆ A und alle Y 1 , Y 2 ⊆ B gelten R(X b 1 ∪ X 2 ) = R(X b 1 ) ∪ R(X b 2 ),

(117)

R d −1 (Y 1 ∪ Y 2 ) = R d −1 (Y 1 ) ∪ R d −1 (Y 2 ), (118)

R(X b 1 ∩ X 2 ) ⊆ R(X b 1 ) ∩ R(X b 2 ), (119)

R d −1 (Y 1 ∩ Y 2 ) ⊆ R d −1 (Y 1 ) ∩ R d −1 (Y 2 ), (120)

R d −1 (B \ Y 1 ) ⊆ A \ R d −1 (Y 1 ).

(121)

In (119) gilt die Gleichheit, wenn R linkseindeutig ist, in (120) und (121) steht jeweils die Gleichheit, wenn R rechtseindeutig ist.

Beweis: Man beachte, daß (117) und (118) dieselben Aussagen nur f¨ ur die un- terschiedlichen Korrespondenzen R und R −1 sind. Dasselbe gilt bez¨ uglich (119) und (120).

(117): F¨ ur y ∈ B sind jeweils gleichwertig:

y ∈ R(X b 1 ∪ X 2 ),

∃x ∈ (X 1 ∪ X 2 ) : (x, y) ∈ R,

∃x ∈ X 1 : (x, y) ∈ R ∨ ∃x ∈ X 2 : (x, y) ∈ R, y ∈ R(X b 1 ) ∨ y ∈ R(X b 2 )

y ∈ R(X b 1 ) ∪ R(X b 2 ).

Man kann aber auch mit Satz 1.127 (4) schließen:

R(X b 1 ∪ X 2 ) = [ {R(x) | x ∈ (X 1 ∪ X 2 )}

= [ {R(x) | x ∈ X 1 ∨ x ∈ X 2 }

= [ ({R(x) | x ∈ X 1 } ∪ {R(x) | x ∈ X 2 })

= [ {R(x) | x ∈ X 1 } ∪ [ {R(x) | x ∈ X 2 })

= R(X b 1 ) ∪ R(X b 2 ).

(32)

1.4 Relationen und Abbildungen 32

Rest: ¨ Ubung!

Definition 1.60 Seien R ⊆ A × B und S ⊆ C × D Korrespondenzen. Dann heißt

R ◦ S := {(x, z) | (x, z) ∈ A × D ∧ ∃y ∈ B ∩ C : (x, y) ∈ R ∧ (y, z) ∈ S}

die Verkettung von R mit S.

Beispiel 1.61 F¨ ur R wie in Beispiel 1.56, C = {b, c, d, e, f }, D = {α, β, γ, δ} sei S = {(b, α), (d, β), (d, γ), (e, α)}.

1 2 3 4 5

a b c d

A

R

B

C

e f

β α

δ γ

S

D

R o S

Dann gilt R ◦ S = {(3, α), (4, α)}.

Satz 1.62 F¨ ur Korrespondenzen R, S, T gelten (R −1 ) −1 = R,

(122)

(R ◦ S) −1 = S −1 ◦ R −1 , (123)

(R ◦ S) ◦ T = R ◦ (S ◦ T ).

(124)

Beweis: (122) ist trivial.

(123): F¨ ur (d, a) ∈ (R ◦ S) −1 sind jeweils gleichwertig

(33)

1.4 Relationen und Abbildungen 33

(a, d) ∈ R ◦ S

∃x ∈ B ∩ C : (a, x) ∈ R ∧ (x, d) ∈ S

∃x ∈ C ∩ B : (d, x) ∈ S −1 ∧ (x, a) ∈ R −1 (d, a) ∈ S −1 ◦ R −1 .

(124): Seien R ⊆ A × B, S ⊆ C × D und T ⊆ E × F . Dann sind f¨ ur alle (a, f ) ∈ A × F gleichwertig

(a, f ) ∈ (R ◦ S) ◦ T ,

∃d ∈ D ∩ E : (a, d) ∈ R ◦ S ∧ (d, f ) ∈ T ,

∃d ∈ D ∩ E : ∃b ∈ B ∩ C : (a, b) ∈ R ∧ (b, d) ∈ S ∧ (d, f) ∈ T ,

∃b ∈ B ∩ C : ∃d ∈ D ∩ E : (a, b) ∈ R ∧ (b, d) ∈ S ∧ (d, f) ∈ T ,

∃b ∈ B ∩ C : (a, b) ∈ R ∧ (b, f ) ∈ S ◦ T ,

(a, f ) ∈ R ◦ (S ◦ T ).

Definition 1.63 Es sei A eine Menge und n > 0 eine nat¨ urliche Zahl. Eine Teilmenge % ⊆ A n heißt eine n-stellige Relation auf A. Im Fall n = 2 spricht man auch von bin¨ aren Relationen. Die Menge aller bin¨ aren Relationen werde mit

B A bezeichnet. Bin¨ are Relationen % schreibt man oft in Infixnotation, also a%b anstelle von (a, b) ∈ %.

Bemerkung 1.64 Relationen sind also Elemente der Potenzmengen P (A n ).

Stets sind ∅, die leere Relation, und A n , die Allrelation, Relationen auf A n . Zu B A

geh¨ ort auch immer die identische Relation oder Identit¨ at ι A = {(a, a) | a ∈ A} auf A. Sie wird auch als id A oder 1 A oder ∆ A oder schlicht als Gleichheit = notiert.

Folgerung 1.65 F¨ ur bin¨ are Relationen % i ∈ B A = P (A × A) auf einer Menge A gelten

(% 1 ∪ % 2 ) ◦ % 3 = % 1 ◦ % 3 ∪ % 2 ◦ % 3 , (125)

% 1 ◦ (% 2 ∪ % 3 ) = % 1 ◦ % 2 ∪ % 1 ◦ % 3 , (126)

(% 1 ∩ % 2 ) ◦ % 3 ⊆ % 1 ◦ % 3 ∩ % 2 ◦ % 3 , (127)

% 1 ◦ (% 2 ∩ % 3 ) ⊆ % 1 ◦ % 2 ∩ % 1 ◦ % 3 .

(128)

(34)

1.4 Relationen und Abbildungen 34

Beweis: (125): F¨ ur (a, b) ∈ A 2 sind jeweils gleichwertig:

(a, b) ∈ (% 1 ∪ % 2 ) ◦ % 3 ,

∃c ∈ A : (a, c) ∈ % 1 ∪ % 2 ∧ (c, b) ∈ % 3 ,

∃c ∈ A : ((a, c) ∈ % 1 ∨ (a, c) ∈ % 2 ) ∧ (c, b) ∈ % 3 ,

∃c ∈ A : ((a, c) ∈ % 1 ∧ (c, b) ∈ % 3 ) ∨ ((a, c) ∈ % 2 ) ∧ (c, b) ∈ % 3 ), (a, b) ∈ % 1 ◦ % 3 ∨ (a, b) ∈ % 2 ◦ % 3 ,

(a, b) ∈ % 1 ◦ % 3 ∪ % 2 ◦ % 3 .

Rest: ¨ Ubung!

1.4.3 Aquivalenz- und Ordnungsrelationen ¨ Definition 1.66 Eine bin¨ are Relation % ∈ B A heißt reflexiv :↔ ι A ⊆ %,

irreflexiv :↔ ι A ∩ % = ∅, symmetrisch :↔ % −1 ⊆ %, asymmetrisch :↔ % −1 ∩ % = ∅, antisymmetrisch :↔ % −1 ∩ % ⊆ ι A , transitiv :↔ % ◦ % ⊆ %,

konnex :↔ % ∪ % −1 ∪ ι A = ω A , linear :↔ % ∪ % −1 = ω A .

Eine Aquivalenz(relation) ¨ ist eine reflexive, symmetrische und transitive Rela- tion, eine partielle Ordnung(srelation) ist eine reflexive, antisymmetrische und transitive Relation. Eine totale oder lineare Ordnung(srelation) ist eine reflexive, antisymmetrische, transitive und lineare Relation. Mit E (A) werde die Menge aller ¨ Aquivalenzrelationen auf A bezeichnet. F¨ ur ¨ Aquivalenzrelationen schreibt man statt % oft andere Symbole wie ≡, ∼ oder ∼ = und benutzt die Infixnotation.

Entsprechend benutzt man f¨ ur Ordnungsrelationen oft das Symbol ≤ in Infixno-

tation. Ist ≤ partielle Ordnungsrelation auf der Menge A, so nennt man das Paar

(A, ≤) eine partiell geordnete Menge, im Fall, daß ≤ sogar eine lineare Ordnung

ist, eine linear oder total geordnete Menge oder eine Kette. Eine Pr¨ aordnung oder

Quasiordnung ist eine reflexive und transitive Relation.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

die Menge aller Laubb¨ aume.. (b) Die Menge aller

(a) alles Gr¨ onlandeis (b) alle Lehrer der BKS (c) alle Ziffern des 10er-Systems (d) alles Wasser in der Kanne (e) alle Bundesr¨ ate der Schweiz (f) alle Butter im K¨ uhlschrank

(25%) Zeigen Sie, dass ein Graph G = (V, E) genau dann ein Cograph ist, wenn f¨ur je zwei Knoten x, y ∈ V , die in derselben Zusammenhangskom- ponente von G liegen, ein Weg der

Fakultät für Mathematik IAN/IMO1.

[r]

Diese Aufgaben sollen w¨ ahrend des ersten Tutoriums als Pr¨ asenz¨ ubung

Die Menge der natürlichen Zahlen wird mit N bezeichnet, 1 ist die kleinste natürliche Zahl (gelegentlich nimmt man auch die 0 dazu, wir hier nicht).. Die heute übliche,

Dabei gilt das erste Gleichheitszeichen aufgrund der Definition von n+1, das zweite ist die Rekursionsformel in der Definition der Multiplikation, beim dritten wird