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Erklärung.
Herr Prof. Dr. Beer sagt in dem wissenschaftlichen Jahres¬
bericht dieser Zeitschrift (Bd. 59, S. 203), daß ich von der LXX-Über¬
setzung des Bucbes Daniel eine hebräische Rückübersetzung ohne
Anlehnung an den masoretischen Text gegeben habe. Wer dies
liest, muß denken, ich habe die LXX einfach hergenommen und
frisch darauflos ohne Berücksichtigung des masoretischen Textes
ins Hebräische übersetzt. Einer solchen Irreführung habe ich die
Pflicht entgegenzutreten. Der von mir gegebene Text ist durch
Vergleichung des masoretischen Textes mit dem der LXX hergestellt,
und mein Commentar giebt die Gründe für die Abweichungen von
beiden Texten. Erst aus dieser Vergleichung folgt die Bevorzugung der LXX bei weitaus den meisten Textdifferenzen, aber ebensowenig
bei allen wie in meinen Ausgaben der Bücher Ester und Ezechiel.
Die Abweichung meines Textes von dem der LXX ist derartig,
daß von einer einfachen Rückübersetzung keine Rede sein kann.
Eine Rückübersetzung des corrumpirten und zum Theil sinnlosen
Daniel-Textes der LXX ohne Anlehnung an M. T. muß für jeden
Kenner desselben als undurchführbar gelten. Große Partien der
LXX lasse ich als nicht ursprünglich unübersetzt. Der Referent
wiederholt die Entstellung meines kritischen Verfahrens, welche ich
Wellhausen gegenüber eingehend widerlegt habe. Ich erwarte von
ihm, als Berichterstatter entweder Beweise oder Richtigstellung. Der¬
selbe hat meine Herstellung des Buches Ester, sowie meine „Bei¬
träge zur Beurteilung der LXX' betitelte Streitschrift gegen WeU¬
hausen und meine ganze Differenz mit diesem unerwähnt gelassen.
Auch meine Kritik der Mescha-Inschrift ist in dem Bericht der
Zeitschrift mit Stillschweigen übergangen. n j „ u „
Erwiderung.
Zu vorstehender Erklärung mich im Einzelnen zu äußern, habe
ich um so weniger Anlaß, als über die betreffende Schrift eine ein¬
gehendere Anzeige von mir demnächst in der „Deutschen Literatur¬
zeitung' erscheinen soll. Daß Herr Prof. Dr. Jahn manche
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Beer, Erwiderung. 673
Schwächen der bisherigen Danielkritik aufgedeckt und verschiedene
beachtenswerte Besserungsvorschläge gemacht hat und so seine
Arbeit auch eine Förderung der Danielerklärung bedeutet, möchte
ich hier unaufgefordert nachtragen. Ich fürchte aber, daß noch
mehr Theologen den gleichen Eindruck wie ich haben werden, daß
Jahn die LXX zu Daniel überschätzt; vgl. jetzt z. B. F. Volz im
Theolog. Jahresbericht XXIV (hrsgb. v. 6. Krüger u. W. Koehler)
Berlin 1905, S. 190. Auf Jahn's „Mescha-Inschrift' einzugehen
(die ich übrigens S. 203, Anm. 2 kurz erwäbnt habe), hielt ich für
den Jahresbericht dieser Zeitschrift für unangebracht. Ein summarisch
ablehnendes Urteil ist in dem von mir bearbeiteten Teil des schon
erwähnten Theolog. Jahresberichtes S. 66 zu finden.
Georg Beer.
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Anzeigen.
Hans Lietzmann: Apollinaris von Laodicea und seine
Schule. Bd. I. Tübingen. .T. C. B. Mohr. 1904. XVI -)-
323 S. 80.
Johannes Flemming und Hans Lietzmann: Apolli¬
naristische Schriften. Syrisch mit den griechischen Texten
und einem syrisch-griechischen Wortregister. Berlin. Weid¬
mannsche Buchhandlung. 1904. (Abhandlungen der Kgl.
Ges. d. Wiss. zu Göttingen. Phil.-Hist. Kl. N. F. Bd VII
No. 4.) IX -j- 76 S. 40.
Apollinaris, Bischof von Laodicea (f um 390), ward zum ersten¬
mal 377 in Rom, zum zweitenmal 381 in Konstantinopel verketzert.
Durch seine und seiner Anhänger energische kirchenpolitische Propa¬
ganda, deren Vorort Antiochia war, geriet der Orient von Cilicien
bis Phönicien in Gefahr, der apollinaristischen Häresie anheimzufallen.
Ja, aus dem Samen, der von ihm ausgestreut wurde, „erwuchs die
Großmacht des Monophysitismus, die Reich und Kirche von Byzanz
zum Zerbersten gebracht hat". Denn das Zentraldogma des Apolli¬
narismus ist die monophysitische Inkarnationslehre. Es wurden
nacheinander zwei verschiedene Theorien über die Person Cbristi
aufgestellt. „Die erste läßt den Logos, die zweite Person der
Trinität, als Seele in dem von Maria geborenen Leibe als seinem
Kleide Wobnung nehmen, derart, daß in der , einen Natur des fleisch¬
gewordenen Logos' der Logos das wollende und handelnde Subjekt,
der menschliche Leib das leidende Werkzeug ist. Durch Austausch
der Eigenschaften nimmt die Gottheit menschliches, der Leib gött¬
liches an : so wird die Einheit der Natur zugleich mit der in Ver¬
gottung bestehenden Erlösung der Menschheit bewirkt. So lautet
im wesentlichen die Lehre der Apollinaristen in ihrer ältesten Form :
die zweite aus der Auseinandersetzung mit den Gegnern erwachsene
Theorie läßt den Logos nur die Stelle des vovg, also der höheren
Seelenkräfte , einnehmen , während der Leib und die animalische
Seele menschlich waren; , himmlischer Mensch' ist der Heiland nicht
dem irdischen Bestandteil nach, sondem weil die Hauptsache am
Menschen, der vovg, vom Himmel stammt".
Die Schriften des Apollinaris sind von der orthodoxen Kirche
vernichtet worden. Unter seinem Namen sind uns nur eine Psalmen-