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Länger leben – aber wie?

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juli 2019 | www.diepta.de

PRAXIS

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as Altern ist ein dynamischer Pro- zess, bei dem sich in unserem Kör- per degenerative Veränderun- gen häufen. Das führt zu Or- ganfehlfunktionen und irgend- wann zum Tod. Als primäres Altern bezeichnet man dabei den Alterungsprozess, der dem Organismus anhaftet, wie etwa die abnehmende Funktion der Mitochondrien oder die zu- nehmende Fehlerhaftigkeit der Zellteilung. Beim sekundären Altern hin gegen wird der Ver- fallsprozess durch äußere Ein- flüsse wie Krankheiten oder

ungesunden Lebensstil beein- flusst. Ziel der seriösen Anti- Aging-Medizin ist es, das pri- märe Altern zu beeinflussen.

Denn Volkskrankheiten wie Morbus Alzheimer, Krebs, Herzinfarkt oder Schlaganfälle sind zum größten Teil alters- assoziiert. Doch wieso altern wir überhaupt?

Oxidativer Stress In den 1950er Jahren entdeckte der US-amerikanische Biogeronto- loge Denham Harman beson- ders aggressive Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle. Sie entstan- den auf natürliche Weise als

Stoffwechselprodukte, aber auch durch schädliche Umwelt- einflüsse. Harman stellte fest, dass diese oxidativen Substan- zen, die er „freie Radikale“

nannte, Zellmembranen zerstö- ren konnten. Mittlerweile weiß man, dass sie auch Proteine und die Erb substanz schädigen kön- nen. Den freien Radikalen sagte man den Kampf mit antioxida- tiven Therapien an, zum Bei- spiel durch die hochdosierte Gabe der Vitamine A, C und E.

In Studien konnte die Wirksam- keit der antioxidativen Thera- pien jedoch nicht als Schutz vor Krankheiten wie Krebs nachge- wiesen werden. Im Gegenteil:

Einige Studien zeigten sogar, dass die überdosierte Gabe der Vitamine das Risiko für einige Krebsarten erhöhte. Trotzdem ist die Theorie der Antioxidan- zien noch lange nicht vom Tisch. Neuere Forschungen zei- gen, dass Radikalfänger wie Vi- tamine und sekundäre Pflan- zenstoffe nicht als Einzelsubs- tanzen, sondern als Netzwerk gesehen werden müssen.

Sinkender Hormonspiegel Im Alter nimmt die Produktion vieler Hormone ab. Wissen- schaftler fragten sich: Nehmen die Hormone ab, weil wir al- tern, oder altern wir, weil die Hormonproduktion abnimmt?

Daraus entwickelte sich die Hormonersatz therapie. Ihr be- kanntester Vertreter ist die

Estrogentherapie für Frauen nach den Wechseljahren. Diese zeigte langfristig jedoch er- schreckende Ergebnisse: Anstatt einen Herzinfarkt zu verhin- dern, steigerte sie das Risiko fast um das Dreifache und er- höhte auch die Gefahr für Thrombosen und Krebs. Selbst wenn sich die Zahlen ein we- nig relativieren, sobald man sie auf Alters- und Risikogruppen herunterbricht, gilt doch mitt- lerweile, dass sich eine gene- ralisierte Hormonersatzthera- pie nicht als Anti-Aging-Maß - nahme eignet.

Eingebaute Zeitschaltuhr Die als Fibroblasten bezeich- neten Bindegewebszellen des Menschen können sich nur etwa 60 Mal teilen, danach ster- ben sie ab. Als Ursache wurden die Telomere, die „Endkappen“

der Chromosomen, identifi- ziert. Diese sich wiederholen- den (repetitiven) DNA-Sequen- zen werden mit jeder Zelltei- lung immer weiter verkürzt, bis keine weitere Mitose mehr möglich ist. Da alle Zellen des Körpers Telomere besitzen, könnte dies eine Erklärung da- für sein, dass unser Leben end- lich ist. Bei bestimmten, sich häufig teilenden Zellen, wie etwa Stammzellen, kann das Enzym Telomerase die Telo- mere jedoch wieder verlängern.

Die Idee: Könnte man die Telo- merase in allen Körperzellen einschalten, würden sie nicht mehr altern. Doch in der Praxis hat diese Theorie einen großen Haken – denn Telomerase ver- hindert auch den program- mierten Zelltod von entarteten

ANTI-AGING

Wir werden zwar immer älter, unsere maximale Lebensspanne scheint jedoch bei etwa 120 Jahren zu liegen. Wissenschaftler arbeiten daran, den Alterungsprozess mit Medikamenten hinauszuzögern.

Länger leben – aber wie?

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Zellen. Die Methode könnte so als schreckliche Nebenwirkung Krebs fördern.

Chronische Entzündungen Seit den 1990er Jahren forscht man vermehrt an chronisch- entzündlichen Prozessen als Ur- sache für das Altern. Danach sollen vor allem niedrigschwel- lige, sehr lang anhaltende Ent- zündungsprozesse für den phy- sischen und kognitiven Verfall verantwortlich sein. Entzün- dungshemmer könnten daher auch als Anti-Aging-Medika- mente wirken.

Signalkaskaden Bestimmte Proteine sind besonders eng mit dem Alterungsprozess ver- knüpft. Sie beeinflussen Signal- kaskaden, die für zelluläre Stoff- wechselprozesse und damit un-

ser Energielevel zuständig sind.

Eine wichtige Rolle bei ihrer Regulation spielen dabei vor allem mTOR (mechanistic tar- get of rapamycin), der insulin- ähnliche Wachstumsfaktor IGF, sowie eine bestimme Gruppe von Enzymen, die Sirtuine. Im Tierversuch zeigte sich: Eine Kalorienreduzierung um 30 Prozent beeinflusst diese Signal- wege derart, dass es zu einer Le- bensverlängerung um 50 Pro- zent kommt. Man geht davon aus, dass die Ergebnisse der Tierversuche zur Kalorienre- duktion prinzipiell auch auf den Menschen übertragbar sind. Jedoch ist es in unserer vom Übergewicht geplagten Gesellschaft schon schwierig, dass Menschen überhaupt ihr Normalgewicht halten. Ihnen eine 30-prozentige Kalorienre-

duktion aufzuerlegen, scheint illusorisch. Daher setzt man auf Medikamente, die diese Wir- kung imitieren können. Zurzeit sind zwei davon im Gespräch:

NMN und Metformin.

Coenzym NAD+ Im Alter sinkt der Spiegel an Nikotin- amid-Adenin-Dinukleotid (NAD+) in unserem Körper.

Dieses Coenzym ist aber für die Sirtuin-Aktivität unabdingbar.

Verabreichte man Mäusen die NAD+-Vorstufe NMN (Nikotin- amidmononukleotid), entwi- ckelten sie weniger Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen, Osteoporose und Morbus Alz- heimer. Nebenwirkungen wur- den nicht beobachtet. Seit 2016 läuft daher in Japan die erste klinische Studie zu NMN als Anti-Aging-Medikament.

Neue Wunderpille? Eine wei- tere Studie mit 3000 Probanden, die seit 2016 in den USA durch- geführt wird, untersucht den Nutzen von Metformin als An- ti-Aging-Medikament. Tierver- suche haben gezeigt, dass es eine Diät imitieren kann, indem es den IGF-Signalweg herunter- regelt und mTOR hemmt. Met- formin beeinflusst zudem ent- zündliche Prozesse positiv und gilt als Radikal fänger. Positive Ergebnisse der NMN- und Met- formin-Studien könnten einen Paradigmenwechsel in der Me- dizin bedeuten. Dann würden wir zukünftig nicht mehr die altersbedingten Krankheiten bekämpfen, sondern in den Al- terungsprozess eingreifen.  n

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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